Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Lassen Sie mich noch einmal kurz zurückblicken. Im Jahr 2003 haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik beschlossen. Das sind zum einen Änderungen in den Marktordnungen. Dann wurde mit der Agrarreform ein völlig neues System der Direktzahlungen eingeführt. An dieser Stelle reden wir über die Entkopplung der landwirtschaftlichen Prämien von der Produktion.

Hinzu kam die eben schon erwähnte Cross-Compliance, die eine Voraussetzung ist für das Erhalten von Prämienzahlungen. Also: Die Kontrolle und die Umsetzung verbindlicher Vorschriften des europäischen Fachrechts sind die Voraussetzung, um Prämien in Anspruch zu nehmen.

Der dritte Bereich der damaligen Reform ist die Stärkung der so genannten zweiten Säule. Die Mittel stehen für die Entwicklung des ländlichen Raumes zur Verfügung.

Es ist damals festgelegt worden, dass die gefassten Beschlüsse überprüft werden. Wir reden, wie eben schon gesagt, über den so genannten Gesundheits-Check in der Halbzeit dieser Förderperiode. Aber wir waren uns damals einig, dass eine erneute grundlegende Reform damit nicht verbunden werden darf, denn die Branche braucht Zeit, sich an neue Bedingungen anzupassen. Mit einem Wort: Die Landwirte oder auch wir als Länder brauchen eine Verlässlichkeit.

Wie gesagt, die Europäische Union hatte nun am 20. November 2007 ihren Entwurf zur Vereinfachung und weiteren Modernisierung der gemeinsamen Agrarpolitik vorgelegt, also diesen Gesundheits-Check oder diese Gesundheitsprüfung praktisch vorgelegt. Im Wesentlichen sind die Betriebsprämienregelungen inklusive dieser Cross-Compliance-Regelungen, die Marktverwaltung, die Milchquotenregelung Fragen, die für die Landwirtschaft neue Herausforderungen nach sich ziehen.

Veränderungen bei der Intervention, eine Vereinfachung gewisser Regeln, eine stärkere Zielorientierung der Cross-Compliance-Regelungen, aber auch eine Weiterentwicklung der so genannten Entkopplung - das sind durchaus Punkte, die wir mittragen. Nicht hinnehmbar sind allerdings die Vorschläge einer gestaffelten Kürzung der Direktzahlungen auf der Grundlage der Betriebsprämienhöhe, also die so genannte Degression, und für uns nicht hinnehmbar ist die Anhebung der Modulation.

Deutschland hat mit seinem gewählten Modell im Jahr 2003 die Chancen der Agrarreform, was die Marktorientierung anbelangt, erkannt und genutzt. Deutschland hatte sich entschlossen, mit einem Kombimodell zu beginnen, welches regionale und historische Komponenten enthält. Dieses ganze Modell ist dynamisch angelegt, sodass am Ende der Umsetzungszeit nach einem Gleitflug eine regional einheitliche Flächenprämie steht. Dieser Gleitflug, also dieser Übergang beginnt eigentlich erst im Jahr 2010. Wir brauchen die Chance, dieses Modell, welches im Jahr 2003 beschlossen wurde, nun zu Ende zu führen, bis zum Ende umzusetzen.

Ich will auch darauf verweisen, dass das deutsche Modell im europäischen Vergleich eines der fortschrittlichsten Modelle ist, wenn nicht sogar das fortschrittlichste - trotz einiger Schwächen, die durchaus auch vorhanden sind. Wir haben mit diesem Modell eine sehr hohe Marktorientierung erreicht. Wir haben die Prämienzahlungen nur für einen ganz begrenzten Übergangszeitraum an der Vergangenheit oder an der Historie, wenn ich das so sagen kann, orientiert.

Es wäre schon ein schlechtes politisches Signal, wenn ausgerechnet dieser Mitgliedstaat, der sich für das modernste Modell oder das am meisten am Markt orientierte Modell entschieden hat, die größten Lasten der neuen Vorschläge zu tragen hätte. Denn Fakt ist, die Degression träfe Betriebe und Regionen in den einzelnen EUMitgliedsländern und in Deutschland sehr ungleich; insbesondere die Betriebe in den neuen Bundesländern müssten einen hohen Tribut zollen. Der finanzielle Verlust durch die geplante Degression ist aus der Sicht der neuen Bundesländer nicht hinnehmbar.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Landwirte in Sachsen-Anhalt würden durch die Degression etwa 44,3 Millionen € verlieren und durch die Anhebung der Modulation würden sie noch einmal etwa 30,3 Millionen € Direktzahlungen einbüßen. Inwieweit sie in dem Lande verbleiben, in dem das Geld eingesammelt wird, das ist noch nicht sicher.

Ebenso schwer würde der dadurch erfolgende Eingriff in den Wettbewerb wiegen, denn die von der Betriebsgröße abhängigen Kürzungen schränken auch den strukturellen Wandel der Unternehmen in der Landwirtschaft in unzulässiger Weise ein.

Auf jeden Fall brauchen wir gefestigte landwirtschaftliche Unternehmen, die den Schwankungen auf dem Markt standhalten können. Ich glaube, darin sind wir uns hier im Land vom Grundsatz her einig. Auf den Aspekt der Verlässlichkeit, was die politischen Entscheidungen anbelangt, habe ich schon verwiesen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir als Landesregierung - das ist sicherlich auch Ihre Intention - erwarten von der Europäischen Union, dass der bis zum Jahr 2013 beschlossene Finanzrahmen für die gemeinsame Agrarpolitik eingehalten wird und es keine einseitige Belastung bestimmter Regionen gibt, also dass die Kürzungen für nicht bestimmte Regionen unterschiedlich und einseitig zulasten unseres Landes ausfallen.

Wir erwarten weitere Schritte zur Entkopplung und zum Abbau des bürokratischen Aufwandes.

Die Milchquotenregelung ist von Herrn Radke genannt worden; sie sollte aus unserer Sicht nicht über eine Quotenerhöhung erfolgen. Das Auslaufen der Milchquote - aber auch hierin sind wir uns einig - macht allerdings eine Begleitung der Milcherzeugerbetriebe notwendig. Dazu muss die EU einen gewissen Fahrplan vorlegen und ein Gesamtkonzept erarbeiten.

Dieser Standpunkt ist gegenüber der Bundesregierung mehrfach deutlich gemacht worden. Aber auch alle Amtschefs der Agrarressorts der Länder haben auf der jüngsten Amtschefkonferenz anlässlich der Grünen Woche eine gemeinsame Stellungnahme beschlossen, die in etwa dem entspricht, was der Antrag von der Landesregierung fordert. Diese gemeinsame Stellungnahme soll die Grundlage für die Beratungen im Bundesrat bilden. Wie gesagt, wir bewegen uns dort auf einer einheitlichen Position.

Der Bund wurde ebenso gebeten, auf der Agrarministerkonferenz im Frühjahr zum Sachstand zu diesem Thema zu berichten. Wir erfahren mit unserer Meinung aus Sachsen-Anhalt ein breites Maß an Solidarität. Ich habe das Gefühl oder den Eindruck, dass die Agrarkommissarin über die Argumente aus Deutschland nachdenkt.

Ich will nicht verhehlen, dass es unterschiedliche Vorschläge gibt. Der Deutsche Bauernbund hat einen Vorschlag, der eine Kombination aus Kürzung und Modulation ist, vorgelegt. Es gibt auch einen Vorschlag des Europaabgeordneten Herrn Dr. Lutz Goepel, der eine progressive Modulation vorschlägt. Inwieweit diese Überlegungen, sagen wir einmal, als Rückzugslinie oder als zweite Deichlinie letztendlich besprochen werden müssen, hängt davon ab, wie wir uns mit unserer Grundsatzposition durchsetzen oder wie diese in Brüssel mehrheitsfähig sein kann.

Ich bin gern bereit, das Thema im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten intensiv zu erläutern

und über den Fortgang der Dinge zu berichten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Frau Ministerin. Sie waren bereit, die Nachfragen zu beantworten. - Zunächst Professor Paqué. Bitte sehr.

Frau Ministerin, es ist keine Frage, sondern eine Klarstellung. Sie haben freundlicherweise aus einer Rede zitiert, die ich in Brüssel gehalten habe; darüber freue ich mich immer. Bei den jeweiligen Veranstaltungen ging es um die langfristigen Finanzperspektiven in der EU und um die Frage, inwieweit es längerfristig Umschichtungen zwischen den verschiedenen Ausgabenbereichen gibt. In Anbetracht der Agrarpreisentwicklung und unter einem Szenario, dass die Agrarpreisentwicklung weiterhin so positiv sein wird, also nach oben gerichtet, wie es bisher der Fall ist, habe ich die langfristige Aussicht diskutiert, nämlich dass andere Bereiche stärker als der Agrarbereich in den Vordergrund rücken. Dabei ging es nicht um das Bedienen von Klientel. Es war ein etwas anderer Zusammenhang. Darauf lege ich Wert. Es ging auf jeden Fall um die Zeit nach dem Jahr 2013.

Okay.

Herr Rothe.

Frau Ministerin, ich werde für den Antrag stimmen, weil ich ihn im Wesentlichen für sinnvoll halte. Was mich in der Tat stört - Sie haben vorhin die Kollegin Wolff zitiert -, ist, dass sich der Antrag gegen die Anhebung der obligatorischen Modulation ausspricht. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen, dass man den Akzent ein Stück weit mehr von der Agrarproduktion hin zur Landschaftspflege und zu einer ganzheitlichen Entwicklung des ländlichen Raums verlagert? Liegt darin nicht auch eine Chance für den Berufsstand der Landwirte?

Wenn die Mittel, die den Landwirtschaftsbetrieben über die so genannte Modulation direkt entzogen würden, diesem Landwirt für besondere Aufgaben im Bereich der Landschaftspflege, für bestimmte Aufgaben im Natur- und Umweltschutz wieder zufließen, dann könnte ich diesen Vorschlag eventuell teilen.

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU)

Aber weil ich befürchte - auch in Erinnerung an die Programmierung des ELER -, dass die modulierten Mittel eben nicht dem Landwirt, eben nicht der Landschaftspflege und eben nicht den Aufgaben, die ein Landwirt in der Fläche übernehmen kann, zufließen werden, lehne ich das ab.

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU, von Herrn Czeke, DIE LINKE, und von Herrn Kosmehl, FDP)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Wir treten jetzt in die Debatte der Fraktionen ein. Herr Radke hat für die CDU signalisiert, dass die Einbringung seine grundsätzlichen Standpunkte wiedergegeben hat.

(Herr Radke, CDU: Ich kann nur die Standpunkte wiederholen!)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Czeke. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Staatssekretär Aeikens hat in Magdeburg zur Eröffnungsveranstaltung des ELER in Anwesenheit eines hochrangigen Vertreters der EU auf einen Fakt hingewiesen, den ich für sehr, sehr dringend geboten halte, nämlich: Wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit geht, dann sind die Agrarbetriebe der neuen Bundesländer auch aufgrund ihrer Betriebsgröße sehr wettbewerbsfähig. Sie dann im Nachgang durch die jetzt vorgebrachten Überlegungen zu strafen, indem man ihnen für erbrachte Leistungen die Förderung reduziert oder gänzlich entzieht, ist nicht korrekt. Frau Wernicke hat zur Degression schon einiges ausgeführt.

Es ist vorhin schon einmal der geflügelte Spruch gebraucht worden: „Ein Schelm, der Böses dabei denkt.“ Es gab einmal die „Agenda 2000“. Darin wurde Planungssicherheit bis zum Jahr 2006 versprochen. Das war nämlich die vorhergehende Phase.

Die Halbzeitbewertung im Jahr 2003 ist zu einem kompletten Umsteuern alles Zugesagten genutzt, aus der Sicht der Landwirtschaft missbraucht worden - ein komplettes Umsteuern. Allein die Überlegung, in dieser vorgeschlagenen Art und Weise zu reduzieren, erweckt dabei nicht nur mein Misstrauen. Ich schenke es mir jetzt, Ihnen die Begriffe „Modulation“, „Cross Compliance“ und was wir noch so alles haben, zu erklären.

Ich bin auch bei dem Kollegen Radke, der gesagt hat, Health-Check - übersetzt: Gesundheits-Check - sei nicht unbedingt sehr treffend. Für mich ist „Generalüberprüfung“ das bessere Wort. Natürlich ist das auch ein Angriff auf Besitzstände gerade in den neuen Bundesländern.

Es geht angeblich um Vereinfachung und Modernisierung der gemeinsamen Agrarpolitik. Meine Herren Kollegen, ich schaue Sie an: Können Sie feststellen, dass sich die Antragsverfahren von Jahr zu Jahr vereinfacht haben? - Ich muss das wiederholen: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Die Primärproduktion erfolgt in der Landwirtschaft. Wir haben den Ministerpräsidenten beim Sachsen-AnhaltTag am letzten Montag auf der Grünen Woche gehört, der völlig zu Recht die Erfolge der Ernährungswirtschaft Sachsen-Anhalts auch in der Öffentlichkeit vertreten durfte. Es gibt aber noch jemanden darunter, nämlich die Landwirtschaft, die es schafft.

Herr Professor Paqué, Sie sind meiner Erinnerung nach in den bundesdeutschen Medien schon einmal mit der „subventionsfressenden Sau“, die dort abgebildet war, aufgetreten.

(Zuruf von der FDP)

- Sie wissen, wovon ich rede.

Ich bin natürlich misstrauisch, wenn Sie jetzt auf dem Brüsseler Parkett für Möglichkeiten der Umverteilung werben. Damit bin ich bei dem Tagesordnungspunkt 16 - Europa. Europa schickt sich, nachdem viele Millionen Euro ausgegeben worden sind, an, Galileo fit zu machen. Es fehlen noch ein paar Milliarden.

Wenn der Landwirtschaft ein Betrag von 1,6 Milliarden € aufgrund gestiegener Weltmarktpreise nicht zugute kommt, stellt sich mir die Frage: Brauchen die Landwirte dieses Geld nicht? - Das ist doch wohl eher nicht der Fall. Ich habe ein großes Problem mit solchen Intentionen.

Die Bundesrepublik Deutschland war die einzige Nation, die im Zusammenhang mit dem Satellitennavigationssystem Galileo gesagt hat: Halt! Da haben wir in Größenordnungen Bedenken. Warum? - Die bundesdeutsche Wirtschaft ist nicht angemessen bedacht gewesen. Als die Zusage kam, die führenden Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland würden dabei natürlich beteiligt, hat Minister Tiefensee gesagt: Okay, damit gebe ich mich zufrieden.

Galileo ist ein Konkurrenzprodukt zu GPS. Die Russen schicken sich an, das zweite, ihr System fit zu machen. Wir werden dann mit Galileo nur auf der dritten Position stehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich wirklich die Frage, ob wir 50 % der Kürzungen, die geplant sind, allein in den neuen Bundesländern aufbringen müssen. Ich sage klipp und klar: Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Nachfrage des Kollegen Rothe wurde eines deutlich: Obwohl wir den Antrag fraktionsübergreifend gestellt haben, wissen wir natürlich um Ihre Begehrlichkeiten und die der Bundes-SPD im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Modulation. Frau Wernicke ist dem bereits entgegengetreten. Wir müssen diese Begehrlichkeiten ablehnen.

Über Cross-Compliance wird den Landwirten bereits so viel abverlangt. Ihnen stehen die Gelder, die zugesagt sind, zu. Die Zahlungen sind - auch das hat die Ministerin gesagt - von der Produktion entkoppelt. Es ist also zunächst völlig Wurst, was im Stall oder auf dem Feld produziert wird, wobei Wurst natürlich nicht auf dem Feld produziert wird. Das war lediglich ein Versprecher. Definitiv dürfen keine zusätzlichen Gelder abgezogen werden, weil sie nicht denen zufließen, die sie abgeben müssen.

Wenn wir über die Pflege der Kulturlandschaft streiten, möchte ich darauf hinweisen, dass es so viele Körperschaften innerhalb unserer Gesellschaft gibt, die sich mit Landschaftspflege und Kulturpflege beschäftigen. Dort besteht ein erheblicher Konkurrenzdruck. Wenn die Gelder den Landwirten erst einmal weggenommen worden sind, kommen sie nie wieder zu ihnen zurück.