Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Bei den Gesprächen, die ich mit den Landräten geführt habe, haben mir alle gesagt, dass ihnen das nicht gefällt und sie gern mehr hätten. Aber wenn es in der jetzigen Notsituation nicht geht, ist die jetzige schon die vernünftigste Lösung.

Ich bin ziemlich sicher, dass wir eine ganze Reihe ähnlicher Kompromissentscheidungen in der nächsten Zeit werden treffen müssen. Ich würde gern auch die Opposition ermuntern, dazu bessere Vorschläge als die zu machen, die wir bisher bekommen haben. Darauf bin ich gespannt.

Was ich bis heute gehört habe, war nur, die Neuverschuldung sei viel zu hoch. Lustig ist immer der Vergleich mit der Situation im Jahr 1994. Damals gab es den Fonds Deutsche Einheit. Man kann den jüngeren Kollegen nicht vorwerfen, dass sie das nicht wissen. Aber wenigstens diejenigen, die damals bereits dabei waren, könnten, wenn sie so ehrlich wären, zugeben, dass sie es wissen.

(Beifall bei der CDU - Minister Herr Dr. Daehre: Ja!)

Sie müssten wissen, dass die Situation damals völlig anders war. Wir waren damals nicht das Land mit der niedrigsten Neuverschuldung. Das waren wir nicht, das weiß ich genau.

(Herr Bullerjahn, SPD: Zum Schluss war es die höchste!)

Wir waren auch nicht das Land mit der höchsten Neuverschuldung. Ich erinnere mich noch an den Brandenburger Finanzminister, der zu mir sagte: Herr Böhmer, ich möchte einmal wissen, wie Sie mit Ihrem Parlament fertig werden. Die Abgeordneten ziehen mich ständig mit der Neuverschuldung in die Höhe.

Ich kann mich an viele Einzelheiten erinnern. Aber das ist eigentlich überhaupt nicht mein Thema. Das gehört zum parlamentarischen Geschäft dazu. Ich will jetzt nicht unbedingt diesbezüglich nachhaken.

Aber eines möchte ich erwähnen: Man kann nicht gleichzeitig die Höhe der Neuverschuldung beklagen und deren Steigerung ablehnen bzw. eine Erhöhung der Investitionsquote fordern und dabei jede Kürzung im konsumtiven Bereich bejammern.

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Sie tun dies öffentlich, nicht nur im Landtag, sondern auch draußen, ohne zu sagen, wo wir das Geld dafür hernehmen sollen. Das ist eine Politik, die Sie - so meine ich - auch in Sachsen-Anhalt nicht allzu lange durchhalten werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist die Sache mit den Elchen!)

Deswegen sage ich zur Versöhnung eines, Herr Kollege Püchel: Wir haben in der Opposition nicht immer alles richtig gemacht. Aber wir haben dazugelernt. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Herr Ministerpräsident, Sie wollten noch eine Frage des Abgeordneten Herrn Gallert beantworten. - Bitte sehr, Herr Gallert.

Herr Ministerpräsident, es geht mir um eine Klarstellung. Sie redeten in ihrem Beitrag über den Rechtsanspruch im Kinderbetreuungsbereich. Dabei verwendeten Sie die Formulierung „Missbrauch sozialer Leistungen“. Ich will von Ihnen wissen, ob in Ihren Augen die Nutzung eines Krippenplatzes - -

(Ach! bei der CDU)

- Nein, genau darum ging es. - Ist die Nutzung eines Krippenplatzes durch Eltern, die nicht beide arbeiten, ein Missbrauch sozialer Leistungen?

(Frau Budde, SPD: Genau!)

Damit für Herrn Gallert diese Frage ein für alle Mal geklärt wird, gebe ich zu Protokoll: Ich bin nicht der Meinung, dass die Nutzung eines Krippenplatzes durch Eltern, die es nicht unbedingt nötig haben, einen Missbrauch darstellt. Ich bin aber der Meinung, dass sie nicht das Recht haben, diese Leistung durch die öffentliche Hand finanziert zu bekommen.

(Starker Beifall bei der CDU - Beifall bei der FDP - Frau Dr. Weiher, PDS: Das ist heute auch nicht so! Das ist falsch!)

Besten Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass mit dem Beitrag der Landesregierung eine neue Runde der Debatte eröffnet wurde. Die Redezeiten wurden auch noch nicht vollständig ausgeschöpft. Der PDS-Fraktion stehen noch fünf Minuten, der SPD-Fraktion drei Minuten und der CDU-Fraktion 18 Minuten Redezeit zu. Die FDPFraktion hat keine Redezeit mehr.

Ich weiß, dass vonseiten der SPD-Fraktion der Wunsch besteht, noch einmal das Wort zu bekommen. Ich frage mit besorgtem Blick auf die Uhr auch die anderen Fraktionen, ob sie die Absicht haben, noch einmal einen Redebeitrag zu halten. - Das ist nicht der Fall.

Herr Bullerjahn, ich erteile Ihnen das Wort und bitte Sie, ihren Beitrag auf fünf Minuten zu beschränken. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Professor Böhmer, ich weiß nicht, warum Sie nach einer relativ sachlichen Debatte am Ende mit einer gewissen Selbstgefälligkeit reagiert haben. Sie haben in einem völlig Recht: Wir haben - ich will mich dabei wirklich nicht ausnehmen - für acht Jahre eine gewisse Verantwortung zu tragen.

Das Ende Ihrer Rede kenne ich von Reinhard Höppner aus den letzten Jahren. Er hat haargenau dasselbe hier im Parlament gesagt. Ich erinnere mich auch an die Reaktion der CDU-Fraktion. - Ich bitte die Kollegen um Verständnis, die zum ersten Mal im Landtag sitzen.

Ich weiß noch, wie bei dem Thema KiBeG Herr Bergner an diesem Pult stand, mit Tränen in den Augen, uns sozialen Kahlschlag vorwarf und sich auf die Seite der Volksinitiative stellte. Ich sehe bei dem Thema Personalabbau noch diejenigen von der CDU vor mir, die sich wegen Einzelinteressen gegen uns gewandt haben.

(Herr Dr. Heyer, SPD: Ja, ja! - Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Ich denke, Herr Böhmer, das gehört zur Wahrheit dazu.

(Herr Scharf, CDU: Lesen Sie das Protokoll! - Zu- ruf von Herrn Schomburg, CDU)

- Ich verstehe nicht, warum. - Genau so, wie wir uns für diese acht Jahre verantwortlich erklären müssen, sollten Sie für die vier Jahre Ihrer Regierung von 1990 bis 1994 die Verantwortung übernehmen. Auch die acht Jahre der Opposition sind nicht spurlos an Ihnen vorbeigegangen.

Herr Scharf, Sie schätze ich wirklich sehr. Ich habe Ihnen immer den Namen „Mister Haushaltswahrheit und -klarheit“ gegeben. Wenn Sie nun allen weismachen wollen, dass es für Sie schon immer etwas Normales war und ist, ist das nicht nachvollziehbar. Eigentlich sind das Peanuts. Aber man muss es einmal sagen: Der Haushaltsplanentwurf liegt nicht gedruckt vor. Heute wird das Haushaltssanierungsgesetz in einer kleinen Drucksache etwas erweitert. Lapidar heißt es, man sollte im Januar eine zweite Lesung durchführen. Es gibt noch zwei, drei Punkte.

(Frau Budde, SPD: Das Kinderbetreuungsgesetz!)

Seien Sie bitte ehrlich. Stellen Sie sich einmal vor, ich hätte so etwas vorgeschlagen. Ein Sturm der Entrüstung wäre von Ihrer Seite gekommen.

(Frau Budde, SPD: Aber heftig! - Herr Scharf, CDU: Das kann ich mir nicht vorstellen!)

- Geben Sie es doch ruhig zu.

(Frau Feußner, CDU: Hört doch endlich damit auf!)

Ich will zur Sachlichkeit zurückkehren. Sie fordern als CDU zu Recht Sachlichkeit ein. Ich bitte Sie, diese Sachlichkeit - das wird sicherlich nach zwei oder drei Jahren nachlassen - auch als Regierung an den Tag zu legen, im Verfahren und in der Sache.

Da muss man nicht tief schauen. Als ich Ihre Vorstellungen zu den Personalkosten gelesen habe, Herr Professor Paqué, ist für mich eines deutlich geworden: Sie müssen aufpassen, dass Sie als Finanzminister nicht sehr schnell Ihren Ruf verlieren, nicht zu dem Minister

werden, bei dem Theorie und Praxis am weitesten auseinander klafft.

Ich habe das gelesen und nachgerechnet. Als ein Reporter von der „Volksstimme“ das tiefer beleuchtete, kam heraus, dass Sie - stellen Sie sich vor, Herr Scharf, wir hätten das getan - den ganzen Block der Personalkosten der beiden Universitäten 1 : 1 stillschweigend in einen Globalhaushalt verschoben haben und nun sagen, Sie hätten die Personalausgaben gekürzt. Wir haben diese Kosten in einem budgetierten Haushalt dargestellt, sodass man erkennen kann, wie viel etwas kostet.

(Frau Mittendorf, SPD: Unverschämt!)

Letztlich kommen Sie nicht umhin, die einzelnen Positionen aufzulisten; denn wir werden das natürlich hinterfragen und uns Stellenpläne, Wirtschaftspläne und Titelgruppen vorlegen lassen. Wenn wir das zusammenrechnen, Herr Professor Paqué, kommt heraus, dass Ihr Personalkonzept teurer ist als das unsere. Das ist auch normal. Wenn Sie Personal abbauen wollen, kostet es am Anfang mehr. Deshalb bitte ich Sie: Verdummen Sie uns nicht, seien Sie ehrlich.

(Herr Schomburg, CDU: Das hat er gesagt!)

Seien Sie ehrlich und sagen Sie nicht, Sie würden die Personalausgaben gegenüber dem Ansatz der Vorgängerregierung um 118 Millionen € kürzen. Im Stillen fügen Sie hinzu: Wenn ihr das nicht findet, seid ihr selber schuld. - Das kann es nicht sein.

(Frau Budde, SPD, lacht)

Wenn ich das höre, kann ich nur sagen - Sie werden sicherlich gleich protestieren -: Ihr Haushalt unterscheidet sich in seinen Strukturen gar nicht so sehr von unserem, weil Sie bei einem solchen Haushalt, wie bei einem Tanker, nicht von heute auf morgen umsteuern können.

(Frau Feußner, CDU: Ich weiß nicht, warum Sie hier vorn stehen und das alles sagen!)

Wir reden hochpolitisch beim KiBeG über 42 Millionen € und beim Thema Kommunalfinanzen allein bei der Kürzung der Quoten über 100 Millionen €. In der Hauptgruppe 6 ist ein Betrag von 4,2 Milliarden € veranschlagt. Erklären Sie mir und den anderen, die hier sitzen, nicht, das sei ein sagenhaftes Umsteuern, für das es nur Ihrer Arbeit bedurfte, weil wir dazu zu blöd gewesen seien.

(Frau Feußner, CDU: Warum stehen Sie immer noch hier vorn?)

Das ist auch ein Punkt, bei dem ich Sie warnen möchte. Ich erinnere mich an eine Aussage von Herrn Bergner. Er sagte: diese Selbstgefälligkeit von Gallert und Bullerjahn im Stil eines ZK. - Das habe ich mir sehr wohl gemerkt.