Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Heute, fast zehn Jahre später, müssen wir feststellen: Das Land Sachsen-Anhalt hat ideologisch geradlinig gehandelt und das 13. Schuljahr eingeführt. Die Länder Thüringen und Sachsen haben ihren Standortvorteil nicht aufgegeben und das Abitur nach zwölf Schuljahren trotz des Kabinettsbeschlusses in Sachsen-Anhalt bewahrt. Länder wie das Saarland, Hamburg, BadenWürttemberg und auch wieder das neue Bundesland Mecklenburg-Vorpommern haben sich auf den Weg begeben, das Regelabitur nach zwölf Schuljahren einzuführen.

Das Land Sachsen-Anhalt wurde politisch in eine Sackgasse geführt. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben anders entschieden und einen klaren Auftrag erteilt. Wir als Regierungskoalition handeln in diesem Sinne konsequent und schnell. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben diesen Auftrag wohl verstanden. Wie anders soll ich die Diskussion hier und heute werten?

Der vorliegende Gesetzentwurf wird das Regelabitur nach zwölf Schuljahren nach einer notwendigen Übergangsphase bei bundesweiter Anerkennung entsprechend der KMK-Beschlüsse im Land Sachsen-Anhalt

möglich machen. Für die Wiedereinführung gilt als selbstverständliche Prämisse, dass die bundesweite Anerkennung des Abiturs an allen Schulen gesichert bleibt.

Ich betone dies, weil die Opposition Anfang dieser Woche, Frau Mittendorf, die integrierten Gesamtschulen zum Menetekel des Gesetzentwurfs aufgeblasen hat. Ich betone „aufgeblasen“; denn es handelt sich um ca. 150 Abiturienten im ganzen Land, die betroffen sind.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Gleichwohl zeigten konstruktive Gespräche mit den drei Schulleitern - drei Schulleitern! -, dass es ganz pragmatische Lösungen für dieses Problem gibt. Für Sie, verehrte Frau Kollegin, mag es sicherlich traurig sein, wenn sich Ihr scheinbar wichtigster Angriffspunkt des Gesetzes in Luft auflöst.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Wenn Sie als Opposition keine weiteren substanziellen Kritikpunkte an diesem Gesetzentwurf finden, so spricht das für diesen Gesetzentwurf.

Die Umstellung des Abiturs erfolgt unter Berücksichtigung der Normen der KMK, deren Diskussion sich in dankenswerterweise Herr Kultusminister Professor Olbertz verpflichtet fühlt. In diesem Zusammenhang ist auch die Entwicklung und Einführung Länder übergreifender Bildungsstandards als modernes Steuerungsinstrument zu sehen. Solche Standards sind Instrumente gerade im föderalen System der Bildungspolitik, aber auch perspektivisch in einem europäischen System. Sie sind notwendig, um Bildungsabschlüsse vergleichbar zu machen und überholte Bewertungen abzulösen. Uns ist dabei schon klar, dass diese zurzeit keine Handlungsgrundlage sind. Aber umso mehr müssen wir Impulse in diese Richtung senden.

Uns geht es bei der Einführung des Regelabiturs nach zwölf Schuljahren nicht nur um eine strukturelle Reform; denn die Aufnahme der Pisa-Diskussion ist mehr. Wir brauchen eine inhaltliche Neuordnung, deren Untersetzung in Rahmenrichtlinien, Lehrplänen und Standards. Um dies pragmatisch umzusetzen und nicht nur im akademischen Raum zu diskutieren, ist auch ein gewisser Zeitrahmen notwendig. Das hat nichts mit einem künstlich erzeugten Zeitdruck zu tun. Wir treffen die Entscheidungen so, dass wir eine Lösung finden, die breit getragen wird und die auch lange Bestand haben muss.

Ab dem kommenden Schuljahr werden wir an den Gymnasien wieder eine 5. Klasse haben und mit der schulformbezogenen Förderstufe trotzdem die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schultypen gewährleisten. Gleichzeitig werden im Jahr 2007 die ersten Gymnasiasten wieder nach zwölf Jahren ihre Reifezeugnisse in den Händen halten, womit dann das Abenteuer der verfehlten Schulpolitik mit 13 Schuljahren in SachsenAnhalt beendet wäre.

Gleichzeitig möchten wir die Chance nutzen, die gymnasiale Oberstufe zu reformieren. Wir müssen die Frage diskutieren, welche Anforderungen das Abitur als allgemeine Hochschulreife erfüllen muss, damit es auch in Zukunft die hinreichende Berechtigung zum Beginn eines jeden Studiums bleibt.

Ich denke, dass insbesondere das Attribut „allgemein“ wieder stärker zu seinem Recht kommen muss. Dies bedeutet: Definition von Kernkompetenzen, die die für ein Studium notwendigen Techniken vermitteln; Festlegung eines Fächerkanons, der bis zum Abitur belegt

werden muss und Gegenstand einer Prüfung ist, und Ankopplung an bundesweite inhaltliche Standards, denen das Abitur entsprechen wird. Ich bin mir bewusst, dass es insbesondere für den dritten Punkt noch einiger Diskussionen in der Kultusministerkonferenz bedarf. Trotzdem halte ich die Festlegung einer einheitlichen Prüfungsanforderung in den Kernfächern für alle Schüler für notwendig.

Der Entwurf ergreift die Möglichkeiten, die Bildungspolitik in unserem Land hat, und verweist die Mär der SPD von der Notwendigkeit der 13 Schuljahre in das Reich der Legenden. Er ist ein Markstein auf dem Weg in eine Bildungslandschaft des 21. Jahrhunderts. Er beseitigt die Sünden der Vergangenheit und eröffnet Möglichkeiten einer weitreichenden und notwendigen Modernisierung unseres Bildungswesens.

Die Modernisierung wäre zum Scheitern verurteilt, wenn wir etwas anderes als das Bildungsziel in den Mittelpunkt unserer schulpolitischen Überlegungen rückten. Gerade die jetzt geführte Diskussion zeigt, dass Strukturen, Inhalte und Rahmen nichts anderes als justierbare Instrumente sind. Diese müssen dem Bildungsziel verpflichtet und untergeordnet werden.

Wir als FDP plädieren für eine Überweisung des Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. - Danke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Damit ist die Debatte abgeschlossen und wir stimmen ab.

Beantragt wurde die Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. Die Mitberatung durch den Finanzausschuss ergibt sich laut unserer Geschäftsordnung von selbst, da der Minister erklärt hat, dass Mehrkosten entstehen würden.

Wer stimmt für die Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft? - Das ist die Mehrheit. - Wer stimmt dagegen? - Wenige Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Eine größere Anzahl von Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung an den Finanzausschuss überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 4 ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Keinen Krieg gegen den Irak

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/193

Alternativantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/258

Einbringer des Antrages ist der Abgeordnete Herr Gärtner. Herr Gärtner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine gute Tradition dieses Parlaments in den

letzten Jahren, sich auch zu relevanten außenpolitischen Fragen zu positionieren, insbesondere dann, wenn es um Krieg und Frieden und damit letztlich um die Zukunft unserer Welt geht. Hier sind alle Parlamente gefragt, ihre Position nach außen zu verdeutlichen und nicht zu schweigen. Ich erinnere an die Tschetschenien-, die Nordirak- und vor allem an die Kosovo-Debatte in diesem Hohen Hause.

Angesichts der brisanten Situation bezüglich eines möglichen Irak-Krieges hat sich die PDS-Fraktion entschlossen, diesen kurzen, aber eindeutigen Antrag in den Landtag einzubringen und um Zustimmung zu werben.

Es macht einem schon Angst, wenn man sich anschaut, in welcher rasanten Geschwindigkeit insbesondere durch die USA und Großbritannien versucht wird, eine weltweite Öffentlichkeit für einen völkerrechtswidrigen Präventivschlag zu gewinnen. Hier wird versucht, auf brutale Art und Weise internationales Recht Stück für Stück außer Kraft zu setzen und zu unterhöhlen.

Mitnichten ist es so, dass dies in den beiden Staaten widerspruchslos hingenommen wird. In Großbritannien protestieren Tausende Menschen gegen ein militärisches Abenteuer im Irak und in den Vereinigten Staaten regt sich mittlerweile auch bei Senatoren und Mitgliedern des Abgeordnetenhauses Widerstand, die genau das befürchten, was ich anfangs beschrieben habe, nämlich die Einführung von militärischen Präventivschlägen als Mittel der Politik.

Was ist seit 1991, seit dem letzten Golfkrieg passiert? - Die mit dem Golfkrieg verbundenen geopolitischen Wunschträume seiner Initiatoren, das Hussein-Regime und seine verbrecherische Politik ins Wanken und zum Abdanken zu bringen, sind selbst nach über zehn Jahren nicht aufgegangen. Die irakische Zivilbevölkerung leidet nicht nur an den Kriegsfolgen, sondern unter einer ungerechten Sanktionspolitik, die zu lebensbedrohlichen Engpässen in der Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung geführt hat. Insbesondere sind Zehntausende Kinder Opfer dieser Politik geworden.

Die Chance auf eine Demokratisierung der irakischen Gesellschaft scheint weiter denn je von konkreter politischer Verwirklichung entfernt. Die Rüstungsexporte, die man dem Irak zu Recht verweigert, gehen in andere Konflikt- und Krisengebiete, zum Beispiel in die Türkei, unvermittelt weiter.

Mit gezielten Indiskretionen gegenüber der Presse bekräftigt die USA-Regierung ihre Absicht, innerhalb der kommenden Monate einen Krieg gegen den Irak zu beginnen. Nunmehr haben das Abgeordnetenhaus und gestern auch der Senat dem Präsidenten eine Vollmacht gegeben, die ihn zu einem Militärschlag ermächtigt, wenn er dem Kongress belegt, dass alle diplomatischen Bemühungen um eine friedliche Entwaffnung des Iraks fehlgeschlagen sind.

Ein weiterer Punkt, der auch in dieser Vollmacht enthalten ist, ist das Ziel, einen Regimewechsel in Bagdad weiter voranzutreiben. Das heißt, es geht nicht nur um die Umsetzung von UN-Resolutionen. Nein, es geht auch in dieser Vollmacht ganz deutlich um das Vernichten und die Entmachtung eines Regimes. Das verstößt eindeutig gegen das Völkerrecht.

Die Bush-Administration rechtfertigt ihre Absicht mit dem Hinweis, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaf

fen und verübe Menschenrechtsverletzungen. Ein Angriff sei mithin als Akt präventiver Selbstverteidigung zu begreifen.

Am 28. April 2002 berichtete die „New York Times“ über die Pläne des Pentagons, im Frühjahr des nächsten Jahres einen Luft- und Bodenangriff zu starten. Am 29. April 2002 war in der „US Today“ zu lesen, dass CIA-Chef George Tenet einen Putsch gegen Saddam Hussein für nicht Erfolg versprechend halte und daher für eine groß angelegte Militäroperation, sprich einen Krieg plädiere.

Dies wird vermutlich deswegen erst im Jahr 2003 stattfinden, weil es einige Zeit in Anspruch nimmt, die Invasion vorzubereiten. Die USA müssen sich erst das nötige diplomatische und militärische Terrain schaffen. Das heißt, sie müssen Verbündete im arabischen Raum finden, die amerikanische Flugzeuge von ihrem Territorium aus starten und landen lassen und Operationsbasen für die US-Truppen bereitstellen.

Der sich immer weiter verschärfende Nahost-Konflikt dürfte der US-Administration zusätzliches Kopfzerbrechen bereiten, da er die Kooperationsbereitschaft der arabischen Staaten alles andere als fördert. Der saudiarabische Kronprinz Abdullah beispielsweise weigert sich weiter hartnäckig, das US-Militär von seinem Territorium aus operieren zu lassen.

Auch den meisten europäischen Regierungschefs dürfte der Gedanke, in einen solchen folgenreichen Krieg hineingezogen zu werden, wenig gefallen, wie wir in den letzten Wochen und Monaten mitbekommen haben. Die Erfahrungen der letzten Jahre begründen jedoch die Annahme, dass sich die europäischen Regierungen letztlich doch zu dem Kriegsabenteuer hinreißen lassen.

Ergo: Erstens. Es gibt keine Beweise dafür, dass von irakischen Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für die USA oder Europa ausgeht. Es gibt nicht einmal den Beweis für ihre Existenz. Wenn die USA auf dieser Basis einen Präventivkrieg führen, ignorieren sie das Völkerrecht, das eine solche Rechtfertigung nicht kennt. Faktisch setzen sie es für die Zukunft außer Kraft und machen sich allein zum Herrn über Krieg und Frieden.

Zweitens. Selbst wenn der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügen sollte, wäre ein Angriff auf den Irak ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, solange dieser niemanden bedroht. Ein solcher Angriff könnte allerdings den Einsatz solcher Waffen provozieren, sofern die irakische Führung welche besitzt und sich bedroht fühlt.

Drittens. Ein groß angelegter Krieg würde zu unzähligen Opfern unter der Zivilbevölkerung und zu einer humanitären Katastrophe führen. Deshalb ist Krieg die falsche Antwort auch auf die unzweifelhaft vorhandene Unterdrückung und die Menschrechtsverletzungen im Irak. Die USA haben keine Pläne dafür, wer dem Regime von Saddam Hussein folgen soll. Ein instabiler Irak könnte einen weiteren Flächenbrand im Nahen Osten nach sich ziehen.

Viertens. Die Kriegspläne der USA unterlaufen den begrüßenswerten Annäherungsprozess zwischen der Arabischen Liga und dem Irak. Sie erschweren die Verhandlungen zwischen dem Irak und den Vereinten Nationen über die wichtige und notwendige Wiederaufnahme der Tätigkeit der UN-Waffeninspekteure zusätzlich und ver

ringern so die Chancen auf eine friedliche Lösung des Konflikts, auch wenn jetzt dazu hoffentlich eine Lösung herbeigeführt worden ist.

Wie verhält sich die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere die Bundesregierung? - Mit starken Worten lehnten Kanzler Schröder und die rot-grüne Koalition vor der Bundestagswahl einen Krieg gegen den Irak und eine deutsche Beteiligung daran ab. Diese Position trug offensichtlich in nicht unerheblichem Maße dazu bei, dass Rot-Grün bei der Wahl gewonnen hat.

Fast war man dabei zu vergessen, dass unter Bundeskanzler Schröder das Tabu deutscher militärischer Auslandseinsätze völlig aufgehoben worden ist. Schröder selbst allerdings untersetzt in einem Zeitungsbeitrag das deutsche militärische Engagement im Ausland stolz durch Zahlen: 1998 habe Deutschland für Auslandseinsätze der Bundeswehr noch 170 Millionen € ausgegeben. In diesem Jahr würden es Mittel in einer Höhe von mehr als 1,7 Milliarden € sein. Zitat:

„Wir haben nach Amerika die meisten Truppen in internationalen Einsätzen - mehr als Frankreich und England.“