Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Es geht hier nicht um einen Sparhaushalt, sondern es geht um einen Schönwetterhaushalt. Die Wirtschaft hat deutschlandweit ihre Hausaufgaben gemacht. Sie ist erfolgreich gewachsen; deshalb sind mehr Steuern da. Aber die Ausgabenseite ist hier noch nicht vorangekommen.

Meine Damen und Herren! Das mag in unserem Land momentan niemanden aufregen; denn die Zahl, die die öffentliche Diskussion bestimmt, ist die Nettokreditaufnahme. Doch schon eine moderate Verschlechterung des fiskalischen Wetters würde ausreichen, um das Land erneut in Haushaltsprobleme zu stürzen.

Es kam heute schon einmal zur Sprache: Die Turbulenzen der internationalen Finanzmärkte könnten diesbezüglich ein Vorbote sein. Es wird kräftige Wertberichtigungen bei Banken und in der Wirtschaft infolge der Krise geben. Dies kann sich deutschlandweit auf das Aufkommen der Gewinnsteuern auswirken, auch in Sachsen-Anhalt über die Wege des Finanzausgleichs.

Ich will an dieser Stelle sagen, dass wir, was die Landesbanken betrifft, in unserem Land Gott sei Dank besser und solider aufgestellt sind als Sachsen und andere Bundesländer. Das ist auch ein Ergebnis der Entscheidungen, die in der letzten Legislaturperiode mit breiter Unterstützung des Landtages getroffen wurden.

Insbesondere die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen werden ab dem Jahr 2010 in mächtigen Schritten drastisch sinken. Dies wird zwingend zulasten der Investitionen gehen. Deshalb ist es in der Tat sehr bedenklich, wenn der Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2009 bereits lediglich eine Investitionsquote von 15,6 % ausweist, was deutlich niedriger ist als die 19,1 % im laufenden Jahr 2007.

Die vorgelegte mittelfristige Finanzplanung sieht für das Jahr 2011 eine Investitionsquote von gar nur 14,1 % vor. Von 2011 bis 2019 sind es immerhin noch acht Jahre, in denen die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen schrittweise gekürzt werden. Da fragt man sich natürlich: Wohin wollen Sie mit der Investitionsquote?

Herr Bullerjahn, an dieser Stelle habe ich mich über das gewundert, was Sie über das Überlappen der Förderperioden gesagt haben. Das kann nicht erklären, dass Sie solche Kennzahlen wie 14,1 % für das Jahr 2011 in Ihre mittelfristige Finanzplanung aufgenommen haben. Der Kern des Problems liegt irgendwo anders. Der Kern liegt darin, dass auf der konsumtiven Seite von Ihrer Seite nichts weiter zur Konsolidierung unternommen wurde.

(Minister Herr Bullerjahn: Wo zum Beispiel, Herr Paqué?)

An dieser Stelle sind Sie nicht weitergekommen. Der fiskalische Druck ist weg und deswegen lassen die Anstrengungen, die in der Zeit von 2002 bis 2006 initiiert worden sind, Stück für Stück nach. Zum Beispiel schlägt

bei den Personalausgaben ein deutlicher Aufwuchs von 100 Millionen € innerhalb von zwei Jahren zu Buche.

Meine Damen und Herren! Wenn ich die Diskussion hinsichtlich des Umgangs mit den Leistungsgesetzen innerhalb der Koalition wahrnehme, insbesondere was die Kinderbetreuung betrifft, dann droht in der Zukunft noch manches. Der Vorsitzende der SPD, Herr Hövelmann, hat entsprechende deutliche Ankündigungen gemacht. Wenn ich heute die geradezu beschwörenden Worte von Herrn Scharf höre, nämlich dass der Finanzminister seine Rede bitte auch im Kreis der SPD wiederholen möge, dann ist zu erkennen, dass der konsequente Kurs, der in den Jahren 2002 bis 2006 verfolgt wurde, nicht fortgesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Hinter der Nettokreditaufnahme von null stecken weiterhin ungelöste strukturelle Probleme, die nur deshalb nicht zum Tragen kommen, weil die Einnahmensituation so günstig ist. Man kann für Sachsen-Anhalt nur hoffen, dass die günstige Situation anhält. Dies wird aber nur geschehen, wenn deutschlandweit eine wachstumsorientierte Politik betrieben wird, eine Politik, die vor allem den gewerblichen Mittelstand stärkt; denn der allein kann die dringend benötigten Arbeitsplätze schaffen.

In den letzten Jahren, meine Damen und Herren, war immer wieder zu hören, dass das wirtschaftliche Wachstum weder am Arbeitmarkt noch in den öffentlichen Kassen viel bringe. Ich erinnere mich daran, dass auch der Ministerpräsident, der die Haushaltsdebatte relativ früh verlassen hat, das immer wieder gesagt hat.

Die jüngste Entwicklung hat aber genau das Gegenteil bewiesen. Es war vor allem das deutschlandweite wirtschaftliche Wachstum, das die Lage am Arbeitsmarkt und in den Staatskassen grundlegend verbessert hat. Es ist politisch von überaus großer Bedeutung, dieses Wachstumsmomentum aufrechtzuerhalten.

Herr Scharf, deswegen ist es keineswegs Aufgeregtheit, wenn wir über wirtschaftspolitische Weichenstellungen diskutieren. Die Frage, ob wir ein wirtschaftliches Wachstum erzielen, das es erlaubt, die entsprechenden Einnahmen in den öffentlichen Kassen für Ausgaben zur Verfügung zu stellen, ist in den nächsten Jahren auch haushaltspolitisch eine der wesentlichen Fragen.

Meine Damen und Herren! Wir als FDP-Fraktion werden in den Haushaltsberatungen in den Ausschüssen sehr genau prüfen, ob dieser Haushalt diesen wirtschaftsfördernden und wachstumsfördernden Anforderungen genügt. So haben wir beispielsweise Zweifel daran, ob die Kürzung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Einzelplan 08 um mehr als 5 Millionen € in zwei Jahren der richtige Weg ist.

Ebenso fragen wir uns, ob der Wissenschaft in unserem Land wirklich gedient ist, wenn das Kultusministerium im Einzelplan 06 mit hochdotierten Landesprogrammen die Forschung dirigistisch lenkt, statt den Hochschulen mehr Freiheit und mehr Mittel für ihre Kernaufgaben im nationalen und im internationalen Wettbewerb zur Verfügung zu stellen. Mit durchdachter Wachstums- und Innovationspolitik hat dies wenig zu tun.

Meine Damen und Herren! Eine konsequente Wachstumspolitik und ein konsequenter Sparkurs - das ist die einzige Kombination, die auf Dauer den Landeshaushalt konsolidiert. Es müsste heute schon ein Überschuss erwirtschaftet werden, um in der Zukunft auch bei einer

unerwartet schlechten Entwicklung der Einnahmen den Haushalt ausgleichen zu können.

Die Konjunkturausgleichsrücklage in Höhe von 25 Millionen € bei bestem konjunkturellem Wetter reicht nicht aus. Es müsste, meine Damen und Herren, deutlich mehr sein, wenn man in der Zukunft keine Schulden mehr machen will, sondern Schulden abtragen möchte.

Herr Bullerjahn, ich habe in Ihrer Rede mit Interesse gehört, dass Sie über eine Steuerschwankungsreserve nachdenken.

(Minister Herr Bullerjahn: 35!)

Die muss dann aber in einer ganz anderen Dimension liegen als das, was hier bisher an Überschuss erwirtschaftet worden ist. Mecklenburg-Vorpommern ist an dieser Stelle schon ein ganzes Stück weiter.

(Frau Budde, SPD: Das war das Stichwort!)

Meine Damen und Herren! Der Grundgedanke ist, die Nettokreditaufnahme von null wirklich auf Dauer zu sichern. Deswegen haben wir als FDP-Fraktion die Forderung aufgemacht, dies in der Landeshaushaltsordnung festzuschreiben. Wir werden heute Nachmittag noch darüber diskutieren können.

Ich wundere mich über das Geraune bei diesem Vorschlag; denn ich sehe inzwischen deutschlandweit einen parteiübergreifenden Konsens, auch hinsichtlich einer Anpassung des Grundgesetzes und der Landesverfassungen, in diese Richtung.

Meine Damen und Herren! Heute Mittag beginnt zu diesem Thema eine zweitägige Klausurtagung der Mitglieder der Föderalismuskommission in Berlin. Sehr gern würde ich morgen auf dieser Tagung berichten, dass auch im sachsen-anhaltischen Landtag eine breite Unterstützung für diese Initiative erkennbar ist. Es wird heute Nachmittag die Gelegenheit geben, darüber zu sprechen.

Der vorgelegte Haushaltsplan ist jedenfalls noch keine gute Grundlage dafür, um in eine neue Zeitrechnung der Finanzpolitik in Deutschland überzuwechseln.

Meine Damen und Herren, über das alles und vieles mehr werden wir in den Ausschüssen zu reden haben. Wir Liberale werden uns wie immer intensiv und konstruktiv an den Beratungen beteiligen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Professor Paqué. - Als letzter Debattenrednerin erteile ich der Vorsitzenden der SPDFraktion Frau Budde das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Chance, ich gebe meine Rede nicht zu Protokoll; denn dafür ist das Thema viel zu spannend.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Schade!)

Ich will auch gleich bei der Schwankungsreserve einsteigen.

Herr Paqué, Sie haben Mecklenburg-Vorpommern genannt. Das ist doch ein bisschen riskant. Mecklenburg

Vorpommern war im Jahr 2005 bezüglich der Nettoneuverschuldung fast bei null. In Ihrem Verantwortungsbereich gab es zu dieser Zeit noch eine Nettoneuverschuldung in Höhe von gut 1 Milliarde €. Wenn wir ein bisschen wie die Igel rechnen, dann sind das - Haben und Nichthaben - schon 2 Milliarden €. Diese hätten wir schon als Schwankungsreserve für die nächsten Jahre einarbeiten können.

Ich weiß, dass dies alles sehr vielschichtig ist, aber da Sie einen Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern gezogen haben, muss ich sagen: Es ist sehr dünnes Eis, auf das man sich damit begibt.

Ich finde schon, dass die Regierung etwas Lob verdient hat.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Dieser Doppelhaushalt ist nicht deshalb doppelt so gut wie ein normaler Haushalt, weil er die doppelte Anzahl an Haushaltsjahren umfasst, sondern er ist deshalb mindestens doppelt so gut wie die vorangegangenen Haushalte, weil er erstens im Jahr 2008 zum ersten Mal in der Historie dieses Landes ohne neue Schulden auskommt und weil er zweitens für das Jahr 2009 eine erste Rate für den Abbau der Schulden aus der Vergangenheit vorsieht, an dem wir alle unseren Anteil haben. Das ist ebenfalls ein Novum in der Landesgeschichte.

Nun mag die Tilgungsrate mit 25 Millionen € gegenüber dem Schuldenberg in Höhe von 20 Milliarden €, der sich seit 1990 angesammelt hat, klein erscheinen, aber sie ist trotzdem eine greifbarer Beleg für einen Paradigmenwechsel, den die Koalition eingeleitet hat - auch wenn er am Anfang noch so klein ist. Sie ist auch ein zählbares Ergebnis unserer Politik und der beste Beweis dafür, dass sich der entschlossene Konsolidierungskurs der Koalition auszahlt.

Das ist - ich weiß es - kein Anlass zu großer Euphorie. Dafür ist der Weg, der vor uns liegt, noch zu lang und zu steinig. Aber es ist eine gute Motivation, den Kurs beizubehalten.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

- Dass ich das erleben darf. - Natürlich spielen uns dabei die wirtschaftliche Großwetterlage und der allgemeine Aufschwung in Deutschland in die Hände. Das Glück ist da; das will ich auch gar nicht bestreiten. Aber es ist auch das Glück des Tüchtigen. Man muss die Chancen, die darin liegen, auch erkennen und sie nutzen. Die Chance nutzen heißt, den Haushalt zu konsolidieren, Schulden abzubauen und darüber die Gestaltung nicht zu vergessen, also das Land für die Zukunft fit zu machen. Das war richtig, das ist richtig und das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben.

Ich weiß auch, dass einige von Ihnen das schon gar nicht mehr hören können und dass uns aus der Opposition mit schöner Regelmäßigkeit vorgeworfen wird, uns würde nichts anderes einfallen als zu sparen. Aber erstens stimmt das nicht - dazu komme ich später noch - und zweitens sind gesunde Landesfinanzen die Basis für jegliche politische Gestaltung.

Außerdem sollte die Opposition sehr vorsichtig sein und nicht so tun, als ob sie in der Lage wäre, den Menschen weniger zuzumuten und ihnen immer mehr staatliche Leistungen zukommen zu lassen, ohne neue Schulden zu machen. Das haben die einen zweimal vier Jahre lang versucht - mit dem Ergebnis, dass ein großer Teil

des Schuldenberges hellgelb leuchtet. Die anderen sind in anderen Bundesländern, in denen sie in der Regierungsverantwortung sind, und auch hier, wo sie einmal acht Jahre lang daran mitgewirkt haben, den Beweis schuldig geblieben - so wie auch wir in der Zeit -, dass sie es besser machen können.

(Zurufe von Frau Dr. Klein, DIE LINKE, und von Herrn Tullner, CDU)

Wir sind uns auch bewusst, dass Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau ein Projekt für die nächsten Jahrzehnte sein werden. Selbst wenn wir, wie in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen, ab 2012 pro Jahr Schulden in Höhe von 200 Millionen € zurückzahlen - der Finanzminister hat vorhin schon einmal eine Rechnung aufgemacht; das mit den 100 Jahren stimmt nicht ganz -, werden wir fast ein ganzes Jahrhundert dafür brauchen.

Dafür müssen wir bei den Menschen im Land werben. Wir müssen Ihnen erklären, dass es so lange dauert, und wir müssen unbeirrt daran festhalten. Das ist umso schwerer, als es ganz massiv dem Zeitgeist widerspricht, der eigentlich eher der schnellen Befriedigung und dem ständigen Wechsel huldigt. In solchen Zeiten ist es besonders schwer, für langfristige Strategien zu werben, die uns heute etwas abverlangen.

Aber das ändert auch nichts an der Notwendigkeit. Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau sind eben kein Sprint. Sie sind vielmehr ein Marathonlauf, und der ist eigentlich erst richtig schön, wenn man am Ziel ist und ihn hinter sich hat; denn auf der Strecke muss man sich ständig zwingen weiterzulaufen, sonst gibt man auf. Aufgeben ist für uns keine Alternative, meine Damen und Herren.