Protokoll der Sitzung vom 13.07.2007

Ja, hierbei handelt es sich nachgewiesenermaßen um eine Wachstumsbranche. Über die in der Tat positive Einschätzung der Markensäule Straße der Romanik, Herr Zimmer, wird sich sicher Dr. Rehberger besonders freuen.

Kurzum, dieser Antrag ist gut dafür geeignet, seitens der Koalitionsfraktionen tüchtig Lob an die Landesregierung zu verteilen. Aber auch andersherum: Wir haben ganz und gar nicht die Absicht, das Erreichte kleinzureden. Doch bitten wir auch darum, die Leistungen der Akteure vor Ort und der im Tourismus Beschäftigten sowie das Engagement der Tourismusverbände und -vereine gebührend zu würdigen.

(Zustimmung bei der CDU)

In vielen ländlichen Regionen des Landes bietet der Tourismus schließlich oft noch die einzige Beschäftigungsmöglichkeit, und das zumeist in Klein- und Kleinstbetrieben, die der besonderen politischen Unterstützung bedürfen.

Sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, wenn Sie sich nun mit Ihrem Antrag insbesondere dem Kultur- und Geschichtstourismus zuwenden, dann sollte die Regierung mit diesem Antrag außerdem beauftragt werden zu analysieren, inwieweit allen Bevölkerungsgruppen und insbesondere den Menschen mit Behinderung ein hürdenfreier Zugang zur Kultur und Geschichte des Landes gewährt wird. Aber, Kollege Zimmer, Sie warben schon für die Annahme unseres Änderungsantrages.

Wir meinen, dass dies eine Herausforderung ist, der wir uns unbedingt zu stellen haben, und das nicht nur im Jahr der Chancengleichheit. Die ernsthafte Umsetzung einer umfassenden Barrierefreiheit ergibt eine Reihe von Wechselwirkungen in zum Teil sehr unterschiedlichen Politikbereichen und wird damit zu einer Querschnittspolitik hohen Ranges innerhalb der Kommunal-, Verkehrs-, Kommunikations- und Integrationspolitik.

(Minister Herr Dr. Daehre: Wir gehen für das Bau- haus!)

Genau dieser Überlegung ist unser Änderungsantrag geschuldet. Natürlich geht es zunächst darum, der sozialen und menschlichen Herausforderung gerecht zu werden, grundsätzlich alle Menschen am Tourismus teilhaben zu lassen. Hinzu kommt, dass aus der aktuellen demografischen Entwicklung heraus der Bedarf an einem barrierefreien Tourismus wächst. Schon darum darf Barrierefreiheit auf keinen Fall zu einer Feigenblattfunktion verkommen. Sie muss durchgreifend und flächendeckend gesichert werden.

Darüber hinaus ist barrierefreier Tourismus, wie schon in der Begründung unseres Änderungsantrages hervorgehoben, natürlich auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, wie die Branche insgesamt. Bis zu 5 Milliarden € Umsatz gehen der Tourismusbranche bundesweit verloren, weil

es immer noch einen Mangel an barrierefreien Angeboten gibt.

Aber wir sind auf einem sehr guten Weg. Allein mit der konsequenten Umsetzung der Barrierefreiheit in der Branche könnten wir laut einer Untersuchung im Auftrage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit schätzungsweise 5 000 Arbeitsplätze in unserem Land gewinnen, bundesweit sogar 90 000 Vollzeitarbeitsplätze. Wir sehen, dass von einem barrierefreien Tourismus auch ein bemerkenswerter ökonomischer Impuls ausgehen kann.

Gerade vor diesem Hintergrund bitten wir Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen und das hieraus zu beschließende Gesamtvorhaben nicht nur im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, sondern auch im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu beraten, weil Sie den Antrag mit Kultur- und Geschichtstourismus überschrieben haben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herzlichen Dank dem Abgeordneten Herrn Czeke. - Für die SPD erteile ich jetzt der Abgeordneten Frau Hampel das Wort. Bitte schön, Frau Hampel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Tue Gutes und rede darüber!“ Das hat nichts mit einem Loblied auf die Landesregierung zu tun, sehr geehrter Herr Czeke. Vielmehr sollten wir wirklich darüber reden; denn die aktuellen Zahlen, die uns vorliegen, sind gut, und es ist richtig, an dieser Stelle einmal darüber zu sprechen. Gut ist aber auch, dass sich der Landtag heute mit dem Thema Kulturtourismus befasst, und das nicht erst am Ende der Sitzung.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Gürth, CDU)

Wir können mit Recht feststellen, dass der Tourismus in diesem Land insgesamt eine gute Entwicklung genommen hat. Die Steigerung der Übernachtungszahlen um 6,7 % im letzten Jahr hat dies deutlich gemacht.

Welche Bedeutung der Geschichts- und Kulturtourismus für das Land Sachsen-Anhalt hat und wie erfolgreich die Vermarktung des kulturellen Erbes unseres Landes erfolgen kann, zeigt sich eindrucksvoll bei der im Juni eröffneten Arche Nebra, die innerhalb kürzester Zeit mehr als 10 000 Besucher anlockte. Vielleicht ist dem einen oder anderen hier - wie kürzlich mir - aufgefallen, dass auf dem Hauptbahnhof in Berlin große Werbetafeln hängen und dass es auch an den Bundesautobahnen und den Landstraßen eine deutlich sichtbare Beschilderung gibt, die auf die Arche Nebra hinweist.

Wir haben hier also nicht nur ein herausragendes touristisches Produkt, sondern wir haben auch eine professionelle Marketingstrategie angesetzt, sodass wir auf dem touristischen Markt gut starten konnten. Vielleicht klappt es ja auch noch, dass wir bessere Ausstrahlungszeiten beim MDR erhalten als nach Mitternacht.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und von Herrn Gürth, CDU)

Der spektakuläre Fund der Himmelsscheibe bei Nebra war für Sachsen-Anhalt ein besonderer Glücksfall und

hat für weltweites Interesse und auch für einen Besucherboom gesorgt. Das daraus entwickelte Projekt „Himmelswege“ ist - ich sagte es schon - gut gestartet. Die Nachfrage danach ist ungebrochen groß. Jetzt geht es vor allem darum, die Himmelswege weiter mit Leben zu füllen, sie zu einem Besuchermagneten und zu einer erfolgreichen Markensäule für das Land weiterzuentwickeln.

Kernstück der kulturtouristischen Ausrichtung sind die Markensäulen Straße der Romanik, Gartenträume - historische Parks sowie die Schwerpunktthemen UnescoWelterbe, Luthers Land, Musikland und jetzt auch Himmelswege. Die Konzentration auf nur wenige touristische Schwerpunktthemen hat sich bewährt, was die wirtschaftlichen Kennzahlen verdeutlichen. Ich habe es versprochen: Ich werde sie nicht wiederholen, weil wir alle in die Mittagspause gehen wollen.

Die Trendforscher prognostizieren für den Kulturtourismus in Sachsen-Anhalt eine kontinuierlich wachsende Nachfrage. Der Schlüssel zum Erfolg besteht in der Zukunft aber darin, den kulturellen Reichtum unseres Landes in attraktive Besucherziele zu verwandeln und dabei auf Qualität, auf Kundenorientierung, Markenbildung, Verkaufsorientierung und nicht zuletzt - darin gebe ich Ihnen natürlich Recht, Herr Czeke - auf die Barrierefreiheit ein besonderes Augenmerk zu richten.

Unabdingbar ist die weitere Konzentration auf Alleinstellungsmerkmale und vermarktungsfähige Produkte, in denen Potenziale stecken. Wir haben es schon mehrfach gehört. Der Marke Luther und dem Thema Unesco-Welterbestätten sollten wir dabei besondere Aufmerksamkeit widmen. Aber auch das Thema Eike von Repgow, Magdeburger Stadtrecht - wir haben es in der letzten Sitzungsperiode schon behandelt - wird in Zukunft bei uns noch diskutiert werden. So werden wir im September in den Ausschüssen für Recht und Verfassung, für Wirtschaft und Arbeit und für Bildung, Wissenschaft und Kultur eine Anhörung mit verschiedenen Persönlichkeiten durchführen, auf die ich mich jetzt schon sehr freue.

Der Tourismus - darin sind wir uns sicherlich alle einig - ist kein Selbstläufer. Um noch mehr Gäste ins Land zu locken und die Übernachtungszahlen zu steigern und um noch mehr Arbeitsplätze zu schaffen, bedarf es einer Überarbeitung der Markensäulen und einer Verbesserung der Rahmenbedingungen des Kulturtourismus insgesamt.

Der Minister hat es ausgeführt: Die Evaluierungen sind - jedenfalls bei einigen Markensäulen - schon in vollem Gange, bei anderen angedacht. Wir können bald mit Ergebnissen rechnen.

Auf eines möchte ich noch hinweisen - ein paar Finanzpolitiker sitzen ja noch hier -: Wir haben als Land auch die Aufgabe, unsere Landesgesellschaften IMG und TMG, die das Landesmarketing leisten müssen, auch finanziell zu unterstützen und ihnen die Strukturen zu geben, die sie benötigen, um erfolgreich arbeiten zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie uns also in den Ausschüssen gemeinsam darüber debattieren. Ich freue mich auf eine anregende und interessante Diskussion mit Ihnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Vielen Dank der Abgeordneten Frau Hampel. - Für die FDP erteile ich jetzt Herrn Franke das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Ihrer Zustimmung würde ich meine Rede gerne zu Protokoll geben.

(Beifall im ganzen Hause)

Das ist wunderbar.

Die FDP wird beiden Anträgen zustimmen.

(Zu Protokoll:)

Der Antrag der Koalitionsfraktionen verfolgt ein Ziel, das auch uns Liberalen am Herzen liegt. Der Tourismus stellt unbestritten eine Branche dar, die ein enormes Wachstumspotenzial besitzt. Dass wir in Sachsen-Anhalt hier in den letzten Jahren durchaus schon gute Arbeit geleistet haben, zeigen die ständig steigenden Zahlen an Gästen und Übernachtungen, aber vor allem auch der im gesamtdeutschen Vergleich überdurchschnittliche prozentuale Zuwachs bei Gästezahlen und Übernachtungen.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir uns auf diesen Lorbeeren ausruhen können. Die anderen Länder und Regionen schlafen nicht, und der Zustrom in die klassischen Tourismuszentren, wie zum Beispiel die Ostsee, ist nach wie vor ungebrochen. Mit diesen Regionen werden wir uns wohl auch nie vergleichen können, da Sachsen-Anhalt eben keine ausgewiesene Touristenhochburg darstellt.

Doch es zeigt sich, dass in den letzten Jahren der Trend weg von der zwei- bis dreiwöchigen Hauptreise hin zu mehreren über das Jahr verteilten Kurztrips geht. Damit einher geht zum einen ein zunehmender Kur- und Wellnesstourismus, auf den bekanntlich unsere osteuropäischen Nachbarn setzen, und zum anderen ein verstärkter Städte- sowie Kultur- und Geschichtstourismus.

Und genau hier liegen die Chancen für unser Land. Nun dürfen wir dabei nicht der Illusion unterliegen, dass unsere beiden Großstädte Magdeburg und Halle allein die Städtetouristen anziehen, wie das Metropolen wie Berlin gelingt oder solch geschichtsträchtigen Städten wie Dresden oder Weimar.

Nein, unser Potenzial liegt in einer Vermarktung der geschichtsträchtigen Regionen des Landes in ihrer Gänze. Die Straße der Romanik führt nicht umsonst durch unser Land. Nirgendwo findet sich eine dermaßen hohe Dichte an kulturhistorisch wertvollen Gebäuden wie hier.

Für den Großraum Magdeburg/Harz seien hier beispielhaft der Magdeburger Dom, der Dom zu Halberstadt oder das Quedlinburger Schloss aufgeführt. Im Süden des Landes finden sich das Burgenland mit dem Naumburger Dom an der Spitze oder die zusehends ihr Image als Chemiearbeiterstadt abstreifende Stadt Merseburg mit einem ebenfalls ansehnlichen Dom. Der Norden ist durch die altehrwürdigen Hansestädte der Altmark ge

prägt. Und im Bereich Dessau finden wir die Bauhaustradition und den Wörlitzer Park.

Diese Liste ließe sich noch beliebig weiterführen. Doch die Aufzählung von Bauwerken allein lockt noch keine historisch interessierten Touristen hierher. Es ist der historische Hintergrund dieser Bauten, der in ein vernünftiges Konzept eingebunden werden muss, um die Menschen anzuziehen.

Wir befinden uns hier in einem wahrhaft geschichtsträchtigen Teil Deutschlands. Das ottonische Erbe hat die Stadt Magdeburg zu einem der bedeutendsten Zentren des Mittelalters werden lassen. Und dass man damit Besucher in die Stadt locken kann, hat die Ausstellung zu dieser Thematik im Kulturhistorischen Museum im Jahr 2002 bewiesen. Auch die stolzen Besucherzahlen der letztjährigen Ausstellung zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dokumentieren das starke Interesse am Mittelalter.

Nun mag man einwenden, dass es sich dabei lediglich um Tagesgäste handelte, die nicht hier übernachteten. Das ist vollkommen richtig. Doch um genau diese Gäste auch dazu zu bewegen, hier zu übernachten, ist ein umfassendes und abgestimmtes Konzept nötig, das auch das Umland erfasst, die dortigen Kulturschätze mit einbindet.

Dabei darf es nicht darauf ankommen, ob der Gast letztlich in Magdeburg oder Quedlinburg übernachtet. Natürlich hat jede Stadt ein Interesse daran, so viele Übernachtungsgäste wie möglich für sich zu attrahieren. Doch aus unserer Sicht muss es entscheidend sein, dass der Besucher in Sachsen-Anhalt übernachtet, und das möglichst für mehrere Nächte.

Dieses Ziel lässt sich auch erreichen; denn weitere kulturelle und geschichtsträchtige Highlights existieren zuhauf. Man denke nur an Eike von Repgow, dessen Werk die fortgeschrittene Entwicklung und die führende Position der Region Mitteldeutschland im Mittelalter dokumentiert. Ebenso ließe sich im Großraum Halle verfahren. Die Bewerbung um den Titel „Europas Kulturhauptstadt 2010“ zeigte eindrucksvoll das vorhandene Potenzial.

Kommen wir noch einmal auf den vorliegenden Antrag zurück. Die vorgeschlagenen Maßnahmen erscheinen sinnvoll. Es sollte allerdings bei ihrer Durchführung darauf geachtet werden, dass bereits im Rahmen der Reformationsdekade eine gewisse Schwerpunktsetzung für die nächsten Jahre gegeben ist und hier eine Abstimmung erfolgt.

Herzlichen Dank. - Letzter Debattenredner ist Herr Zimmer. - Er verzichtet. Wir sind damit am Ende der Debatte.