Herr Harms, ich schlage Ihnen etwas vor: Wir setzen uns einmal gemeinsam hin, nehmen uns Ihre Verwaltungsgemeinschaft, in der Sie beheimatet sind, vor und rechnen einmal. Denn eine Antwort auf die pauschale Forderung, für das gesamte Land eine Aussage zu treffen, soundso viel Millionen in soundso viel Jahren werden erspart, wäre unseriös und eine unseriöse Antwort will ich Ihnen nicht geben.
Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - Jetzt hören wir die Beiträge der Fraktionen. Wir beginnen mit der Fraktion DIE LINKE. Es spricht Herr Grünert. Bitte schön.
(Frau Weiß, CDU: Bei den Finanzämtern macht ihr es, bei den Gerichten macht ihr es und hier geht es nicht! - Weitere Zurufe von der CDU - Minister Herr Hövelmann: Wir haben darüber lange diskutiert! - Weitere Zurufe)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach langen, zähen Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen, mehreren Anhörungen des Koalitionsausschusses und Behandlung der beiden Gutachten sowie des Anliegens der Volksinitiative liegt dem Landtag nunmehr der Entwurf eines Begleitgesetzes zur Ge
meindegebietsreform vor. Geplant war - ich sage das noch einmal - der Juni 2007. Jetzt ein Stückchen auf Eile zu drücken, ist zwar lobenswert, aber verkennt letztlich die Tatsachen, denn im Monat Juli sollte der Entwurf - nach den eigenen Vorgaben der Landesregierung - dem Landtag zur Kenntnis gegeben werden.
Wer jedoch annahm, dass die Erkenntnisse aus den Gutachten in diesen Gesetzentwurf aufgenommen würden, wird aus unserer Sicht herb enttäuscht. Das schlechteste Modell, das der Verbandsgemeinde, soll nun in der freiwilligen Phase als Alternative zur Einheitsgemeinde und nur in den Fällen von Verwaltungsgemeinschaften mit einem gemeinsamen Verwaltungsamt ohne prägenden Ort und nicht angrenzender Mittelzentren zugelassen werden.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kurzen historischen Rückblick. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2002 haben die damalige Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen nichts Eiligeres zu tun gehabt, als die drei Vorschaltgesetze zur Funktional-, Verwaltungs- und kommunalen Gebietsreform aufzuheben
und unter dem Motto der Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung den begonnenen Reformprozess abzubrechen. Es hieß: Alles bleibt beim Alten.
Dies währte jedoch nicht lange; denn mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit, dem Kreisneugliederungsgrundsätzegesetz und der damit verbundenen in diesem Jahr abgeschlossenen Kreisgebietsreform wurden diese hehren Vorstellungen aus dem Jahr 2002 begraben.
Fünf Jahre Entwicklung auf der kommunalen Ebene wurden aus der Sicht unserer Fraktion unnütz vertan.
Damals brachte sich unsere Fraktion für ein Alternativmodell zur Einheitsgemeinde ein und handelte das Modell der Verbandsgemeinde mit qualifiziertem Ortschaftsverfassungsrecht aus. Dieses Modell wurde durch die CDU-Fraktion auf das Schärfste bekämpft und als unwirtschaftlich und zukunftsverhindernd eingestuft.
Nunmehr wird dieses Modell, wenn auch in etwas abgespeckter Form, durch die CDU als Alternative wiederentdeckt, und Sie, meine Damen und Herren von der CDU, klopfen sich auf die Schultern und sagen, wie stolz Sie doch sind. Das, was damals gegenüber der Fraktion DIE LINKE bzw. der damaligen PDS-Fraktion mit dem Vorwurf des Populismus bedacht wurde, ist jetzt Regierungsabsicht geworden. Tolle Erkenntnis!
Aber die Zeit ist vorangeschritten und mit der weiteren Entwicklung der Verwaltungsgemeinschaften gibt es im ländlichen Raum eine echte Alternative zur Einheitsgemeinde, nämlich die qualifizierte Verwaltungsgemeinschaft, in der Verwaltungseffizienz und Bürgernähe tatsächlich praktiziert werden können. Die Vorteile wurden auch in den beiden Gutachten aufgezeigt. Bei der Erfüllung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises gibt es keinerlei bzw. nicht nennenswerte Unterschiede.
DIE LINKE hat sich in ihrem Beschluss im Jahr 2005 zu dieser Alternative bekannt und sieht sich hierbei auch in Übereinstimmung mit der Volksinitiative.
Nun zu einigen Punkten des vorliegenden Gesetzentwurfs. Der Entwurf favorisiert eindeutig die Einheitsgemeinde - das wurde durch den Innenminister dargestellt - und lässt in der freiwilligen Phase nur in Ausnahmefällen eine alternative Form, die Verbandsgemeinde, zu. Die strikte Einhaltung der mit der Kreisgebietsreform neu geregelten Kreisgrenzen wird aufgeweicht und kann im Einzelfall durchbrochen werden, und das, obwohl bereits fünf Landkreise den Anforderungen des Grundsätzegesetzes eigentlich nicht gerecht werden.
Offen bleibt die Frage, was mit Einheitsgemeinden geschehen soll, die nicht die erforderlichen 10 000 Einwohner, sondern unter der vorgegebenen Bedingung weniger als 8 000 Einwohner aufweisen. Die Bildung von Verbandsgemeinden wird durch eine so genannte K.-o.Regelung, nämlich Zusammenschluss aller Mitgliedsgemeinden, erheblich erschwert.
Dazu werden wir im Ausschuss einige Nachfragen haben: Wer ist von Eingemeindungen und Teileingemeindungen im Umland der Mittelzentren konkret betroffen? Sind es die untersuchten 17 Gemeinden oder gibt es bereits weitere Eingemeindungsabsichten? Welche Folgen hat dies für die zukünftige Struktur der bisherigen Verwaltungsgemeinschaften?
Mit den Regelungen zur Einheits- und zur Verbandsgemeinde wird ein erhebliches Potenzial ehrenamtlicher Mandatsträger abgeschafft. Eine echte Qualifizierung des Ortschaftsverfassungsrechts ist nicht vorgesehen.
In kleinen Einheitsgemeinden wird das Ortschaftsverfassungsrecht gänzlich ausgespart. Sie haben unter Umständen noch nicht einmal einen Vertreter im zukünftigen Verbandsgemeinderat, wenn sie dieses Modell wählen.
Die Aufsicht des Verbandsoberbürgermeisters über den ehrenamtlichen Bürgermeister ist ein weiteres spannendes Thema, mit dem wir uns gern im Ausschuss beschäftigen werden. - Dies sind aufgrund der Kürze der Redezeit nur einige kritische Fragen.
Offen bleiben aus unserer Sicht jedoch drei grundsätzliche Fragen. So wird im Gesetzentwurf die interkommunale Funktionalreform als inhaltliche Rechtfertigung für den erheblichen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung überhaupt nicht verankert. Das angestrebte Ziel der Harmonisierung der Wahltermine von Gemeinderäten und Bürgermeistern wird nicht gelöst. Die Einführung der Doppik zum 1. Januar 2011 sollte aus unserer Sicht verschoben werden, um eine Doppelbelastung mit der Gemeindegebietsreform auszuschließen.
Werte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE wird trotz der vielen offenen Fragen und der grundsätzlichen Kritik einer Überweisung zur federführenden Beratung in den Innenausschuss zustimmen. Aus unserer Sicht wäre auch hierbei die Mitberatung durch den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr angebracht. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Grünert. - Nun erteile ich Herrn Stahlknecht das Wort, damit er für die CDU sprechen kann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Hövelmann, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Sachsen-Anhalt kleinteilig und wohl auch zu kleinteilig strukturiert ist. Wir haben in Sachsen-Anhalt mit Stand vom 1. August 2007 1 033 selbständige Gemeinden. Davon haben 419 Gemeinden weniger als 500 Einwohner. Das sind 41 % der Gesamtzahl der Gemeinden.
Daher war und ist die CDU-Fraktion der Auffassung - das will ich hier ganz deutlich sagen -, dass die Gemeindestruktur in Sachsen-Anhalt nachhaltig reformiert werden muss, damit unsere Gemeinden sowohl innerhalb des Landes
- zuhören, Herr Kollege! -, aber auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland finanzstark und damit wettbewerbsfähig gemacht werden.
Allerdings war - sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie werden es der Seele meiner Fraktion zubilligen müssen, dass ich das jetzt sage - die CDUFraktion immer der Auffassung, dass eine solche Reform auch durch die Qualifizierung von Verwaltungsgemeinschaften hätte gestaltet werden können.
Im Hinblick auf die unterschiedlichen Ansätze der regierungstragenden Fraktionen haben sich die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion allerdings auf den im Leitbild dargestellten Kompromiss geeinigt.
Die Verhandlungen dahin waren schwierig, sie waren von Reibungen geprägt. Aber auch das - ich nehme auf die Regierungserklärung von heute Morgen Bezug - gehört zu einer gelebten Demokratie und zu einer offenen Gesellschaft, in der sich unterschiedliche Meinungen im Wettbewerb öffentlich messen können und dürfen, ohne dass diejenigen, die diese Meinungen, die vielleicht anders als die des Koalitionspartners sind, öffentlich vertreten, nachhaltig schlecht gemacht werden dürfen.
Wir haben uns in diesem gemeinsamen Ringen auf diesen Kompromiss geeinigt, sodass ich für die überwiegende Mehrheit meiner Fraktion, vielleicht sogar für alle - das werden wir sehen - sagen kann, dass wir über das Ob zukünftig nicht mehr diskutieren werden.
Mit diesem im Leitbild dargestellten Kompromiss kann eine Reform auf den Weg gebracht werden, mit der die Gemeinden, wenn wir es geschickt machen, nachhaltig finanzstark, nachhaltig wettbewerbsfähig und nachhaltig zukunftsfähig gemacht werden. Entscheidend - auch das werden Sie meiner Fraktion zubilligen müssen - bleibt für die CDU-Fraktion jedoch das Kriterium der Freiwilligkeit, Herr Minister Hövelmann. Die CDU ist eine Fraktion, eine Partei der Freiwilligkeit.
(Zustimmung von Frau Weiß, CDU - Herr Kos- mehl, FDP: Schön wäre es! - Weitere Zurufe von der FDP - Unruhe)
Insofern wird unsere Fraktion gemeinsam, so denke ich, mit Ihnen auf eine zügige Beratung drängen. Auch diese haben Sie sich gewünscht. Das werden wir unterstützen.