Protokoll der Sitzung vom 25.01.2008

Nein, Herr Gebhardt, das geht am Thema vorbei. Ich bin mit Ihnen doch einer Meinung. Das Thema macht mir richtig Spaß. Ich rede doch nicht in einem luftleeren Raum.

(Frau Bull, DIE LINKE: Ich denke schon!)

- Nein, das tue ich nicht. Sie haben nur keine Ahnung davon. Deshalb sagen Sie, ich rede im luftleeren Raum. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie - Herr Gebhardt, ich komme zum eigentlichen Thema zurück -, die Höhe der Strafe verhindert letztlich keine Straftaten.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Wenn das so wäre, dürfte es in Amerika keine Tötungsdelikte geben, weil darauf die Todesstrafe steht. Wenn das so wäre! Darin bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber es geht doch darum, mit einer Straftat, die jemand begangen hat, auch im Sanktionsrahmen sinnvoll umzugehen.

Wenn Sie bei dem Beispiel in Hettstedt bleiben, müssen Sie bei der Strafzumessung die Umstände abwägen, und dann kann es nicht sein - ich weiß nicht, was dort passiert -, dass er ein Jahr zur Bewährung bekommt. Es macht auch keinen Sinn, ihm 15 Jahre zu geben. Es muss schuld- und tatangemessen sein. Das ist eine Einzelfallbetrachtung.

Aber Sie können doch, wenn jemand und bevor jemand - - Der Vorfall in Hettstedt ist übrigens ein Ausnahmefall. Ich will aber nicht so viel über die Hintergründe erzählen. Der Täter ist bislang nie gewalttätig aufgefallen. Das muss man auch wissen.

Jemand, der einen umschießt oder totschießt, hat eine kriminelle Karriere hinter sich. Es wacht doch niemand morgens auf und sagt: Ich gehe heute auf den Breiten Weg und schieße mal einen tot. Das macht doch kein Mensch. Vielmehr fängt es mit Körperverletzungsdelikten an

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

und irgendwann steigert es sich bis zum Totschlag.

An der Stelle, am Anfang einer kriminellen Laufbahn, hat die Justiz die Verantwortung, das Erforderliche zu tun, damit es am Ende nicht zu Tötungsdelikten kommt. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Stahlknecht. - Als nächstem Debattenredner erteile ich Herrn Wolpert das Wort. Bitte schön, Herr Wolpert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Stahlknecht, das

kann ich mir nun doch nicht verkneifen. Ich erinnere mich noch an eine Debatte in der letzten Legislaturperiode. Ein bisschen Kreide haben Sie inzwischen schon gefressen.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE - Herr Stahl- knecht, CDU: Frau Bull, entspannen Sie sich doch einfach mal, draußen scheint die Sonne!)

- Frau Bull, ich rede jetzt und ich sage das Herrn Stahlknecht; Sie können es ja nachher selbst sagen.

Die Präventionswirkung von höheren Strafen - dass Sie zu dieser Einsicht gekommen sind, freut mich ungemein.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat die heutige Aktuelle Debatte zum Thema Jugendkriminalität vor dem Hintergrund einiger Vorfälle und vieler Worthülsen von Politikern aller Couleur beantragt. Von Hessen ausgehend wurde die Republik mit den wildesten Vorschlägen und Lösungsansätzen konfrontiert. Wir sahen uns Schlagworten wie „Erziehungscamps“, „Erhöhung der Jugendstrafe auf 15 Jahre“ oder „Herabsetzung der Strafmündigkeit“ ausgesetzt. Schwerpunkt eines Hauptakteurs aus Hessen waren dabei Täter ausländischer Herkunft.

Meine Damen und Herren! Zunächst ein paar Fakten. Die Jungenkriminalität in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt sinkt seit Jahren. Das wird durch die Medien meist nicht transportiert. Dort wird nur über gewalttätige Übergriffe berichtet, wie vor Kurzem über die Übergriffe in der Münchener U-Bahn oder in Hettstedt. Aber, meine Damen und Herren, ich halte es für einen politisch nicht gangbaren Weg, aus einer gefühlten Unsicherheit heraus tatsächlich Freiheitsrechte einzuschränken.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Die FDP-Fraktion verurteilt diese Gewalt. Dabei muss den Tätern klar sein, dass jede kriminelle Tat zu einer Verantwortung führt und sie zur Verantwortung gezogen werden. Den Opfern müssen wir zurufen, dass sie nicht allein gelassen werden. Auch sehen wir die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Diskussion darüber, wie so etwas geschehen muss. Aber Schnellschüsse lehnen wir ab.

Debatten über Kinder- und Jugendkriminalität sowie über eine Verschärfung des Strafrechtskatalogs für kriminelle Jugendliche sind auch in Sachsen-Anhalt nicht neu. In den vergangenen Legislaturperioden wurde im Landtag mehrfach über das Für und Wider der je nach Fraktion für geeignet befundenen Maßnahmen zur präventiven Verhinderung von Jugendkriminalität sowie zur Optimierung der Strafverfolgung, der Strafzumessung und letztlich auch des Strafvollzuges diskutiert.

Erst im September des vergangenen Jahres haben wir über die nachträgliche Sicherungsverwahrung für jugendliche Straftäter debattiert. Wie schnell sich die Einstellung gegenüber einer Verschärfung des Jugendstrafrechts innerhalb einer Partei und innerhalb eines Vierteljahres ändern kann, lässt sich am Beispiel der Justizministerin ablesen. Damals hat sie noch für eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung, also für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts plädiert und nun spricht sie sich gegen die Verschärfung aus.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das ist uns auch aufge- fallen! - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Meine Damen und Herren! Die von der CDU in Hessen geforderte Erhöhung des Strafmaßes auf maximal 15 Jahre mag ein schnell formuliertes, öffentlichkeitswirksames Mittel sein. Vor allem soll es Jugendliche abschrecken. Jedoch wird schon heute die Höchstgrenze von zehn Jahren Jugendstrafe selten ausgeschöpft und eigentlich läuft diese Forderung ins Leere.

Darüber hinaus erzeugt eine Erhöhung des Strafmaßes bei kriminellen Jugendlichen fast nie eine abschreckende Wirkung. Jugendliche werden nicht weniger straffällig, nur weil sie laut Gesetz ein höheres Strafmaß erwarten. Das gleicht eher dem kleinen Kind, das trotzdem auf die Herdplatte fasst, auch wenn man ihm erklärt hat, dass die Temperatur höher gestellt wurde. Wer nicht weiß, was heiß ist, wird es erst verstanden haben, wenn er hingefasst hat.

(Herr Tullner, CDU: Was ist der Schluss aus die- ser Debatte?)

- Der Schluss ist, dass man vorher darüber aufklären muss, was heiß ist, und die Leute nicht einfach drauffassen lassen darf.

(Herr Tullner, CDU: Aber nicht gar keine Strafe!)

- Herr Tullner, die Zeit, um Ihnen als Finanzpolitiker zu erklären, was Jugendstrafrecht ist, habe ich in zehn Minuten nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Der Staat muss gegenüber jugendlichen Straftätern seine Handlungsfähigkeit demonstrieren und unter Beweis stellen, dass er in der Lage ist, die Bürger vor gewaltsamen Übergriffen zu schützen. Das Problem sind nicht zu wenige oder zu lasche Gesetze oder Sanktionsinstrumente.

Meine Damen und Herren! Die FDP plädiert dafür, Polizei und Justiz mit den finanziellen, materiellen und personellen Voraussetzungen auszustatten. Darüber hinaus bedarf es einer Vernetzung mit den Jugendämtern und den Kommunen vor Ort.

Wir brauchen erstens die verstärkte Präsenz der Polizei vor Ort, weil das Entdeckungsrisiko die wahre präventive Wirkung hat,

zweitens eine schnelle Aufnahme der Ermittlungen bei Straftaten,

drittens einen kurzen Zeitraum zwischen der Tat und der Verurteilung, damit der erzieherische Gehalt der Strafe und das Unrechtsbewusstsein der Jugendlichen erhalten bleibt - so wird das Wiederholungsrisiko gesenkt - und

viertens kurze Abstände zwischen der Verurteilung des Jugendlichen und dem Beginn der Verbüßung der Strafe.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Meine Damen und Herren! Davon, dass der Warnschussarrest während der Bewährung - so hat es Herr Stahlknecht beschrieben - als zusätzliches Zuchtmittel eine geeignete Maßnahme ist, sind auch wir überzeugt.

(Herr Stahlknecht, CDU: Bravo!)

Das haben wir schon damals gesagt, als wir zum ersten Mal darüber gestritten haben: Der Warnschussarrest ist durchaus ein gutes Mittel.

Um die Jugendkriminalität zu bekämpfen, muss man die Ursachen erkennen. Diese liegen häufig in einem niedri

gen Bildungsniveau, in einem fehlenden Wertekanon, in negativen Sozialerfahrungen und vor allen Dingen in einer gefühlten Perspektivlosigkeit. Kein Kind wird als Krimineller geboren.

Gerade bei der fehlenden Erziehung und Bildung ist der Staat gefordert, flankierend einzuspringen. Aggressionen in Produktivität umzuwandeln ist das Geheimnis. Hierin liegt die wahre Präventionsarbeit und nicht in der Verschärfung von Gesetzen oder in der Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit

(Zustimmung bei der FDP und bei der LINKEN)

und schon gar nicht in Erziehungscamps, die den Willen brechen, oder in langen Haftstrafen, in denen sich die falschen Verhaltensmuster auch noch verfestigen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LINKEN)