Demgegenüber erscheint mir eine Anhebung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht auf 15 Jahre nicht geboten. Ich glaube, wir sollten nicht dem Irrglauben unterliegen und den Bürgerinnen und Bürgern die scheinbare Sicherheit vorgaukeln, dass sich ein betrunkener Jugendlicher von einer Gewalttat abschrecken lässt, weil die bisher zehnjährige Höchststrafe gesetzlich auf 15 Jahre angehoben wurde. Damit kann dem Opferschutz sowie dem berechtigten Anliegen der Bürgerinnen und Bürgern nach einer höheren Sicherheit nicht Rechnung getragen werden.
Meine Damen und Herren! Ich denke, ich habe die wesentlichen Punkte, die auch von der LINKEN angesprochen worden sind, vonseiten der Landesregierung darlegen können. Uns geht es darum, dass wir in der Zukunft eine offene, eine ideologiefreie Diskussion führen wollen und werden.
Wir haben dazu Mitte März eine Veranstaltung, ein Experten-Hearing geplant, auf dem wir gemeinsam mit den Fachleuten darüber reden wollen, wo die derzeitigen Schwachstellen liegen, und Handlungsmöglichkeiten erarbeiten wollen, wie wir in der Zukunft in Sachsen-Anhalt Kriminalität, Jugendkriminalität und insbesondere jugendliche Gewaltkriminalität weiter absenken können. - Herzlichen Dank.
Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Beitrag. - Bevor wir die Debatte eröffnen, begrüße ich Damen und Herren der Bildungsgesellschaft Südost aus Magdeburg auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte eigentlich gedacht, als ich das Thema Aktuelle Debatte zur Jugendkriminalität von Ihnen, den LINKEN, gesehen habe, dass Sie sich heute Morgen inhaltlich dazu positionieren würden. - Herr Höhn, Sie haben völlig am Thema vorbei geredet.
Ich möchte einleitend sagen: Sie haben dieses Thema als Trojanisches Pferd benutzt und im Bauch dieses Pferdes eine Debatte hereingebracht, in der Sie versucht haben, die CDU in die Nähe der NPD zu bringen.
Herr Höhn, das ist genauso unanständig wie das, was Sie uns vorwerfen. Das ist noch viel unanständiger. Ich verbitte mir für meine Partei, dass Sie uns in die Nähe der NPD bringen. Das sage ich mit aller Deutlichkeit.
- Sie können am Ende reden, sich zu Wort melden und mir auch Fragen stellen. - Jedenfalls lassen wir uns von Ihnen nicht in die rechte Ecke drängen.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle noch eines: Wenn man sich mit Ihnen gelegentlich in einer Diskussion etwas härter auseinandersetzt, dann gibt es von der von mir aus gesehen linken Seite ein Riesengeheul. Aber Sie nehmen sich das Recht heraus, auf andere draufzuhauen. Wenn man es bei Ihnen einmal etwas schärfer angeht, dann ist die große Betroffenheitsdebatte da.
Ich will ein paar Punkte zu dem eigentlichen Thema sagen, das Sie überhaupt nicht berührt haben. Wissen Sie, eine Gesellschaft verändert sich, und nicht das Recht macht eine Gesellschaft, sondern die Gesellschaft macht sich das Recht abhängig von den Lebenssituationen.
Insofern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir in den letzten 15 Jahren, vielleicht auch 20 Jahren eine Zunahme von Gewaltkriminalität haben, dass wir einen Werteverlust zu konstatieren haben und dass wir mit Sicherheit auch festzustellen haben - das ist außerhalb des Rechtes; darin gebe ich Ihnen wiederum Recht -, dass Familien in der Erziehung versagen.
Aber weil das alles so ist, muss es zulässig sein, auch über Gesetzesänderungen nachzudenken, ohne von Ihnen durch eine ausgerufene Meinungsdiktatur in die rechte Ecke gedrängt zu werden, wenn man dieses Thema berührt.
Es kann doch nicht sein, dass gewisse Themen von Ihnen nur aus politischen Gründen tabuisiert werden und mit dem Argument, wer dieses Thema bedient, ist rechts und Faschist, tot gemacht werden. Das lassen wir nicht zu.
Ich sage Ihnen, beim Jugendstrafrecht muss es so wie im Straßenverkehr sein. Wenn Sie eine Sackgasse haben, dann muss am Anfang der Sackgasse ein Schild mit der Aufschrift stehen: Sackgasse! Bitte nicht hineinfahren! Wenden unmöglich! Beim Jugendstrafrecht hat sich das leider geändert. Wir haben am Ende der Sackgasse ein Schild aufgestellt. Darauf steht: Du bist in eine Sackgasse gefahren; jetzt kannst du nicht mehr wenden.
Das müssen wir ändern. Wir müssen dem Jugendlichen am Anfang aufzeigen, dass er auf die falsche Bahn geraten ist. Dort muss das Schild mit der Aufschrift stehen: Hör auf, sonst kannst du nicht mehr wenden.
Dazu sage ich Ihnen: Dazu benötigen wir keine Verschärfung des Jugendstrafrechts im allgemeinen Sinne. Ich bin auch dagegen, bei der Strafmündigkeit von 14 auf zwölf Jahre zu gehen; ich bin eindeutig dagegen. Ich halte auch eine Erhöhung der Höchststrafe von zehn auf 15 Jahre nicht für zwingend notwendig, weil es am Ende - -
Aber diese Bereiche gelten auch nur für schwerste Kriminalität wie Todschlag und Mord, deren Anteil prozentual verschwindend gering ist.
Das Entscheidende ist doch: Wenn jemand erstmals strafrechtlich in Erscheinung tritt, dann soll es bei der Staatsanwaltschaft - jetzt erkläre ich Ihnen einmal, wie wir uns das vorstellen - eine Einstellung nach dem Jugendgerichtsgesetz mit Ermahnung geben. Die zweite Einstellung bei der Staatsanwaltschaft: Einstellung mit Auflage. Wenn er dann weiter straffällig wird, dann geht es zum Gericht und es gibt nicht noch zehn, 15, 20 weitere Einstellungen bei der Staatsanwaltschaft. Der nimmt doch die Gerichte bzw. die Staatsanwaltschaft gar nicht mehr ernst. Dann gehen wir zum Gericht. Dort gibt es wieder eine Einstellung - meinetwegen ohne Auflage. Bei dem zweiten Mal gibt es eine Einstellung mit Auflage.
Dann gibt es keine weiteren Einstellungen mehr. Dann werden die Erziehungsmittel ausgeschöpft. Dann gibt es eine Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Aber er muss auch das Gefühl haben, dass ihm etwas passiert ist; denn wenn Sie Jugendlichen - ich habe lange genug in Gerichtssälen gearbeitet - nur eine Strafe auf Bewährung auferlegen, dann geht der raus und sagt: Mir ist heute gar nichts passiert. Dann können Sie doch einen Warnarrest einführen, dass er drei Tage „probewohnt“ und ungefähr mitbekommt, wie es sein wird, wenn er so weitermacht. Dagegen spricht doch nichts.
Die Argumentation, dass man damit eine kriminelle Laufbahn begründen würde, ist abwegig. Sie können doch einen Arrest so gestalten, dass er erzieherischen Charakter hat und dass er von vornherein eine Maßnahme der Resozialisierung ist.
Wenn er dann, trotz der ausgesetzten Bewährung, weiterhin strafrechtlich in Erscheinung tritt, dann ist die nächste Strafe eben ohne Bewährung. Deshalb sagen wir Ihnen: Den § 31 des Jugendgerichtsgesetzes - Herr Höhn, das sollten Sie einmal nachlesen; denn Sie haben
Im Jugendgerichtsgesetz ist vorgesehen, dass man mehrere Strafen nebeneinander zur Bewährung aussetzen kann. Wissen Sie, was das für den Jugendlichen bedeutet? - Der bekommt die erste Strafe zur Bewährung, die zweite Strafe zur Bewährung und die dritte nicht mehr; dann werden die anderen Bewährungsstrafen widerrufen, addiert und er zieht beim ersten Mal für drei Jahre ein. Das ist doch ein absoluter Irrsinn. Damit versündigen wir uns an dem Jugendlichen.
Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Wer so eine fachliche Debatte führt wie wir heute Morgen, der ist am rechten Rand, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sie sind heute Morgen völlig falsch aufgestanden.