Protokoll der Sitzung vom 25.01.2008

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Höhn, Sie haben sich mit dem Thema inhaltlich gar nicht auseinandergesetzt. Ich hätte doch gern mit Ihnen über diese Themen gestritten. Das war ein Totalausfall. Sie waren ein Totalausfall heute Morgen. Das muss ich Ihnen so sagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage Ihnen noch etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer 18 Jahre alt ist, kann heiraten - das ist eine tiefgreifende Entscheidung, die mancher bereut, ohne sich allerdings auf eine Reifeverzögerung berufen zu können -,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

- das ist so - darf Auto fahren und darf wählen. Vor diesem Hintergrund gehen wir hin und sagen: Jemanden, der solche Entscheidungen treffen darf, der heiraten, wählen und Auto fahren darf

(Zuruf von der CDU: Zur Armee!)

- auch zur Armee darf er gehen -, müssen wir als Jugendlichen behandeln, der hat eine Reifeverzögerung. Im Gesetz steht, dass er grundsätzlich nach dem Erwachsenenstrafrecht und nur in Ausnahmefällen, wenn eine Reifeverzögerung vorliegt, wie ein Jugendlicher zu behandeln ist.

Aber was machen die Gerichte? Schauen Sie sich einmal die Statistiken an. Ich möchte Sie nicht mit Zahlen langweilen. Ich habe das alles im Kopf. 90 % der Fälle werden so ausgeurteilt, als handele es sich um Jugendliche. Sie können mir doch nicht sagen, dass dies der Lebenswirklichkeit entspricht.

Ich habe Ihnen vorhin schon gesagt: Nicht die Gesetze machen die Gesellschaft, sondern die Gesellschaft macht sich die Gesetze. Wir haben als Gesellschaft eine andere Situation als noch vor 30 Jahren, als man erst mit 21 Jahren volljährig wurde. Heute ist man mit 18 Jahren volljährig. Deshalb müssen wir das Gesetz anpassen. Das ist nichts Unanständiges und nichts Rechtsradikales, sondern ein normaler rechtspolitischer Gedankenprozess, dem auch Sie sich gelegentlich einmal aussetzen sollten.

(Beifall bei der CDU)

In einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: Hierbei geht es um Themen, die man nicht holzschnittartig bearbeiten kann. Vielmehr muss man lange diskutieren und ab

wägen. Man muss sich auch in der Sache streiten. Insofern stellt sich die Frage, ob so etwas als Wahlkampfthema geeignet ist. Aber es ist genauso wenig dafür geeignet, es in der Aktuellen Debatte zu missbrauchen, um einmal das loszuwerden, was Sie schon lange auf dem Herzen haben, weil Sie alles, was rechts von Ihnen ist, absolut tabuisieren wollen. Auch das kann es nicht sein. Insofern sollten wir das ganz unaufgeregt diskutieren.

Ich wünsche mir, dass wir die Debatte im Rechtsausschuss in den sachlichen Punkten, die ich vorgetragen habe und die wir ändern müssen, fortführen können. Auch in Sachsen-Anhalt sollten wir ein Stück weit gut bedachte Meinungsführerschaft in einem ausgewogenen Diskussionsprozess übernehmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Stahlknecht. Es gibt drei Fragen, nämlich von Herrn Gallert, Frau von Angern und Herrn Gebhardt. Wollen Sie diese Fragen beantworten?

Ich bitte Herrn Gallert, das Wort zu nehmen.

Herr Stahlknecht, ich möchte Sie zumindest darauf hinweisen, dass derjenige, der den CDU-Wahlkampf von Herrn Koch in die Nähe der NPD gerückt hat, kein Mitglied der LINKEN ist. Vielmehr ist Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Mitglied der CDU. Er hat das sehr bewusst getan.

Nun meine Frage. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion der CDU in Hessen hat im Wahlkampf ausgeführt, man müsse die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass ausländische Jugendliche, die sich bei uns so schlecht fühlen, dass sie die hiesige Bevölkerung beschimpfen müssen, sofort ausgewiesen werden. Sagen Sie mir doch einmal, wo dort noch ein Unterschied zu dem Plakat „Ausländer raus!“ besteht.

(Widerspruch bei der CDU)

Herr Gallert, das ist ein schwieriges Thema.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ach so!)

Ich sage Ihnen einmal mit aller Vorsicht: Von jemandem, der in Deutschland lebt, der hier Gast ist, erwarten wir gelegentlich schon, dass er sich an die Gesetze hält.

(Beifall bei der CDU)

Wenn sich jemand auf Dauer nicht an die Gesetze hält, dann kann man anfangen, allerdings vorsichtig - hinsichtlich des Wortes „vorsichtig“ gebe ich Ihnen Recht - anfangen, darüber nachzudenken, ob wir vielleicht Regelungen brauchen, bei denen wir die Tatsache, dass jemand auf Dauer in Deutschland leben will, auch davon abhängig machen, dass sich der Betreffende an die Gesetze hält. Ich denke schon, dass dies eine zulässige Diskussion ist. Diese möchte ich mit Ihnen heute Morgen

aber nicht pointiert führen, weil sie viel zu weit gefächert ist.

Außerdem haben wir - darin gebe ich Ihnen Recht - in Deutschland das Problem, dass wir unter zwölf Jahren Diktatur, die so unsäglich viel Leid über dieses Land und über die Welt gebracht hat, leiden. Selbstverständlich hat der Nationalsozialismus dazu geführt, dass Aber- und Abermillionen von Menschen umgebracht worden sind und dass Kriege geführt wurden, in denen Menschen umgekommen sind. All das - das werden Sie nicht Abrede stellen können - verabscheue ich. Ich habe mehrfach dazu geredet.

Diese Zeit hat aber auch etwas anderes bewirkt, worüber wir viel zu selten sprechen. Diese zwölf Jahre haben in Deutschland dazu geführt, dass deutsche Geschichte fast ausschließlich an diesen zwölf Jahren gemessen wird, dass wir uns über andere Dinge, die Deutschland hervorgebracht hat, über große Denker und große Musiker, kaum noch unterhalten, weil wir alles im Spiegel dieser Zeit sehen. Deshalb, weil wir diese zwölf Jahre gehabt haben - ich würde mir wünschen, wir hätten sie nicht gehabt -, tun wir uns mit solchen Debatten gelegentlich schwerer, als dies in anderen Staaten, die vorurteilsfreier damit umgehen können als wir, der Fall ist.

In all dem gebe ich Ihnen Recht, Herr Gallert. Aber in einem folge ich Ihnen nicht, nämlich darin, dass man diese zwölf Jahre immer dafür nutzt, um jede andere Diskussion mit dem Totschlagargument, das sei gefährlich, kaputt zu kloppen.

(Beifall bei der CDU)

Frau von Angern.

Herr Stahlknecht, ich gebe Ihnen in einer Aussage Recht, nämlich darin, dass Gesetze wahrscheinlich nur einen geringen Einfluss auf die Gesellschaft haben und dass vor allem die Gesellschaft sich ihre Gesetze macht. Damit komme ich zu der Frage, wofür die Gesellschaft, wofür die Politik das Jugendgerichtsgesetz verfasst hat. In allererster Linie doch dafür, um Jugendliche, die straffällig geworden sind, die im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen noch erziehbar, noch formbar, wie es auch formuliert wird, sind, in ein straffreies Leben zu führen.

(Herr Stahlknecht, CDU: Korrekt!)

Ich komme nun auf Ihre Ausführungen zurück, die Sie auch gegenüber der „Volksstimme“ gemacht haben, dass 18-Jährige heiraten dürfen. Sicherlich hat auch eine Ehe Auswirkungen auf die Betreffenden. Allerdings stellt sich doch die Frage, was uns mehr hilft. Hilft es uns mehr, 18- bis 21-Jährige nach dem StGB mit dessen begrenzten Möglichkeiten abzuurteilen, oder aber hilft es uns mehr, 18- bis 21-Jährige nach dem JGG mit seinem weitaus größeren Maßnahmenspektrum zu behandeln und ihnen möglicherweise doch noch den Weg in ein straffreies Leben zu ebnen? Was ist für die Gesellschaft wichtiger?

Ich habe das Problem, dass Sie der Gesellschaft durch das Wegschließen junger Menschen eine vermeintliche Sicherheit vorgaukeln. Ich gebe Frau Professor Kolb durchaus darin Recht, dass dies keine Sicherheit ist.

Ich will darauf erwidern. Sie habe zwei Aspekte angesprochen. Ich beginne mit dem leichteren, nämlich mit der Frage der Sicherheit.

Frau von Angern, ich gebe Ihnen Recht: Es gibt zwei Arten von Sicherheit. Es gibt die objektive und es gibt die subjektive, die gefühlte Sicherheit. Als Politiker haben wir gelegentlich auch darüber nachzudenken, wie es sich mit dem Sicherheitsempfinden der Bevölkerung verhält. Darin, dass man bei dieser Diskussion nicht den Rahmen und das Maß verlieren darf, gebe ich Ihnen Recht.

Nun zu der anderen, zu der wissenschaftlich wesentlich spannenderen Frage. Ich gebe Ihnen darin Recht, dass mir, wenn ich Jugendliche mit 18 Jahren nach dem Erwachsenenstrafrecht behandele, wesentlich weniger Instrumentarien zur Verfügung stehen, als wenn ich das Jugendgerichtsgesetz zugrunde lege.

Es gibt auch eine Argumentation dafür, warum man das tut. Wenn ich einen 18-Jährigen - ich verwende einmal Ihren Begriff, den ich nicht so gern mag - wegsperre, könnte ich ihm sogar eine Lehre zukommen lassen, was nach dem anderen Recht nicht möglich ist.

Wenn man das will, dann muss man darüber reden. Dann sollte man sich allerdings überlegen, ob man in das Strafgesetzbuch nicht weitere Sanktionsmöglichkeiten für 18- bis 21-Jährige einführen sollte. Dann wäre das zumindest systematisch richtig: Ab 18 Jahren gilt dann das Erwachsenenstrafrecht und für eine gewisse Dauer besteht ein erweiterter Rahmen von Sanktionsmöglichkeiten.

Frau von Angern, ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung, dass das Ziel eines Gefängnisaufenthaltes - so nenne ich das einmal - am Ende sein muss, dass jemand, der aus dem Gefängnis entlassen wird, danach straffrei lebt. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen soll der Betreffende sein Leben so leben können, dass es lebenswert ist. Auf der anderen Seite soll die Bevölkerung keine Angst davor haben müssen, dass wieder jemand draußen ist, der Straftaten begeht. Insofern sind wir doch einer Meinung.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Gebhardt, Sie sind der letzte Fragesteller.

Herr Stahlknecht, wir alle hier sind uns sicherlich in dem Ziel einig, dass es darum geht, Gewalt und Straftaten dieser Art zu verhindern. Das ist, so glaube ich, Konsens. Wir streiten lediglich über die Methoden sowie über die Art und Weise, wie man dorthin kommt.

(Herr Stahlknecht, CDU: Ja!)

Am letzten Wochenende gab es in meiner Heimatstadt Hettstedt einen schrecklichen Vorfall, bei dem ein 18-Jähriger erst eine Pizzeria kurz und klein geschlagen hat und offensichtlich danach noch nicht satt war und eine Frau totschlagen musste.

Jetzt frage ich Sie: Denken Sie, dass irgendwelche Androhungen oder härtere Strafen, ob 15 oder 20 Jahre,

ein Warnschussarrest oder Ähnliches diese Tat verhindert hätten?

(Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

Nein, Herr Gebhardt, das geht am Thema vorbei. Ich bin mit Ihnen doch einer Meinung. Das Thema macht mir richtig Spaß. Ich rede doch nicht in einem luftleeren Raum.