Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Ich bitte nun Frau Hampel von der SPD-Fraktion, den Antrag einzubringen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Debatte über unseren Antrag mit einem Ausspruch des Bundesumweltministers Sigmar Gabriel vor der UN-Naturschutzkonferenz einleiten. Er sagte gestern - heute in der „MZ“ nachzulesen -, die Artenvielfalt sei wie ein „Betriebshandbuch“ der Erde, das nicht zerstört werden dürfe. „Jeden Tag wird unser Planet ärmer an Arten, an Lebensräumen, an genetischen Ressourcen.“

Tatsächlich sterben nach wie vor weltweit jeden Tag 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Auf den Galapagos-Inseln gibt es eine Riesenschildkröte namens Lonesome George, die die letzte ihrer Art ist. Auch diese Art wird unwiederbringlich verschwinden.

Weltweit wird alle zwei Minuten eine Waldfläche von der Größe eines Fußballfeldes gerodet und nicht wieder aufgeforstet - und wenn, dann mit Ölpalmen. Wir alle kennen die Bilder von Palmölplantagen aus den Medien. Weltweit sterben immer noch 100 000 Menschen täglich an Hunger oder an den Folgen von Unterernährung.

Das ist die bittere Bilanz, der sich die 9. Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt stellen muss. Die Probleme lassen sich - das dürfte außer Frage stehen - nur gemeinsam und im Komplex lösen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der gerechte Vorteilsausgleich und die damit verbundene Finanzierung im Mittelpunkt der 9. Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt stehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen ausdrücklich die Ankündigung der Bundeskanzlerin, für den Wald- und Artenschutz erheblich mehr finanzielle Mittel bereitzustellen. So sollen in den Jahren von 2009 bis 2012 insgesamt 500 Millionen € zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Das ergibt ca. 335 Millionen € pro Jahr. Ab 2013 sollen sogar jährlich 500 Millionen € zur Verfügung stehen. Wir hoffen, dass diese Konferenz eine Richtungswende einleitet und auch andere führende Industrienationen - ich will hierbei nur die USA und Japan erwähnen - mitmachen und in Zukunft ihren Beitrag zur Artenvielfalt leisten werden.

Dieser kleine Exkurs aus aktuellem Anlass war mir wichtig, da er das Thema „Strategie zur biologischen Vielfalt“ doch maßgeblich tangiert.

(Herr Tullner, CDU: Sibirischer Tiger!)

Sehr verehrte Damen und Herren! Das war ein Schweif in die Ferne. Aber auch Sachsen-Anhalt verfügt für mitteleuropäische Verhältnisse über eine durchaus beachtliche biologische Vielfalt. Ausschlaggebend hierfür sind vor allem die Flussläufe des Landes und die Vielfalt der Landschaften. Ich möchte besonders die Karstlandschaft im Landkreis Mansfeld-Südharz, die hier schon ein paar Mal Gegenstand der Debatte war, und den Drömling hervorheben, eine über Jahrzehnte hinweg weniger intensiv bewirtschaftete Landschaft mit vielseitigen Fruchtfolgen. Auch die ehemalige innerdeutsche Grenze steht touristisch schon im Rampenlicht. Bezüglich der Erhaltung der biologischen Vielfalt stehen wir auf nationaler Ebene in einer besonderen Verantwortung.

Die Bundesregierung hat im November 2007 die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Sie umfasst fünf thematische Schwerpunkte. Ich möchte diese kurz benennen: der Schutz der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt,

die Umwelteinflüsse auf die biologische Vielfalt, genetische Ressourcen und das gesellschaftliche Bewusstsein. Die nationale Strategie ist damit eine gesamtgesellschaftliche Strategie und bedarf der Unterstützung durch die Länder und Kommunen sowie die vielen nichtstaatlichen Akteure.

Mit dem Antrag „Strategie des Landes zur biologischen Vielfalt“ soll diese nationale Strategie auf die Ebene von Sachsen-Anhalt heruntergebrochen und umgesetzt werden.

Frau Hampel, möchten Sie eine Frage von Herrn Tullner beantworten?

Ja, gerne am Schluss.

Die nationale Strategie beeinflusst somit eine Fülle von Handlungszielen und Maßnahmenvorschlägen, deren Umsetzung auf Landesebene erfolgen soll. Dabei geht es uns nicht darum, das Rad neu zu erfinden. Es geht um die Zusammenführung der Einzelaktivitäten von Naturschutz, Naturnutzung und Naturerleben.

In diesem Sinne soll eine übergreifende, eine handlungsorientierte und eine controllingfähige Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Sachsen-Anhalt entwickelt werden. Auch die Bereiche Innovation und Beschäftigung sollen Beachtung finden. Zum Beispiel das Cluster Forst- und Holzwirtschaft hat in Deutschland über 1,3 Millionen Beschäftigte und einen Jahresumsatz von rund 181 Milliarden €.

Der Tourismus ist wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig auf eine intakte Natur und Umwelt angewiesen. Tourismus als Wirtschaftsfaktor kann sich nur dann dauerhaft entwickeln, wenn er auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. So haben 71 % der Bundesbürger angegeben, dass sie bevorzugt dort ihren Urlaub verbringen würden, wo man sich für den Schutz der Natur, zum Beispiel durch einen Naturpark oder ein Biosphärenreservat, entschieden hat.

(Zustimmung von Herrn Zimmer, CDU)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die Ausweisung des Biosphärenreservats Karstlandschaft Südharz werben, was für meine Begriffe ein Leuchtturmprojekt entsprechend der nationalen Strategie werden könnte, und das insbesondere auch in den Bereichen Innovation, Beschäftigung und Tourismusentwicklung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich auf die Umsetzung von Natura 2000 schaue, so komme ich nicht umhin festzustellen, dass wir bei der Aufstellung von FFH-Managementplänen noch immer einen Nachholbedarf haben. Die Anstrengungen zur Umsetzung der FFH-Managementplanung sind und bleiben ein wesentlicher Bestandteil der Landesstrategie.

Auch ist der Umgang mit den Landschaftspflegeverbänden alles andere als zufrieden stellend. Es ist - darin geben Sie mir sicherlich Recht, Herr Stadelmann - ein Unding, dass die Naturschutzrichtlinie nach Artikel 57 der ELER-Verordnung schon fast anderthalb Jahre nach Beginn der neuen Förderperiode immer noch nicht in Kraft gesetzt ist. Schließlich sind es auch die Landschaftspflegeverbände, die vor Ort mit ihren Maßnah

men über die einzelnen beantragten Projekte zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen. Das gilt es im Wesentlichen zu unterstützen.

(Zustimmung von Herrn Kley, FDP)

Es wird also höchste Zeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Kürze der Zeit möchte ich weitere Handlungsziele bzw. Maßnahmenvorschläge nur benennen, um die Vielseitigkeit einmal darzustellen. Das wären zum Beispiel:

die Sicherung geeigneter Bergbaufolgelandschaften für Naturschutzzwecke,

die Aufstellung von Programmen zur naturräumlichen Entwicklung der Gewässer,

die Erarbeitung von Handlungsleitfäden zum Boden- und Freiraumschutz auf regionaler und kommunaler Ebene,

die Festlegung von Zielen zur Begrenzung des Siedlungsflächenwachstums in Raumordnungsplänen,

die Schaffung von Naturerlebnisräumen, um insbesondere das Naturverständnis von Kindern zu fördern. Schließlich - ich denke, darin sind wir uns einig; wir haben es auch bei der Debatte zum Umweltbildungsantrag diskutiert - müssen wir bei den Kleinen anfangen, das Umwelt- und Naturschutzverständnis zu fördern.

Ich könnte noch Weiteres aufzählen. Ich will es mir eigentlich ersparen. Ich denke, ich beende meine Ausführungen zur Einbringung. Herr Stadelmann wird sicherlich in der Debatte noch einiges ergänzen, was bisher noch nicht gesagt worden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht noch ein Ausspruch von Sigmar Gabriel.

(Herr Kosmehl, FDP: Wer ist das denn?)

- Ach, Herr Kosmehl! Ich bringe ihn trotzdem, hören Sie einfach zu.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Haben Sie nicht etwas von Töpfer?)

Er sagte am 19. Mai 2008, es ist noch nicht lange her, Folgendes:

„Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen wir die Logik verändern, die der andauernden Zerstörung der Biodiversität zugrunde liegt. Solange es einträglicher ist, Profit aus der Zerstörung der Natur zu ziehen, als sie nachhaltig zu nutzen, haben wir keine Chance, die biologische Vielfalt zu erhalten.“

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Hampel. - Jetzt bitte Ihre Frage, Herr Tullner.

Frau Kollegin Hampel, Sie haben sehr eindringlich und richtigerweise ausgehend von der einsamen Schildkröte auf den Galapagos-Inseln die Problemlage dargestellt, bei der wir einen dringenden Handlungsbedarf haben. Mir fiel gerade eine Assoziation ein. Wir hatten unlängst - Stichwort zoologische Gärten - in Magdeburg die Dis

kussion über den Sibirischen Tiger. Das kann man ja lustig nehmen, aber, so denke ich, dahinter steht auch die sehr grundsätzliche Frage, welche Aufgaben ein zoologischer Garten oder die Tiergärten, die wir zahlreich im Lande haben, an dieser Stelle haben.

Ich würde Sie darum bitten - das ist eigentlich keine Frage -, dieses Thema in den Ausschuss mitzunehmen. Wir haben auf der einen Seite diesen „Knuth-Zoo“, in dem man auf den Marketingeffekt zielt. Auf der anderen Seite ist es die originäre Aufgabe des Zoos, zu bewahren und die Züchtung von bedrohten Tierarten zu ermöglichen.

Das sollte man auch in unser Konzept aufnehmen, weil viele Kommunen an dieser Stelle große Beiträge leisten. Wir sollten den Kollegen vor Ort ein bisschen helfen, aus dieser schwierigen Diskussion, die auch emotional geführt wird, herauszukommen.

Vielen Dank für die Mitteilung, Herr Tullner. Ich habe das auch über die Presse verfolgt. Bei der parlamentarischen Begegnung mit dem BUND hatten wir auch ein Gespräch mit - - Mir Fällt der Name nicht ein - -

(Herr Tullner, CDU: Herr Perret!)

- Richtig. - Wir hatten verabredet, dass wir uns auf jeden Fall zusammenfinden. In diesem Rahmen können wir das gerne auch diskutieren und natürlich auch im Ausschuss; das ist keine Frage.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Hampel. - Bevor wir die Beiträge der Fraktionen hören, spricht zunächst Frau Ministerin Wernicke. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin Merkel hat gestern

(Heiterkeit bei der FDP)

- jeder zitiert den, der ihm am wichtigsten ist; ich zitiere Frau Merkel -