Protokoll der Sitzung vom 13.07.2007

Am 21. April 2007 war in der „Volksstimme“ zu lesen, dass 27 von 100 Arbeitgebern kein qualifiziertes Personal fänden. Das hat der Personaldienstleister Manpower, ein Mageburger Unternehmen, durch eine Befragung von 37 Unternehmen in 27 Ländern festgestellt.

Wer trägt dafür eigentlich die Verantwortung? - Wie oben erwähnt, nimmt die Anzahl der betrieblichen Ausbildungsplätze ab. Nur im Unternehmen kann man einem Auszubildenden spezifische Kenntnisse bzw. Zusatzqualifikationen vermitteln, die er für seine zukünftige Arbeit in dem Unternehmen benötigt, wenn er eine Chance auf Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung hat.

Meine Damen und Herren! Unternehmen, die selbst nicht ausbilden, sondern das anderen überlassen, jedoch die fehlende Qualifikation der Facharbeiter bemängeln und das zum Maßstab für die Qualität der Berufseinsteiger machen, zeugen nicht gerade von großer Verantwortung für die nächste Generation.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Fehlen dualer Ausbildungsplätze hat in den vergangenen Jahren in Deutschland zu den unterschiedlichsten Formen von Bildung und Ausbildung außerhalb der Unternehmen geführt. Beispiele dafür sind Einstiegsqualifizierung, Praktika, geförderte Beschäftigung der Jugendlichen, vollzeitschulische Ausbildung und anderes.

Diese Formen haben allerdings zu selten zu einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt geführt. Deshalb fordert DIE LINKE, dass ersatzweise auch die vollzeitschulische Ausbildung mit erhöhten Praxisanteilen versehen wird, damit die Auszubildenden auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehen können.

Wirklich bewährt hat sich in Deutschland die duale betriebliche Ausbildung. Erfahrungen zeigen, dass Berufseinsteiger, die keine betriebliche Praxis oder Erfahrungen nachweisen können, keine Chance in Unternehmen haben.

So ehrenwert das zum 1. April 2005 novellierte Berufsbildungsgesetz gedacht war, so schwierig ist dessen Umsetzung in der Praxis, auch in Sachsen-Anhalt.

Eine Alternative könnte die Verbundausbildung sein. Mehrere Betriebe beteiligen sich an der Ausbildung und an den Kosten und vermitteln den Auszubildenden fachspezifisches Wissen.

Eine andere Alternative zur Schaffung von mehr dualen Ausbildungsplätzen wäre zum Beispiel eine gesetzlich geregelte Ausbildungsplatzumlage.

(Frau Take, CDU: Was ist das denn?)

Die aber fürchten Sie - ich weiß es - wie der Teufel das Weihwasser. Warum eigentlich? Die SPD war diesbezüglich schon einmal auf einem guten Weg, als sie im Bund regiert hat.

(Herr Gürth, CDU: Die einen sagen es so, die anderen so! - Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

- So ist es. Wir werden darüber hoffentlich diskutieren.

Leider war die Gegenwehr der Wirtschaft stärker als die Vernunft. Was übrig blieb, war ein bundesweiter Pakt für Ausbildung mit schwammigen Versprechen, mit denen das Ausbildungsproblem bis heute nicht gelöst werden konnte.

Meine Damen und Herren! Mit ihrem Antrag möchte die LINKE eine Debatte anstoßen, die mehr als überfällig ist. Ein Schönreden der konkreten Situation nützt uns nichts und den jungen Menschen, die sich Lebensperspektiven aufbauen wollen, schon gar nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in unserem Antrag eine Reihe von Fragen aufgeschrieben, über die wir im Ausschuss mit der Landesregierung gern diskutieren würden. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Ich wäre auch dafür, dass wir beide Anträge, also auch den Änderungsantrag, in die Ausschüsse überweisen und dann gemeinsam darüber diskutieren. In dem SPD-Antrag fehlt mir etwas zu den tatsächlichen Berufsperspektiven der jungen Menschen. Ich finde, das ist ein wenig offen geblieben. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich danke der Einbringerin. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt dem Minister für Wirtschaft und Arbeit Herrn Haseloff das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht einige kurze Vorbemerkungen.

Frau Rogée, ich schätze Sie persönlich sehr, weiß um Ihre Fachkompetenz und respektiere auch jede Ihrer Fragestellungen, die Sie hier in diesem Gesamtzusammenhang aufgeworfen haben. Es sind schwierige Themen. Es geht um junge Menschen. Es geht um die Zukunft dieses Landes. Deswegen müssen wir uns ganz seriös damit beschäftigen.

Aber manchmal geht mir die Frage durch den Kopf, ob ich in dem Land, das Sie ab und zu beschreiben, wirklich leben möchte. - Das möchte ich nicht. Gott sei Dank ist es auch nicht so.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn wenn die Situation so wäre, wie Sie sie darstellen - es gibt Statistiken, die bundeseinheitlich nach den gleichen Mechanismen aufgestellt werden -, dann wäre es faktisch unerträglich, in Sachsen-Anhalt leben oder aufwachsen zu müssen. Gott sei Dank liegen wir beim Quervergleich der Länder im Ranking immer ganz vorn. Selbst im europäischen Kontext und mit Blick auf Skandinavien und welche auch immer genannten Wunderländer sind wir nicht so schlecht.

Ganz im Gegenteil: Das deutsche Ausbildungssystem - aber auch das deutsche Versorgungssystem und das

Engagement des Staates in diesem System - ist so strukturiert, dass wir wirklich Spitzenqualität erreichen. Ansonsten würden wir wirtschaftlich nicht so dastehen.

Auch mit Blick auf die ostdeutschen Länder, die sich noch immer in einem Transformationsprozess befinden, muss man ganz klar sagen, dass wir inzwischen die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit vorzuweisen haben. Wir finden unter den jungen Arbeitslosen fast ausschließlich Menschen, um die wir uns besonders kümmern müssen, weil sie mehrfach Vermittlungshemmnisse haben, weil sie keinen Schulabschluss haben, weil sie mehrfach Schulabbrecher sind oder weil sie individuelle Defizite haben, für die sie nicht immer etwas können. Einige von ihnen stammen aus Familien in schwierigen sozialen Verhältnissen, in denen nicht das Intellektuelle im Vordergrund steht.

Dafür kann man aber der Wirtschaft, dem Staat oder der abstrakten Allgemeinheit nicht die Schuld zuweisen und letztlich bei den Betreffenden selbst keine Verantwortung suchen. Noch entscheidet jeder junge Mensch und jede Familie im Rahmen ihrer Verantwortung für die Erziehung im Wesentlichen darüber, was mit einem jungen Menschen und seiner Biografie passiert, auch in diesem Staat und in diesem System. Gott sei Dank ist das so. Deswegen macht es auch Sinn, diese jungen Menschen zu motivieren und auf den richtigen Pfad zu schicken.

Der Staat bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen, durch Rahmensetzung, durch Gesetze dafür zu sorgen, dass die jungen Menschen eine gute Schulausbildung und Berufsausbildung erhalten können, damit wir gute Kapazitäten bekommen. Wir sollten die jungen Menschen aufrufen, diese Möglichkeiten zu nutzen und motiviert zu sein.

Ich höre manchmal Arbeitgeber klagen. Dies resultiert jedoch nicht daraus, dass die jungen Menschen intellektuell nicht in der Lage wären, eins und eins zusammenzuzählen, sondern daraus, dass sie einfach keinen „Bock“ haben, oftmals demotiviert sind und nicht über die richtigen Informationen über das reale Leben verfügen. Auch in dieser Hinsicht können wir einiges tun. Ich denke, wir sollten wirklich versuchen, die Verantwortlichkeiten in dieser Gesellschaft an den Stellen zu suchen, an denen wir etwas bewegen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Die positive wirtschaftliche Entwicklung des Landes spiegelt sich auch auf dem Ausbildungsmarkt wider. Ende Juni 2007 waren bei den Kammern fast 1 000 Ausbildungsplätze, und zwar betriebliche Ausbildungsplätze, mehr eingetragen als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Diese positive Entwicklung gilt fast für alle Branchen. Lediglich im Bereich Landwirtschaft ist bisher eine leicht rückläufige Tendenz bei der Zahl der Ausbildungsplätze festzustellen.

Bezüglich der demografischen Entwicklung kann man sagen - in diesem Jahr beginnt das; im nächsten Jahr wird es dann noch deutlicher -: All diejenigen, die aus den Schulen kommen, erhalten einen Ausbildungsplatz im ersten Arbeitsmarkt. Das, was wir als Problemgruppen mitführen, sind schlicht und einfach die Altnachfrager, die inzwischen schon fast 50 % des gesamten nachfragenden Bestandes ausmachen.

Gleichzeitig ist in diesem Jahr aufgrund der demografischen Entwicklung bereits eine deutliche Entspannung auf der Nachfrageseite des Ausbildungsmarktes fest

stellbar. Derzeit sind bei den Agenturen für Arbeit im Land etwa 3 000 Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz weniger als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr gemeldet, und dies trotz des doppelten Abiturjahrgangs.

Dieser Abiturjahrgang stellt abweichend von dem, was wir zumindest als Teilproblem auf uns haben zukommen sehen, eigentlich kein unlösbares Problem dar. Vielmehr wird es sich gut einfangen lassen, und zwar auch aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und aufgrund des parallel einsetzenden demografischen Einflusses auf die Abgangszahlen.

Aus diesen beiden Entwicklungen ergibt sich, dass wir derzeit bereits eine deutliche Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt gegenüber den letzten Jahren feststellen, auch wenn es für eine Entwarnung sicherlich noch zu früh ist.

Wie Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag schreiben, entfallen auf eine gemeldete Ausbildungsstelle immer noch 2,3 gemeldete Bewerber. Aber im letzten Jahr lag dieses Verhältnis noch bei 3,1 und in den Jahren davor deutlich höher.

Das nächste Jahr wird ganz deutlich zeigen: Wir gehen bei den Ausbildungsverhältnissen ganz entspannten Zeiten entgegen. Es wird sogar - das wissen Sie - zu einem regelrechten Kampf der Arbeitgeber um jeden Ausbildungsfähigen kommen, weil die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen aufgrund der zahlenmäßig halbierten Jahrgänge deutlich nachlassen wird.

Ich bin daher der Meinung, dass wir in unseren Anstrengungen in Bezug auf den Ausbildungsmarkt nicht nachlassen dürfen, dass wir aber unsere Strategien der neuen Situation, die zukünftig verstärkt durch einen erhöhten Fachkräftebedarf geprägt sein wird, anpassen müssen.

Diesem Gedanken sind wir auch bei unseren Verhandlungen zum Ausbildungspakt für die Jahre 2007 bis 2010 gefolgt, der im April dieses Jahres abgeschlossen wurde. Ich bedauere nachdrücklich, dass der DGB, den ich auch wegen seiner Fachkompetenz sehr schätze, hieran nicht mitwirkt. Eigentlich brauchten wir das gewerkschaftliche Engagement bei den Detailfragen der Ausbildungsverhältnisse bis hin zur Ausbildungsvergütung. Die Fachkompetenz des DGB müsste hier eigentlich abgebildet werden.

Ich glaube, dass es Polemik ist, wenn in der Wirtschaft inzwischen gesagt wird, der Ausbildungspakt sei deswegen so erfolgreich, weil der DGB nicht mitmacht. Mein Gott, wo sind wir denn hingekommen? Der DGB gehört dazu. Wir werden zukünftig nämlich noch ganz andere Aufgaben realisieren müssen, was die Rahmenbedingungen anbelangt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung bei der LINKEN)

Ich will es mir ersparen, die allgemeinen politischen Zielstellungen vorzutragen; Sie kennen sie. Natürlich werden wir weiterhin jedem ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen im Land eine Ausbildung anbieten und ihm eine berufliche Perspektive geben. Wir werden auch dann nicht nachlassen, wenn es nicht beim ersten Mal klappt.

Dass 23 % der Auszubildenden ihre Ausbildung im ersten Jahr abbrechen, ist statistisch bekannt; wir müssen

daran arbeiten, das zu ändern. Wir werden zur Deckung des Fachkräftebedarfs noch vieles tun müssen. Hier ist in ganz besonderem Maße die Wirtschaft gefordert mitzuwirken. Sie ist diesbezüglich auch nicht unwillig, sonst würde sie nicht bis hin zur Ressourcenfrage im Rahmen des Ausbildungspaktes deutlich mitwirken.

Im Rahmen des Präventionsprogramms gegen Ausbildungsabbruch hat die Landesregierung bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Wir haben gemeinsam mit dem Kollegen Olbertz Programme entwickelt, um die Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler nachhaltig zu verbessern.

In diesem Zusammenhang bieten die Bundesagentur für Arbeit und das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in den Jahren 2007 bis 2009 gemeinsam landesweit flächendeckend ein zusätzliches Programm mit dem Namen „Brafo“ an, das wir in der nächsten Woche vorstellen werden. Es wird, wie ich denke, fachlich in einer bestimmten Richtung sogar noch einen Durchbruch bei der Berufsorientierung darstellen können. Kollege Olbertz hat dazu schon alle Weichen gestellt.

Wir haben hier eine konzertierte Aktion hinbekommen, die sich durchaus sehen lassen kann und die das explizite Bemühen der Landesregierung und aller weiteren Akteure zum Ausdruck bringt und die deutlich macht, dass uns jedes einzelne Schicksal am Herzen liegt und wir bei der Lösung der Probleme helfen wollen.

Sie sehen: Wir arbeiten - fast gleichzeitig, muss man sagen - an vielen verschiedenen Baustellen, um der komplexen Problemlage auf dem Ausbildungsmarkt gerecht zu werden und den jungen Menschen in Sachsen-Anhalt eine Berufsperspektive zu eröffnen. Nach meiner festen Überzeugung hat die Landesregierung dabei zusammen mit ihren relevanten Partnern - vor allem der Wirtschaft selbst - die Weichen richtig gestellt.