Protokoll der Sitzung vom 13.07.2007

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Ja, so wird man dann durcheinander gebracht.

Ich weiß nicht, was Sie für ein Kommunikationsniveau in Ihrem Fachausschuss pflegen. Ich finde, das, was Sie hier abliefern, ist wohl unter allem Niveau. Sie strecken hier die Zunge heraus und machen andere Dinge, die ich gar nicht näher ausführen will, und werfen dann mit Begriffen um sich. Ich finde, es ist dem Hause nicht angemessen, wie Sie in diesem Fall mit mir umgegangen sind. Das weise ich auch ganz strikt zurück.

(Beifall bei der CDU)

Wer im Glashaus sitzt, sollte wirklich nicht mit Steinen werfen.

Jetzt die sachliche Frage. Ich kann mich an die letzte Wahlperiode erinnern. Damals waren es doch gerade Sie, die mit Händen und Füßen, mit Zeter und Mordio, mit Abscheu und Empörung jede Kommunalisierung - ich denke an das Feststellenprogramm und die Jugendpauschale - zurückgewiesen haben. Es wurde gesagt, die armen Kommunalpolitiker wären gar nicht in der Lage, das zu bewältigen.

Jetzt kommen Sie mit einer 180-Grad-Kehrtwende und nivellieren das wieder, indem Sie sagen, man müsste einmal darüber nachdenken. Das nenne ich einen klassischen Schaufensterantrag, der auf Populismus gebaut ist. Diesbezüglich lasse ich mir auch von Ihnen nicht widersprechen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Bull, bitte.

Erst einmal möchte ich mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Man braucht bei manchem Niveau der Zwischenrufe dicke Nervenstränge. Die waren mir abhanden gekommen, mit Verlaub.

Zu dem sachlichen Teil Ihrer Frage. Wir haben uns zu keinem Zeitpunkt gegen die Kommunalisierung der Jugendpauschale an sich gewandt. Problematisiert haben wir lediglich, dass die Komplementärfinanzierung der Landkreise aufgehoben wurde. Das ist ein erheblicher Unterschied.

In einem will Ihnen aber gern Recht geben: Wir sind in der Tat bei der Einführung der Jugendpauschale vor zehn Jahren diesem Vorhaben mit sehr vielen Vorbehalten begegnet. Aber ich muss einfach sagen: Es ist schlicht so, dass in meiner Fraktion ein Stück weit auch ein Lernprozess stattgefunden hat. Wir überlegen nämlich, welche Rolle die Kommune auch in der Sozialpolitik spielt. Das ist legitim.

Aber Sie können keinesfalls behaupten, dass wir nicht konsistent sind. Wir waren diejenigen, die - ich erinnere mich an diverse Auftritte mit dem Kollegen Rothe - mit Klauen und Zähnen beispielsweise die Kommunalisierung der Eingliederungshilfe im Bereich der Sozialhilfe verteidigt haben, auch gegenüber Ihrer Fraktion, was kein leichtes Brot gewesen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/739 ein. Von der Antragstellerin ist eine Überweisung an den Sozialausschuss gefordert worden. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag ab. Wer ist für den Antrag? - Das ist die Antragstellerin. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt 22 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung

Zur Tätigkeit und Stellenneubesetzung des Ausländerbeauftragten der Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/741

Die Einbringerin ist Frau Rente. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Behandlung eines Selbstbefassungsantrages von Abgeordneten meiner Fraktion ist im Sozialausschuss auf den September 2007 verschoben worden, obwohl seitens der Ministerin bzw. durch die Staatssekretärin in Vertretung der Ministerin die Bereitschaft signalisiert wurde,

(Unruhe)

Einen kleinen Moment, bitte. - Könnten wir den Geräuschpegel etwas eindämmen? - So, bitte sehr.

die gestellten Fragen zeitnah zu beantworten.

Für diese Bereitschaft, Frau Ministerin, möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken. Es zeigt doch, dass Sie, Frau Ministerin Kuppe und die zuständigen Mitarbeiterinnen Ihres Ministeriums, sich der Problematik um das Thema Integration bewusst sind.

Nun ja, die Qualität einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht. Es wird schon manchmal ein sehr seltsamer Umgang miteinander in diesem Parlament gepflegt.

Punkt 3 unseres Antrags hat sich zwischenzeitlich erledigt, wurde vom Leben eingeholt. Sachsen-Anhalt wird ab dem 15. August 2007 bis zum Ende dieser Legislaturperiode eine neue Integrationsbeauftragte haben, wenn auch die Frage der Stellenausschreibung im Nebulösen bleibt. Meine Fraktion begrüßt grundsätzlich die Aufwertung dieser Stelle, wenn damit wirklich eine inhaltliche Aufwertung der Kompetenz der Aufgabenfelder und der Arbeitsbereiche der künftigen Beauftragten einhergeht.

Der letzte Bericht zur Tätigkeit des Ausländerbeauftragten stammt aus dem Jahr 2005. Auch wenn die Amtszeit von Herrn Bürig am 15. August 2007 endet, halten wir es dennoch für unabdingbar, dass zeitnah eine Analyse der Tätigkeit des Ausländerbeauftragten im Zeitraum November 2005 bis zum Ende seiner Amtszeit erfolgt; denn anders können mögliche Defizite in der bisherigen Arbeit des Ausländerbeauftragten nicht erkannt und bewertet werden. Auch zur Erstellung des Aufgabenprofils für die künftige Arbeit des oder der Integrationsbeauftragten halte ich diese Analyse für unbedingt erforderlich.

Ich hoffe im Interesse der Sache, dass sich die zukünftige Integrationsbeauftragte nicht ausschließlich an der Arbeitsweise des scheidenden Ausländerbeauftragten orientiert, so beispielsweise an seiner doch häufigen Abwesenheit bei Veranstaltungen des Bündnisses für Integration und des Runden Tisches gegen Ausländerfeindlichkeit.

Wir empfanden es auch als äußerst befremdlich, dass Herr Bürig die Einladung eines Arbeitskreises meiner Fraktion zu einem Arbeitsgespräch zum nationalen Integrationsplan und zu dem Beitrag unseres Bundeslandes mit Blick auf das Ende seiner Amtsperiode dankend ablehnte. Kurzum: Ich hoffe und habe die Bitte, dass wir die künftige Integrationsbeauftragte, Frau Susi Möbbeck, nicht zum Jagen tragen müssen.

Ich möchte an dieser Stelle bereits eine Einladung an Frau Möbbeck zu einem Informations- und Arbeitsgespräch in den Arbeitskreis Bürgerrechte und Inneres meiner Fraktion nach der Sommerpause aussprechen.

Welche Erwartungen knüpft nun meine Fraktion an eine künftige Beauftragte für Ausländer- und Integrationsfragen, das heißt an eine Integrationsbeauftragte, deren Aufgaben über die reine Betreuung und Beratung zur Integration von Ausländerinnen und Ausländern hinausgeht und die die Profilierung Sachsen-Anhalts als ein weltoffenes Land als eine wichtige Aufgabe ansieht?

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie betonen in Ihrer Presseerklärung vom 10. Juli 2007 unter anderem Folgendes - ich zitiere -:

„Integration ist keine Einbahnstraße. Es geht um mehr als um Anpassung von Migrantinnen und Migranten an die Lebensumstände in Deutschland.

Wir wollen Integration leben, das heißt den Dialog mit den zu uns kommenden Menschen pflegen. Sachsen-Anhalt ist ein weltoffenes Land.“

Das ist völlig richtig und kann von uns geteilt werden, aber das kann und darf nicht alles sein; denn dieses Anliegen bedarf umfangreicher Maßnahmen und Vorhaben, die mit Leben erfüllt werden müssen. Ansonsten bleiben solche Worte reine Lippenbekenntnisse und Formelkompromisse.

Integrationspolitik muss zu einer zentralen gesellschaftspolitischen Aufgabe werden. Im Interesse der betroffenen Menschen, für eine wirkliche Chancengleichgleichheit und für eine gleichberechtigte soziale Partizipation müssen die Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Es muss uns dabei ebenfalls um begleitende Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung gehen.

Eine Gesellschaft, die Einwanderung gestalten will, hat durchaus die Pflicht, den möglichen und tatsächlichen

Zugewinn an Humanität und Liberalität als Bereicherung zu betrachten. Sie muss es auch als echte Chance begreifen. Es gehört sicherlich auch Sachverstand und Mut dazu, sich mit diesen Problemen produktiv auseinander zu setzen. Tabuisierungen sind hier nicht der richtige Weg.

Abschließend möchte ich einige konkrete Vorstellungen in Bezug auf die Profilierung des Aufgabenfeldes einer Integrationsbeauftragten äußern sowie konkrete Voraussetzungen für das Tätigkeitsfeld nennen:

Erstens gehören dazu die Koordinierung und Förderung des Erfahrungsaustauschs der bereits aktiven Akteure und Netzwerke im gesamten Land.

Zweitens geht es um die Notwendigkeit der Schaffung sächlicher und eventuell auch personeller Rahmenbedingungen und Voraussetzungen wie Räumlichkeiten, Infrastruktur, finanzielle Grundausstattung usw. für Organisationen und Netzwerke. In diesem Zusammenhang seien insbesondere das Bündnis für Integration und Zuwanderung und der Runde Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit genannt.

Drittens ist die Erarbeitung eines konkreten Maßnahmenkatalogs zu nennen, damit das Leitbild zur Entwicklung der Zuwanderung und Integration in SachsenAnhalt umgesetzt wird. Dabei sehen wir insbesondere folgende Schwerpunkte:

Realisierung von Integrations- und Sprachkursen auch für De-facto-Flüchtlinge und Asylsuchende, die nicht schulpflichtig sind,

Ausbau, Verbesserung und Vernetzung des Beratungs-, Betreuungs- und Schutzangebots der Beratungsstellen,

Sicherung von Bildung und Ausbildung zur Erhöhung der Arbeitsmarktchancen,

Widerspiegelung von kultureller Heterogenität durch die entsprechende Förderung von Kultureinrichtungen,

kulturelle Pluralität leben sowie interkulturelle Kompetenz stärken,

Integration durch bürgerschaftliches Engagement durch gleichberechtigte Teilhabe stärken,

Erhalt und Ausbau der antirassistischen und antifaschistischen Infrastruktur durch Stärkung von Initiativen und Beratungsstellen.