Protokoll der Sitzung vom 08.06.2006

Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt vom 20. März 2006

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/45

Ich bitte Herrn Kultusminister Professor Dr. Olbertz, als Einbringer des Gesetzentwurfes das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diejenigen unter Ihnen, die bereits in der ersten Wahlperiode Abgeordnete gewesen sind, werden sich noch daran erinnern, mit welchem parteiübergreifenden Einvernehmen am 26. Mai 1994 das Ratifizierungsgesetz zum Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt vom 23. März 1994 im Parlament verabschiedet wurde, und zwar einstimmig.

War es doch zu dieser Zeit der erste Vollvertrag, den ein Bundesland mit der Jüdischen Gemeinschaft abgeschlossen hatte, ein Staatsvertrag analog zu den Verträgen mit den evangelischen Kirchen und der katholischen Kirche. Es war ein Vertrag mit Signalwirkung. Entsprechend war die öffentliche Beachtung. Vertreter des Zentralrates der Juden in Deutschland und des Landesverbandes sprachen gar von einem Jahrhundertvertrag.

Der damalige Kultusminister Herr Reiner Schomburg betonte beim Austausch der Ratifizierungsurkunden, dass die Landesregierung und der Landtag mit diesem Vertrag ein politisches Signal setzen wollten, um positive Voraussetzungen für ein gutes Miteinander mit den Mit

bürgerinnen und Mitbürgern jüdischen Glaubens zu schaffen. Mit diesem Vertrag seien alle Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung der Zusammenarbeit geschaffen worden.

In der Tat, es war auch so. Ein neues Kapitel jüdischen Lebens und des deutsch-jüdischen Dialogs war aufgeschlagen worden. Dies gilt im Hinblick auf die Mitgliederentwicklung der jüdischen Gemeinden von wenigen Hundert im Jahr 1994 auf mittlerweile etwa 2 000 Mitglieder. Das gilt hinsichtlich der fest etablierten Mitarbeit der Jüdischen Gemeinschaft zum Beispiel im Verband der freien Wohlfahrtspflege und in zahlreichen anderen Gremien.

Die Jüdische Gemeinschaft leistet eine wichtige Arbeit bei der Pflege des jüdischen Erbes in unserem Land. Ich denke dabei insbesondere an die Pflege der verwaisten jüdischen Friedhöfe, ich denke aber auch an die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen mit beträchtlicher Ausstrahlung.

Allerdings entwickelten sich im Laufe der Zeit auch gewisse Hemmnisse, vor allem im organisatorischen Bereich. Ferner gab es Unstimmigkeiten, auch Auseinandersetzungen um finanzielle Fragen, über den Umgang mit den Landesmitteln, über deren Verteilung innerhalb der Gemeinschaft und vor allem über die Anspruchsberechtigung neu entstehender Gemeinden.

Letztlich hat dies zu jahrelangen, leider auch gerichtlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Jüdischen Gemeinschaft geführt. Ich erinnere mich an Prüfberichte des Landesrechnungshofes zum Umgang mit öffentlichen Mitteln. Ich will hierzu gar nicht in Einzelheiten gehen, denn das ist Ihnen alles bekannt. Es geht mir auch nicht um Schuldzuweisungen.

Die Landesregierung gelangte aber zu der Überzeugung, dass es einiger Präzisierungen bedarf, um dem Verhältnis zwischen der Jüdischen Gemeinschaft und dem Land auch künftig eine gute Grundlage zu geben. Deshalb hat das Kabinett am 23. März 2005 mein Ministerium beauftragt, mit den Vertretern der Jüdischen Gemeinschaft über den Abschluss eines neuen Staatsvertrages zu verhandeln. Das Ergebnis dieser Verhandlungen, also ein neuer Staatsvertrag, liegt Ihnen mit dem Entwurf des Ratifizierungsgesetzes heute vor.

Lassen Sie mich kurz auf einige wesentliche Veränderungen gegenüber dem Staatsvertrag von 1994 eingehen. Die Anspruchsberechtigung einer neu gegründeten Gemeinde wurde zum Beispiel durch klare und im Übrigen auch gerichtsfeste Kriterien festgelegt. Das steht im Schlussprotokoll zu Artikel 1 Abs. 2.

Danach haben neu gegründete Gemeinden Anspruch auf Beteiligung am Landeszuschuss, wenn sie fünf Jahre bestehen, über mindestens 50 Mitglieder verfügen, eine ordnungsgemäße Satzung haben, aufgrund einer gültigen Wahlordnung Vertreter haben, ein lebendiges religiöses Gemeindeleben gestalten, als Verein eingetragen sind oder zumindest über die Verleihung von Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verfügen, über die das Land nach den gesetzlichen Vorschriften entscheidet, und Mitglied des Landesverbandes sind oder durch die in der Deutschen Rabbinerkonferenz vertretenen Richtungen, die Orthodoxie oder die liberalprogressiven Konservativen, anerkannt worden sind.

Der Zweck des Zuschusses wurde genauer definiert: für die kulturellen und religiösen Bedürfnisse der Gemeinschaftsmitglieder. Zugleich wurde im Schlussprotokoll zu

Artikel 13 der Aufteilungsmodus des Landeszuschusses festgelegt. Auch das war ein zunehmender Streitpunkt innerhalb der Jüdischen Gemeinschaft.

Es wird jetzt so sein, dass ein Sockelbetrag von 5 % für jede anspruchsberechtigte Gemeinde definiert wird. Neu entstehende Gemeinden haben, wie gesagt, nach einer Frist von fünf Jahren Anspruch auf eine Beteiligung am Landeszuschuss. Die verbleibenden Mittel, also jenseits dieser 5 %, werden nach einem Pro-Kopf-Verfahren, nämlich nach der Zahl der Gemeindemitglieder, festgelegt. Dafür gibt es ein Verfahren zur Bestätigung der Mitgliederzahlen, bei dem der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland eine Schlüsselrolle übernimmt. Nicht im Sinne eines Vertragspartners übrigens, sondern als eine von allen Vertretern der Jüdischen Gemeinschaft akzeptierte Vertrauensinstanz. Außerdem wurde ein Prüfverfahren bezüglich der Mittelverwendung festgelegt, wobei auch - ich betone: auch - dem Landesrechnungshof ein Prüfrecht eingeräumt wurde.

Diese Festlegung ist in enger Abstimmung mit dem Landesrechnungshof und natürlich im Einvernehmen mit den Vertretern der Jüdischen Gemeinschaft getroffen worden, die im Verlauf der zunächst nicht einfachen Verhandlungen ihrerseits zu der Überzeugung gelangten, dass diese Regelungen hilfreich für eine weitere gute Entwicklung der Jüdischen Gemeinschaft in SachsenAnhalt sein werden.

Zugleich ist davon auszugehen, dass die durch die Neuregelungen des Vertrages angestrebte größere Transparenz bei der Verwendung des Landeszuschusses sowohl innerhalb der jüdischen Gemeinden als auch in der Öffentlichkeit sicherlich positiv aufgenommen wird.

Wir haben gemeinsam eine Kündigungsklausel eingeführt und die Laufzeit des Vertrages auf fünf Jahre begrenzt, allerdings mit einer Verlängerungsoption. Es besteht Einvernehmen darüber, dass in vier Jahren Evaluierungsgespräche geführt werden.

Nachdem der Vertrag am 25. Januar 2006 bzw. am 28. Februar 2006 durch die Vertreter der Jüdischen Gemeinschaft und für die Landesregierung durch Herrn Staatssekretär Willems paraphiert worden war, konnte der Vertrag samt Schlussprotokoll am 23. März in der Staatskanzlei durch Herrn Ministerpräsidenten Professor Böhmer und die Vertreter des Landesverbandes bzw. der einzelnen Gemeinden unterzeichnet werden.

Die Fraktionen sind die ganze Zeit über den Sachstand und den Fortgang der Verhandlungen unterrichtet worden. Sie haben das Geschehen sehr konstruktiv und auch verständnisvoll begleitet. Dafür möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich danken.

Nun lege ich Ihnen gemäß Artikel 69 Abs. 2 unserer Landesverfassung das Ratifizierungsgesetz zur ersten Lesung vor. Die Vertreter der Jüdischen Gemeinschaft brachten in allen Verhandlungen den Wunsch zum Ausdruck, dass es sich auch bei dem neuen Vertrag um einen Staatsvertrag analog zu den großen Kirchen handeln soll. Diesem Wunsch hat die Landesregierung bekanntlich entsprochen.

Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zum Ratifizierungsgesetz, weil die Landesregierung ebenso wie die Vertreter der Jüdischen Gemeinschaft der Überzeugung ist, dass dieser Vertrag eine gute Basis für eine auch künftig gedeihliche Entwicklung der Jüdischen Gemeinschaft in unserem Land darstellt und deshalb so bald wie möglich

Rechtskraft erlangen und damit zur Anwendung kommen sollte. Letzteres ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die im Jahr 2005 neu gegründeten Gemeinden in Halberstadt und Magdeburg und möglicherweise bevorstehende weitere Gemeindegründungen von Bedeutung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung für die so eingeleitete Entwicklung, die nur ein Ziel hat: die gedeihliche und gute Entwicklung der Jüdischen Gemeinschaft in SachsenAnhalt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der Linkspar- tei.PDS, bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf in den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer stimmt zu? - Das ist ganz offensichtlich die Mehrheit. Damit ist die Überweisung erfolgt und der Tagesordnungspunkt 5 beendet.

Ich habe jetzt noch die Freude, Schülerinnen und Schüler der Kollegschule des zweiten Bildungsweges Magdeburg auf der Tribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun kommen wir zum Tagesordnungspunkt 6:

Beratung

Stellungnahme zu dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend Doppelbestrafung in Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für gleiches Vergehen - 2 BvR 38/06

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung - Drs. 5/18

Ich bitte Herrn Dr. Brachmann, als Berichterstatter des Ausschusses das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechtsausschuss hatte sich in seiner konstituierenden Sitzung bereits mit einem inhaltlichen Punkt zu befassen. Der lange Name der Beschlussempfehlung ist eben vorgetragen worden. Es handelt sich um eine Stellungnahme zu einem Verfassungsgerichtsverfahren. Für diejenigen, die neu in diesem Hause sind, will ich kurz den Hintergrund erklären.

Es kommt nicht nur gelegentlich vor, dass der Landtag vom Bundesverfassungsgericht gebeten wird, zu dort anhängigen verfassungsgerichtlichen Streitigkeiten Stellung zu nehmen. Aufgrund von § 52 unserer Geschäftsordnung unterbreitet der Rechtsausschuss dem Plenum eine Beschlussempfehlung, wie mit der Stellungnahme umzugehen ist. Das ist auch im vorliegenden Fall geschehen.

Ganz kurz zum Sachverhalt. Die Beschwerdeführerin wurde wegen Führens eines Pkw in nicht ganz nüchternem Zustand in der Schweiz, im Kanton Aargau, in einem Administrationsverfahren - bei uns würde man Ordnungsstrafverfahren dazu sagen - zur Verantwortung ge

zogen. Zusätzlich gab es ein Strafverfahren. 1 400 Schweizer Franken hat sie dort bezahlt. Dann ist sie in Deutschland erneut zur Verantwortung gezogen worden. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet: Geldstrafe und ein zweimonatiges Fahrverbot.

Das fand die Dame nicht ganz gerecht, vermutlich viele von Ihnen auch nicht. Aber ganz so einfach machen sich das Juristen nicht. Die Sache liegt jetzt vor dem Verfassungsgericht, weil die Vorinstanzen dem Anliegen - Verbot der doppelten Strafverfolgung - nicht entsprochen haben.

Die Sache ist im Rechtsausschuss beraten worden, und der Rechtsausschuss - das wird Sie nicht überraschen - empfiehlt, keine Stellungnahme abzugeben. Ich bitte, dieser Beschlussempfehlung zu folgen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Brachmann. - Dazu wünscht offensichtlich niemand das Wort.

Dann stimmen wir über den Antrag ab. Wer stimmt zu? - Das ist offensichtlich die Mehrheit. Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann ist die Stellungnahme in dem gewünschten Sinne beschieden. Der Tagesordnungspunkt 6 ist beendet.

Ich rufe nun vereinbarungsgemäß den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beratung

Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2006

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/31

Ich bitte für die Linkspartei.PDS Frau Dr. Klein, das Wort zu nehmen und den Antrag einzubringen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Finanzminister, durch die Presse habe ich gestern von Ihrem Angebot erfahren, nun doch im September einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr einzubringen und ihn gemeinsam mit dem Haushalt 2007 im Dezember zu beschließen.