Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/639

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit - Drs. 5/1270

Die erste Beratung fand in der 20. Sitzung des Landtages am 26. April 2007 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Tögel. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herzlichen Dank dafür, dass ich hier Bericht erstatten darf. Ich bin froh darüber, dass die Vorschläge zur Änderung der Geschäftsordnung zunächst an den Ältestenrat überwiesen worden sind und ich mich deshalb noch relativ unvoreingenommen auf das stützen kann, was mir das Ausschusssekretariat aufgeschrieben hat und ich nicht unbedingt auswendig wissen muss, wann wir im Ausschuss was behandelt haben.

Der von der Präsidentin genannte Antrag ist in der 20. Sitzung des Landtages am 26. April 2007 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Soziales überwiesen worden. Am 27. Juni 2007 haben wir im Wirtschaftsausschuss vereinbart, die Problematik in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ausschuss für Soziales zu beraten, da bis dahin auch entsprechende Arbeitsmarktdaten vorliegen würden, die dann mit den Daten verglichen werden könnten, die die Bundesagentur für Arbeit im Juli 2007 veröffentlicht hatte.

Am 9. Januar 2008 fand diese gemeinsame Beratung unter Beteiligung der Sozialministerin und des Wirtschaftsministers statt, die über die Aktivitäten der Landesregierung hinsichtlich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen Bericht erstatteten.

In der darauf folgenden Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit am 13. Februar 2008 legten die Koalitionsfraktionen einen gemeinsamen Vorschlag für eine Beschlussempfehlung vor. Die Antragsteller begründeten den Vorschlag - siehe Nrn. 1, 2 und 4 der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung - so, dass die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen in Sachsen-Anhalt zwar seit Jahren rückläufig sei und somit das Land Sachsen-Anhalt einen wichtigen Beitrag für die Integration schwerbehinderter Menschen geleistet habe, die Integration schwerbehinderter Menschen aber weiterhin als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden müsse.

Es gelte, die positive Entwicklung fortzusetzen. Daher sei es wichtig, in einem dauerhaften Prozess die Wirkung vorhandener Programme zu überprüfen und nach neuen Wegen für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu suchen. Besonders zu würdigen sei auch das Engagement der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderung einstellten.

Der Vorschlag wurde noch durch einen Vorschlag der Fraktion DIE LINKE ergänzt, und zwar unter Nr. 1 nach dem Wort „Arbeitslosigkeit“ die Formulierung „einschließlich der Entwicklung in den Optionskommunen“ einzufügen.

Für diese vorläufige Beschlussempfehlung votierte der Wirtschaftsausschuss einstimmig. Ebenfalls einstimmig schloss sich der mitberatende Sozialausschuss der vorläufigen Beschlussempfehlung an und ergänzte, die Landesregierung solle darum gebeten werden, bis zum dritten Quartal 2008 ein entsprechendes Programm, wie es die Nr. 3 der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung beschreibt, vorzulegen.

Kontrovers wurde in der letzten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit die Frage diskutiert, ob die Landesregierung tatsächlich ein weiteres Programm bezüglich der Nutzung der im Land zur Verfügung stehenden Ressourcen vorzulegen hat. Wir haben dann nach längerer Diskussion fraktionsübergreifend einen Kompromissvorschlag beschlossen, der so auch in die Beschlussempfehlung Eingang gefunden hat.

Wir haben diese Beschlussempfehlung am 21. Mai 2008 dann einstimmig verabschiedet und wir legen sie Ihnen heute vor. Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung einstimmig war, hat der Ältestenrat beschlossen, zu diesem Gegenstand keine Debatte vorzusehen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Abgeordneter Herr Tögel hat darauf hingewiesen, dass die Beschlussempfehlung einstimmig beschlossen worden ist. Deshalb haben wir keine Debatte vorgesehen.

Ich würde jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit in Drs. 5/1270 abstimmen lassen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Auch dies ist einstimmig. Somit ist der Beschlussempfehlung zugestimmt worden.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 11 verlasse, kann ich in meinem Namen und, ich denke, auch im Namen der Kollegen des Präsidiums sagen, dass niemand verlangen wird, dass jemand die ganzen Änderungen und Abstimmungen, die während der Ausschussberatung stattgefunden haben, im Rahmen der Berichterstattung in freier Rede vorträgt.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Das ist die Besonderheit dieser Sache. Dann wird das auch so gehandhabt, weil die Berichterstatter ohnehin andere Rechte haben. - Damit verlassen wir den Tagesordnungspunkt 11.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Förderung von Existenzgründungen

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/1268

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Franke. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Einbringung mit einem kleinen Ausblick beginnen. Morgen werden wir hier die aktuellen Armuts

berichte debattieren. Die dort analysierte Armut ist mit der nach wie vor zu hohen Arbeitslosigkeit in unserem Land eng verknüpft.

Für uns Liberale ist eine bezahlte Arbeit und damit eine Wirtschaftspolitik, die die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt, der beste Weg, Armut zu bekämpfen. Arbeitsplätze - das ist eine Binsenweisheit - werden von Unternehmern geschaffen, Unternehmern, die den Mut haben, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen, Unternehmern, die bereit sind, Risiko zu tragen, und die bereit sind, Verantwortung für Ihre Mitarbeiter zu übernehmen,

(Herr Gürth, CDU: Richtig!)

Unternehmer, die letztlich das Rückgrat unserer Gesellschaft bilden.

Leider haben wir in Sachsen-Anhalt noch immer zu wenig Menschen dieses Schlages, leider haben wir noch zu wenig Unternehmen. Die Anzahl der neu angemeldeten Gewerbe ist in den letzen beiden Jahren um durchschnittlich 9,95 % gesunken und damit deutlich stärker als beispielsweise in Niedersachsen oder in Sachsen.

Dies allein wäre noch zu verkraften, wenn es bereits eine hinreichend große Anzahl von Unternehmen in Sachsen-Anhalt gäbe. Doch auch hier schneiden wir im Vergleich zu den Nachbarn deutlich schlechter ab. Niedersachsen und Sachsen stehen mit gut 39 Unternehmen je 1 000 Einwohner deutlich besser da als Sachsen-Anhalt mit nur rund 29 Unternehmen. Das sind zehn Unternehmen je 1 000 Einwohner weniger.

Wir kennen diese Problematik bereits seit Langem. Das Gründungsgeschehen in unserem Land war seit 1990 immer ein wirtschaftpolitischer Schwerpunkt. Insbesondere in den Jahren 2003 und 2004 gab es trotz der konjunkturell schlechten Situation so viele Gründungen, dass ein echter Aufholprozess entstand. Die Zahlen der letzen beiden Jahre deuten jedoch darauf hin, dass dieser Prozess nicht nur lahmt, sondern tatsächlich die Gefahr besteht, dass sich der Rückstand wieder vergrößert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um diese bedrohlichen Tendenzen sachlich fundiert im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu diskutieren, bitten wir die Landesregierung diesbezüglich um eine Berichterstattung. Dabei geht es uns nicht um quantitative Aspekte, also die Anzahl der gegründeten und geförderten Unternehmen sowie die von der Landesseite aufgewendeten Mittel; vielmehr sollten insbesondere die qualitativen Aspekte in der Berichterstattung Berücksichtigung finden.

Es muss klar werden, auf welchen Wegen wir ein existenzgründerfreundlicheres Sachsen-Anhalt schaffen, wie wir Existenzgründern, die eine Idee haben, durch notwendige Beratung bei der Konzepterstellung, der Rentabilitäts- und Liquiditätsrechnung, der Erarbeitung von Marketingstrategien usw. unterstützen können und wie das Land auch die Förderinstrumente zur Eigenkapitalaufstockung besser in die Beratung einbezieht.

Fragen, die sich stellen, sind auch: Wie hat sich die Situation im Hinblick auf das Eigenkapital bei den Existenzgründern in den vergangenen Jahren entwickelt? Ist die fehlende Liquidität in der Anfangsphase immer noch ein typisches ostdeutsches Existenzgründungshemmnis? Gibt es hier immer noch einen Aufholbedarf im Vergleich zu den alten Bundesländern und wie begegnen wir diesem Bedarf?

In die Berichterstattung sollte die ganze Breite der Existenzgründungen einbezogen werden. Wie hat sich die Existenzgründungsoffensive Ego in den letzten Jahren entfaltet und mit welchen Ergebnissen kann Ego aufwarten? Welche Erfahrungen gibt es bei den Aktivitäten des Impuls-Netzwerkes, zum Beispiel der Univasion oder Exist, bei den Existenzgründungen im Umfeld unserer Hochschulen? Gerade in diesem Umfeld erhoffen wir uns alle hochqualifizierte Absolventen mit innovativen Geschäftsideen, die den Mut finden, sich selbständig zu machen.

Einen zweiten Bill Gates wird es so schnell nicht geben.

(Herr Gürth, CDU: Das weiß man nicht!)

Das ist auch nicht das Ziel. Das Ziel besteht vielmehr darin, das fehlende kaufmännische Wissen durch umfassende Betreuung und Beratung zu kompensieren, sodass die Gründung letztendlich erfolgreich ist und langfristig neue Arbeitsplätze entstehen.

Mit welchen Maßnahmen reagiert das Land auf die sich akut zuspitzende Problematik der Unternehmensnachfolge und Betriebsübergaben? In Sachsen-Anhalt ist in den nächsten Jahren die Nachfolge von ca. 6 800 Unternehmen - 6 800 Unternehmen! - ungeklärt. Teilweise sind es Mitarbeiter, die von den in den Ruhestand gehenden Unternehmern angesprochen werden, den laufenden Betrieb zu übernehmen. Im Interesse des Erhalts dieser Unternehmen und der damit verbundenen Arbeitsplätze sind Programme wie „Next“ und „Change“ notwendig; doch mit welchen Ergebnisse werden sie geführt?

Was uns auch interessiert, sind die neuen Entwicklungen bei den ESF-geförderten Existenzgründungsmaßnahmen. Hier wurden in den letzten Monaten neue Strukturen der Trägerlandschaft geschaffen. Wie kommen diese zur Wirkung?

In diesem Kontext ist eine Berichterstattung zu den von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Existenzgründungszuschüssen sowie zu dem Einstiegsgeld und zu den von der KfW im Zusammenhang mit den Industrie- und Handelskammern vorgehaltenen Gründercoachings zu begrüßen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Förderung von Existenzgründern in Sachsen-Anhalt wirft eine Vielzahl von Fragen auf, deren Antworten im Wirtschaftsausschuss eingehend diskutiert werden sollten. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Herr Franke, danke sehr für die Einbringung. - Zunächst hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Herr Minister Dr. Haseloff, bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Franke, ich wusste gar nicht, wie leicht man Liberaler werden kann. Der Wunsch, im Land viele Selbstständige zu haben und damit auch Arbeitsplätze zu schaffen, verbindet uns. Trotzdem bin ich natürlich kein Liberaler.

Die Begründung, die Sie vorgetragen haben, spiegelt den Wunsch wider, dass der Staat diese Programme möglichst durchsteuert und sich dafür verantwortlich

fühlt, das, was der Markt in dieser transformationsgeprägten Situation nicht alleine richtet, nach vorne zu bringen. Das vereint uns wieder. Deshalb sind Sie bei diesem Thema vielleicht näher bei den Christdemokraten und bei den Sozialdemokraten, als Sie denken, und weniger nahe bei den Liberalen.

(Zuruf von Herrn Franke, FDP)

- Es ist gut, dass wir uns an dieser Stelle doch wieder finden und den Handlungsbedarf sehen. Denn vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann ich nur unterstützen.

Wenn wir Statistiken interpretieren, müssen wir immer vorsichtig sein. Insofern kann ich mich bezüglich der Datenentwicklung in den Jahren 2002 bis 2006 durchaus mit angesprochen fühlen. In diesen Jahren gab es eine großzügige Existenzgründerförderung, die mit dem Hartz-IV-Gesetz frisch aus der Taufe gehoben worden war. Das war ein extensiver Ansatz, bei dem Gründungen richtiggehend gepuscht wurden, ohne auf die Belastbarkeit der Unternehmenskonzepte zu schauen, wohl wissend, dass man erst einmal einen solchen Schub braucht, um den Gründungsgedanken wieder tabufrei diskutieren zu können.

Das Zwischenergebnis war logischerweise, dass eine Hürde eingeschoben werden musste. Jetzt müssen Betriebspläne, Unternehmenskonzepte und Ähnliches vorgelegt werden. Man darf es nicht zu leicht machen, weil man ansonsten den Gründungswilligen keinen Gefallen täte, weil die Insolvenzgefahr anstiege, wenn man nur nach den Zahlen schaute.