Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Ich will mit meiner Kritik beim Verhältnis der Kommunalfinanzen und der Landesfinanzen beginnen. Dazu müssen wir erst einmal die Sachverhalte darlegen. Dazu ist von der Landesregierung in den letzten Wochen viel gesagt worden. Der Grundton dabei war: Was regen die sich eigentlich auf? Sie bekommen doch gar nicht weniger Geld.

Dazu muss man sich einmal nicht unsere eigenen Berechnungen, sondern die Pressemeldungen des Finanzministeriums anschauen. Dabei ist es so, dass die Finanzausgleichsmasse, also die Geldsumme, die den

Kommunen zur freien Verfügung bleibt, im Jahr 2007 um 116 Millionen € niedriger sein wird. Das kann man durch einen einfachen Vergleich von zwei Zahlen feststellen.

Die verschiedenen Argumentationen dazu kenne ich auch: Die bekommen das Geld für 2006 doch gar nicht mehr im Jahr 2006, sondern sie bekommen es erst im Jahr 2007; dann könne man es doch dort abrechnen und draufschlagen. - Aber, Leute, wir sind hier nicht bei einer buchhalterischen Diskussion, sondern wir sind dabei, darüber zu diskutieren, wie viel Geld die Kommunen per Gesetz unterm Strich wirklich bekommen. Da sind es eben im Jahr 2007 116 Millionen € weniger.

Dann kommt als Nächstes die Argumentation: Aber sie bekommen doch immer noch mehr als im Jahr 2005 oder 2004. - Dabei sieht man, dass auch das nicht stimmt. Sie bekamen im Jahr 2005 15 Millionen € und im Jahr 2004 noch 24 Millionen € mehr. Also es gibt eine reale Absenkung.

(Herr Tullner, CDU: Das sind Ihre Berechnungen!)

- Das sind eigene Berechnungen, Herr Tullner. Sie stimmen trotzdem.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber zu dem Problem, das dahinter steht: Noch nicht einmal diese Zahlen machen die Dimension des Problems deutlich. Schwerwiegender als ein bloßer Zahlenvergleich ist die Herangehensweise der Landesregierung und letztlich auch der Koalition an die Finanzbeziehungen zwischen Kommunen und Land.

Im Koalitionsvertrag steht noch etwas von Konsolidierungspartnerschaft, von einem gegenseitigen Diskussionsprozess, den man mit den Kommunen aufnehmen will, um eine solche Konsolidierung des Landes und der Kommunen zu erzielen. Aber was macht man dann? - Das Land stellt sich hin und sagt, wir entscheiden jetzt einmal, wie wir die Gesetze zur kommunalen Finanzierung gestalten, weil wir meinen, dass ihr mit dem Geld, das wir euch geben, allemal auskommt.

Aber das hat nichts mit Konsolidierungspartnerschaft zu tun. Das ist ein einseitiges Herangehen. Das ist der Umgang des Gutsherrn mit seinen Angestellten, man könnte auch sagen Leibeigenen, auf seinem Hof.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das ist ein Top-down-Verhältnis und darüber regen sich die kommunalen Spitzenverbände völlig zu Recht auf.

Das eigentliche Problem besteht nämlich darin, dass der gesamte positive Steuereffekt, der im Jahr 2007 eintritt, allein für das Land vereinnahmt wird. Da stellt sich bei den Kommunen natürlich die Frage: Was ist nun mit uns? Haben wir denn keine Anteile an diesen positiven Steuereinnahmen? Haben die Kommunen denn keine Probleme, die sie mit diesem Geld bewältigen könnten? - Natürlich haben sie die auch.

Die Kommunen stecken strukturell in derselben Situation, in der das Land steckt. Sie haben genau dasselbe Problem der Verschuldung. Sie haben genau dasselbe Problem der Konsolidierung. Aber wir als Land sagen: Es tut uns leid, die positiven Steuereffekte kommen in unseren Landeshaushalt, unsere Neuverschuldung wird gesenkt, unsere alten Probleme werden gelöst. Seht mal zu, wie ihr klarkommt!

Dann wundern wir uns darüber, dass die Kommunen den Begriff „Konsolidierungspartnerschaft“ inzwischen

als Bedrohung empfinden. Darüber brauchen wir uns dann nicht mehr zu wundern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Problem kann man so abstrakt darstellen. Aber jetzt ganz konkret: Ich habe gestern mit Vertretern der Stadt Magdeburg darüber diskutiert. Sie sagen: So, Leute, wenn es bei den alten gesetzlichen Grundlagen bliebe, hätten wir einen Konsolidierungszeitraum, in dem wir vielleicht schon im Jahr 2010 oder im Jahr 2011, aber allerspätestens im Jahr 2012 die Haushaltssituation der Stadt Magdeburg bereinigt hätten. Dann hätten wir den Konsolidierungszeitraum abgeschlossen und hätten einen entsprechenden Handlungsspielraum für kommunalpolitische Entscheidungen.

Jetzt gibt es Berechnungen des Beigeordneten für Finanzen in der Stadt Magdeburg. Der hat mit uns gar nichts zu tun. Da müssen Sie eher Herrn Scharf angucken.

(Herr Tullner, CDU: Er ist parteilos!)

- Ja, aber er ist von Ihnen nominiert worden. Das wollen wir doch nicht vergessen, Herr Tullner.

Er sagt: In Ordnung. Wenn ihr dieses Gesetz so ändert, dann wird der Abschluss unseres Konsolidierungszeitraums irgendwann nach dem Jahr 2020 liegen. Das heißt, durch diese gesetzlichen Grundlagen, die jetzt durch das Haushaltsbegleitgesetz geschaffen werden, verlängert sich der Konsolidierungszeitraum in der Stadt Magdeburg von fünf Jahren auf mindestens 15 Jahre. - Das machen wir heute einfach mal so. Das ist im Grunde das, was dahinter steht.

Wir haben nachher unter Tagesordnungspunkt 13 noch eine interessante, vielleicht auch keine Diskussion. Aber dort steht etwas vom Landesrechnungshofpräsidenten. Der regt sich nicht ganz zu Unrecht darüber auf, dass die Stadt Magdeburg innerhalb der Haushaltskonsolidierungsphase eine neue freiwillige Aufgabe übernommen hat. Ich sage jetzt nicht, welche es ist.

(Heiterkeit)

Der eine oder andere wird es vielleicht wissen. Der Präsident des Landesrechnungshofes sagt im Grunde: Wenn die Leute ihre Haushaltskonsolidierung ernst nehmen, bedeutet das, dass sie in dieser Phase keine neuen freiwilligen Aufgaben übernehmen dürfen. - Wenn ich diese Argumentation ernst nehme, bedeutet das, dass die Stadt Magdeburg bis zum Jahr 2020 oder bis zum Jahr 2023 keine neuen freiwilligen Aufgaben zu übernehmen hat.

Dazu sage ich ausdrücklich: Nein! Wenn es so ist, dass wir, weil wir das machen, die Musterschüler in der Frage Neuverschuldung sind, dann sage ich ausdrücklich: Ein solcher Musterschüler will ich nicht sein. Das ist die falsche Politik des Landes gegenüber den Kommunen und sie wird nachhaltig Schaden anrichten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Konsolidierung in den Kommunen bedeutet unter solchen Rahmenbedingungen Abbau von öffentlicher Daseinsvorsorge, Abbau von Lebensqualität und Sozialstaat. Das verlängern wir schnell einmal um zehn Jahre.

Dazu sage ich, dass die Stadt Magdeburg diesbezüglich nicht allein steht. Schauen wir uns einmal die finanzielle Situation der beiden anderen Oberzentren Halle und Dessau an. Dazu muss ich nicht viel sagen. Im Jahr

2007 wird noch genau ein Landkreis im Lande einen ausgeglichenen Haushalt haben. Wir wissen, dass es in fast allen Mittelzentren und auch bei den meisten Grundzentren ähnlich aussieht. Das ist die Situation. Das ist auch das Ergebnis dieser Haushaltsvorlage.

Darüber hinaus halten wir diese Kürzungen vor dem Hintergrund des einschlägigen Urteils des Thüringer Verfassungsgerichtes zur kommunalen Finanzausstattung für in höchstem Maße bedenklich. Selbst im Koalitionsvertrag steht noch, dass man erst einmal sehen will, wie das mit der kommunalen Finanzausstattung ist, und dass man erst einmal entsprechende Daten bezüglich der Aufgaben erheben will. Es geht nämlich um staatliche Aufgaben. Es geht um Aufgaben, die die Kommunen vom Bund und auch vom Land übertragen bekommen haben, die sie mit diesem Geld sozusagen erledigen sollen. Das müssen wir erst einmal analysieren und dann können wir in diese Konsolidierungspartnerschaft einsteigen.

Aber was machen wir jetzt? - Wir schneiden erst einmal ab und messen später. Mal sehen, was dabei herauskommt. Das kann selbstverständlich von uns nicht mitgetragen werden. Ein solches Vorgehen ist politisch falsch und kurzsichtig.

Eine weitere wichtige Aufgabe, die im Jahr 2007 vor uns steht, ist die Stärkung der Hochschulen des Landes sowohl unter dem Gesichtspunkt langfristiger sozialer und ökonomischer Anforderungen als auch unter dem Aspekt ihres Beitrages zu einem positiven Wanderungssaldo gerade bei den jungen Menschen in Sachsen-Anhalt.

Dabei steht im nächsten Jahr eine zentrale Aufgabe. Das ist die Absicherung des doppelten Abiturjahrgangs. Dazu sage ich ausdrücklich: In diesem Bereich macht der Haushalt inzwischen etwas, aber in der Dimension viel, viel zu wenig.

(Herr Tullner, CDU: Also Mehrausgaben!)

- Ja, natürlich Mehrausgaben, die man übrigens sehr wohl innerhalb dieses Landeshaushalts über Einsparungsmöglichkeiten refinanzieren kann. Das ist wirklich interessant. Wir haben solche Einsparungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Um 30 Millionen € ging es dabei.

(Herr Scharf, CDU: Sie reden schon eine halbe Stunde lang über Mehrausgaben!)

- Eine halbe Stunde lang rede ich noch nicht, das sehe ich an meiner Zeit. - Wir haben also Einsparungsmöglichkeiten für 30 Millionen € vorgeschlagen. Deren Übernahme in den Haushaltsplan war nicht möglich. Am Ende der Bereinigungssitzung aber kommt die Koalition mit einer globalen Minderausgabe von 28 Millionen €. Das ist auf einmal möglich.

(Widerspruch bei der CDU)

Dazu sage ich: Natürlich war das auch vorher möglich, aber da wollte man es nicht machen, weil dieser Vorschlag von der Opposition kam und natürlich etwas mit den Hochschulen in diesem Land zu tun hatte.

(Herr Scharf, CDU: Diese Sache war eine Luft- nummer!)

Jetzt haben wir bei den Hochschulen folgende Situation: Diese haben aus der letzten Legislaturperiode die zehnprozentige Kürzung ihrer Budgets zu verkraften. Das schlägt vor allen Dingen im Jahr 2008 durch. Der Kolle

ge Pollmann von der Uni Magdeburg bezeichnet das Jahr 2008 als das Horrorjahr für die Hochschulen. Er hat einen lateinischen Begriff verwendet. Ich verwende ihn lieber nicht, eventuell reflektiere ich ihn falsch.

Genau in einer solchen Situation sagen wir den Hochschulen: Kümmert euch um den doppelten Abiturjahrgang! - Dazu sagen die Hochschulen: Unter diesen Bedingungen ist eine Kapazitätserweiterung für uns überhaupt nicht möglich, das geht gar nicht.

Darauf hat man - siehe da! - in den Haushaltsberatungen tatsächlich reagiert und für die Jahre 2008 und 2009 1,5 Millionen € VE eingestellt, also Verpflichtungsermächtigungen, die den Hochschulen zugute kommen sollen. Man sagt: Ja, das Geld bekommt ihr. Macht mal schon im Jahr 2007 entsprechende Angebote, damit die jungen Menschen, wenn sie ihr Abitur gemacht haben, auch die Hochschulen bei uns besuchen können.

Nun sage ich ausdrücklich: Auch wir wissen, dass die 8 000 Abiturienten nicht alle zusätzlich bei unseren Hochschulen landen werden; das ist ganz klar. Aber wenn wir unsere Diskussionen über Demografie, über Abwanderung und über die Wissensgesellschaft wirklich ernst nehmen, dann muss es doch wohl unser politisches Ziel sein, so vielen wie möglich von ihnen genau ein solches Angebot zu unterbreiten. Wenn wir das nicht tun, dann laden wir uns Kosten für dieses Land auf, die wir später nicht mehr bezahlen können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Jetzt gucken wir uns einmal an, was da passiert ist. Dazu gibt es verschiedene Berechungen. Ein Studienplatz kostet je nach Berechnung im Durchschnitt - Mediziner kosten 23 000 €, die Geisteswissenschaftler sind mit 2 000 € ganz besonders billig - zwischen 4 000 € und 6 000 € im Jahr. Jetzt nehmen wir einmal nicht die 4 000 € bis 6 000 € im Jahr, sondern sagen, die müssen keine neuen Hörsäle bauen, die versuchen, diesen Aufwuchs an Bewerbern kurzfristig über besondere Zusatzangebote abzufangen; nehmen wir einmal nur die Hälfte. Dann wären wir bei 2 000 € bis 3 000 €.

Jetzt gucken wir, was man mit 1,5 Millionen € machen kann. Man kann 500 bis 750 neue Studienplätze anbieten. Das sind weniger als 10 % dessen, was an zusätzlichen Abiturienten im Jahr 2007 die Schulen verlässt, und das vor dem Hintergrund, dass etwa zwei Drittel der Studenten an unseren Hochschulen aus Sachsen-Anhalt kommen. Also haben wir eine relativ hohe Rate von Abiturienten, die erst einmal versuchen, hier zu studieren. Angesichts dessen sage ich ausdrücklich: Liebe Kollegen, diese Einsparung wird uns teuer zu stehen kommen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)