Protokoll der Sitzung vom 24.04.2006

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Sitzung fort. Ich bitte Sie, Ihre Plätze wieder einzunehmen. Ich gebe das Ergebnis der Wahl für das Amt des Präsidenten des Landtages bekannt. Laut der mir vorliegenden Wahlniederschrift wurden 95 Stimmen abgegeben. Davon gültige Stimmen: 95. Folglich gab es keine ungültigen Stimmen. Für den Wahlvorschlag stimmten 92 Abgeordnete.

(Starker, langanhaltender Beifall im ganzen Hau- se)

Gegen den Wahlvorschlag stimmten drei Abgeordnete. Es gab keine Stimmenthaltungen.

Wie ich eingangs erläutert habe, ist gemäß Artikel 51 Abs. 1 Satz 1 der Landesverfassung gewählt, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, dass der Abgeordnete Dieter Steinecke zum Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt der fünften Wahlperiode gewählt ist.

Herr Abgeordneter Steinecke, ich frage Sie: Nehmen Sie die Wahl an?

Ich nehme die Wahl an.

Alterpräsident Herr Dr. Fikentscher:

Sehr geehrter Herr Präsident, ich spreche Ihnen zu Ihrer Wahl die Glückwünsche des Hohen Hauses aus. Mögen Sie ein gerechter und auch fürsorglicher Präsident sein, der mit glücklicher Hand die Geschicke dieses Hauses leitet und sein Amt gerecht und zum Wohle des Landes Sachsen-Anhalt wahrnimmt.

Ich bitte Sie nunmehr, Herr Präsident Steinecke, diesen Platz im Präsidium einzunehmen und die Sitzung weiter zu leiten.

(Starker Beifall im ganzen Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sehen einen überwältigten Präsidenten. Ich darf mich ganz herzlich für das mir entgegengebrachte Vertrauen bedanken. Ich glaube, das Wahlergebnis spricht für sich. Dafür bin ich Ihnen außerordentlich dankbar. Der Herr Alterspräsident hat es bereits gesagt und hat mich ermahnt, ein gerechter und fairer Präsident zu sein. Meine Damen und Herren! Davon können Sie ausgehen; so kennen Sie mich. Ich werde auch dafür sorgen, dass es so bleibt. Ich darf mich ganz besonders beim Alterpräsidenten Herrn Dr. Rüdiger Fikentscher bedanken. Sie haben wie immer in exzellenter Form die Sitzung geleitet. Sie sind mein Vorbild.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es geziemt sich und ich bitte auch darum, dass Sie mir ein wenig Ihr Ohr leihen. Ich möchte gerne ein paar Worte an Sie richten. Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Verehrte Gäste! Liebe Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt! Es wird Sie kaum überraschen, dass ich zunächst meinen Dank ausdrücke. Auch wenn es wie eine Plattitüde klingt, danke ich ganz besonders jenen Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrem couragierten Auftreten im Herbst 1989 überhaupt erst die Tür zu Freiheit, Demokratie und Bürgergesellschaft aufgestoßen haben. Daran, meine Damen und Herren, erinnert auch das Bürgerdenkmal vor dem Magdeburger Dom, das keine 300 m von hier entfernt ist.

Danken möchte ich auch denjenigen, die im Herbst 1990 mit dazu beigetragen haben, unser Bundesland neu zu gründen und Sachsen-Anhalt auf eine demokratische Basis zu stellen. Stellvertretend möchte ich an dieser Stelle unseren ersten Landtagspräsidenten Dr. Klaus Keitel nennen, ebenso die leider viel zu früh Verstorbenen Heinz Hildebrandt und Wolfgang Schaefer. Mein Dank gilt aber auch meinem Amtsvorgänger Herrn Professor Dr. Adolf Spotka sowie meinem Vorredner, unserem geschätzten Alterspräsidenten, sowie der geschätzten Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke, die mit ihrer souveränen Art und Sachkenntnis auch hitzige Debatten gut geleitet haben. Herzlichen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Danken möchte natürlich meiner Fraktion, die mich für dieses hohe Amt nominiert hat. Ich bedanke mich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für Ihre Unterstützung und das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich freue mich auf unsere gemeinsame Arbeit in der bereits fünften Legislaturperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt.

Danken möchte ich an dieser Stelle aber auch einmal ganz herzlich unseren Familien. Sie unterstützen uns. Sie halten uns den Rücken frei. Sie machen es erst möglich, dass wir solide arbeiten können. Ich glaube, sie haben einen Beifall verdient.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Professor Spotka hatte an dieser Stelle vor vier Jahren davon gesprochen, dass ein Generationswechsel eingeleitet worden sei. Damals zählte auch ich zu den 52 neuen Abgeordneten. Heute dürfen wir wiederum 32 neue Parlamentarier hier im Saal begrüßen.

Hingegen sind viele der „alten Hasen“ ausgeschieden, darunter zahlreiche Frauen und Männer der ersten Stunde dieses Hohen Hauses, zum Beispiel Herr Curt Becker, Herr Dr. Horst Rehberger, Frau Dr. Rosemarie Hein, Herr Dr. Reinhard Höppner, Herr Karl-Heinz Reck, Herr Dr. Werner Sobetzko und Herr Peter Oleikiewitz. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Die Gründergeneration hat nun das Zepter an die Erben weitergereicht. Der Erhalt und der Ausbau unseres schönen, traditionsreichen Heimatlandes - das soll nun unsere weitere Verpflichtung und Aufgabe sein.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie nicht mit Worten aus der Geschäftsordnung langweilen. Welche Rechte und Pflichten ein Präsident unseres Landtages hat, das wissen Sie wahrscheinlich besser als ich. In den vergangenen Wochen konnte man aber bisweilen den Eindruck gewinnen, dass es manche am nötigen Respekt vor diesem hohen Amt haben fehlen lassen. Aus meiner Sicht muss das Präsidentenamt über alle taktisch-politischen Spielchen erhaben sein.

An diesem Vorsatz, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden Sie meine Amtsführung messen können. Mir liegt daran, dass dieses Hohe Haus weiterhin fest

auf den demokratischen und bürgerschaftlichen Werten unserer Landesverfassung steht. Das umfasst im Übrigen auch den Schutz und die besonderen Rechte der Opposition.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie wohl die meisten der hier Anwesenden war auch ich am 26. März über die geringe Wahlbeteiligung erschrocken. Zwar sieht unsere Verfassung keine Mindestbeteiligung bei Wahlen vor, gleichwohl sollten wir angesichts der Tatsache, dass noch nicht einmal jeder zweite Bürger unseres Landes von seinem vornehmsten Recht, dem Wahlrecht, Gebrauch gemacht hat, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Warum ist das so? Ist es Wahlmüdigkeit, Politikverdrossenheit oder gar Hoffnungslosigkeit? Haben die Menschen zwischen Arendsee und Zeitz das Vertrauen in unsere demokratische Gesellschaft verloren? Oder misstrauen sie nur uns Politikern? - Auch wenn diese Fragen unbequem sind, auch wenn es schmerzt, müssen wir uns dieser Debatte stellen.

Gerade als Landtagsabgeordnete, als gewählte Vertreter unseres Volkes haben wir die Pflicht, unsere Mitmenschen mitzunehmen. Wir dürfen nicht über sie reden, wir als Abgeordnete müssen vielmehr mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen. Oder wie es Martin Luther so schön ausgedrückt hat: Wir müssen den Menschen auf’s Maul schauen. Statt über die Köpfe unserer Bürgerinnen und Bürger hinweg zu entscheiden, müssen wir schon im Vorfeld nach ihren Ideen und nach ihren Sorgen fragen; immer nach dem alten Grundsatz: Wir sind für die Bürgerinnen und Bürger da, nicht umgekehrt. Lassen Sie uns also hier im Landtag gemeinsam um die besten Lösungen ringen.

Ich möchte noch einen Blick auf das Wahlergebnis vom 26. März werfen. Ich möchte den Sachsen-Anhaltern ausdrücklich Dank sagen. Wir dürfen dafür Dank sagen, dass sie nicht auf die platten Sprüche und Hetzparolen der Republikaner und der DVU hereingefallen sind. Ich möchte mir die Schlagzeilen gar nicht ausmalen, die uns bei einem Erfolg dieser Demagogen und Hassprediger überrollt hätten. Trotz vieler Sorgen und mancher Enttäuschungen haben die Menschen in Sachsen-Anhalt mit ihrer Stimmabgabe Reife und wahrhaft bürgerliche Größe bewiesen. Das möchte ich in diesem Hohen Hause ausdrücklich würdigen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall im ganzen Hause)

Dennoch gilt es wachsam zu bleiben; denn die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Pömmelte und in der vergangenen Woche in Potsdam und auch in Magdeburg zeigen, dass wir noch mehr tun müssen, damit alle in der Gesellschaft Toleranz und Achtung der Menschenwürde als Ankerpunkt unseres Zusammenlebens akzeptieren. Wir müssen die Rechtsextremisten konsequent in die Schranken weisen und bei allen Bürgern für unsere demokratischen Grundwerte werben. Das fängt bereits in der Familie, im Kindergarten und in der Schule an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor uns liegen fünf Jahre intensiver Arbeit. Wir stehen vor zahlreichen Herausforderungen. So wird der Landtag die Föderalismusreform umsetzen und zugleich den Landeshaushalt konsolidieren müssen. Trotz erster Erfolge bei der Pisastudie sind sicherlich weitere Reformen im Bildungs

wesen notwendig. Deshalb begrüße ich ausdrücklich die Einrichtung des nun geplanten Bildungskonvents, der sich auch den Fragen des lebenslangen Lernens widmen sollte.

Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir nicht über weltfremde Ideen philosophieren, sondern praktikable Lösungen für die drängenden Aufgaben unserer Zeit finden. Das gilt sowohl für die Nöte der Hochwasseropfer an Elbe und Havel als auch für die schwierige Situation an einigen Schulen. Unsere Firmen beklagen langwierige und bürokratische Entscheidungswege. Unsere Kommunen fordern eine bessere Finanzausstattung. Trotzdem dürfen wir nicht über unsere Verhältnisse leben. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass wir unsere Politik auf das Wohl unseres Landes ausrichten.

Das alles ist wichtig und das alles wird uns in den kommenden Jahren viel Arbeit abverlangen. Doch, meine Damen und Herren, zwei Probleme stehen aus meiner Sicht noch über allen anderen: die verheerende demografische Entwicklung in unserem Land und der Bereich Arbeit.

Nun können wir als Landtag den Menschen sicherlich nicht die Angst vor der Kündigung nehmen oder jedem Bürger eine tolle Karriere versprechen. Aber wir können und müssen gemeinsam mit der Bundespolitik die Rahmenbedingungen so gestalten, dass zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze in unseren Unternehmen geschaffen werden. Es gilt, alles Menschenmögliche zu tun, um die Arbeitslosigkeit bei uns endlich zu verringern.

Aber statt mit dem Finger nur auf die Firmenchefs zu zeigen, müssen wir arbeitsmarktpolitische Programme wie die Magdeburger Alternative umsetzen, damit bei uns in Größenordnungen neue Arbeitsplätze entstehen. Ich appelliere auch an die Verantwortlichen in unseren Unternehmen; denn sie haben den Generalschlüssel für den gemeinsamen Erfolg bei der Schaffung von Arbeitsplätzen in ihren Händen.

Statt allein auf die Neuansiedlung internationaler Großkonzerne zu bauen, müssen wir unsere alteingesessenen Unternehmen pflegen und für ein unternehmerfreundliches Klima in unserem Lande sorgen, damit die Menschen wieder den Mut finden, auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Statt mit immer komplizierteren Gesetzen die Innovationskraft unserer Unternehmen und der Forschung zu gängeln, sollten wir zukunftsweisende Bereiche noch besser und zielgerichteter fördern. Ich nenne als Beispiele die Neurowissenschaften, die Nano- und die Biotechnologie und die erneuerbaren Energien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe Sie heute auf: Lassen Sie uns noch mehr als bisher das Gespräch mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern suchen. Wir sind aufgefordert, die Menschen in SachsenAnhalt bei allen anstehenden Entscheidungen mitzunehmen und die Arbeit unseres Parlamentes noch transparenter zu machen. Lassen Sie uns Lösungen für die drängenden Aufgaben und für die Sorgen und Nöte unserer Zeit finden. Lassen Sie uns über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg zum Wohle unseres Landes und zum Wohle unserer Bürger die Zusammenarbeit suchen. Es lohnt sich allemal, für diese ehrenwerte Ziele fair und konstruktiv zu streiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Herzlichen Dank, meine Damen, dass Sie mir zugehört haben - und natürlich die Herren, entschuldigen Sie. Ich bin so auf die Damen fixiert.

(Heiterkeit im ganzen Hause)

Aber wenn es mehr als 50 % Frauen im Lande gibt, ist das so, dann muss man den Damen mit besonderer Achtung begegnen.

(Beifall im ganzen Hause - Oh! bei der CDU)

Ich vergesse aber auch die Männer nicht.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Wahl der zwei Vizepräsidenten des Landtages

Wahlvorschlag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/5

Wahlvorschlag der Fraktion der SPD - Drs. 5/6

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Artikel 49 Abs. 1 der Landesverfassung wählt der Landtag zwei Vizepräsidenten. § 4 Abs. 2 Satz 2 der wieder in Kraft gesetzten Geschäftsordnung bestimmt, dass die Fraktionen, auf die die zweite und die dritte Höchstzahl entfallen, das Vorschlagsrecht für die Wahl der beiden Vizepräsidenten haben. Das sind die Fraktion der Linkspartei.PDS und die Fraktion der SPD.

Diese Fraktionen haben ihre Vorschläge in der Drs. 5/5 und in der Drs. 5/6 schriftlich vorgelegt. Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat die Abgeordnete Frau Dr. Helga Paschke und die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Dr. Rüdiger Fikentscher vorgeschlagen.

Bevor wir zur Abstimmung über die Wahlvorschläge kommen, möchte ich noch folgende Anmerkungen machen: Gemäß Artikel 51 Abs. 1 Satz 1 der Landesverfassung in Verbindung mit § 4 Abs. 4 der Geschäftsordnung ist gewählt, wer die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereint. Wird das Mitglied des Landtages nicht gewählt, so kann die vorschlagende Fraktion ein anderes Mitglied des Landtags benennen. - Ich glaube, darauf werden wir verzichten können. Das hoffe ich jedenfalls.

Es besteht mit den Fraktionen Einvernehmen darüber, dass auch diese Wahl geheim durchgeführt wird. Die Fraktionen verständigten sich einvernehmlich darauf, zwar getrennte Stimmzettel, die sich farblich unterscheiden, zu verwenden, jedoch die Wahl in einem Wahlgang durchzuführen. Das halte ich für vernünftig.