Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Also Katasterverwaltung: Auf der einen Seite wollen Sie mit dem so genannten Zweiten Investitionserleichterungsgesetz das Katastergesetz tiefgreifend ändern. Viele Vermessungen müssen infolgedessen zukünftig

nicht mehr durchgeführt werden. Damit entfallen Einnahmen für den Landeshaushalt in Größenordnungen. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe erst im Frühjahr bei mir auf dem Grundstück etwas vermessen lassen müssen.

Allerdings haben Sie - jetzt wird es spannend, und ich bin gespannt, was als Antwort kommt - den Einnahmeansatz gegenüber dem Jahr 2002 noch erhöht, von 20,7 Millionen € auf 22 Millionen €. Irgendwie passt das nicht zusammen: Entweder Sie machen das Gesetz, dann sinken die Einnahmen massiv. Oder Sie verzichten auf das Gesetz, dann können Sie die Einnahmen stabil halten oder den Ansatz erhöhen.

Jedenfalls gilt: Mit dem Gesetz würde die Einnahmebasis des Landeshaushaltes geschwächt. Und es gibt noch einen zweiten negativen Effekt: Die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure müssen in Größenordnungen Personal abbauen, weil die Vermessungen entfallen. Auch die Katasterverwaltung muss Personal abbauen. Wie soll das noch mit einem erhöhten Einnahmeansatz zusammenpassen? - Meine Damen und Herren, hoffentlich gibt es nicht noch mehr solche Luftbuchungen in diesem Haushalt.

Nun zu den großen Ausgabeblöcken, zuerst zum Personal.

Lieber Herr Paqué, mir hat sich auch nach Ihrer Rede nur schwer erschlossen, warum Sie das Personal so veranschlagt haben, wie Sie es gemacht haben. Sie haben einen statistischen Durchschnittswert, nämlich 21,6 Stellen pro 1 000 Einwohner, zur Grundlage gemacht und alle Stellen, die darüber liegen, in die Titelgruppe 96 verfrachtet. Dort aber schreiben Sie in den Erläuterungen, dass Sie Untersuchungen zur Personal- und Ablauforganisation erst eingeleitet haben, dass Personalkonzepte erst noch erstellt werden müssen.

Das heißt im Klartext: Sie machen es genau falsch herum. Sie müssen erst die Aufgaben bestimmen und dann die Personalkonzepte erarbeiten. Dann wissen Sie, wie viel Personal Sie brauchen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das heißt nichts anderes, als dass die Titelgruppe 96 völlig wertlos ist. Es handelt sich um bloße Absichtserklärungen, die durch nichts untersetzt sind, außer durch Allgemeinplätze in den Erläuterungen.

Den gleichen Effekt hätten Sie auch durch kw-Vermerke erzielen können. Mir erschließt sich der Unterschied zwischen qualifizierten kw-Vermerken und der Titelgruppe 96 immer noch nicht. Es sei denn, Sie brüten über irgendeiner „Schweinerei“, von der die Betroffenen noch nichts wissen.

(Zurufe von der CDU)

Was wollen Sie damit erreichen? - Erstens. Sie wollen wahrscheinlich den absoluten Willen zum Stellenabbau dokumentieren. Aber das haben Sie ja auch schon in mindestens 15 Zeitungsinterviews getan.

Zweitens. Sie wollen im Ländervergleich gut dastehen, indem Sie so tun, als hätten Sie gleich im ersten Jahr gewaltig Stellen abgebaut. Deshalb auch die Operation mit den Stellen der Universitäten, die jetzt ihr Stellenkontingent nicht mehr belasten, womit Sie dann zum Jahresende 2003 schon 2 300 Stellen im Sack hätten. Das ist alles Murks und bringt keinen Euro.

Ebenso wenig bringt es, dass sie bereits im Haushalt 2003 7 500 Beamtenstellen bei den Lehrern veranschlagt haben. Sie haben doch noch nicht einmal einen Tarifvertrag, geschweige denn ein Verbeamtungskonzept. Und wenn Sie dann Angestellte auf diese Stellen setzen, bringt das, außer Verwirrung, auch nichts. Das gab es in den ersten Jahren schon einmal.

Ganz besonders aufschlussreich, Herr Finanzminister, ist ein Blick in Ihren eigenen Einzelplan. Wir schauen in das Kapitel 04 01 - Ministerium. Stellenabbau: eine einzige Stelle, A 15.

(Oh! bei der SPD)

Wir schauen in das Kapitel 04 05 - Oberfinanzdirektion. Stellenabbau: 71 Stellen. Davon die meisten im mittleren und unteren Vergütungsbereich.

Wir schauen in das Kapitel 04 06 - Finanzämter. Stellenabbau: 137 Stellen. Davon die meisten bei den Schreibkräften und damit in den unteren Vergütungsgruppen.

Ich frage Sie: Ist das sozial? Ist es sozial, wenn sie noch nicht einmal darüber nachdenken, frei werdende Stellen bei Referatsleitern einfach nicht mehr zu besetzen? Ist es sozial, wenn Sie die ganze Last auf diejenigen verteilen, die sowieso nicht viel haben?

Ist das ein zukunftsweisendes Personal- und Strukturkonzept für Behörden, wenn Sie nicht ernsthaft die Zusammenlegung von Abteilungen oder Referaten planen? Diesbezüglich gab es genug Papiere im Haus, die Sie hätten aufgreifen können. Da hätten Sie sparen können. Ist das Ihre Vorstellung von einem ausgewogenen Personalabbau?

Herr Finanzminister, dieses Beispiel zeigt, dass Sie es sich viel zu einfach machen. Diese Art von Personalabbau lehnen wir ab. Hier haben Sie deutlich nachzubessern. Ich glaube, im Verlauf der Beratungen werden wir noch oft genug darüber reden können.

Dass Sie mit dem Haushaltssanierungsgesetz Beamte mit bundesweit wahrscheinlich einmalig komfortablen Regelungen in den vorgezogenen Ruhestand schicken wollen, passt nur zu gut ins Bild. Was passiert denn jetzt? Ältere Beamte, die dieses Instrument nutzen wollen, werden in die RP‘s drängen, weil diese abgebaut werden. Und jüngere Beamte in den RP‘s haben vor dem Instrument des einstweiligen Ruhestands Angst.

Übrigens stellt die Regelung des einstweiligen Ruhestands nicht einfach einen normalen Nachvollzug von Bundesrecht dar, wie man es glauben machen will. Meines Wissens hat es einen solchen Fall noch nie gegeben.

Fangen Sie lieber erst einmal damit an, frei werdende Stellen nicht mehr zu besetzen. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die sich aus natürlichen Altersabgängen ergeben, für Strukturveränderungen. Mit einem Satz: Machen Sie zuerst die Hausaufgaben und denken Sie dann über Weiteres nach.

Und Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, müssen sich auch endlich entscheiden. Einerseits wollen Sie - das haben Sie öffentlich oft genug gesagt - die OstWest-Angleichung der Einkommen bis zum Jahr 2007. Gleichzeitig erwägen Sie aber, aus der Tarifgemeinschaft der Länder auszusteigen und sich der Initiative der Bundesländer anzuschließen, die die einheitliche Beamtenbesoldung aufheben wollen.

Beides passt von der Logistik her nicht zusammen. Oder Sie folgen einer anderen Logik als ich; denn die Differenz zwischen den Einkommen würde sich nach Ihrem Vorgehen mit Sicherheit erhöhen und die Abwanderungstendenzen noch verstärken. Der einzige Weg, den Zeitplan bei der Ost-West-Angleichung einzuhalten, besteht darin, dass Sie darauf hinwirken, dass die allgemeinen Tarifsteigerungen möglichst moderat ausfallen.

Meine Damen und Herren! Wir erwarten, dass der Stellenabbau auf Landesebene sozialverträglich abläuft. Hierfür gibt es viele Möglichkeiten, die Sie konsequent nutzen können. Drohgebärden nach Gutsherrenart in Richtung der Gewerkschaften nach dem Motto: „Je mehr ihr draufsattelt, desto mehr müssen wir entlassen“, helfen allerdings auch nicht viel weiter.

Nehmen Sie die Gewerkschaften mit ins Boot,

(Zustimmung bei der SPD)

machen Sie eine vernünftige Verwaltungsreform und machen Sie den Stellenabbau zu einem gemeinsamen Projekt mit den Beschäftigten. Und achten Sie darauf, dass der Personalabbau nicht nur zulasten der gering verdienenden Frauen in der Verwaltung geht. Das sind die Aufgaben, die Sie jetzt zu erledigen haben. Diese sollten Sie zügig anpacken.

Wenn ich schon einmal beim Personal bin, will ich auch das Thema Polizei kurz ansprechen. Nach dem, was ich dem Entwurf entnehmen konnte, sollen in diesem Bereich 2 300 Stellen nicht nur in der Verwaltung abgebaut werden. Wir hätten auch weiter abgebaut. Unser Ziel war bekannt: weitere 600 Stellen weniger in der Polizeiverwaltung und eine Polizeidichte von endgültig 1 : 340. Sie wollen sogar auf 1 : 365 gehen.

Hätten wir den gleichen Raubbau vorgehabt oder betrieben wie Sie, dann hätten Sie uns und mich als eine Gefahr für die innere Sicherheit in diesem Land bezeichnet. Den Umkehrschluss können Sie jetzt ziehen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Wo Sie wirklich abbauen wollen - ja, Frau Feußner, so ist es -, haben Sie bisher nicht gesagt. Aus der Fläche sollen nach Aussagen meines Nachfolgers keine Vollzugsbeamten abgezogen werden. Auch hier gilt: Sie haben eine Zielzahl und kein Konzept. Zumindest erkenne ich es nicht. Wenn Sie tatsächlich keinen Rückzug aus der Fläche machen wollen, bleibt Ihnen nichts weiter übrig, als das LKA und die Landesbereitschaftspolizei aufzulösen. Das geht aber auch nicht.

Meine Damen und Herren! Bei den Kommunalfinanzen plant die Landesregierung den ganz großen Wurf - leider. Im Jahr 2003 werden die Kommunen 382 Millionen € weniger zur Verfügung haben als im Jahr 2002. Nun will ich gern in Rechnung stellen, dass ein Teil dieser Summe daraus resultiert, dass die Steuerausfälle teilweise an die Kommunen weitergegeben werden müssen. Aber warum halten Sie dann noch an der Absenkung der Verbundquote fest? Das ist vorhin in den Ausführungen von Herrn Paqué irgendwo untergegangen.

Sie sprechen von Steuern, vom Bundesrecht usw. Aber Sie senken gleichzeitig die Verbundquote ab. Das soll untergehen. Sie wussten bei der Aufstellung um die zusätzlichen Steuerausfälle, die die Steuerschätzung gestern amtlich gemacht hat. Und dennoch haben Sie die

Kommunen mit zusätzlich 96 Millionen € belastet. Zusätzlich ist noch in den Fachprogrammen gekürzt worden.

Versprochen, Herr Professor Böhmer, Herr Ministerpräsident, haben Sie in Kenntnis der Haushaltslage im September 2002 vor dem Landkreistag noch etwas anderes und bekamen dafür auch wohlverdienten Beifall. Sie wollten die allgemeinen Zuweisungen zulasten der Fachprogramme erhöhen. Ich betone: erhöhen. Ich saß in der ersten Reihe, ich habe Ihnen genau zugehört.

Ich muss eingestehen, dass ich von Ihren Ausführungen vor dem Landkreistag fast ein wenig beeindruckt war; denn das, was ich mir als Innenminister vorgestellt hatte, eine Erhöhung der allgemeinen Zuweisungen und ein Herunterfahren der Fördertöpfe, wollten Sie jetzt als Ministerpräsident umsetzen. Wir haben es jahrelang probiert und wissen, wie schwierig das ist. Das war ein tolles Ziel. Das hat mir gefallen. Schade, dass es bei den schönen Worten geblieben ist;

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

denn nun haben Sie das genaue Gegenteil getan. Zwei Monate später, Herr Professor Böhmer, vor dem Städte- und Gemeindebund, mussten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister dies zur Kenntnis nehmen. Dort haben Sie den Kommunalpolitikern Folgendes eröffnet: Erstens gibt es durch die Absenkung der Verbundquote Kürzungen im FAG. Zweitens sei es Ihnen nicht gelungen, Umschichtungen zugunsten des FAG vorzunehmen, sorry. Aber dafür soll es, wie wir gehört haben, im nächsten Jahr getan werden. Auf das Konzept im nächsten Jahr bin ich sehr gespannt, Herr Kollege Lukowitz und meine Damen und Herren auf der Regierungsbank.

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Was mich beim Thema Kommunalfinanzen ärgert, ist die Tatsache, dass Sie sich immer noch nicht zu einer echten Kommunalreform bekennen wollen. Ich habe gehört, was Herr Lukowitz gesagt hat. Das war gar nicht so schlecht. Das müsste sich aber einmal herumsprechen. Sprechen Sie mit Ihren Kollegen draußen im Land. Deren Meinung müssten Sie einmal hören. Lesen Sie ruhig einmal nach, was Herr Lukowitz gesagt hat. Das war, wie gesagt, nicht schlecht.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie wollen dieses Land modernisieren. Das haben wir gehört. Sie werfen es mit Ihrer Politik um Jahre zurück. Sie verschenken bewusst und mutwillig Einsparpotenziale und legen den Kommunen gleichzeitig die finanziellen Daumenschrauben an.

(Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

- Sie kommen heute noch an die Reihe, Herr Gürth. Warten Sie doch die Zeit ab!

(Herr Gürth, CDU: Das ist bis heute nicht nach- gewiesen!)

Diese Politik ist zum Schaden unseres Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Immerhin, Herr Ministerpräsident, haben Sie kürzlich eine Kurskorrektur angedeutet. Sie sprachen zwar weiterhin von freiwilligen Zusammenschlüssen, aber auch von Druck, weil Sie eingesehen hätten, dass Freiwilligkeit allein nicht ausreichen wird. Wie dieser Druck aussehen wird, darauf bin ich, darauf sind wir alle gespannt. Dann