Protokoll der Sitzung vom 13.07.2007

Ich bin auch relativ skeptisch, ob es dafür jemals eine Mehrheit geben wird.

Andere Fragen sind meiner Ansicht nach relativ schnell zu beantworten. Eine Übertragung der Sanktionsgewalt auf den Finanzplanungsrat kann es nicht geben. Artikel 30 des Grundgesetzes steht dem ganz deutlich entgegen. Das ist vielen gar nicht so richtig bekannt. Darin steht eindeutig, dass die Aufgaben des Staates durch die Länder wahrzunehmen sind, soweit die Länder nicht bestimmte Aufgaben an den Bund delegiert haben.

Nun kann man darüber reden, in das Grundgesetz zu schreiben, dass die Länder eine Finanzoberaufsicht auf den Finanzplanungsrat delegieren. Solche Konstruktionen gibt es bei der Finanzministerkonferenz innerhalb der EU. Aber das kann dann keine exekutive Gewalt sein, sondern bestenfalls ein Gremium, das Bewertungen ausspricht und Auflagen erlässt.

Man muss sich überlegen, wie weit man diesen Weg gehen will. Wenn wir eine bundesweite Haftung untereinander vereinbaren, dann ist es nahe liegend, dass diejenigen, die im Ernstfall mit haften, auch mitentscheiden und Grenzen setzen können. Wenn wir dazu nicht kommen, dann gibt es auch keinerlei Gründe, die Autonomie der Länder infrage zu stellen; denn es bedeutet die Einschränkung der Haushaltsautonomie der Landtage. Das ist ein Thema, bei dem ich durchaus nicht der Meinung bin, dass man es leichtfertig zur Disposition stellen sollte.

Davon abgeleitet sind dann solche Fragen zu entscheiden wie die jeweiligen Hebesätze der Länder. Unterschiedliche Hebesätze sind für uns zurzeit ein Gräuel. Darin kann ich Ihnen nur Recht geben. Im Moment können wir damit überhaupt nicht umgehen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass das bis 2019 ernsthaft umgesetzt werden kann. Ich weiß aber, dass die gegenwärtigen Strukturen des horizontalen Finanzausgleichs nach 2019 andere sein werden. Darüber muss man reden. Wenn die Autonomie der Länder festgeschrieben wird, wie das jetzt seitens des Bundesverfassungsgerichts die Klage Berlins betreffend geschehen ist, müssen sie auch das Recht bekommen, damit umzugehen.

Dass die Länder unterschiedliche Hebesätze erlassen, ist in Kanada, in der Schweiz und in Spanien ganz selbstverständlich. Darüber streitet niemand. Bei uns in Deutschland haben wir große Schwierigkeiten, uns das nur vorzustellen. Derartige Überlegungen sind nicht nötig, solange wir solidarische Strukturen zum Finanzausgleich in dem Umfang wie bisher haben. Wenn wir sie reduzieren, müssen die Länder eigene Möglichkeiten haben, gestalten zu können. Das eine ist mit dem anderen zwangsläufig verbunden.

Darüber gibt es noch eine völlig offene Meinungsbildung. Ich weiß auch noch nicht, wie das am Ende aussehen wird. Aber dass wir aufpassen müssen, dass wir mit unseren Interessen eingebunden bleiben, ist völlig richtig.

Aber ich will auch keine Illusionen wecken. Wenn Sie glauben, dass wir im Zusammenhang mit dieser Diskussion, bei der es darum geht, die Strukturen zwischen den Verfassungsebenen, zwischen Bund und Ländern, neu zu gestalten, gleichzeitig Steuerreformpolitik machen können, in welcher Weise auch immer, dann irren Sie sich. Das werden wir nicht hinbekommen. Damit würden wir auch diese Kommission überfordern. Das ist etwas, das sich auf einer anderen Ebene abspielt.

Kürzlich hatten wir eine schöne Diskussion über die Unternehmenssteuerreform. Das ist jetzt im Bundestag und im Bundesrat mehrheitsfähig.

Zurzeit diskutieren wir über die Erbschaftsteuerreform. Diesbezüglich sind alle der Meinung, dass wir zum Erhalt von Betrieben und zum Erhalt von Arbeitsplätzen besondere Regelungen treffen müssen unter dem Gebot des Bundesverfassungsgerichts, dass alle unterschiedlichen Eigentumsformen in diesem Fall gleich zu behandeln sind. Das wird noch eine richtig schwere Diskussion. Es gibt im Moment noch keine klaren Vorstellungen darüber, wie das ausgeht.

Die Vorstellung, dass dort, wo viel Vermögen ist, auch viel abkassiert werden muss, ist reizvoll und verlockend. Allerdings wissen wir, dass dann noch mehr Vermögen außerhalb Deutschlands platziert wird. Das läuft jetzt schon in erheblichem Umfang.

Also, das sind Probleme, bei denen die Entscheidungen relativ schwierig sein werden. Im Vergleich dazu ist die Lösung solcher Probleme, wie sie eines in Ihrem Punkt 9 angeschnitten haben, nämlich die unterschiedliche Belastung der Länder bei der Hochschulausbildung intern auszugleichen, eher eine leichte Übung. Das kann man machen, aber das bedeutet dann wieder einen Finanzausgleich zwischen den Hochschulen. Dabei muss man aufpassen, dass man nicht auf diese Weise die Wahlfreiheit der Studenten einengt. Ich weiß, dass das Land Rheinland-Pfalz diesbezüglich schon erste Versuche gemacht hat, die schlicht gescheitert sind an den Grenzen, die das Grundgesetz für solche denkbaren Lösungen auferlegt hat.

Das alles sind Probleme, die mit Sicherheit nicht alle gebündelt und gelöst werden können. Dass eine Gemeindefinanzreform seit Langem überfällig ist, sagen wir schon seit Mitte der 90er-Jahre. Aber diese Reform wird in diesem Zusammenhang wahrscheinlich auch nicht kommen - das muss ich ganz ehrlich sagen -; denn für die Finanzsituation der Gemeinden sind die Länder zuständig.

Die Vorstellung, über die auch diskutiert wird, auf der Länderebene eine dritte Verfassungsebene zu machen, würde bedeuten, dass wir das Grundgesetz grundsätzlich umschreiben müssen. Wenn die Länder für die Gemeindefinanzen übrig bleiben, kann man zwar das Gesetz ändern, man kann die Verteilung der einzelnen Steueraufkommen korrigieren, aber das wird nie dazu führen, dass alle damit gleichermaßen zufrieden sind. Das ist sicher.

Am Ende wird immer wieder gesagt, die unterschiedliche Finanzsituation der Kommunen muss über das FAG auf der Landesebene ausgeglichen werden. Das ist eine Sache der Länder. Damit wird sich diese Kommission wahrscheinlich nicht näher befassen.

Insgesamt haben Sie den Vorschlag gemacht, über die einzelnen Punkte im Finanzausschuss zu diskutieren. Dazu kann ich Sie nur ermutigen. Es handelt sich um ausgesprochen spannende Themen mit verfassungsrechtlicher Relevanz. Ich betrachte Ihren Antrag zu dem, was wir bisher gemacht haben - ich hoffe, dass ich Sie damit nicht falsch interpretiere -, als eine - so heißt das im parlamentarischen Sprachgebrauch - distanzierende Zustimmung. Ich hoffe, dass ich damit Recht habe.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. - Wir kommen jetzt zur verabredeten Fünfminutendebatte. Als erster Debattenrednerin erteile ich zunächst für die SPD Frau Fischer das Wort. Frau Fischer, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Im März 2007 nahm die im Dezember 2006 von Bundesrat und Deutschem Bundestag eingesetzte Föderalismuskommission II ihre Arbeit auf. Für die schwierigen Finanzfragen, die bei der vorangegangenen Föderalismusreform I offen geblieben waren, soll sie Lösungsvorschläge für eine Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erarbeiten. Ziel ist die Neugestaltung der Finanzbeziehungen zur Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der Staatsfinanzen.

Die Bekämpfung der enormen Staatsverschuldung bildet dabei den Schwerpunkt. Dass Deutschland mit seinen Ländern eine Schuldenbegrenzung braucht, ist unbestritten. Die Meinungen zur Schuldenbegrenzung, zur Schuldenbremse - ja, aber wie? - und zu den begleitenden Themen gehen quer durch die Bundesrepublik Deutschland, in Nord, Süd, Ost und West mit ganz unterschiedlichen Tendenzen.

Die Experten empfehlen ein generelles Schuldenverbot. Diesbezüglich sollte sich Deutschland an den Kriterien des europäischen Stabilitätspaktes orientieren. Oder man kann sich auch einen nationalen Entschuldungspakt vorstellen. Immer wieder wird auch auf die Erfahrungen in der Schweiz verwiesen.

Zwischen diesen Extremen gibt es vielfältige Vorstellungen darüber, wie die Verschuldung wohl einzugrenzen wäre. Wir haben gestern Vormittag auch bei dem Gesetzentwurf der FDP hierüber beraten.

Es ist wichtig, dass Sachsen-Anhalt möglichst im Kontext der Ostländer seine Stimme hebt. Ich bin mir sicher, dass das mit dem erforderlichen Nachdruck geschieht, wie es Ministerpräsident Herr Professor Dr. Böhmer soeben auch bestätigt hat.

Alle Ostländer kämpfen mit ähnlichen Problemen, einem geringen Steueraufkommen, einem Rückgang der Solidarpaktmittel und einem Rückgang der Einwohnerzahlen.

Es gibt auch aus unserer Sicht wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Föderalismusreform zu klären, etwa der Erhalt des Modells eines kooperativen Föderalismus, in dem soziale Leistungen und Standards unter Berücksichtigung des Verfassungsprinzips der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gelten. Diese Aufgabe ist nicht ganz einfach zu lösen, insbesondere wenn ich dabei an die unterschiedlichen strukturellen Entwicklungen in Deutschland und an das Problem der bisher aufgelaufenen Schulden und den Umgang damit denke. Das wird man jetzt nicht lösen können. Das sollte aber auf der Agenda stehen.

Ein Eingriff in die Vereinbarungen zum Solidarpakt II und den damit verbundenen Länderfinanzausgleich ist auch aus unserer Sicht nicht vertretbar. Ich habe allerdings bisher von niemandem aus der Kommission ernsthaft gehört, dass daran gerüttelt werden sollte. Trotzdem müssen wir immer wieder darauf verweisen und den einsamen Rufern in der Wüste begegnen.

Das Kernthema Verschuldung wird die Beratungen und Diskussionen der Kommission weitgehend bestimmen. Stichworte wie Schuldenbremse, Neuverschuldungsverbot, Umgang mit Altschulden, Definition des Investitionsbegriffs, Schweizer Modell usw. lassen erahnen, wie schwierig der Weg zu einer einvernehmlichen Lösung sein wird. Sind Sanktionen bei Nichteinhaltung ein richtiger Weg? - Viele Fragen, die auf Antworten warten.

Auch völlig umstritten ist die Frage der Steuerautonomie der Bundesländer. Ganz, teilweise oder vielleicht auch zeitweise - die Vorstellungen diesbezüglich sind ganz unterschiedlich. Die Wellen schlagen bei diesem Thema sofort hoch, auch bei uns.

Ein erhöhter Wettbewerb zur Stärkung der Länderautonomie im Steuerbereich kann unserer Meinung nach nur dann in Betracht kommen, wenn zwischen den Ländern ähnliche oder gleiche Startbedingungen bestehen. Die Ausgangsbedingungen zwischen Ost und West sind nach wie vor höchst unterschiedlich. Beim Steueraufkommen je Einwohner liegen die neuen Länder bei nur ca. 40 % des Länderdurchschnitts.

Solange solche Unterschiede bestehen, können wir nicht in einen Wettbewerb starten. Es muss deshalb mit dieser Reform gelingen, die Schere zwischen den stärkeren und den schwächeren Ländern zu verkleinern. Das ist ein harter Kanten, an dem zu knabbern ist.

Gleichgewichtig mit den Finanzthemen sind die Verwaltungsthemen bei der Modernisierung der Bund-LänderBeziehungen. Im Sinne konsequenter Einsparungen auf der Ausgabenseite und zur Schaffung notwendiger Handlungsspielräume für die öffentlichen Haushalte werden konkrete Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung erwartet und müssen beraten werden.

Zuletzt die Frage: Warum sollte diese Reform nicht auch dazu genutzt werden, eine Länderneugliederung zu forcieren? Die Bildung größerer Länder liegt im gesamtstaatlichen Interesse. Die Länder tun sich schwer, freiwillig zu fusionieren, wie wir wissen.

In dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE sind diese Fragestellungen im Prinzip alle enthalten. Ich möchte nur kurz auf zwei Punkte eingehen. In Punkt 3 - der Ministerpräsident hat es vorhin schon angesprochen - geht es um die Einschränkung der Kreditobergrenze, wenn Voraussetzungen für eine nachhaltige Entschuldung der Ländern geschaffen worden sind. Das klingt gut. Nur, fragen Sie einmal den Bundesfinanzminister Peer Steinbrück oder die Finanzminister der Länder Bayern oder Baden-Württemberg, was sie davon halten. Dann wird es schon schwierig.

Zu Punkt 4. Die Bedingungen für die Kreditaufnahme müssen präzisiert werden. Ja, bitte! Aber wie? Das sind doch genau die Fragen, die auch in der Kommission zu Diskussionen führen und gelöst werden müssen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie merken schon, dass über den elf Punkte umfassenden Antrag der Fraktion DIE LINKE in einer Fünfminutendebatte nicht mit der notwendigen, dem Inhalt angemessenen Aufmerksamkeit diskutiert werden kann.

Wir plädieren für die Überweisung an den Finanzausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir im Finanzausschuss über unsere unter

schiedlichen Auffassungen diskutieren müssen und auch werden. Ob wir dabei in allen Punkten Übereinstimmung erzielen werden, wage ich allerdings zu bezweifeln. Dabei geht es uns wohl nicht anders als den Mitgliedern der Kommission. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Fischer. - Wir kommen zum Beitrag der FDP. Herr Professor Paqué, bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Linkspartei.PDS

(Zuruf von der LINKEN: DIE LINKE!)

- DIE LINKE, es kommt mir einfach noch nicht über die Lippen - behandelt ohne jeden Zweifel ein ganz wichtiges Thema. Ich kann mich nur der SPD-Fraktion anschließen: Wir brauchen eine Überweisung in den Finanzausschuss und in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, wo man darüber vertieft diskutieren kann.

Lassen Sie mich ganz grob die zentralen Punkte, um die es aus liberaler Sicht geht, umreißen. Zunächst vor die Klammer gezogen: Der Solidarpakt II muss unangetastet bleiben. Pacta sunt servanda, bis zum Jahr 2019 ist der Fahrplan festgelegt. Daran darf sich nichts ändern.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Der Herr Ministerpräsident hat am Anfang seiner Rede gesagt: Der horizontale Finanzausgleich ist gewissermaßen tabu, weil das aufeinander aufsetzt. Aber im Verlauf Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident, haben Sie deutlich gemacht, dass es an der einen oder anderen Stelle dort schon durchaus grundlegenden Reformbedarf gibt, wobei sich die Frage stellt, ob das alles vor dem Jahr 2019 überhaupt realisiert werden kann.

Aber ich sage ganz deutlich: Bei einer derart grundlegenden auch verfassungsrechtlichen Frage kann man nicht früh genug anfangen, intensiv mit Experten zu diskutieren, Konzepte auszutauschen und die politische Willensbildung voranzutreiben; denn eine solche Reform macht man nicht alle Tage, die macht man alle 30, 40 oder 50 Jahre einmal. Die letzte große Reform im Föderalismus, wenn ich von der jüngsten ersten Stufe absehe, die noch relativ bescheiden ausgefallen ist, war Ende der 60er-Jahre in Westdeutschland. Deswegen ist es keineswegs vermessen, wenn sich bereits jetzt eine Kommission mit diesen Fragen beschäftigt, auch wenn ich selbst der Meinung bin, man wird wahrscheinlich vor dem Jahr 2019 hier nichts bewegen.

Aber das System des Finanzausgleichs - das müssen wir uns ganz klar eingestehen - ist reformbedürftig, und zwar im Wesentlichen aus vier Gründen.

Der erste Grund ist ganz simpel: Es ist ungeheuer kompliziert. Ich könnte Ihnen aus dem Finanzausgleichsgesetz eine Reihe von quadratischen Gleichungen vorlesen, wo für verschiedene Abschnitte der Ungleichheit der Verteilung über entsprechende Umverteilungsmechanismen diskutiert wird. Ich nehme an, nur Herr Scharf als Mathematiker wäre überhaupt noch in der

Lage, einigermaßen intuitiv nachzuvollziehen, um was es dabei geht.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

- Ich verstehe die Gleichungen nicht, lieber Kollege Daehre.