Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 19. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt. Dazu begrüße ich alle Anwesenden auf das Herzlichste.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie darüber informieren, dass in der heutigen Landtagssitzung ein Kamerateam vom Axel Springer Digital TV die Erlaubnis hat, im Plenarsaal Aufnahmen zu machen.
Meine Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 10. Sitzungsperiode fort und beginnen mit dem Tagesordnungspunkt 13:
Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Dirlich von der Linkspartei.PDS. Danach nimmt die Landesregierung das Wort. Frau Dirlich, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal wünsche ich Ihnen einen guten Morgen.
Einer der wichtigsten Grundsätze der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein wesentliches Motiv für die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und - ganz nebenbei - auch einer der wirklich wenigen positiven Aspekte dieses Gesetzes war die Möglichkeit und die Notwendigkeit, alle erwerbsfähigen Hilfeempfängerinnen aus einer Hand zu betreuen, das heißt sie in einem Hilfesystem und einheitlich zu betreuen. Das war einer der wesentlichsten Grundsätze bei der Einführung des SGB II bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende bzw. Hartz IV.
Dieses Prinzip wurde im Grunde bereits durch die Einführung von zwei verschiedenen Betreuungsformen durchbrochen. Das, was aber infolge der Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt mit diesem Grundsatz geschieht, spottet wirklich jeder Beschreibung. In vier der künftig elf Landkreise werden in Zukunft unterschiedliche Organisationsstrukturen bei der Betreuung der Betroffenen bestehen.
Im zukünftigen Salzlandkreis - davon bin ich übrigens unmittelbar betroffen - werden sogar drei verschiedene Formen der Organisation bestehen, weil auch die optierenden Kommunen im zukünftigen Salzlandkreis, nämlich in den bisherigen Kreisen Bernburg und Schönebeck, unterschiedliche Organisationsformen haben.
In Bernburg gibt es ein Amt für Arbeitsförderung; das heißt, der Landkreis Bernburg betreut die Langzeitarbeitslosen in eigener Regie, macht das also in seinem
Hinzu kommt, dass es im Landkreis Aschersleben eine Arbeitsgemeinschaft gibt. Hinzu kommt, dass die Stadt Falkenstein aus dem Landkreis Aschersleben ausgegliedert wird und dass abzuwarten bleibt, wie die Leute im Bereich Falkenstein dann betreut werden. Im Moment zeichnet sich ab, dass sie wahrscheinlich bis Ende dieses Jahres im Landkreis Aschersleben bleiben. Später werden sie in die anderen Kreise ausgegliedert.
Ein weiteres kleines Problem: Die Grenze des Arbeitsamtsbezirkes verläuft mitten hindurch. Aschersleben gehört zum Arbeitsamtsbezirk Sangerhausen, Quedlinburg gehört zum Arbeitsamtsbezirk Halberstadt, der Landkreis Schönebeck gehört im Übrigen zu Magdeburg und Bernburg gehört zu Dessau.
Sie merken, das ist wirklich völlig übersichtlich und überhaupt kein Problem - zumindest für Herrn Müntefering, wie wir merken werden.
Im Kreis Anhalt-Zerbst wird die Situation dann völlig grotesk. Dort soll offensichtlich die Option erhalten bleiben; so ist zumindest unser derzeitiger Kenntnisstand. Ich hoffe, dass mir der Minister oder jemand anders vielleicht schon andere Nachrichten bringen kann.
Die Kreise, denen jeweils ein Teil von Anhalt-Zerbst zugeordnet wird, sollen diesbezüglich zusammenarbeiten. Das sind Kreise, die im Moment in der Arbeitsgemeinschaft arbeiten. Diese arbeiten dann zusammen - wir werden schauen, wie sie das tun; ich habe keine Ahnung - und arbeiten trotzdem auch nach dem Optionsmodell. Wie das gehen soll, bleibt ein Geheimnis der Akteure.
Übrigens ist das nicht etwa ein Vorwurf an die Akteure vor Ort; denn diese versuchen lediglich, mit der Misere fertig zu werden. Die Misere ist, dass sich die verantwortliche Bundesebene überhaupt nicht für die Vorgänge in Sachsen-Anhalt interessiert.
Dass sie dabei ihre eigenen Gesetze konterkariert, ist der Bundesregierung, vor allem dem MünteferingMinisterium in diesem Falle offensichtlich einigermaßen wurscht.
Was bedeutet das für die Betroffenen? - Vor allem hochgradige Verunsicherung, weil ihnen heute noch nicht gesagt werden kann, an wen sie zukünftig ihre Anliegen richten sollen, ob das dann nur eine Stelle sein wird oder ob das eventuell mehrere Stellen sein werden. Das ist für die Betroffenen im Moment noch völlig offen.
Natürlich wird die Betroffenen im Grunde weniger interessieren, wie ihre Betreuung organisiert wird. Die Organisationsstruktur ist ihnen sicherlich auch nicht so wichtig. Für sie ist vor allem wichtig, dass sie ihre Bescheide zeitnah erhalten und dass sie die ihnen zustehenden Leistungen zeitnah bekommen. Das ist uns allen völlig klar.
Aber uns als Politikerinnen und gar als Landespolitikerinnen kann es natürlich nicht kalt lassen, wenn in unserem Bundesland derartiger Unfug zugelassen werden soll. Im Übrigen sind wir wohl auch die Ersten, die so etwas trifft; in anderen Bundesländern wird ebenfalls über Strukturveränderungen nachgedacht.
Das Anliegen des Antrages ist also im Grunde klar: Wir wollen nicht zulassen, dass sich die ohnehin schon schwierige Umsetzung des SGB II in Sachsen-Anhalt noch weiter verkompliziert und dass die Betroffenen zusätzlich belastet werden.
Ich will aber auch eines nicht verschweigen: Wir wissen uns in diesem Anliegen mit der Landesregierung durchaus einig. Ich werde nicht so tun, als hätte ich in diesem Fall Vorwürfe gegen die Landesregierung zu erheben. Aber unser Anliegen ist es natürlich auch, dieses Thema öffentlich zu machen - ich habe in der Öffentlichkeit noch nicht viel darüber gelesen -, und wir wollen damit auch den Druck auf die Bundesregierung erhöhen.
Ich denke, dass sich der Landtag von Sachsen-Anhalt zu diesem Thema unbedingt äußern sollte. Unser Anliegen ist es, dass sich der Landtag eindeutig positioniert und dass er der Landesregierung mit seinem Votum sowohl den Rücken stärkt als auch ein wenig im Nacken sitzt.
Der Antrag bekennt sich zudem relativ eindeutig zum Optionsmodell. Auch wenn wir noch längst nicht jedes Für und Wider ausgestritten haben, haben wir doch zur Kenntnis genommen, dass das Optionsmodell durchaus strukturelle Vorteile hat. Dafür sprechen die positiven Erfahrungen in den Optionskreisen.
Ich möchte nur einige Vorteile nennen, obwohl dies heute nicht das eigentliche Thema ist. Beispielsweise sehen wir eine größere Nähe der Kommunen zu den Problemen; wir sehen auch die unmittelbare Verantwortlichkeit kommunaler Abgeordneter vor Ort. Es gibt keine starren Zwänge und keine starren zentralen Vorgaben, die sich zudem oftmals nicht an den lokalen Bedürfnissen orientieren.
Die gewählten Kommunalpolitikerinnen, die Landräte und auch der Kreistag sind unmittelbar verantwortlich. Dies hat - so habe ich es in Schönebeck erlebt - durchaus dazu geführt, dass sich die Kommunalpolitikerinnen ganz intensiv mit dem Thema Hartz IV beschäftigt haben. Ich als Landespolitikerin hatte dies vorher bereits getan, da ich in meiner Fraktion dafür verantwortlich war, aber viele Kommunalpolitikerinnen in Schönebeck hatten es nicht getan. Allerdings konnte man sehen, dass sie es nun tun, weil sie genau wissen, dass ihnen die Leute auf den Kopf kommen, wenn das im Landkreis Schönebeck nicht funktioniert; denn sie, die Kommunalpolitikerinnen, sind dafür unmittelbar verantwortlich.
Darüber hinaus gibt es keine langwierigen Abstimmungsprozesse zwischen der Agentur für Arbeit und den Kommunen. Handlungsansätze und Ideen werden unter starker Berücksichtigung regionaler Besonderheiten entwickelt. - Ich könnte diese Liste noch ein Stück weit fortsetzen.
Wir wissen aber auch - deshalb sind wir mit unserer Überlegung und mit der Diskussion noch nicht am Ende -, dass auch die Arbeitsgemeinschaft durchaus strukturelle Vorteile gegenüber der Option hat. So erfolgt in den Arbeitsgemeinschaften - zumindest habe ich das so kennengelernt - eine weitgehende Gleichbehandlung der Betroffenen in den verschiedenen Rechtskreisen.
Beispielsweise werden den Arbeitslosengeld-I- und den Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen die Arbeitsmöglichkeiten gleichzeitig und gemeinsam angeboten. Es geht nicht darum, welchen Arbeitslosen wir am schnellsten los werden müssen, oder darum, wer uns am meisten
auf der Tasche liegt. Vielmehr geht es darum, wer am besten auf den entsprechenden Arbeitsplatz passt. Allerdings muss ich auch sagen, dass solche Überlegungen natürlich in dem Eigenbetrieb, in der kommunalen Beschäftigungsagentur in Schönbeck durchaus auch eine Rolle spielen.
Einige Worte zu dem Änderungsantrag der FDP. Ich habe mir den Antrag durchgelesen und habe mir gedacht: Der ist besser.
- Kein Aber. Ich werde meiner Fraktion empfehlen, dem Änderungsantrag zuzustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank für die Einbringung, Frau Dirlich. - Für die Landesregierung erhält Professor Dr. Olbertz in Vertretung des Wirtschaftsministers Dr. Haseloff das Wort. Herr Olbertz, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im SGB II ist eine Kreisgebietsreform nicht vorgesehen. Das Gesetz sieht außerdem eindeutig eine Asymmetrie für das Organisationsmodell der Option vor. Die Rückgabe einer Option ist möglich, die Beantragung einer neuen Option allerdings nicht.
Auch die Landesregierung wünscht sich einheitliche Organisationsstrukturen für das SGB II, ohne dass die fünf existierenden Optionsmodelle beendet werden. Die CDU und die SPD wollen sich laut Koalitionsvertrag dafür einsetzen, dass jeder Neukreis mit unterschiedlichen Organisationsmodellen in seinen Teilgebieten die Möglichkeit erhält, sich für ein einheitliches Modell zu entscheiden.
Es ist evident, dass dafür das SGB II geändert werden müsste. Der Bund lehnt dies aber aus verfassungsrechtlichen Gründen ab. Insbesondere nach der Föderalismusreform könne er keine weiteren Aufgaben auf die Kommunen übertragen. Diese rechtlichen Argumente wiegen schwer. Eine Änderung des SGB II an dieser Stelle ist also mit dem Bund leider nicht zu erreichen.
Welche Möglichkeiten bleiben also, wenn man die Optionsmodelle erhalten will? Jeder zugelassene kommunale Träger hat im Zuge der Kreisgebietsreform einen neuen Landkreis als Rechtsnachfolger. Das führt zum Beispiel dazu, dass es im künftig existierenden Landkreis Salzland zwei Teilgebiete gibt, für die jeweils die Option gilt und für die im Übrigen eine Arbeitsgemeinschaft zuständig ist.
Für den derzeit bestehenden Landkreis Anhalt-Zerbst hieße das, dass eine Fortführung der Zulassung nur für das Teilgebiet möglich ist, das zum Rechtsnachfolger, also zum Landkreis Anhalt-Bitterfeld, kommt. An dieser Stelle ist nun aber eine Fortführung der Zulassung auf dem bisherigen Kreisgebiet angedacht, und zwar auch um den Hilfebedürftigen einen Bruch in ihrer Betreuung bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ersparen.
Voraussetzungen dafür sind erstens eine entsprechende Beschlussfassung der jeweiligen Gremien des ab 1. Ju
li 2007 bestehenden Kreises bzw. der Stadt und zweitens die Bereitschaft des Rechtsnachfolgers, also des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, zur Fortführung der Zulassung auch über seine Kreisgrenzen hinaus.