Protokoll der Sitzung vom 08.06.2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Finanzminister, durch die Presse habe ich gestern von Ihrem Angebot erfahren, nun doch im September einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr einzubringen und ihn gemeinsam mit dem Haushalt 2007 im Dezember zu beschließen.

Die rechtzeitige Einbringung des Haushalts 2007 ist unbedingt zu unterstützen. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Aber einen Nachtragshaushalt im Dezember zu beschließen, wenn ich jetzt schon weiß, dass er kommt - beim besten Willen, was soll das?

(Herr Borgwardt, CDU: Jeder hat die Meldung ge- lesen, oder?)

Ihre Argumentation im Finanzausschuss hat uns auch nicht überzeugt. Es ist schon seltsam: Seit den Landtagswahlen haben wir durch die große oder, besser gesagt, mittelgroße Koalition

(Herr Tullner, CDU: Na, na, na!)

- Sie haben ja mit der drittstärksten Partei koaliert -

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Herr Tullner, wenn wir zusammen in der Koalition wären, dann könn- ten Sie erst mal meckern!)

ein Klima im Land, das mich irgendwie an Mikado erinnert. Sie wissen schon: Wer sich zuerst bewegt, der fliegt. Man wusste - mehr theoretisch als praktisch -, dass bestimmte Konstellationen das fast schon übliche traditionelle parlamentarische Gebaren ganz erheblich verändern. Wenn ich so an das Jahr 2002 zurückdenke: Damals war eine der ersten Handlungen der neuen Regierung, uns einen Nachtragshaushalt vorzulegen, um nach den Wirren der von der PDS-tolerierten SPDRegierung endlich Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu schaffen.

(Herr Tullner, CDU: Genau!)

- Genau so war es. - Der damalige Finanzminister - jetzt ist er leider nicht da - sprach von dem notwendigen Kassensturz und kam zu dem Schluss: Das Ergebnis ist eine finanzielle Notlage, die in ihrer Dramatik in der deutschen Geschichte ihresgleichen sucht.

Das sind Zitate, ja. Zum Thema Nachtragshaushalt sagte er - ich zitiere -:

„Der Nachtragshaushalt dient in erster Linie der Herstellung von Haushaltswahrheit, einem grundlegenden Prinzip ordentlichen Wirtschaftens, das der Rechnungshof des Landes immer wieder angemahnt hat, dem sich aber die abgewählte Regierung allem Anschein nach nicht verpflichtet fühlte.“

Ich höre jetzt auf mit Zitaten aus dem Jahr 2002, obwohl das natürlich sehr reizvoll ist; der Finanzminister, der das sagte, sitzt ja inzwischen auf der Oppositionsbank bzw. ist jetzt nicht einmal da.

Absolut unverständlich ist deshalb auch, dass der neue Finanzminister so zögerlich bei der Vorlage eines Nachtragshaushaltes ist. Es müssen zwar keine Lehrerarbeitszeitkonten ausgezahlt werden, aber ansonsten hat sich die Haushaltssituation nicht grundlegend geändert.

Das Jahr 2005 wurde zwar dank Steuermehreinnahmen relativ ausgeglichen abgeschlossen, aber die Nettokreditaufnahme betrug im Jahr 2005 immer noch 884,4 Millionen €. Das sind zwar 69 Millionen € weniger als geplant, aber rund 300 Millionen € mehr, als für den Haushalt 2002 vor den Wahlen geplant war. Die Gesamtverschuldung beträgt fast 20 Milliarden € und eine Investitionsrate von knapp 17 % ist für dieses Jahr geplant. Allein das würde normalerweise ausreichen, nach einer Wahl einen Kassensturz zu machen und nach den Regeln der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit kantenklar einen Nachtragshaushalt zu beantragen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Da wir nun aber eine neue Konstellation im Land haben, passiert das nicht oder soll sehr zögerlich passieren. Der Finanzminister hat ja hier nun wirklich mehr als herumgeeiert.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Herr Tullner, CDU: Welcher denn?)

- Der neue Finanzminister. - Erst hieß es, für 2006 sei ein Nachtragshaushalt geplant und er könne noch vor der parlamentarischen Sommerpause eingebracht werden. Selbst die Kollegen der CDU hatten sich schweren Herzens ja schon mit diesem Thema angefreundet.

(Herr Tullner, CDU: Leichten Herzens!)

- Mit Leidenschaft. Ich zitiere aus Ihrer Pressemitteilung, Herr Tullner, vom 12. Mai 2006 - so lange ist es ja noch nicht her -:

„Die sauberste Lösung wäre ein Nachtragshaushalt, der in erster Linie den bestehenden Vollzugsproblemen des laufenden Haushaltes gerecht werden muss.“

Als Beispiele nannten Sie die Verpflichtung aus dem Altlastenfonds, die haushaltsmäßige Umsetzung von Mietmodellen sowie die Verpflichtungsermächtigungen für den Digitalfunk - es ist also überschaubar.

Durch den Finanzminister kam mit der Steuerschätzung vom Mai 2006 der nächste Schwenk dahin gehend, ein Nachtragshaushalt sei überhaupt nicht mehr notwendig, notfalls könnte man im November 2006 bei der nächsten Steuerschätzung darüber nachdenken.

(Minister Herr Bullerjahn: Vielleicht könnte man das machen, ja!)

- Im November über einen Nachtragshaushalt zu sprechen - Gott. So war ja auch Ihre Argumentation im Finanzausschuss. Jetzt ist immerhin schon von einer Einbringung im September 2006 die Rede.

(Herr Tullner, CDU: Na also!)

Aber wenn wir den erst im Dezember 2006 beschließen sollen, unterschätzen Sie, Kollege Finanzminister, dann nicht zum einen die Entschlusskraft des Parlaments bzw. unsere Fähigkeit, das auch schneller zu machen? Zum anderen: Was soll das? Im Dezember 2006 kann nur noch das Geld gezählt werden. Ob es dann reicht oder nicht, Steuerungseffekte sind in jedem Fall nicht mehr möglich.

(Herr Daldrup, CDU, und Herr Borgwardt, CDU, lachen)

Aber scheinbar will man die gar nicht. Anderenfalls müsste die Regierung auch etwas dazu sagen, warum sie entgegen ihrer Ankündigung, konsequent weiter Personal abzubauen, neue Personalstellen, und zwar nicht irgendwelche, zum Beispiel bei der Polizei und bei den Lehrern, schafft, sondern gut dotierte Stellen in den Ministerien neu eingerichtet werden. Es ist schon verwunderlich, was jetzt passiert, war es doch gerade auch die SPD, die in den vergangenen Jahren immer wieder einen Nachtragshaushalt gefordert hat, zuletzt vor einem knappen Jahr, im Mai 2005 - Frau Fischer, Sie werden sich daran erinnern.

(Zuruf von Frau Fischer, SPD)

- Ja. - Sie haben damals fünf Risiken aufgeführt, die zu einem Nachtragshaushalt führen sollten. Einige sind inzwischen schon Geschichte, wenn auch immer noch uns belastend, so die Kapitalaufstockung für die NordLB. Die Steuermindereinnahmen haben wir trotz eigentlicher Mehreinnahmen. Auch wenn in diesem Jahr die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung besser ausgefallen sind als erhofft, sind es für das Land gegenüber dem Haushaltsansatz für das Jahr 2006 85 Millionen € weniger.

Die 150 Millionen €, die dem Sondervermögen Altlastensanierung in diesem Jahr wieder zugeführt werden müssen, haben Sie damals zumindest auch schon erwähnt.

(Minister Herr Bullerjahn: Stimmt nicht!)

Genau um die Einstellung dieser 150 Millionen € in den Haushalt 2006 geht es uns. Von eigentlich notwendigen Zuführungen, die die Vorgängerregierung vorsichtshalber per Gesetz beschränkt hat, wollen wir gar nicht reden, aber die 150 Millionen € und die 85 Millionen € Steuermindereinnahmen sind schon zusammen 235 Millionen €. Diese sollten im Sinne der Transparenz des Haushaltes durch einen Nachtragshaushalt aufgenommen werden. Das wird sich nicht durch eine außer- oder überplanmäßige Ausgabe abfangen lassen. Wir wissen seit Jahren, dass die Gelder in den Altlastensanierungsfonds eingestellt werden müssen.

Ich weiß, gerade die Kollegen der CDU werden sagen: In den vergangenen Jahren gab es viel größere Risiken. Ich habe mir die historischen Debatten gut angeschaut. Was sind 150 Millionen € gegenüber 300 Millionen € bzw. gegenüber 800 Millionen €? Aber es sind 150 Millionen €, um die es jetzt geht, die immerhin im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung von 2005 bis 2009 jetzt schon in die laufende Verschuldung aufgenommen worden sind. Es gab ja schon lange Auseinandersetzungen darüber, ob diese Beleihung überhaupt als Verschuldung anzusehen ist oder nicht. Da es nun als Kredit zu betrachten ist, besteht das Problem der Rückzahlung. Wir sind nach der Ergänzungsvereinbarung zum Generalvertrag mit dem Bund zum Altlastensanierungsfonds verpflichtet, die Beleihung zum 31. Dezember 2006 aufzuheben.

(Minister Herr Bullerjahn: Das ist falsch!)

- Herr Bullerjahn, Sie wissen, wie der Vertrag aussieht. Das haben wir ja hoch und runter diskutiert. - Das heißt also auch, dass wir jetzt, um mit den 150 Millionen € haushaltsrechtlich korrekt zu verfahren, einen Nachtragshaushalt aufstellen müssen. Der Präsident des Landesrechnungshofes hat das ja wiederholt gefordert und hat es auch anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts 2005 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2004 noch einmal ausdrücklich hervorgehoben; er ist ausdrücklich auf diesen Altlastenfonds eingegangen.

Herr Minister, wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mehrfach über das Budgetrecht des Parlaments - gemeinsam noch auf der Oppositionsbank - beraten und haben immer wieder über die Missachtung der Landesregierung gegenüber dem Parlament, gerade hinsichtlich des Budgetrechts, diskutiert. Es gab diesbezüglich entsprechende Missbilligungs- bzw. sogar Absetzungsanträge. Das ist in den Protokollen auch für die Öffentlichkeit nachlesbar.

Nehmen Sie also Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit ernst. Achten Sie das Budgetrecht des Landtages. Reichen Sie zur nächsten Sitzung einen Nachtragshaushalt ein und lassen Sie uns diesen im September 2006 beschließen. Bei den 150 Millionen € müsste das machbar sein. Unterschätzen Sie nicht die Mitarbeiter im Finanzministerium.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Bevor ich nun dem Herrn Finanzminister das Wort erteile, haben wir die Freude, eine Seniorengruppe der Museumsfreunde aus Magdeburg begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Herr Finanzminister Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Klein, das war jetzt aber hart.

(Lachen bei der Linkspartei.PDS)

Sie behaupten, ich habe nichts getan, weil ich niemandem traue, und ich missachte das Parlamentsrecht. Da winken Sie sofort mit Absetzungsanträgen. Das war schon stark eben.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS)

- Sie haben mir am Anfang vorgeworfen, ich mache nichts und ich habe kein Vertrauen in meine eigenen Mitarbeiter. Am Ende stehen Sie da und winken einem schon fast mit Absetzungsanträgen - innerhalb von fünf Minuten und das bei dem kleinen bisschen Thema.

(Oh! bei der Linkspartei.PDS - Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS: Nein! - Herr Czeke, Linkspar- tei.PDS: Armer Herr Bullerjahn!)

- Nun weichen Sie nicht aus und stehen Sie zu dem, was Sie gesagt haben, Frau Dr. Klein.