Auf der Basis des Status quo, das heißt insbesondere der Zahlen der kommunalen Finanzstatistik des Jahres 2004, kommt das IWH in seiner Untersuchung zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass alle drei Gemeindestrukturmodelle ihre spezifischen Vor- und Nachteile aufweisen. Deutlich wird aber - dies ist im Hinblick auf die in Rede stehende Effizienz und Wirtschaftlichkeit entscheidend -, dass die Einheitsgemeinde bei den meisten allgemeinen Verwaltungsaufgaben sowie bei den Aufgaben des Brandschutzes und der Hilfeleistung im Vergleich zur Verwaltungsgemeinschaft mit gemeinsamem Verwaltungsamt deutlich effizienter und wirtschaftlicher ist. So lagen die durchschnittlichen Kosten pro 1 000 Einwohner für die Gemeindeorgane bei den Verwaltungsgemeinschaften knapp über 40 % und die für die Hauptverwaltung ca. 13 % über dem Niveau der Einheitsgemeinden.
Zwar hat die Verwaltungsgemeinschaft durchaus positive Effekte; nachteilig erweist sich jedoch, dass von der möglichen Übertragung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises auf die Verwaltungsgemeinschaft und damit der Konzentration von den Mitgliedsgemeinden kein bzw. wenig Gebrauch gemacht wurde. Eine Ertüchtigung der Verwaltungsgemeinschaften durch eine gesetzliche Übertragung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises originär auf die Verwaltungsgemeinschaft ist jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, sodass sich nach Darstellung des IWH - ich hoffe, das haben Sie auch gelesen, Kollege Wolpert - die Verbandsgemeinde neben der Einheitsgemeinde als eine Kompromisslösung insbesondere in dünnbesiedelten Gebieten erweist.
Der Vergleich zwischen der Verwaltungsgemeinschaft nach dem so genannten Trägergemeindemodell und der Einheitsgemeinde weist demgegenüber nur geringe Unterschiede aus. Dies ist durchaus nachvollziehbar, da die Verwaltungsgemeinschaft nach dem Trägergemeindemodell durchaus als eine Vorstufe der Einheitsgemeinde betrachtet werden kann, wenn man sieht, dass einer die Aufgaben für alle anderen mit erledigt.
Vorteile der Einheitsgemeinden neben den Kosten der Verwaltungsaufgaben werden darin gesehen, dass die Finanzmittel konzentriert eingesetzt werden können und dadurch Investitionen ermöglicht werden, die sonst nicht erfolgen könnten.
Ein weiterer Vorteil der Einheitsgemeinde ist die Möglichkeit eines flexibleren Einsatzes des Verwaltungspersonals für die Erfüllung der Aufgaben.
Auf der Grundlage von Gesprächen mit Mandatsträgern vor Ort und einer Auswertung der Wahlbeteiligung werden Vorteile der Verwaltungsgemeinschaft und damit auch der Verbandsgemeinde beim ehrenamtlichen Engagement und der örtlichen Verbundenheit gesehen. Die Gutachter regen insoweit an, gegenüber dem Status quo bei den Einheitsgemeinden auf eine Qualifizierung der Ortschaftsverfassung hinzuwirken.
Zum Gutachten Wiegand/Grimberg. Die Ergebnisse des Gutachtens von Wiegand/Grimberg gehen in der Frage der Wirtschaftlichkeit deutlich weiter. Hierin wird anhand von konkreten Zahlen aufgezeigt, dass die Einheitsgemeinde mit Abstand - Sie haben die Zahlen zitiert - die wirtschaftlichste Form der Verwaltungsstruktur auf gemeindlicher Ebene darstellt. Es lassen sich bis zu 140 000 € pro Jahr im Vergleich zur Verwaltungsgemeinschaft einsparen. Nach Aussage der Gutachter ist dieses Einsparpotenzial als Minimum zu verstehen.
Dies bedeutet - wir sollten auch über die Quantität dessen, was wir aufgeschrieben bekommen haben, reden - auf 95 Verwaltungsgemeinschaften hochgerechnet, dass Einsparungen in Höhe von bis zu 14 Millionen € pro Jahr in der Verwaltungsarbeit erzielt werden können. Bis zu 14 Millionen € im Jahr,
die den Kommunen zur Verfügung stehen, um damit nachhaltig konsolidieren oder investieren zu können.
Dies ist kein geringer, sondern ein wesentlicher Betrag, der Freiraum für die Ausgestaltung und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung schafft.
Auch im Vergleich der Einheitsgemeinde mit der Verbandsgemeinde geben die Verwaltungswissenschaftler der Hochschule Harz der Einheitsgemeinde deutlich den Vorrang. Sie zeigen hierbei ebenfalls finanzielle Einsparpotenziale in sechsstelliger Höhe je Verwaltungsgemeinschaft und Jahr auf.
Gestatten Sie mir noch ein kurzen Vergleich beider Gutachten. Legt man beide Gutachten nebeneinander und sieht sich die Kernaussagen an, ist zu erkennen, dass der in der Koalition gefundene Kompromiss weitestgehend bestätigt wird.
Beide Studien zeigen deutlich auf, dass die bestehende Verwaltungsstruktur auf der gemeindlichen Ebene in Sachsen-Anhalt angesichts der absehbaren demogra
fischen und finanziellen Entwicklung keine Zukunft hat. Es besteht unstreitig Reformbedarf. Verwaltungsgemeinschaften sind nicht das Modell der Zukunft.
Die Bürgernähe wird für die Zukunft in der Einheitsgemeinde durch die Ortschaftsräte und in der Verbandsgemeinde durch die Mitgliedsgemeinden bestmöglich zu gewährleisten sein. Nach beiden Gutachten wird die Einheitsgemeinde als zukunftsfähiges Verwaltungsmodell anerkannt.
Unterschiedliche Bewertungen bestehen ausschließlich im Hinblick auf das Alternativmodell. Während das IWH die Verbandsgemeinde gleichberechtigt präferiert, sprechen sich Wiegand/Grimberg gänzlich gegen die Verbandsgemeinde aus. Es ist daher richtig - das sage ich hier auch ganz bewusst -, die Verbandsgemeinde in den im Koalitionskompromiss definierten Fällen auch zuzulassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welche Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen? Die vorgelegten Gutachten bestätigen die Notwendigkeit einer Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt. Sie beinhalten essenzielle und wertvolle inhaltliche Hinweise, die bei der Umsetzung dieser Reform zu berücksichtigen sind und in der bisherigen Erarbeitung - zumindest soweit sie auch bekannt waren - weitgehend beachtet werden konnten.
Das auf der Grundlage des Beschlusses des Koalitionsausschusses erstellte Eckpunktepapier des Innenministeriums zur Gemeindegebietsreform, welches die Grundlage des gegenwärtig in Erarbeitung befindlichen Leitbildes ist, berücksichtigt das von den Gutachtern des IWH als wesentlicher Punkt angesprochene Gebot der Beachtung der kommunalen Selbstverwaltung im Hinblick auf das ehrenamtliche Engagement. So nimmt insbesondere die Ausgestaltung der Ortschaftsverfassung in den Eckpunkten und in dem in Kürze vorliegenden Leitbild einen breiten Raum ein.
Das ehrenamtliche Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger wird selbstverständlich auch im Rahmen der neuen Strukturen aufrechterhalten und durch die Einsparpotenziale im Hinblick auf eine effizientere und wirtschaftlichere Verwaltungsarbeit in den Kommunen bestärkt. Die bereits im Land bestehenden Einheitsgemeinden, die sich in den vergangenen Jahren gebildet haben, zeigen deutlich, dass Einsparungen in der Verwaltung und der Bestand bzw. der Ausbau des ehrenamtlichen Engagements kein Widerspruch sind,
sondern vielmehr durch die eingesparten Mittel der Entscheidungsspielraum für die kommunale Selbstverwaltung ausgebaut werden kann.
Die Landesregierung ist hierzu auf einem guten Weg. Die Gespräche mit den kommunalen Vertretern, die ich in den vergangenen Wochen und Monaten führen durfte, zeigen, dass nach anfänglicher Skepsis eine deutliche Bewegung in dem Prozess zu erkennen ist und die Akzeptanz und auch die Einsicht in die Notwendigkeit der Reformen steigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, leistungsfähige Strukturen auf der gemeindlichen Ebene zu schaffen, die den An
forderungen der Zukunft, insbesondere mit Blick auf die demografische und finanzielle Entwicklung unseres Landes, gewachsen sind. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Nachfrage. Der Abgeordnete Herr Wolpert hat noch eine Frage. - Bitte schön.
Es kommt mir so vor, dass wir beide uns über Dinge unterhalten, die den anderen etwas fremd sind, weil wir beide offensichtlich den Entwurf gelesen haben.
- Ja. - Sind Sie denn bereit, dem Hohen Hause diesen Entwurf in Gänze zur Verfügung zu stellen, und zwar offiziell? Oder soll ich mein Exemplar unerlaubterweise vervielfältigen oder die beiden Professoren oder den Auftraggeber um Erlaubnis dafür bitten? Das ist die eine Frage.
Die andere Frage ist: Sind Sie auch der Meinung, dass die Einsparungen von 14 Millionen € aus dem Gutachten rein theoretisch sind, weil die anderen Kosten, die das zweite Gutachten ausgewiesen hat, außer Acht gelassen wurden, dass diese 14 Millionen € Einsparungen nur theoretisch entstehen und selbst bei einer Verschiebung des FAG um den Anteil von 1 %, wie Sie es schon vorhaben, diese Einsparungseffekte völlig zunichte gemacht werden, weil 12 Millionen € den Kommunen schon gar nicht mehr zur Verfügung gestellt werden?
Das Dritte ist: Wenn sich die Gutachter darauf beziehen, dass die heutigen Verbandsgemeinden nicht in der Lage sind, die Anforderungen bei der Konzentration der Infrastruktur, das heißt nicht bei allen Aufgaben, zu bewältigen, können sich die Gutachter nur auf die beziehen, die sie untersucht haben, nämlich die vom Zeitpunkt des Jahres 2004, nicht die nach der Verwaltungsstrukturänderung des Jahres 2005, weil das von den Gutachtern ausdrücklich ausgenommen wird.
Zunächst sollten wir uns fernab jeder Polemik dazu verständigen, welchen Auftrag ich hatte. Der Auftrag war, ein Gutachten vorzulegen. Das Gutachten liegt vor. Ich hatte nicht den Auftrag, den Entwurf eines Gutachtens vorzulegen. Insofern habe ich die Aufgabe, die Sie mir gestellt haben, ordnungsgemäß erfüllt.
Nun ist es so - das wissen Sie auch - dass es, wenn Gutachter gutachterlich tätig werden, so etwas wie eine Abschlussbesprechung zum Entwurf eines Gutachtens gibt. Auch dies hat es natürlich gegeben, indem Nachfragen gestellt worden sind, indem Dinge und Aussagen hinterfragt worden sind. Im Übrigen ausdrücklich - das will ich hier erklären - weil der versteckte Vorwurf dahinter steckt, das Innenministerium habe auf den inhaltlichen Teil des Gutachtens Einfluss genommen. Wir haben durch Nachfragen und im Gespräch mit den Gutachtern sich aus dem Entwurf ergebende Fragen formuliert,
haben versucht, diese zu klären, und die Gutachter gebeten, dies dann auch in ihrem endgültigen Gutachten zu berücksichtigen. Das ist geschehen.
Sie können gerne mit einem Entwurf durch die Lande reisen. Das werden Sie sowieso tun, Sie haben ja auch im Wesentlichen aus dem Entwurf zitiert und nicht aus dem Gutachten - leider. Sie hätten das Gutachten lesen sollen und nicht den Entwurf, dann wären Sie vielleicht an manchen Stellen klarer gewesen.
Was die Frage der Einsparungspotenziale von 140 000 € anbelangt, muss man, glaube ich, die Kirche etwas im Dorf lassen. Wir reden darüber, dass es zwei verschiedene Gutachten gibt, die wir jetzt miteinander zu bewerten versuchen. Wir bewerten, was der eine Gutachter sagt und was der andere Gutachter sagt, und prüfen, wie wir das im weiteren Verfahren zur Gemeindereform in Sachsen-Anhalt gewichten.
Es wird nicht gelingen, wenn sich jeder aus jedem Gutachten einen Punkt herausgreift - das habe ich nicht getan; dann lesen Sie meine Rede nachher noch einmal nach, die kriegen Sie ja - und sagt, das sei jetzt der alles entscheidende Punkt. Das habe ich in meiner Darstellung nicht getan. Ich habe ausdrücklich gesagt - das nehme ich jetzt für mich persönlich in Anspruch, weil ich ja vor Monaten auch in diesem Hohen Haus ganz glasklar gesagt habe -: Nur die Einheitsgemeinde soll künftig das Gemeindestrukturmodell in Sachsen-Anhalt sein. Dann gab es einen Prozess, und die Gutachter haben im Wesentlichen das bestätigt, was in der Koalition in diesem doch recht langen Prozess der Meinungsfindung als Ergebnis herausgekommen ist.
Von daher gestehe auch ich hier ein, einen Lernprozess durchgemacht zu haben. Aber unterstellen Sie nicht, wir würden einzelne Dinge herausziehen und damit politisch motiviert Dinge begründen, die wir als richtig empfinden. Ich glaube, dass man in der Gesamtbetrachtung beider Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass die Koalition, was die Frage der Gemeindereform anbelangt, auf einem vernünftigen und auf einem gerechtfertigten und auch guten Weg ist.
Zu der Frage, was mit den Daten nach dem Jahr 2005 ist. Sie haben insbesondere die Frage gestellt bezüglich der Übertragung von Aufgaben von Mitgliedsgemeinden auf die Verwaltungsgemeinschaft. Ich kann Ihnen zumindest aus meiner jetzt 14-monatigen Erfahrung in dem Amt - die statistischen Daten kann ich Ihnen gerne zusammenstellen, wenn Sie Wert darauf legen - keine signifikante Veränderung mitteilen, die sich darauf bezieht, dass Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften en masse Aufgaben auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen haben. Dies ist nicht passiert in Sachsen-Anhalt, sondern es ist nach wie vor die Ausnahme, wie sie es bis zum Jahr 2004 auch war.
Insofern ist an dieser Stelle die Aussage der Gutachter nach meiner Interpretation auch mit den Erfahrungen der letzten zwei Jahre zu bestätigen. Das, was bis zum Jahr 2004 passiert ist, hat sich nach dem Jahr 2004 fortgesetzt.
Herzlichen Dank für die Beantwortung. - Herr Harms hat das Wort zu einer weiteren Frage. Frau Dr. Paschke möchte ebenfalls noch eine Frage stellen.