Woran liegt denn das? - Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Eichel’schen Reformgesetze für die Unternehmenssteuern, die 1999/2000 verabschiedet worden sind und die einen radikalen Einbruch in diesem Bereich nicht nur für Sachsen-Anhalt, sondern für die ganze Bundesrepublik zur Folge gehabt haben, in ihren Wirkungen jetzt langsam nachlassen.
Nun ist es nach wie vor so, dass man in Deutschland eines machen kann: Man kann Unternehmensgewinne ohne Probleme in das Ausland transferieren. Aber alle anderen Steuervermeidungsstrategien, die Eichel damals eröffnet hat, stopfen jetzt langsam zu. Daher kommt das Geld. Daher kommen übrigens auch die höheren Gewerbesteuereinnahmen im Bereich der Gemeinden und auch der Landkreise, die daran zwar keinen direkten Anteil haben, aber doch daran partizipieren.
Diese Situation kann einen durchaus optimistisch stimmen; aber wir haben ein Problem. Schauen wir einmal
kurz nach Berlin, was passiert. In dem Augenblick, in dem die Unternehmenssteuern wieder anziehen, weil die Eichel’schen Steuergesetze ihre Wirkung verlieren, haben wir sofort die Diskussion über eine neue Reform der Unternehmenssteuern.
Die SPD hat, als sie in die Bundesregierung gegangen ist, noch darüber diskutiert, dass die Unternehmenssteuerreform aufkommensneutral sein soll. Davon spricht inzwischen niemand mehr. 5 Milliarden € - dort ist sozusagen schon einmal der Sockel angelegt worden und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es mehr.
Wir kennen die alte Argumentation: Wir senken die Unternehmenssteuern, dann geht es der Wirtschaft wieder besser. Dann frage ich: Warum geht es der denn jetzt so gut? - Dann senken wir die Unternehmenssteuern und dann kommt wieder mehr rein. - Dazu sage ich: Das war genau die Argumentation des Kollegen Eichel. Das war genau die Argumentation der rot-grünen Bundesregierung.
Was ist passiert? - Katastrophale Situation für die öffentlichen Haushalte, keinerlei Belebung der Wirtschaft aus dieser Situation heraus. Deshalb sage ich: Dieser Faktor der positiven Steuerentwicklung wird durch die anstehende Steuerreform der Bundesregierung im Unternehmenssteuerbereich möglicherweise wieder abgewürgt. Dann ist er weg. Das ist eine sehr gefährliche Situation. Dies widerspricht auch ausdrücklich den Interessen des Landes Sachsen-Anhalt.
Ich hatte es von meiner Zeit her eingeplant, Herr Böhmer. Das hätten Sie machen können. Aber es ist in Ordnung so.
Nunmehr haben wir die Situation, dass die Unternehmenssteuerreform auch noch zeitgleich mit der Umsetzung des bereits gefassten Beschlusses über die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte diskutiert wird; denn man muss die möglichen Ausfälle, die man auf der einen Seite hat, natürlich wieder ausgleichen. Dazu sage ich sehr deutlich: Jawohl, das hat eine soziale Schieflage. Das hat ausdrücklich eine soziale Schieflage. Dass die Kollegen der SPD dies zum größten Teil bis vor Kurzem auch noch so gesehen haben, jetzt aber offensichtlich nicht mehr, macht einen zwar traurig, ändert aber an der Sache nichts.
Es gibt einen weiteren positiven Aspekt bei diesem Haushalt: Auch die Steuereinnahmen aus dem Bereich des privaten Konsums fangen langsam an, sich zu konsolidieren, und sie werden im Jahr 2007 steigen.
An dieser Stelle dürfte auch der eingefleischteste neoliberale Finanzpolitiker erkennen, dass wir ausreichende Steuereinnahmen für die öffentliche Hand nur dann bekommen, wenn auch in diesem Bereich endlich eine Konsolidierung erfolgt, wenn die Menschen wieder Geld haben, das sie ausgeben können, damit einen wirtschaftlichen Effekt erzielen und gleichzeitig Umsatzsteuer in
die Kassen spülen bzw. wenn wir über diesen Nachfrageaspekt dann auch endlich eine Belebung des Arbeitsmarktes erfahren, der für die sozialen Sicherungssysteme genauso notwendig ist wie für die Lohnsteuerentwicklung in unseren Haushalten. Das ist der entscheidend neue Aspekt, mit dem wir es hierbei zu tun haben.
Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder die Diskussion: Zu hohe Löhne werden uns im Bereich der Exportfähigkeit treffen und uns daran hindern, im Export entsprechende Gewinne zu erzielen. Dazu sage ich ausdrücklich - das weiß jeder Ökonom -: Exportweltmeister waren wir in den letzten Jahren immer. Wir hatten hervorragende Wachstumsraten im Export. Wir hatten nur ein Problem: Es hat uns im Inland nichts genützt. Trotz Exportweltmeister steigende Arbeitslosigkeit, trotz Exportweltmeister sinkende Steuereinnahmen. Das ist die Situation.
Jetzt haben wir eine andere Situation. Jetzt haben wir eine leicht anziehende Binnenkonjunktur. Diese Binnennachfrage ist im Grunde genommen das, was jetzt den positiven Aspekt ausmacht.
Ich meine, die Politik muss, wenn sie nachhaltig sein will, diesen positiven Aspekt verstärken. Sie darf ihn nicht gefährden.
- Wir reden zurzeit über die Einnahmen, die Ihnen die Probleme abgenommen haben. Die Einnahmen brauchen wir auch in den nächsten Jahren. Darüber reden wir.
Bedrohlich wirken dagegen die Analysen, die das Realeinkommen der Arbeitnehmer im Verlauf der letzten 15 Jahre unter Berücksichtigung der Inflation in Deutschland betreffen. Die ergeben etwas völlig anderes. Die ergeben, dass in den letzten 15 Jahren die Realeinkommen der Arbeitnehmer in diesem Land um 0,9 % gesunken sind. In wirtschaftlich erfolgreichen Ländern sind sie im gleichen Zeitraum um 25 % und im europäischen Durchschnitt etwa um 10 % gestiegen. Das ist das Problem.
Nun kann man fragen, was eigentlich passiert ist; denn die Leute haben nicht mehr Geld, aber sie geben mehr aus. Wir haben erst einmal eine Situation, die damit zu erklären ist, dass es einen gewissen Vorzieheffekt gibt. Aufgrund der 19-prozentigen Mehrwertsteuer im nächsten Jahr versuchen die Menschen, zumindest größere Anschaffungen jetzt schon zu tätigen. Es gibt auch eine gewisse Hoffnung auf eine höhere Zukunftssicherheit aufgrund der Entwicklung am Arbeitsmarkt. Nur, mehr Geld haben die Menschen bisher nicht in den Taschen. Wenn das auch im nächsten Jahr nicht der Fall sein wird, fällt die gesamte Entwicklung wieder in sich zusammen.
Deshalb ist es eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Entwicklung der Steuereinnahmen in der Bundesrepublik und für die Konsolidierung
des Landeshaushaltes, Herr Finanzminister, dass es eine positive Lohnentwicklung für die Menschen gibt, dass die Entwicklung, die wir jetzt im Jahr 2006 konstatieren können, sich auf Dauer fortsetzt. Das ist das entscheidende auch finanzpolitische Argument, mit dem wir hier in die Debatte einsteigen.
Nun konnten wir in den letzten Tagen hören, dass diese Position auch von Vertretern der Bundesregierung geteilt wird, allerdings nicht von allen, sondern meist von denjenigen, die der SPD angehören. Das Problem besteht aber darin, dass sich die Arbeitnehmer von dem Argument allein noch nichts kaufen können; denn zu sagen, versucht einmal, mehr Geld zu bekommen, aber es ist eure Angelegenheit, dies bei den Tarifpartnern zu erwirken, ist ein nett gemeinter Hinweis, hilft den Leuten aber nicht.
Wenn man diese Entwicklung realisieren will, dann muss man etwas anderes tun. Dann muss man auch die politischen Rahmenbedingungen für die Lohnentwicklung schaffen.
Das ist der gesetzliche Mindestlohn. Damit hat man die Chance, den Menschen, die Arbeit haben, ein Leben in Würde zu garantieren. Damit hat man auch die Chance, die Lohnspirale nach unten aufzuhalten.
Nun finde ich es immer gut, wenn insbesondere die Kollegen von der SPD alle dafür sind, aber nichts tun wollen, nach dem Motto: Wir finden den Mindestlohn gut, aber wir schauen einmal, ob es vielleicht auch ohne geht. Dann schauen wir einmal fünf oder sechs Jahre lang zu, vielleicht passiert es ja dann doch irgendwann. - Nur, die Mechanismen der Tarifentwicklung, die wir bisher haben, haben in den letzten zehn Jahren nicht funktioniert. Warum sollen sie denn jetzt auf einmal funktionieren? Wenn man das Problem wirklich angehen will, dann muss man dafür auch etwas tun.
- Ja, klar. Herr Gürth, außerdem musste ich mir noch ein bisschen Zeit für Ihre Zwischenfragen aufsparen. Offenbar werden Ihre Funktionszulagen gestrichen, wenn Sie mir die Fragen nicht stellen. Deshalb habe ich mir das aufgehoben.
Diese neuen Entwicklungen und neuen Erkenntnisse müssen dann jedoch auch auf das Verhalten der Landesregierung übertragen werden. Es gibt zumindest einen Bereich, in dem die Landesregierung ihre Verantwortung nicht auf die Tarifpartner abwälzen kann, sondern originär politisch aktiv sein muss, und zwar in der Frage der Beamtenbesoldung. Es gibt eine einfache Möglichkeit und ein einfaches Zeichen.
Die Beamtenbesoldung war traditionell an die Entwicklung der Einkommen der Angestellten angedockt. Jetzt gibt es diesbezüglich insbesondere vor dem Hintergrund der knappen öffentlichen Kassen immer mehr Probleme. Die Beamten haben viele Einkommensbestandteile, die die Angestellten aufgrund ihrer Tarifautonomie noch erringen können, schon nicht mehr.
Es gab unter anderem die Möglichkeit, den Beamten im Jahr 2006 eine Einmalzahlung in Höhe von 630 € adäquat zur Einmalzahlung im Angestelltenbereich zukommen zu lassen. Das Geld war sogar da. Aber die Landesregierung hat beschlossen, es nicht auszuzahlen.
Für das Jahr 2007 haben wir dieselbe Situation. Die Mittel in Höhe von ca. 15 Millionen € sind dafür ebenfalls eingeplant worden. Aber wir wissen natürlich nicht, ob sich die Landesregierung irgendwann entschließen wird, einen entsprechenden Gesetzentwurf einzubringen.
Die Beamten, die es betrifft, haben ein Recht darauf zu erfahren, was mit den 15 Millionen € werden soll. Bleiben die nachher wieder in der Schublade oder werden sie im Sinne von Einmalzahlungen an die Beamten ausgezahlt?
Deshalb haben wir gesagt, da können wir Klarheit schaffen. Wir haben heute einen entsprechenden Entschließungsantrag gestellt, allerdings ein bisschen trickreich; den kann man nämlich nicht in die Ausschüsse überweisen. Im Rahmen dieses Entschließungsantrages werden wir Sie jetzt fragen, liebe Abgeordnete: Sind Sie dafür, dass die Landesregierung im nächsten Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt, oder nicht? Dann können Sie mit Ja oder Nein stimmen, und die Beamten in diesem Land wissen, woran sie sind.
Zu der Frage der längerfristigen finanziellen Entwicklung und Haushaltskonsolidierung lässt sich zusammenfassend sagen: Ohne eine Steigerung der Arbeitnehmerentgelte und die nachhaltige Besteuerung der Unternehmen wird die positive Entwicklung im Bereich der Steuereinnahmen des Landes nicht nachhaltig und damit auch eine langfristige Konsolidierung des Haushalts nicht möglich sein.
Schauen wir uns nun den Haushaltsplan 2007 an und analysieren wir, was das Land Sachsen-Anhalt aus dieser ausgesprochen positiven finanziellen Situation macht. Welche gesellschaftlichen Aufgaben und Probleme werden angepackt, worauf konzentriert man sich?
Die Antwort auf diese Frage fällt relativ leicht: Es gibt nur ein einziges Problem, auf das man sich konzentriert; das ist die Frage der Neuverschuldung. Alle anderen Dinge werden in diesem Haushalt nicht berücksichtigt. Es gibt keine einzige wirkliche politische Weichenstellung, die von den Jahren vorher abweicht, die in irgendeiner Art und Weise versucht, auf die Probleme in diesem Land zu reagieren. Ich werde das an drei Beispielen - es können leider nur Beispiele sein - erläutern.
Ich will mit meiner Kritik beim Verhältnis der Kommunalfinanzen und der Landesfinanzen beginnen. Dazu müssen wir erst einmal die Sachverhalte darlegen. Dazu ist von der Landesregierung in den letzten Wochen viel gesagt worden. Der Grundton dabei war: Was regen die sich eigentlich auf? Sie bekommen doch gar nicht weniger Geld.