Meine Damen und Herren! Beschlüsse werden entsprechend unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Die Aktuelle Debatte ist damit abgeschlossen.
Die Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Penndorf für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Penndorf.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat eben gesagt, dass eine regelmäßige Berichterstattung mindestens alle zwei Jahre erfolgen soll. Zwischendurch müssen wir aber unbedingt etwas tun, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deshalb werbe ich schon am Anfang meiner Rede für die parlamentarische Mehrheit meines Antrags. Es häufen sich die Feststellungen in Schulen und Kindertagesstätten, dass immer mehr Kinder ohne warme Mahlzeit bleiben. Nachzulesen ist dieses unter anderem in dem Armuts- und Reichtumsbericht Sachsen-Anhalt auf Seite 145.
In 93 % der Schulen in Sachsen-Anhalt besteht ein Angebot zur Einnahme eines Mittagessens. Aus einer wissenschaftlichen Untersuchung im Rahmen einer Diplomarbeit an der Hochschule Anhalt geht vorher, dass nur knapp die Hälfte der Kinder dieses Mittagessensangebot nutzt. Das ist eine Analyse hinsichtlich der Mittagessenverpflegung an den allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2007, meine Damen und Herren.
Eine häufige Ursache sind finanzielle Schwierigkeiten in den Familien. Insgesamt ist die Situation von Kindern und Jugendlichen, deren Familien auf finanzielle Unterstützung durch Transferleistungen angewiesen sind, gekennzeichnet durch die vielfältigsten Benachteiligungen und Ausgrenzungen von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch eine ausgewogene und gesunde Er
nährung als eine wichtige Voraussetzung für die optimale Entwicklung eines Kindes und für ein erfolgreiches Lernen ist ein wichtiger Aspekt gleicher Teilhabe. Wenn eine vernünftige Ernährung in Schule und Kita nicht gesichert ist, dann sind Benachteiligungen im Bildungsprozess vorprogrammiert.
Inzwischen haben die Diskussionen in Medien, wissenschaftlichen Konferenzen und anderen Gremien dazu geführt, dass es erste gesetzgeberische Initiativen gibt. Aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind sogar Bundesratsinitiativen zur Veränderung der Regelsätze für Kinder auf den Weg gebracht worden. Auch einige Kommunen in SachsenAnhalt haben bereits Initiativen ergriffen, um Kindern eine kostenfreie oder kostengünstige Teilnahme am Schulessen zu ermöglichen. Der Deutsche Bundestag wird am 16. Juni eine öffentliche Anhörung zur Problematik der Kinderregelsätze durchführen.
Nach den jetzt geltenden Regelsätzen im Rahmen des SGB II und des SGB XII sind für die Ernährung von Kindern, die jünger als 15 Jahre sind, für die tägliche Verpflegung, das heißt Frühstück, Mittagessen, Abendbrot und Getränke, 2,57 € ausgewiesen. Das steht in einer Tabelle, in der die Regelsätze aufgeschlüsselt sind. Jugendliche, die älter als 15 Jahre sind, sollen täglich von 3,43 € satt werden. Diese Sätze, meine Damen und Herren, reichen bei Weitem nicht aus, auch wenn manche politischen Rechenkünstler das bewiesen haben wollen.
Regelsatzänderungen wären eine Möglichkeit, um das zu ändern. Aber diesen Weg haben wir mit unserem Antrag bewusst nicht gewählt, weil es in Anbetracht der Dringlichkeit nach unserer Einschätzung zu langwierig und zu unsicher ist. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass unsere Landesregierung dazu beiträgt, so schnell wie möglich wirksame Maßnahmen, die allen Kindern nützen, zu konzipieren. Es ist wichtig, dass endlich aus den Diskussionen im Bundesrat und im Bundestag Maßnahmen zur Lösung des Problems ergriffen werden.
Wir meinen auch, dass es sich nicht nur um in Landeszuständigkeit fallende Bildungspolitik handelt. Deshalb stellen wir die Forderung nach einer Beteiligung des Bundes an der Finanzierung eines solchen Projektes auf. Sicherlich gibt es bezüglich der Einzelheiten derartiger Unterstützungsmaßnahmen noch viele Fragen, die zu klären sind, und bestimmt auch manche kontroverse Auffassungen, über die zu diskutieren ist.
Das fängt schon beim Kreis der einzubeziehenden Personen an. Sollen nur Empfängerinnen von Transferleistungen bedacht werden oder müssen nicht auch die vielen Niedriglohnempfängerinnen, deren Arbeitseinkommen oft unterhalb des Hartz-IV-Satzes oder nur knapp darüber liegen, einbezogen werden? Wenn ja, wo setzen wir die Einkommensgrenzen an? Sollten die Kosten für das Mittagessen vollständig übernommen werden? Oder ist ein Zuschuss, der den Familien ein gewisses Maß an Würde und Eigenverantwortung lässt, besser?
Wir haben uns entschieden, für einen Eigenbeitrag von maximal 1 € zu sprechen. Ähnlich wird in Berlin verfahren. Dort müssen in den Grundschulen monatlich nicht mehr als 23 € für das Schulessen von den Familien aufgebracht werden. In Halle wird im Rahmen des HallePasses schon eine Bezuschussung des Mittagessens gewährt. Auch in Magdeburg wird gegenwärtig über solche Möglichkeiten nachgedacht.
Manche Kommunen subventionieren das Mittagessen bereits, indem sie den Anbietern zum Beispiel eine mietkostenfreie Raumnutzung ermöglichen, Küche oder Speiseräume ausstatten und anteilige Personalkosten oder Betriebskosten übernehmen. Allerdings sind viele Kommunen mit der Gewährung solcher Zuschüsse finanziell überfordert. Es muss also eine gemeinsame Aktion von Bund, Land und Kommunen organisiert werden.
Sicherlich ist es auch nicht verkehrt, Sponsoren zu suchen, die die Einrichtung und den Betrieb von Schulkantinen und Ähnlichem unterstützen, damit der gute Zweck, die Bedingungen für eine kultivierte Essenseinnahme an den Schulen zu verbessern und bedürftigen Kindern ein Mittagessen zu gewährleisten, nicht in einer Stigmatisierung endet.
In Sachsen-Anhalt kommt der Armuts- und Reichtumsbericht zu der Einschätzung, dass die große Zahl von Kindern und Jugendlichen im Hartz-IV-Bezug ein hohes Risiko für die Zukunft unseres Landes darstellt. Ein Drittel der Kinder in unserem Land wächst in Haushalten auf, die auf Unterstützung angewiesen sind. Für alle diese Kinder birgt diese Situation nicht nur gesundheitliche Risiken, sondern auch Risiken für ihre Bildungschancen. Die Chance, aus der Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung auszubrechen, ist für diese Kinder wesentlich geringer als für andere Kinder.
Meine Damen und Herren! Die Sicherung einer vernünftigen Essensversorgung in Schulen und Kindergärten hat nicht nur finanzielle Dimensionen. Neben gewichtigen gesundheitlichen Aspekten wie der Regelmäßigkeit und der ernährungsphysiologischen Qualität des Essens in Schule und Kitas - sicher ist das nicht erschöpfend - spielen auch Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit im Verlauf eines Schultages eine Rolle. Auch die Möglichkeiten der Mahlzeiteinnahme für die Entwicklung kommunikativer und sozialer Verhaltensweisen sollten von uns nicht unterschätzt werden, auch wenn es klar ist, dass wir eine Menge von entsprechenden Voraussetzungen schaffen müssen, zum Beispiel ausreichend lange Pausen für die Einnahme des Mittagessens, ordentliche Essensräume und eine angenehme Atmosphäre.
Sie sehen, meine Damen und Herren, es sind viele Probleme anzupacken. Dazu wird es vieler Ideen bedürfen, um für die von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen in unserem Land bessere Chancen für Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben insgesamt zu erreichen.
Ich möchte dafür werben, über das Problem der Sicherung eines Mittagessens für alle Kinder in den vier im Antrag genannten Ausschüssen konstruktiv zu diskutieren und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Um Begriffe, meine Damen und Herren, geht es mir nicht. Mir geht es um die Kinder. Kinder sind unsere Zukunft. Das möchte unbedingt für alle Kinder in unserem Land gelten.
Johannes Rau hat im Jahr 2002 gesagt, ein gutes Land erkennt man auch daran, wie es mit seinen Kindern umgeht. Und Winston Churchill hat gesagt:
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und die Überweisung des Antrages in die Ausschüsse für Soziales, für Bildung, Wissenschaft und Kultur, für Finanzen und für Inneres. - Ich danke Ihnen.
Herzlichen Dank, Frau Penndorf, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Frau Ministerin Dr. Kuppe das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Ein tägliches gesundes Mittagessen - Frau Penndorf, Sie haben es genannt - ist für das Wohlbefinden von Kindern, für das gesunde Aufwachsen von Kindern außerordentlich wichtig, hat Auswirkungen auf den gesundheitlichen Zustand, hilft Übergewicht zu vermeiden, hat aber natürlich enorme Auswirkungen auch auf die Bildungsentwicklung von Kindern, auf den Lernerfolg von Kindern.
Wir wissen - das ist in der vorhergehenden Debatte auch deutlich geworden -, dass die für Kinder gewährten Sozialleistungen nicht mehr für alle Bedarfssituationen ausreichend sind. In Haushalten mit Kindern, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II oder dem Sozialgesetzbuch XII erhalten, ergeben sich selbst bei sparsamster Mittelverwendung immer wieder Situationen, in denen die finanzielle Lage der Familie nicht mehr ausreichend ist, um eine uneingeschränkte Teilnahme an Veranstaltungen in einer Kindertagesstätte, vor allem aber auch in der Schule zu ermöglichen, wo Abmeldungen von Kindern vom Mittagessen stattfinden.
Für die physische und psychische, für die soziale, aber auch die intellektuelle Entwicklung der Kinder ist die Teilnahme an solchen Angeboten aber von großer Bedeutung. Dazu gehört natürlich die Nutzung von Arbeits- und Lernmitteln genauso wie Gemeinschaftserlebnisse, zu denen Ausflüge gehören, oder aber eben auch ein gemeinsames Mittagessen, das eine Gemeinschaftserfahrung vermittelt und in vielen Kindertagesstätten und Schulen auch zum pädagogischen Programm der Einrichtungen gehört. Kinder und Jugendliche werden durch diese Angebote in ihrer Entwicklung gefördert und Elternhäuser wiederum unterstützt und die Bemühungen in Elternhäusern ergänzt.
Es bedurfte eigentlich nicht des Antrages der Fraktion DIE LINKE, Frau Penndorf; denn die Landesregierung hat sich bei vielen Aktivitäten mit diesem Thema ausführlich befasst. Wir haben in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im letzten Herbst, im November 2007, einen einstimmigen Beschluss gefasst und die Auffassung vertreten, dass die Regelleistungen für Kinder wirklich neu, und zwar entwicklungsbedingt neu bemessen werden müssen und dass als Grundlage dafür eine spezielle Erfassung des Kinderbedarfes vorzusehen ist, und zwar sowohl für den SGB-II- als auch für den SGB-XIIBereich. Dabei war in unserer Diskussion ausgesprochen enthalten, dass auch Mittagessen und Lernbedarfe dabei eine Rolle spielen müssen.
Das hat der Bundesrat jetzt erneut aufgegriffen. Sie haben Gesetzesinitiativen, die im Bundesrat beraten worden sind, genannt. Es hat im letzten Jahr eine Vielzahl
von Anträgen, Gesetzentwürfen und Entschließungsanträgen gegeben. Wir haben daraus eine gemeinsame Entschließung gemacht, die am letzten Freitag im Bundesrat einstimmig beschlossen worden ist.
Mit dieser Entschließung fordern wir als Bundesrat die Bundesregierung auf, die Regelleistungen für Kinder unverzüglich neu zu bemessen und als Grundlage dafür die spezielle Erfassung des Kinderbedarfes vorzunehmen, also nicht mehr die Ableitung vom Erwachsenenregelsatz, sondern wirklich die speziellen Bedarfe der Kinder zu erfassen und diese zur Grundlage eines gestuften Regelsatzes zu machen. Dazu gehört auch die Mittagsverpflegung in Schulen und in Kindertagestätten - sie sind explizit genannt -, dazu gehört auch die Beschaffung von Lernmitteln für Schülerinnen und Schüler.
Was mir besonders wichtig ist: In unserer Entschließung ist auch verankert, dass die Bundesregierung zu prüfen hat, in welchen Bereichen Sachleistungen besser als Geldleistungen sind.
Dazu möchte ich noch einmal sagen, dass wir wirklich darauf achten müssen, dass das, was an zusätzlichen Bemessungen und Leistungen finanziert werden soll, dann auch tatsächlich bei den Kindern ankommt. Damit bin ich wieder beim ersten Thema: Verhinderung und Reduzierung von Kinderarmut. Das müssen wir sicherstellen, und mir ist es wichtig, dass wir wirklich solche Lösungen erreichen.
Die Bundesregierung ist vom Bundesrat beauftragt worden, bis Ende dieses Jahres Lösungsvorschläge zu diesem gesamten Bereich vorzulegen. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung diesem Auftrag sehr sorgfältig nachkommt und wir dann wirklich Vorschläge dazu haben, wo Geldleistungen erweitert werden müssen, wie Regelsätze gestaffelt aufgebaut werden müssen entsprechend dem Entwicklungsstand und der Entwicklung von Kindern und welche Sachleistungen für Kinder entwickelt werden, sodass Punkt 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE eigentlich erledigt ist.
Aber ich denke, dass es richtig ist, dass wir im Ausschuss berichten. Es wird aber nicht möglich sein, im dritten Quartal zu berichten. Wenn die Bundesregierung ihre Vorschläge bis Ende dieses Jahres vorlegt, müssen wir uns bis Ende des Jahres bzw. Anfang 2009 auf jeden Fall noch damit auseinandersetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch auf den Umstand hinweisen, dass zwei Bundesländer Regelungen zur finanziellen Unterstützung bedürftiger Kinder bei der schulischen Mittagessenversorgung getroffen haben.
Niedersachsen hat im Dezember 2007 ein Programm zur besonderen Unterstützung von Schülerinnen und Schülern in besonderen Notlagen durch die Gewährung von Zuschüssen für die Mittagsverpflegung an Ganztagsschulen aufgelegt. Und in Hessen wird seit dem 1. April 2008 das Mittagessen für bedürftige Schulkinder über einen Härtefonds bezuschusst.
In Sachsen-Anhalt hat der Kultusminister im Herbst des letzten Jahres eine Arbeitsgruppe „Gesunde Ernährung für Schülerinnen und Schüler“ ins Leben gerufen. In dieser Arbeitsgruppe sind neben Vertreterinnen und Vertretern aus dem Kultusministerium auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Sozialministerium, dem Landwirtschaftsministerium, dem Innenministerium, dem
Städte- und Gemeindebund, dem Landkreistag, dem Landesschülerrat, dem Landeselternrat und der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalts mit vertreten.
Diese Arbeitsgruppe hat die Verbraucherzentrale gebeten, noch einmal ganz aktuell an allen allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt eine Vollerhebung zur Schulverpflegung vorzunehmen und auch die Gründe zu evaluieren, warum Abmeldungen vom Mittagessen erfolgen. Es soll eine repräsentative Untersuchung sein, die auch einbeziehen wird, wo Kommunen in welchem Ausmaß jetzt schon Unterstützung leisten.
Die Verbraucherzentrale will die Ergebnisse ihrer Untersuchung Mitte des Jahres vorlegen. Wir werden uns dann in der Arbeitsgruppe intensiv damit auseinandersetzen, und es sollen, aufbauend auf dieser Analyse, Vorschläge erarbeitet werden, über die wir dann im Ausschuss im Rahmen der Berichterstattung diskutieren können.
Mir ist es wichtig, dass bei all den Maßnahmen, die wir in den Blick fassen müssen, auf keinen Fall eine Stigmatisierung von Kindern zustande kommt. Deswegen wäre mir eine Lösung, wie sie in skandinavischen Ländern schon vorhanden ist, nämlich das kostenfreie Mittagessen für alle Kinder, am liebsten.
Ich will hier einfach nur einmal die Kosten nennen: Nach den Erhebungen des Kultusministeriums brauchten wir für eine kostenlose Mittagessenversorgung für alle Schülerinnen und Schüler rund 65 Millionen €. Wir haben auch für den Kindertagesstättenbereich die Erhebung vollzogen: Dort brauchten wir für ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder, die in Kindertagesstätten betreut und gefördert werden, rund 44 Millionen €. Das sind also die Finanzvolumina für alle Kinder.