Der heute vorliegende Gesetzentwurf setzt dieses Leitbild rechtlich um und schafft die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung der Gemeindegebietsreform im Land Sachsen-Anhalt. Was ist der wesentliche Inhalt des Gesetzentwurfes?
Artikel 1 beinhaltet die grundlegenden Aussagen und Zielvorstellungen des Leitbildes für die Verwaltungsreform der gemeindlichen Ebene. Diese Grundsätze stellen ein System zur Realisierung der Reform auf. Es wird konkret festgelegt, nach welchen Maßstäben die gemeindlichen Verwaltungsstrukturen im Land neu zu gliedern sind. Einheitsgemeinden sind durch den Zusammenschluss von Gemeinden zu bilden
die einer Verwaltungsgemeinschaft mit einem prägenden Ort, der auch Grundzentrum ist, angehören und wenn dieser Ort über eine deutlich höhere Einwohnerzahl als die übrigen Mitgliedsgemeinden verfügt.
Die künftige Einheitsgemeinde soll mindestens 10 000 Einwohner haben; geringfügige Abweichungen sind zulässig. Bei unterdurchschnittlicher Bevölkerungsdichte im Vergleich der Landkreise oder einer besonderen geografischen Lage darf die Mindesteinwohnerzahl 8 000 Einwohner nicht unterschreiten.
Über ein Wahlrecht zur Bildung einer Verbandsgemeinde oder einer Einheitsgemeinde verfügen Gemeinden in Verwaltungsgemeinschaften nach dem Modell des gemeinsamen Verwaltungsamtes, die nicht über einen prägenden Ort verfügen oder an eine kreisfreie Stadt grenzen. Die Verbandsgemeinde kann in der freiwilligen Phase bis zum 30. Juni 2009 gebildet werden. Sie soll aus mindestens drei und höchstens acht Mitgliedsgemeinden mit mindestens 1 000 Einwohnern bestehen und insgesamt mindestens 10 000 Einwohner umfassen.
Artikel 2 beinhaltet das Gesetz über die Verbandsgemeinden in Sachsen-Anhalt. Dieses Gesetz schafft die kommunalverfassungsrechtlichen Grundlagen für das Modell der Verbandsgemeinde, das als neue Organisationsform der Kommunalverwaltung in Sachsen-Anhalt eingeführt wird und nach den Vorstellungen des Leitbildes in den oben genannten Fällen als Ausnahme zur Einheitsgemeinde gebildet werden kann.
Mit Artikel 3 werden die Vorschriften der Gemeindeordnung geändert, die zur Umsetzung des Leitbildes der Gemeindegebietsreform erforderlich sind. Die Änderungen umfassen die Anpassung der Rechtslage an die Leitvorstellung in Bezug auf die künftige Mindestgröße einer Einheitsgemeinde von 10 000 Einwohnern und die möglichen Ausnahmen von dieser Mindesteinwohnerzahl. Darüber hinaus wird das Ortschaftsrecht erweitert. Insbesondere können die Gemeinden künftig darüber entscheiden, ob die Belange einer Ortschaft durch einen Ortschaftsrat mit einem Ortsbürgermeister oder durch einen Ortsvorsteher vertreten werden sollen.
Die Artikel 4 und 5 flankieren die Einführung des Modells der Verbandsgemeinde in Sachsen-Anhalt durch die Anpassung des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit und der kommunalwahlrechtlichen Vorschriften.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anhörung des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes zum vorliegenden Gesetzentwurf ist von der Landesregierung großes Gewicht beigemessen worden. Ich kann sagen, dass die Bedenken und Anregungen der kommunalen Spitzenverbände zum Begleitgesetz geprüft und vielfach aufgegriffen worden sind.
Insbesondere ist der Forderung des Landkreistages gefolgt worden, im Zuge der Gemeindeneugliederung den Bestandschutz der erst zum 1. Juli 2007 neu gebildeten Landkreise Rechnung zu tragen.
Den vielen Anregungen des Städte- und Gemeindebundes zu den Einzelregelungen des Gesetzes in Artikel 2, also des Verbandsgemeindegesetzes, wie auch in Arti
kel 3 in Bezug auf die Änderung der Gemeindeordnung ist weitgehend gefolgt worden. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes bedanken. Diese Stellungnahme hat den Gesetzentwurf qualitativ besser gemacht.
Ich möchte kurz auf einige wichtige Punkte eingehen, in denen die Landesregierung dem Städte- und Gemeindebund nicht folgen konnte. Hinsichtlich der Antastbarkeit von Kreisgrenzen bei der Gemeindegebietsreform wurde aus der genannten Erwägung dem Landkreistag gefolgt. Nicht gefolgt wurde ferner den grundlegenden Forderungen des Städte- und Gemeindebundes nach Eröffnung eines Wahlrechts zwischen den seiner Auffassung nach gleich leistungsfähigen Modellen Einheitsgemeinde und Verbandsgemeinde und weiteren Ausnahmeregelungen beim Zuschnitt der einzelnen Modelle. Insbesondere sollten hier weitgehende Öffnungen in Bezug auf die Einwohnerzahlen zugelassen werden.
Diese Regelungen sieht das von der Landesregierung am 7. August 2007 beschlossene Leitbild zur Gemeindegebietsreform aus gutem Grund nicht vor. Die Landesregierung ist insbesondere überzeugt, dass die Einheitsgemeinde die effektivste und effizienteste Verwaltungsform auf gemeindlicher Ebene ist. Das zeigen in der Gesamtschau auch die beiden zu dieser Frage erstellten Gutachten.
Der Vorrang der Einheitsgemeinde entspricht auch der in der Vergangenheit vom Städte- und Gemeindebund vertretenen Position. Ich erinnere hierzu nur an die Beschlussfassung im Jahr 2000 anlässlich der Kreisvorstandskonferenz in Wernigerode.
Es verwundert daher nicht, dass in der Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf eine belastbare Begründung fehlt, warum er vom Vorrang der Einheitsgemeinde abgerückt ist. Dieser Schwenk mag aus verbandspolitischen Erwägungen verständlich sein. Aber ich bitte um Verständnis, dass solche Erwägungen für die Landesregierung nicht Richtschnur ihres Handelns sein können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen. Das beschlossene Leitbild und der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf sind Bausteine, um in Sachsen-Anhalt leistungsstarke und effiziente Kommunen zu schaffen, die den künftigen Anforderungen aufgrund der demografischen Entwicklung und der finanziellen Rahmenbedingungen gerecht werden können. Der Gesetzentwurf schafft die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Gemeindegebietsreform und gibt den Gemeinden klare Vorgaben über ihre Handlungsoptionen in der Phase der Freiwilligkeit der Reform.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs noch in diesem Jahr wäre gewährleistet, dass die gesetzlichen Grundlagen für die Durchführung der Kommunalreform zu Beginn des Jahres 2008 in Kraft treten könnten. Ich bitte daher um eine konsequente und zügige Beratung in den Ausschüssen. - Vielen herzlichen Dank.
Herr Innenminister, mit großer Freude nehme ich zur Kenntnis, dass Sie die Frage gern beantworten möchten. - Die Kreisgebietsreform kostet nach den jetzigen Einschätzungen etwa 20 Millionen €. Die vorgesehene Reform der Gemeindestrukturen wird eine ganze Menge Aufwand und natürlich auch Kosten verursachen. Interne Schätzungen gehen von einer Zahl von 100 Millionen € aus. 45 Millionen € haben wir unter dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt schon als Katalysator analysiert. Es kommen gewisse Kosten für Zusammenschlüsse dazu, die im Zwangsverfahren herbeigeführt werden müssen, für Rechtsstreitigkeiten, Vermögensauseinandersetzungen bis hin zur Regelung des Personalübergangs beim Neuzuschnitt von Verwaltungseinheiten. Das ist uns alles auch bekannt.
Herr Innenminister, an welchen Stellen und in welchem zeitlichen Rahmen und vor allem in welcher Gesamthöhe erwarten Sie denn mit dieser Reform Einsparungen für unser Land?
Verehrter Herr Kollege Harms, zunächst kann ich den Zusammenhang zwischen den Kosten der Kreisgebietsreform und der uns jetzt bevorstehenden Gemeindereform nicht ganz erkennen.
Wir haben die Situation im Land Sachsen-Anhalt - diese haben wir aber schon sehr oft in diesem Parlament miteinander diskutiert -, dass die kommunale Ebene in ihrer finanziellen Situation ausgesprochen heterogen ist. Es sind - auch diese Zahl ist oft genug genannt worden - von etwas mehr als 300 Städten und Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt im Innenministerium Anträge auf Bedarfszuweisungen und Liquiditätshilfe eingegangen. Das heißt, wir haben ein strukturelles Problem, das sich zunächst an der finanziellen Leistungsfähigkeit unserer kommunalen Strukturen deutlich macht.
Wenn wir dieses strukturelle Problem lösen wollen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist: Wir geben allen Kommunen mehr Geld. Dass diese Möglichkeit nahezu unvernünftig und auch nicht realisierbar ist, ist schnell erkennbar mit einem Blick auf den Landeshaushalt und auf die Perspektive dessen, was wir an finanziellem Handlungsrahmen künftig zur Verfügung haben, auch Sie als Gesetzgeber.
Die zweite Möglichkeit ist: Wir stärken die kommunalen Strukturen so, dass sie mit den Einnahmen, die die Gemeinden aus den unterschiedlichen Töpfen erzielen, seien es eigene Einnahmen aus Steuern und Beiträgen oder seien es Einnahmen aus dem Finanzausgleichsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, ihre Aufgaben adäquat erfüllen können. Wir brauchen diesen zweiten Weg,
Deshalb brauchen wir eine Konzentration von Investitionskraft, wir brauchen eine Konzentration von Verwaltungskraft und damit letztlich den effektiveren Einsatz der weniger werdenden kommunalen Finanzmittel.
Das ist die Aussage, die hinter der Gemeindereform steht, zu der wir uns gemeinsam durchgerungen haben; ich sage das Wort „durchgerungen“ absichtlich. Wir haben uns dazu durchgerungen, sie zu realisieren, weil die Notwendigkeit dieser Veränderung unserer gemeindlichen Strukturen auch von allen Gutachtern - das hat die Anhörung im Innenausschuss, wie ich finde, beeindruckend ergeben - bestätigt worden ist. Da gibt es in Nuancen unterschiedliche Bewertungen, aber die Notwendigkeit der Veränderung unserer gemeindlichen Strukturen ist von allen Gutachtern bestätigt worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass die Notwendigkeit der Veränderung der gemeindlichen Strukturen prinzipiell - selbst bei unterschiedlicher Auffassung, wie man sie realisieren kann - in diesem Hause nicht mehr in Zweifel gezogen wird. Die Notwendigkeit der gemeindlichen Gebietsveränderung ist hinreichend belegt, auch durch die entsprechenden Gutachten, die vorliegen.
Ich habe eine inhaltliche Frage zu stellen, und zwar: Was passiert mit dem Stadtrecht einzelner Orte im Falle einer Umstrukturierung? Wenn man sich vorstellt, dass sich die Kommunen zu einer Einheitsgemeinde zusammenfinden wollen und drei von diesen Gemeinden besitzen schon seit vielen Hundert Jahren das Stadtrecht.
Ich gehe davon aus, dass den Gemeinden vor Ort, wenn sie das Stadtrecht behalten wollen, dieses niemand wegnehmen wird. Wir können Einzelfragen, die sich dann im Verfahren ergeben, denke ich, rechtlich noch einmal prüfen und auch gemeinsam im Ausschuss beraten.
Aber ich gehe davon aus, wenn Gemeinden sich zusammenfinden und ein Partner - Frau Weiß! - bisher Stadtrecht hatte, dass er dieses Stadtrecht selbstverständlich in die neue Struktur überführen kann, wenn alle Beteiligten das wollen. Davon gehe ich natürlich aus.
Herr Innenminister, ich bin Ihren Ausführungen aufmerksam gefolgt, ich kann auch vielen Dingen zustimmen. Ohne Zweifel hat auch dieses Haus sich damit beschäftigt und festgestellt, dass ein Reformbedarf besteht. Darin besteht Einigkeit.
Die Frage, an welcher Stelle Sie Einsparungen erwarten, in welchem zeitlichen Rahmen und in welcher Gesamthöhe, haben Sie aber in Ihren Ausführungen in keiner Weise behandelt. Könnte ich darüber vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt Klarheit bekommen?
Herr Harms, ich schlage Ihnen etwas vor: Wir setzen uns einmal gemeinsam hin, nehmen uns Ihre Verwaltungsgemeinschaft, in der Sie beheimatet sind, vor und rechnen einmal. Denn eine Antwort auf die pauschale Forderung, für das gesamte Land eine Aussage zu treffen, soundso viel Millionen in soundso viel Jahren werden erspart, wäre unseriös und eine unseriöse Antwort will ich Ihnen nicht geben.