Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor über einem Jahr wurden hier in diesem Hohen Haus durch den Landtag die Gesetze zur Neugliederung der Landkreise des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen. Dem gingen umfangreiche Anhörungen und Erörterungen voraus. Zielstellungen und Grundsätze der Kreisneugliederung waren die dauerhafte Leistungsfähigkeit der künftigen Landkreise, gemessen an dem Jahr 2015.
Dies galt und gilt auch für den neuen Gebietsbestand des Landkreises Wittenberg, der infolge der Vierteilung - in Anführungszeichen - des Landkreises Anhalt-Zerbst alt den Raum Coswig-Anhalt sowie die Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel zugeordnet bekam.
Diese Situation war entstanden, da eine mögliche Bildung eines Kreises Anhalt aus den ehemaligen Landkreisen Anhalt-Zerbst, Köthen, Wittenberg, Bitterfeld und der kreisfreien Stadt Dessau aufgrund der Blockadehaltung der kreisfreien Stadt Dessau nicht zustande gekommen war. Hintergrund der Haltung
- ich bin noch nicht fertig, Herr Kolze - der kreisfreien Stadt Dessau war der Verzicht auf die Kreisfreiheit und der damit verbundenen finanziellen Zuwendungen aus dem FAG in Höhe von 13 Millionen €. - Dies war übrigens die Aussage Ihres damaligen Oberbürgermeisters Otto.
Die Zukunft der Kreisfreiheit der Stadt Dessau wurde an einer Einwohnerzahl von 90 000 Einwohnern festgemacht. Dies war, wenn man das Kreisneugliederungsgrundsätzegesetz befolgt, nicht mehr gegeben.
Folglich wurden seitens der Stadt Dessau Verhandlungen mit dem Umland aufgenommen, um über Eingemeindungen die notwendige Einwohnerzahl und damit auch die Sicherung der Kreisfreiheit zu erlangen.
Dieses Bemühen wurde durch die Eingemeindung der Gemeinden Rodleben und Brambach sowie durch die Fusion mit der Stadt Roßlau abgeschlossen. Offen waren jedoch Bestrebungen der Stadt Dessau, die Gemeinde Quellendorf, Landkreis Köthen, als auch die Gemeinde Vockerode sowie die Stadt Wörlitz, Landkreis
Anhalt-Zerbst, einzugemeinden. Dies verhinderte die Kreisneugliederung, welche den Gebietsbestand für die neuen Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg festschrieb.
Seit 2007 ist die Situation, bezogen auf den Verbleib der Gemeinde Vockerode und der Stadt Wörlitz im Landkreis Wittenberg, zwar rechtlich entschieden, jedoch trotzdem Gegenstand eines politischen Tauziehens.
Da gab es Äußerungen zweier Minister, die dahin gingen, dass die Frage über nochmalige Bürgerentscheide aller Kommunen des Wörlitzer Winkels zu klären sei. Dann gab es die Einschätzung, dass die Bürgeranhörungen der Gemeinde Vockerode und der Stadt Wörlitz Bestand hätten, die der anderen Kommunen, die auch eine etwas vorgezogene Bürgeranhörung hatten, aber nicht. Daraufhin wurden in Oranienbaum und in anderen Kommunen nochmals Bürgerentscheide durchgeführt, in denen sich die Bürger für die Selbständigkeit aussprachen.
Auf einer Beratung mit den betroffenen Bürgermeistern von Wörlitz und Vockerode sowie den zuständigen Landtagsabgeordneten aller Fraktionen mit Ausnahme der FDP - Herr Kosmehl war damals entschuldigt - wurde von mir der Vorschlag unterbreitet, gemeinsam mit dem Landkreis Wittenberg, dem Bau- und dem Innenminister sowie mit den beiden Kommunen nach Möglichkeiten zu suchen, wie man diese Situation zu einem positiven Ergebnis führt und unter welchen Bedingungen und Abwägungen eine Lösung erreicht werden kann.
Im Zuge der Regionalberatung zur Gemeindegebietsreform äußerte sich der Abteilungsleiter für Kommunales im Innenministerium, Herr Dr. Klang, dahin gehend, dass es keinerlei Entscheidungsspielräume für beide Kommunen gäbe. Der Innenminister jedoch bekundete im Rahmen der Beantwortung einer mündlichen Anfrage in der Sitzung des Landtages am 11. Oktober 2007, dass für die Kommunen Wörlitz und Vockerode auch eine einzelgesetzliche Regelung denkbar wäre.
Mittlerweile ist zu konstatieren, dass ein großes Abwarten der Kommunen Vockerode und Wörlitz eingetreten ist, die freiwillige Phase offenbar nicht für eine Lösung genutzt werden soll. Damit werden Bestrebungen der übrigen Gemeinden des Wörlitzer Winkels zur Bildung einer Einheitsgemeinde zumindest erschwert.
Meine Fraktion - das möchte ich hier ausdrücklich sagen - steht zur Beschlussfassung über die Kreisgebietsreform und damit auch zu der Struktur und der Gebietszumessung des Landkreises Wittenberg neu.
Aufgrund dieser Schwebepartie haben wir uns mit dem vorliegenden Antrag zu einem zugegebenermaßen eigenwilligen Schritt entschlossen; denn während bisher Anträge immer auf Veränderungen abzielten, richtet sich unser Antrag auf die Einhaltung der Beschlussfassung des Landtages und auf die Nichtaktivität der Landesregierung.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE erachtet die vorgeschlagene Beschlussfassung des Landtages für notwendig, damit sich die Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel im Rahmen der freiwilligen Phase der Gemeindegebietsreform neu strukturieren können und die Schwebepartie der genannten Kommunen beendet wird. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Grünert. Jetzt wäre die Frage zu beantworten, Herr Grünert. - Frau Schindler, bitte, fragen Sie.
Herr Grünert, eine Frage. Es geht natürlich konkret um die Situation um Dessau. Aber wie würden Sie sich positionieren, wenn es freiwillige Bestrebungen in Richtung Eingemeindung nach Magdeburg geben würde?
Frau Schindler, wir haben als LINKE ein eigenständiges Konzept auch im Umgang mit dem Umland. Bei dem konkreten Fall, den ich hier angesprochen habe, ging es um Bürgeranhörungen, die bereits im Vorfeld der Kreisgebietsreform, mit der Kreisgebietsreform hätten geklärt werden können. Das ist damals nicht gemacht worden.
Jetzt wird im Prinzip diese Schwebepartie über die Neufestsetzung der Kreisgebietsreform weitergeführt. Das führt natürlich nicht zu einem Ergebnis. Dessau hat die Möglichkeit offenbart, dass man die restlichen Bestandteile des Wörlitzer Winkels mit einer angrenzenden Gemeinde rekrutieren kann, unter der Voraussetzung, dass diese beiden Gemeinden nach Dessau überwechseln. Das ist aber mehr eine Trittleiter. Der Hintergrund ist ein anderer.
Im Zusammenhang mit Magdeburg haben wir entsprechend den Gutachten, die damals zur Verflechtung der Oberzentren mit dem angrenzenden Bereich vorlagen, gesagt, es wäre denkbar, in bestimmten Bereichen über eine Eingemeindung nachzudenken. Dazu gab es Gespräche zwischen dem damaligen Oberbürgermeister Polte und seinem Nachfolger und Barleben, Ebendorf und anderen Gemeinden, die aufgrund der Finanzeinnahmesituation der Kommunen natürlich nicht für einen freiwilligen Wechsel nach Magdeburg bereit waren. Magdeburg ist aber auch ohne diese Eingemeindungen als Oberzentrun im Bestand gesichert. Die Stadt braucht sie nicht unmittelbar.
Eine andere Situation ist es in Halle, wo es natürlich nach wie vor die Situation gibt, dass bestimmte Entwicklungspotenziale der Stadt Halle über die so genannten Zwangszweckverbände nur schwerlich zu erschließen sind, die natürlich irgendwo versuchen, ein Entwicklungspotenzial aufzubauen. Seit dem Jahr 1994 stand ja die gesetzliche Forderung.
Nur eine Nachfrage: Es gab ja auch Bestrebungen von Gemeinden aus dem Jerichower Land, freiwillig nach Magdeburg zu gehen.
Ja. Wir haben auch Gespräche mit Gübs und auch mit Gerwisch aufgenommen. Das hat nicht zu einem Erfolg geführt. Gerwisch ist nach wie vor nicht Ortsteil von Magdeburg.
(Herr Kurze, CDU: Weil die Bürger gesagt haben, sie bleiben im Jerichower Land! In einem Bürger- entscheid!)
Das ist ein Abwägungsprozess, ob das Umland in der künftigen Struktur dann noch erhaltungsfähig ist oder nicht. Bisher steht nicht zur Debatte, dass wir Gerwisch eingemeinden, zumal die Verwaltungsgemeinschaft Möser in der bisherigen Struktur dann nicht mehr gehalten werden kann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eingangs eine zugegebenermaßen etwas polemische Bemerkung,
weil ich der Kollegin vorhin Polemik vorgeworfen habe. An dieser Stelle will ich es ganz bewusst sagen: Ich bin mir ganz sicher, verehrter Herr Grünert, die Fraktion DIE LINKE würde zu keinem anderen Landkreis im Lande Sachsen-Anhalt einen solchen Antrag stellen. Sie stellen den Antrag nur, weil der Landrat des Landkreises Wittenberg Ihrer Partei angehört und Sie dort Ruhe haben wollen.
- Das dürfen sie ja. Ich darf ja hier auch meine Meinung sagen. - Das finde ich nicht in Ordnung. Deshalb will ich Ihnen sagen, weshalb ich das Parlament bitte, Ihren Antrag abzulehnen.
Wir haben eine Situation, in der sich Gemeinden in einem Landkreis am Rande einer kreisfreien Stadt auf den Weg gemacht haben, im Rahmen der Gemeindestrukturreform neue Gebilde zu erarbeiten. Dort gibt es unterschiedliche Wünsche, unterschiedliche, auch durch Bürgerbefragungen, Bürgeranhörungen und Bürgerentscheide artikulierte Wünsche und Arbeitsrichtungen.
Wir haben gesagt - das war immer Position dieser Landesregierung und dieser Koalition -, dass wir die Landkreisgrenzen im Rahmen der Gemeindegebietsreform grundsätzlich nicht verändern wollen. Das soll auch so bleiben.
Das ist die Aussage - das steht im Übrigen auch im Begleitgesetz, liebe Frau Weiß -, dass wir die Kreisgrenzen grundsätzlich erhalten wollen.
Wir haben aber gleichwohl gesagt, dass wir am Ende in begründeten Fällen, wenn der Gesetzgeber über die Bildung neuer Gemeindestrukturen in den Fällen entscheidet, in denen sich in der freiwilligen Phase keine gesetzeskonforme Lösung hat finden lassen, in begrenztem Umfang, wenn es keine anderen sinnvollen Lösungen gibt, auch kreisübergreifende Lösungen zulassen wollen.