Protokoll der Sitzung vom 18.04.2008

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU - Frau Mitten- dorf, SPD, geht in Richtung ihres Sitzplatzes)

- Frau Mittendorf, möchten Sie auch noch etwas dazu sagen?

(Frau Mittendorf, SPD: Nein! - Heiterkeit)

Dann stimmen wir jetzt über den Antrag in der Drs. 5/1200 ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Antragsteller und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Stimmenthaltungen? - Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist ohne Gegenstimme Herr Stadelmann vom Landtag als stellvertretendes Mitglied im Kongress der Gemeinden und Regionen beim Europarat benannt worden.

(Beifall)

Herr Stadelmann, alles Gute und viel Erfolg! Sie haben jetzt das Wort.

Ich möchte nur kurz die Gelegenheit nutzen, mich für das Vertrauen zu bedanken. Ich werde mich auch weiterhin in diesem Kongress für Sachsen-Anhalt stark machen.

(Beifall)

Herzlichen Dank. Das erwarten wir auch.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 15 beendet. Der Tagesordnungspunkt 16 ist heute Morgen schon behandelt worden, sodass ich jetzt den Tagesordnungspunkt 17 aufrufe:

Beratung

Freigabe von Mitteln für Vereine und Verbände

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1203

Ich bitte Frau Dr. Klein, den Antrag einzubringen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Wochen haben die vom Finanzministerium erlassenen Bewirtschaftungsbeschränkungen insbesondere bei Vereinen und Verbänden für Unruhe gesorgt. Bei einigen gibt es Grund zur Freude, so bei den Frauen

häusern und Frauenzentren und Interventionsstellen; die erhalten die volle Summe des Geldes, das ursprünglich in den Haushalt eingestellt war. Bei anderen sieht es nicht so gut aus, so zum Beispiel bei der Aidshilfe oder auch beim BUND, bei dem wir gestern Abend zu Gast waren; darauf komme ich noch zurück.

Ich weiß, Herr Minister, - ich stelle das auch nicht infrage - die Exekutive hat das Recht, Bewirtschaftungsbeschränkungen zu erlassen. Allerdings möchte ich die Frage stellen: Warum wird in diesem Jahr trotz relativ guter Haushaltslage - im Interview in der „Börsenzeitung“ am gestrigen Tag sagte der Finanzminister, dass die Steuervorschau für das zweite Quartal ganz gut aussähe - eine Bewirtschaftungsbeschränkung von 10 % verhängt? In den Jahren 2006/2007 gab es trotz schlechterer Prognosen und noch angesagter Verschuldung nur eine fünfprozentige Sperre. Darauf kann uns die Landesregierung sicherlich eine Antwort geben.

Ein anderes Problem, das mir jedenfalls dabei deutlich geworden ist, müsste der Landtag lösen. Trotz beschlossenen Landeshaushalts ist es für die Betroffenen, die Vereine und Verbände, in jedem Jahr sehr schwierig, an das Geld zu kommen, das wir als Parlament in den Haushaltsberatungen beschlossen haben. Sie müssen im Oktober/November des Vorjahres einen vorläufigen Wirtschaftsplan auf der Grundlage der im Haushalt veranschlagten Zahlen bei den jeweils zuständigen Fachressorts einreichen.

Diese prüfen die Pläne, verweisen dann darauf, dass das Geld kommt, wenn der notwendige Runderlass zur Haushaltsführung erscheint; denn ohne diesen Runderlass ist - diesen Eindruck gewinnt man - der vom Landtag beschlossene Haushalt so etwas Ähnliches wie Makulatur. Bevor er nicht veröffentlicht wird, gibt es kein Geld. Dieser Runderlass kommt mal im Februar, mal im März. Dieses Jahr kam er im Februar.

Da erhielten die Vereine - mir liegen etliche Schreiben vor - die freundliche Mitteilung von den jeweiligen Fachressorts, dass nach Vorgabe des Ministeriums der Finanzen die Haushaltsmittel für die Gewährung von Zuwendungen zunächst nur in Höhe von 90 % der in den Haushaltsplan eingestellten Mittel freigegeben werden; sie mögen ihre Antragstellung überarbeiten und mitteilen, bei welchen Ausgabepositionen die Einsparung vorgenommen wird.

Das heißt, es muss ein neuer Wirtschaftsplan auf der Grundlage des gekürzten Mittelansatzes erarbeitet werden. Das betreffende Ressort und anscheinend auch das Finanzministerium gehen nicht davon aus, dass die fehlenden 10 % irgendwann noch freigegeben werden könnten; sonst müssten die ja nicht einen neuen Wirtschaftsplan ausarbeiten, sondern könnten vielleicht deutlich machen, an welchen Stellen es zunächst keine Ausgaben gibt.

Dagegen können die einzelnen Vereine Protest einlegen. Das hilft ihnen aber nur bedingt oder auch gar nicht. Es gibt aber auch wieder Unterschiede beim Herangehen der einzelnen Ressorts. Wir haben erlebt, dass für die Frauenhäuser der Protest sinnvoll war, bei anderen ist es nicht so sinnvoll.

Dem Landesverein der Aidshilfe wurde vom Landesverwaltungsamt vorgeschlagen, er möge einen neuen Haushaltsplan für die Monate Januar bis Oktober erarbeiten und die letzten zwei Monate im Prinzip weglas

sen, damit es nicht so aussieht, als gäbe es irgendwann eine Anschubfinanzierung; denn Anschubfinanzierungen sind laut LHO nicht erlaubt.

Die Mehrheit der kleinen Vereine und Verbände - ich spreche hier nicht vom Landessportbund - hat aber kein Geld zur Überbrückung von drei oder vier Monaten. Sie haben meistens auch nur wenig Hauptamtliche, die die Pläne noch einmal überarbeiten können.

Wie gesagt, es wird im Februar ein neuer Wirtschaftsplan eingereicht. Der wird wieder geprüft; denn es muss ja nachgerechnet werden, ob auch wirklich 10 % eingespart worden sind. Dann schaut auch noch einmal das Finanzministerium darauf, und dann gibt es vielleicht irgendwann im April oder Mai Geld. Für manche Vereine besteht dabei Insolvenzgefahr.

Einer, von denen ich das weiß, ist die Aidshilfe Halle, die zum 31. März 2008 Insolvenz anmelden musste. Zuvor gab es vielfältige Kontakte des Landesverbandes mit dem Sozialministerium und dem Landeverwaltungsamt, die aber bis jetzt, obwohl nun ein Haushalt, der nur zehn Monate umfasst, eingereicht wurde, noch nicht dazu geführt hat, dass es Geld gegeben hat.

Da es sich bei den meisten Vereinen und Verbänden um überschaubare Summen handelt - ich rede nicht vom Landessportbund oder solchen Größenordnungen, sondern hier sind es meistens 15 000 oder 20 000 € -, sollte dieses Verfahren der generellen Neuerarbeitung von Wirtschaftsplänen vielleicht doch noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Es ist für viele einfach eine existenzielle Frage.

Bei aller Freude über die volle Freigabe der Mittel für einige Vereine im Bereich des Sozialministeriums und die volle Unterstützung stellt sich mir die Frage, nach welchen Kriterien die Mittel freigegeben wurden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sind dem Finanzministerium auf einmal die Frauen lieb und teuer? Wollte man nicht noch mehr Leid auf dem Haupt der Sozialministerin abladen, indem man bei ihr die Mittel sperrt? Haben andere nicht laut genug geschrien oder hatten andere Vereine nicht die entsprechende Lobby, wie zum Beispiel die Aidshilfe? Uns haben sich die Kriterien nicht erschlossen, nach denen die Mittelfreigabe geschehen ist.

Eigentlich wollten wir eine Direktabstimmung, um den notleidenden Vereinen schnell zu helfen. Da es aber inzwischen für einige zumindest Hilfe gab und für andere noch geben wird, nehme ich an, schlagen wir eine Überweisung in die Fachausschüsse vor, um die Frage der Bewilligung und der Kriterien zu diskutieren. Federführend sollte hier der Finanzausschuss sein. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Zunächst erteile ich Herrn Minister Bullerjahn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Dr. Klein, das ist exekutives Handeln, also das, was die Regierung im Vollzug machen kann und auch machen muss. Es gibt Risiken, auf die ich eingehen möchte, Ri

siken übrigens, die der Landtag der Regierung mitgegeben hat, auch mit Unterstützung der LINKEN. Auch das werde ich kurz ansprechen.

(Herr Scharf, CDU: Aber es geht keinem Finanz- minister besser, das müssen alle machen!)

- Ich habe ja nicht gesagt, dass das eine Erfindung von mir wäre. Ich glaube auch, dass das, mit dem ich gerade anfangen wollte, in den letzten 16 Jahren immer am Anfang gesagt worden ist:

Erstens. Es ist exekutives Handeln.

Zweitens. Der Landtag war bei der Beschlussfassung dabei.

Drittens - da wollte ich gerade ansetzen -; es ist auch nicht so, dass es im Finanzministerium jemanden gibt, der nach Gutdünken oder nach Nase die Entscheidung trifft freizugeben.

Um in der Reihenfolge anzufangen: Erstens. Was sind die Risiken? - Ich möchte zuallererst die globale Minderausgabe ansprechen. Ich kann mich gut an die Finanzausschusssitzung erinnern. Da gab es auch Anträge der LINKEN, die besagten, die Summe, die im Raum stand - es waren, glaube ich, die 96 Millionen € -, könnte man noch ein bisschen erhöhen, weil noch mehr Druck ins System muss. Man hat sich dann im Ausschuss darauf geeinigt, die 96 Millionen € zu beschließen.

Wer glaubt, dass sich die 96 Millionen € jetzt von ganz allein einfinden, der irrt. Ich denke, das auch die Ausschussvorsitzende weiß, dass diese 96 Millionen € von den Ressorts erwirtschaftet werden müssen. Sonst geht das im Gesamthaushalt nicht auf. Das ist Risiko Nr. 1.

Ich habe damals bei der Beschlussfassung über die globale Minderausgabe genau auf dieses Thema hingewiesen. Natürlich wäre es mir am liebsten, wenn eine globale Minderausgabe nicht nötig wäre oder sie so klein wie möglich wäre, weil sie natürlich den Vollzug beeinflusst. Aber was soll ich denn anderes machen? Es glaubt doch niemand ernsthaft, dass wir eine Steuermehreinnahme von 96 Millionen € haben werden.

Da bin ich schon beim Risiko Nr. 2. Es ist richtig, dass der Vollzug im Moment so aussieht, dass wir bei den Planzahlen bleiben bzw. leicht darüber liegen. Aber ich denke, dass alle, die sich mit Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik beschäftigen, jetzt allzu oft lesen müssen, dass man früher oder später damit rechnet, dass das Wirtschaftswachstum nachhaltig nachlässt und dann mit einer kurzen Verzögerung natürlich auch die Steuereinnahmen nachlassen.

Dann bin ich wahrscheinlich einer der wenigen, sozusagen, die darauf eine Antwort finden müssen. Die Fragen werden andere stellen. Das ist ihr legitimes Recht. Wie damit aber umzugehen sein wird, das kann ich mir schon selbst ausrechnen. Es wird sehr schnell eine Debatte hier im Landtag geben. - Das ist das zweite Risiko.

Ich kann es nicht abschätzen. Insofern sind alle Finanzministerinnen und Finanzminister in den Ländern im Moment bei der Ausgabenstruktur sehr vorsichtig. Die Länder gehen dabei, glaube ich, etwas stringenter als der Bund vor, der eine Ausgabendebatte hat, die ich manchmal gar nicht nachvollziehen kann; denn der Bund würde aufgrund seiner Haushaltsstruktur wahrscheinlich am schwersten auf Steuermindereinnahmen reagieren können.

Die Konsolidierung, sprich die Nulllinie im Jahr 2011, würde dann wirklich ernsthaft infrage gestellt werden. So weit will ich es bei uns nicht kommen lassen; denn eines ist klar: Der Frage der Konsolidierung, ohne neue Schulden auszukommen, dem ordnen wir alles unter und dabei wird es auch bleiben. Das war im vergangenen Jahr im Vollzug so - das war nicht unser Verdienst -, ist jetzt bei der Aufstellung des Haushalts so gewesen, bleibt auch im Vollzug des jetzt beschlossenen Haushalts für die Jahre 2008 und 2009 so und wird auch für den Doppelhaushalt 2010/2011 gelten.

Dieses Risiko können Sie uns auch nicht abnehmen. Ich wäre froh und würde mich darüber freuen, wenn ich hier im Mai/Juni stehen und sagen könnte, die Steuerschätzung ist besser geworden als die ganzen Unkenrufer aus der Wissenschaft gesagt haben, die vor einem Jahr erzählt haben, wir werden uns vor Steuern nicht retten können. Bis dahin muss ich aber noch vier Wochen warten.

(Herr Tullner, CDU: Vielleicht beim nächsten Landtag!)

- Ja, mal sehen.