Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Laut dem Bundesarbeitsministerium ist bereits ein Deckungsvermerk über ca. 1 Milliarde € im Bundeshaushalt ausgebracht worden, um erhöhte aktive Leistungen zulasten der passiven Leistungen finanzieren zu können. Voraussetzung dafür ist eine transparente Führung des Nachweises über die eingesparten passiven Leistungen im Bereich des Arbeitslosengeldes II und die Kosten der Unterkunft über ein entsprechendes Monitoringsystem. Der Bund legt dabei Wert darauf, dass auch die bei den Kommunen eingesparten Leistungen im Bereich der Kosten der Unterkunft aktiviert werden.

Zu Frage 2: Wann wird die Landesregierung die vom Ministerpräsidenten angekündigte Bundesratsinitiative in den Bundesrat einbringen und wie schätzt die Landesregierung die Erfolgsaussichten einer solchen Initiative ein?

Die Antwort lautet: Eine Bundesratsinitiative ist aus den genannten Gründen unter Berücksichtigung des momentanen Umsetzungsstandes des Modells „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt aufgrund der derzeitigen Vereinbarungen mit dem Bundesarbeitsministerium nicht notwendig. Aus den bereits genannten Gründen ist für das Land Sachsen-Anhalt zunächst auf untergesetzliche Regelungen zur weiteren Finanzierung der Projekte abzustellen. Dies ist uneingeschränkt möglich bis zu der genannten Summe in Höhe von 1 Milliarde €, die im Land Sachsen-Anhalt aber ohnehin nicht relevant ist, weil sie schlicht und einfach nicht ausgeschöpft werden kann.

Da auf der Bundesebene bereits über verschiedene Modelle zur Verbesserung der Situation von Langzeitarbeitslosen mit besonderen Vermittlungshemmnissen diskutiert wird, werden die Ansätze des Modellprojekts „Bürgerarbeit“ in die verschiedenen Gremien auf der Bundesebene eingebracht.

Die Zukunft des Modells „Bürgerarbeit“ wird auf Dauer nicht ohne Berücksichtigung der weiteren Entwicklung auf der Bundesebene zu gestalten sein. Allerdings beabsichtigt das Bundesarbeitsministerium, auf der Basis der Daten der Bürgerarbeit nach der Sommerpause zwei Gesetzesänderungen in unserem Sinne vorzunehmen:

Erstens soll im SGB III eine Entfristung der ABM-Möglichkeiten vorgenommen werden.

Zweitens soll in § 16 SGB II die so genannte Arbeitsgelegenheit nach der Entgeltvariante, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist, bezüglich der Arbeitslosenversicherungsbeiträge verändert werden. Das heißt, auf der Basis der Erfahrungen mit der Bürgerarbeit sollen diese Arbeitslosenversicherungsanteile eliminiert werden. Damit wäre dieses Instrument der Arbeitsgelegenheit nach der Entgeltvariante uneingeschränkt bürgerarbeitskonform. Somit wäre auch das Instrumentarium für einen längerfristigen Einsatz dieses Modells gegeben.

Mit den genannten Finanzierungsvorschlägen des Bundesarbeitsministeriums sind wir in diesem Jahr voll handlungsfähig. - Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Frau Dirlich. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Ja.

Frau Dirlich, Sie haben das Wort. Bitte.

Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, dass der Deckungsvermerk, der gegenwärtig im Bundeshaushalt ausgebracht ist, nicht einseitig ist? Unsere Information ging bisher dahin, dass es ein einseitiger Deckungsvermerk ist, dass also Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Richtung passive Leistungen umgeschichtet werden können, wenn die Mittel für passive Leistungen nicht ausreichen. Daher rührt auch unsere Frage. Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, ist unsere Information falsch und dieser Deckungsvermerk ist nicht einseitig. Trifft das zu?

Die Möglichkeit der unbegrenzten Deckung aus den Mitteln für aktive Leistungen zugunsten der passiven Leistungen ist im Haushaltsgesetz verankert. In umgekehrter Richtung ist ebenfalls eine Deckung möglich, allerdings limitiert auf einen Betrag bis zu 1 Milliarde €. Das heißt, klar nachgewiesene Leistungen bzw. Summen bis zu 1 Milliarde €, die im Rahmen der Aktivierung von Arbeitslosen auf der passiven Seite eingespart werden, können im Rahmen der ganz normalen Umbuchungsprozeduren durch das Bundesarbeitsministerium wieder aktiviert werden.

Dazu ist vom Bundesarbeitsministerium ein konkretes Protokoll erstellt worden. Dieses kann ich Ihnen gern zur Verfügung stellen; denn dieses wird für die nächsten Wochen und Monate unsere Arbeitsgrundlage sein.

Unsere Hausaufgabe besteht darin, in Sachsen-Anhalt dieses Controllingsystem aufzustellen. Das klingt komplizierter, als es ist. Es ist schlicht und einfach die individuelle Verfolgung der Finanzströme, was die einzelnen Personen anbelangt. Dabei geht es etwa darum: Was ist zu Zeiten der Arbeitslosigkeit gezahlt worden und was ist nach der Aktivierung an finanziellen Aufwendungen notwendig?

Ist dieser monokausale Zusammenhang klar darstellbar und finanziell ausweisbar, dann ist eine Anmeldung bei Auslaufen bzw. bei komplettem Verbrauch des Eingliederungstitels durch das Bundesarbeitsministerium in Richtung der Aktivierungsleistungen möglich. Wir haben also für unser Modellprojekt in Sachsen-Anhalt haushaltsrechtlich erst einmal keine Restriktionen zu erwarten.

Vielen Dank, Herr Minister.

Ich rufe die Frage 3 auf. Sie wird von der Abgeordneten Angelika Hunger von der Linkspartei.PDS gestellt und betrifft den Kohleabbau in der Egelner Mulde. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Seit die Mibrag ihr Interesse an der Ausbeutung des Kohlevorkommens in der Egelner Mulde öffentlich ge

macht hat, gibt es in der Region heftigen Widerstand gegen dieses Vorhaben.

Mehrere Mitglieder der Landesregierung haben sich mit sehr unterschiedlichen Positionen zu dem Vorhaben geäußert, was zu einigen Irritationen geführt hat.

Ich frage die Landesregierung:

1. Kann man aus den jüngsten Äußerungen des für Raumordnung zuständigen Ministers in der „Volksstimme“ vom 9. Februar 2007 schlussfolgern, dass sich die Landesregierung bereits auf eine Ablehnung des Tagebaus festgelegt hat?

2. Hat das Bergbauunternehmen bereits einen Antrag auf Aufsuchung des Bodenschatzes gestellt? Wenn ja, wie wurde er beschieden?

Für die Landesregierung antwortet der Minister für Wirtschaft und Arbeit Herr Haseloff - so steht es zumindest bei mir. Es wird jetzt jedoch Herr Minister Dr. Daehre antworten. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Frage der Abgeordneten Angelika Hunger eingehe, sei Folgendes vorausgeschickt: Im derzeit geltenden Landesentwicklungsplan des Landes Sachsen-Anhalt sind im Bereich der Egelner Mulde Vorrangfestlegungen für den Hochwasserschutz sowie Vorbehaltsfestlegungen für die Landwirtschaft enthalten. Vorbehaltsfestlegung für die Landwirtschaft bedeutet, dass bei allen Planungen und Maßnahmen in diesem Bereich die Belange der Landwirtschaft mit hoher Priorität in die Abwägungen einfließen müssen.

Der im Entwurf vorliegende Regionale Entwicklungsplan für die Planungsregion Harz greift dieses für den Bereich der Egelner Mulde auf und sieht ebenfalls Vorrang- und Vorbehaltsfestlegungen für den Hochwasserschutz sowie kleinräumige Vorrangfestlegungen für die Landwirtschaft vor.

Die Landesregierung sieht aus diesem Grunde derzeit keine Notwendigkeit und keinen Bedarf für eine Änderung des Landesentwicklungsplans.

In der Koalitionsvereinbarung der beiden Regierungsparteien wurde die Landesregierung beauftragt, in dieser Legislaturperiode einen neuen Entwicklungsplan zu erarbeiten. Im September 2006 wurde die allgemeine Planungsabsicht zur Neuaufstellung des Landesentwicklungsplans des Landes Sachsen-Anhalt bekannt gegeben und im Ministerialblatt des Landes veröffentlicht. Alle Landkreise, Städte, Gemeinden, Verbände und Vereinigungen sowie öffentliche Planungsträger wurden gebeten, dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Anregungen und Hinweise hierzu mitzuteilen.

Solange die Landesregierung noch keinen neuen Landesentwicklungsplan beschlossen hat, gilt die oben dargestellte Rechtslage uneingeschränkt fort. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Über die geltenden Regelungen hinaus besteht aus raumordnerischer Sicht kein weiterer Regelungsbedarf.

Gegenwärtig werden alle eingehenden Anregungen und Hinweise zur Neuaufstellung des Landesentwicklungs

plans geprüft und abgewogen. Das Ergebnis dieses Prozesses wird der Entwurf des künftigen Landesentwicklungsplans sein, zu dem alle Verfahrensbeteiligten, der Landtag und auch die Öffentlichkeit ausführlich werden Stellung nehmen können.

Dieser Sachverhalt wurde den Landwirten und anderen Beteiligten aus der Region, die sich an mich, an den Wirtschaftsminister oder an die Landwirtschaftsministerin gewandt haben, in einem gemeinsamen Schreiben der Minister und der Ministerin mitgeteilt.

Der neue Landesentwicklungsplan - so sieht es der Zeitplan vor - soll im Jahr 2010 beschlossen werden. - Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt.

Zu Frage 1: Diese Frage stellt sich nicht, da der Landesregierung kein Antrag auf Eröffnung eines Tagebaues vorliegt.

Zu Frage 2: Ein Antrag auf Zulassung eines Aufsuchungsbetriebsplans liegt der Landesregierung gegenwärtig nicht vor.

Vielen Dank, Herr Minister, für die Beantwortung der Frage.

Ich rufe die Frage 4 auf. Sie wird von dem Abgeordneten Herrn Dr. Uwe Köck gestellt und bezieht sich auf das Thema Umorientierung in der Abwasserpolitik. Bitte schön.

In der „Mitteldeutschen Zeitung“ wurde unter Bezugnahme auf das Umweltministerium ein bevorstehender Kurswechsel in der Abwasserpolitik des Landes in Richtung Bevorzugung dezentraler Lösungen angekündigt. Da diesbezüglich keine aktuelle offizielle Meinungsäußerung seitens des zuständigen Ministeriums vorliegt, frage ich die Landesregierung:

Will die Landesregierung die Träger der Abwasserentsorgung stärker auf dezentrale Lösungen hin orientieren? Sind konkrete unterstützende Maßnahmen vorgesehen?

Vielen Dank. - Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Borlach-Sekundarschule Bad Dürrenberg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich erteile der Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt Frau Petra Wernicke für die Landesregierung das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Köck beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt.

Durch einen Artikel in der „Mitteldeutschen Zeitung“ entsteht der Eindruck, es gäbe bei der Abwasserbeseitigung einen grundlegenden Kurswechsel hin zu dezentralen Lösungen. Dies ist nicht der Fall.

Dazu stelle ich fest, dass die dezentrale Abwasserbeseitigung über Hauskläranlagen und die Abwasserbeseitigung über zentrale ortsnahe Kläranlagen bereits seit Jahren feste Bestandteile der Konzepte der Aufgabenträger sind. Das geschieht mit Billigung und Unterstützung der Wasserbehörden. Eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf europäischer oder auf Bundes- oder Landesebene hat es in letzter Zeit nicht gegeben.

Schon oft wurde über das Für und Wider von zentraler oder dezentraler Abwasserbeseitigung insbesondere im ländlichen Raum diskutiert. Bei der ganzen Diskussion dürfen wir aber nicht vergessen, wie die Ausgangssituation Anfang der 90er-Jahre war.

Es sei mir gestattet, darauf hinzuweisen, dass im Jahr 1990 lediglich etwa 40 % der vorhandenen kommunalen Kläranlagen über eine biologische Reinigungsstufe verfügten. Nicht einmal diese entsprachen den heutigen Anforderungen. Das Schmutzwasser von etwa 44 % der Bevölkerung wurde über Grundstückskläranlagen entsorgt, die ebenfalls nicht den heutigen Anforderungen entsprachen.

Insbesondere in den ersten Jahren nach der Wende haben die neu mit der Aufgabe der Abwasserbeseitigung betrauten Gemeinden Anlagen oft ohne tragfähige technische und wirtschaftliche Konzepte errichtet. Kläranlagen wurden aufgrund optimistischer Prognosen hinsichtlich der Bevölkerungs- und der wirtschaftlichen Entwicklung teilweise erheblich zu groß gebaut. Des Weiteren wurden großräumige Abwasserkonzepte verwirklicht, die wegen ihrer hohen Kosten nicht durch sozialverträgliche Beiträge und Gebühren refinanziert werden können.

Unter finanziellen Aspekten bis zum Ende durchkalkulierte Konzepte gab es zu diesem Zeitpunkt jedoch zumeist nicht. Es fehlte auch an geeignetem Fachpersonal bei den Fach- und Kommunalaufsichten. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf alle Ursachen dieser Entwicklung näher einzugehen. Damit hat sich über viele Jahre hinweg ein Unterausschuss dieses Hauses beschäftigt.

Das Land hat mit dem Sanierungs- und Teilentschuldungsprogramm dafür gesorgt, dass die schlimmsten Fehler ausgeglichen und die technischen und wirtschaftlichen Konzepte überarbeitet wurden. Vorhandene Anlagen wurden, soweit es sinnvoll und möglich war, ausgelastet. Ich möchte beispielhaft dafür die Kläranlagen in Karsdorf und Rollsdorf nennen.