Noch einmal zu dem inhaltlichen Problem. Erstens. Die große Frage, vor der wir stehen, ist: Wie bilden sich bei uns am Arbeitsmarkt eigentlich die Löhne? Dazu muss man ganz deutlich sagen - deswegen habe ich vorhin noch einmal ausdrücklich darauf orientiert -: Der Arbeitsmarkt ist ein Markt ist ein Markt ist ein Markt. Das bedeutet, das regelt sich nach Angebot und Nachfrage.
Es ist ein völliger Trugschluss zu sagen, Löhne bildeten sich nach der Gewinnlage des Unternehmens. Das ist falsch.
aber wenn diese sich die Leute auf dem Arbeitsmarkt zu niedrigen Preisen aussuchen können, weil die Konkurrenz auf der Arbeiternehmerseite so groß ist, dann ist die Gewinnlage überhaupt nicht entscheidend.
Deswegen werden wir in dieser Bundesrepublik selbst bei hervorragender Gewinnlage - wir sehen das an den Aktienkursen übrigens permanent - noch lange keinen von selbst steigenden Lohn bekommen.
Zweitens. Jetzt haben wir die Frage der Tarifpartner, der Gewerkschaften. Da haben wir genau dasselbe Problem. Gewerkschaften sind objektiv überhaupt nur in der Lage, die Dinge durchzuziehen, wenn sie über einen bestimmten Organisationsgrad verfügen und wenn es unter den Arbeitnehmern eine Situation gibt, die sie in die Lage versetzt, wirklich Druck aufzumachen. Das haben wir bei 20 % Arbeitslosigkeit nicht. Das ist das Problem, vor dem wir hier stehen.
Deswegen sind die nicht in der Lage, in einer Art selbstregulierendem System die Preise für die Arbeit so zu entwickeln wie in anderen europäischen Nachbarländern: zumindest in der Tendenz 20 % bis 25 % Zuwachs in den letzten zehn Jahren gegenüber Nullkommanichts in Deutschland. Das ist die Situation, vor der wir stehen. Deswegen brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn.
Nicht schon wieder. - Im Endeffekt haben wir nur noch eine gesellschaftliche Alternative. Das ist die gesellschaftliche Alternative zwischen dem Kombilohnmodell und dem Mindestlohnmodell. Das ist einfach die Realität. Beim Kombilohnmodell hat man das - - Ich will das englische Wort jetzt nicht wiederholen, bevor ich irgendetwas Falsches sage. Der Genosse Paqué - -
- Professor Paqué; das ist jetzt die Frage, ob das mit Absicht war oder nicht, Herr Professor Paqué. - Herr Professor Paqué hat diese Geschichte mit der negativen Einkommensteuer aus den USA beschrieben. Das ist im Endeffekt auch nichts anderes als eine Art Kombilohnmodell. Das sind die beiden Varianten: Kombilohnmodell oder Mindestlohn. Das ist das, was sich durch die entwickelten Industrienationen zieht.
Ich sage Ihnen einmal als Angebot - daher kam jetzt wahrscheinlich der Versprecher -: Vor diesem Hintergrund ist der Mindestlohn das liberalere Modell, ganz deutlich. Denn der Kombilohn macht nichts anderes, als dass er permanent staatliche Subventionen in den privaten Arbeitsmarkt hineinpumpt. Sagen Sie mir einmal, was ist nun Staatssozialismus: Mindestlohn oder staatlich bezahlte private Arbeit?
Dann haben wir natürlich die folgende Situation, wenn sich die Preise am Arbeitsmarkt bilden: Wenn ich jemandem sage: In Ordnung, du zahlst 4,50 € und den Rest bekommt der Arbeitnehmer dazu, sodass der Stundenlohn bei 6,50 € liegt, dann ist ein Unternehmen in der gleichen Branche, das auch auf dem Arbeitsmarkt existiert und jetzt vielleicht noch 5,50 € oder 6 € zahlt, demnächst verschwunden. Das ist doch klar. Die können nicht mithalten mit jemandem, der den Lohn in Höhe von 4,50 € subventioniert bekommt. Das ist das Problem.
Das große Problem des Kombilohnmodells ist, dass er sich in der Gesellschaft durchfrisst, dass immer größere Lohnbestandteile auf dem privaten Arbeitsmarkt vom Staat finanziert werden, weil die sich gegenseitig herunterkonkurrieren.
Es ist ein Trugschluss, dem man hier aufsitzt. Deswegen brauchen wir den gesetzlichen Mindestlohn. - Das war zum Inhalt.
Erstens. Ich habe die Verfassung noch einmal gelesen. Im Koalitionsvertrag habe ich keine Klausel gefunden, die da lautet: Die Opposition im Landtag von SachsenAnhalt ist verpflichtet, den Koalitionsfrieden zu wahren.
Ja, Frau Budde, wenn dann Sachen gesagt werden wie: Polemik, ändert am Regierungsbündnis ohnehin nichts,
(Frau Budde, SPD: Das sind Zitate aus der Zei- tung, nicht von mir! - Herr Stahlknecht, CDU: Das stand in der Zeitung!)
wenn das die Einschätzung ist, die Sie hier geteilt haben, dann frage ich: Was war Ihr Wahlkampf im Jahr 2006? Das zentrale Wahlkampfthema war der Mindestlohn.
Dann fragen Sie die Opposition, warum man Sie ein Jahr danach noch daran erinnert. Was ist eine Unterschriftenkampagne der Regierungspartei SPD für den Mindestlohn wert, wenn sich der Bundesvorsitzende einen Tag später hinsetzt und sagt, aber es komme erst einmal sowieso nicht? Dazu sage ich: Das ist Possenspiel. Das ist Polemik. Dann kann man die Frage stellen: Was soll das?
Letztlich noch einmal zu Herrn Gürth. Okay, wenn wir eine Berlin-Diskussion beim Mindestlohn wollen, dann können wir diese sofort führen. In Berlin sind sie sich einig, sie sind für einen gesetzlichen Mindestlohn. Das können wir gern machen. Wenn wir uns dem anschließen wollen - sofort.
Ich will Ihnen eines sagen: Wissen Sie, warum Berlin aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgestiegen ist? Ich hoffe, Sie wissen es. Ansonsten werden Sie jetzt erschrecken: Der Antragsteller waren die Gewerkschaften. Und wissen Sie, warum? - Innerhalb der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder hätten die Berliner
zu wenig Geld gekriegt. Die sind deswegen ausgestiegen, weil sie Konditionen weit oberhalb dessen ausgehandelt haben - übrigens bis heute -, was bei den anderen Tarifpartnern der Länder möglich ist. Deswegen sind die da ausgestiegen. Wir können so einen Ausstieg gern auch machen. Ich glaube aber nicht, dass wir uns das leisten können. Die Berliner konnten es sich damals wahrscheinlich auch nicht leisten. Das ist aber die Situation, vor der wir stehen.
Dieses Argument können Sie beim Länderfinanzausgleich gegen uns verwenden, meinetwegen auch gegen meine Berliner Parteifreunde, aber nicht bei der Frage der Mindestlöhne. Dabei sind sie nämlich nach oben ausgebrochen.
Dann haben wir noch das letzte Problem: Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Erstens. Wissen Sie, wem Vivantes gehört, Herr Gürth?
Zu 100 % Berlin. Das heißt also, ein Verkauf innerhalb der Stadt an Vivantes hat mit einer Privatisierung überhaupt nichts zu tun, sondern spielt sich sozusagen innerhalb des Trägers der öffentlichen Daseinsvorsorge ab. Dass sie ihre Messegesellschaft verkloppen - sofort, absolut -, ist kein Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Dass sie übrigens noch massenhaft Wirtschafts- und Grundstücksentwicklungsgesellschaften haben, die permanent Defizite einfahren - - Völliger Blödsinn. Sofort verkaufen! Jawohl. Machen sie jetzt übrigens auch. Wenn es aber um die Träger der öffentlichen Daseinsvorsorge geht, gilt das ausdrücklich nicht.
Es gibt allerdings noch ein paar Altverträge. Das spielte gerade bei der Wasserversorgung eine Rolle. Dabei hat man unter der alten Regierung aus CDU und SPD zum Beispiel tatsächlich Folgendes geschafft: