Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

(Zustimmung bei der SPD)

Bisher, meine Damen und Herren, liegen vier Empfehlungen vor; darunter sind sogar einstimmig angenommene. Die Fraktionen im Landtag müssen sich fragen, wie sie damit umgehen, ob sie sie tragen. Ist dies der Fall, dann muss geklärt werden, welche Rahmenbedingungen zur Umsetzung nötig sind und welche Schrittfolge realistisch ist. Alles andere ist - zumindest aus unserer Sicht - nicht zu vermitteln.

Die SPD-Fraktion stellt die bisherigen Empfehlungen inhaltlich nicht infrage. Wir halten diese Empfehlungen für richtig, für zukunftsweisend und auch für umsetzbar.

(Herr Tullner, CDU: Und auch finanzierbar?)

Was wir brauchen, ist die Verständigung darüber, wann und in welchen Schritten die Umsetzung erfolgen kann und wie sie realistisch finanziert werden kann.

(Lachen bei der CDU)

Mit dieser Einschätzung befinden wir uns im Übrigen im Einklang mit der Position unseres Finanzministers.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung der Landesregierung hilft vielleicht bei der Entscheidung; denn dort wird der Landtag aufgefordert, bildungspolitische Schwerpunkte festzulegen.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Das ist auch nötig, um zu wissen, welche Haushaltsmittel künftig für diesen Bereich bereitzustellen sind.

Also, meine Damen und Herren: Der Konvent hilft aus unserer Sicht, die Schwerpunktsetzung im Bildungsbereich zu untermauern, und die bisher vorliegenden Empfehlungen sind eben keine faulen Kompromisse, im Gegenteil. Ich glaube, manch einer in diesem Saal hat ursprünglich nicht damit gerechnet, dass überhaupt Beschlüsse mit einer so breiten Mehrheit zustande kommen würden.

Die Empfehlungen zur frühkindlichen Bildung - jetzt komme ich zum Inhalt - und zum Bereich „Fördern und Fordern als pädagogisches Grundprinzip“ sind aus unserer Sicht wichtige Weichenstellungen auf dem Weg zu ei

nem chancengerechteren Bildungssystem, als wir es heute haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Nur wenn wir diese Beschlüsse auch umsetzen, tun wir etwas für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und gestalten wir die Schule von morgen. Eine frühzeitige Ausrichtung des Unterrichts auf eine individuelle Förderung in integrativer Form ist ein Gebot der Stunde. Die Empfehlung, den gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zur bevorzugten Form der institutionellen Förderung zu entwickeln, stellt einen Paradigmenwechsel dar. Dessen muss man sich erst einmal bewusst werden.

Bemerkenswerterweise wurde diese Empfehlung einstimmig beschlossen, weil sich alle Konventsmitglieder der Bedeutung und der Notwendigkeit einer entsprechenden Umsteuerung bewusst waren. Der Grund ist klar: Gegenwärtig ist Sachsen-Anhalt bundesweit das Land mit einer der höchsten Förderschulquoten und dem geringsten Anteil an integrativer Beschulung. Das, meine Damen und Herren, gilt es zu ändern, damit diese Kinder durch die Schule künftig mehr Chancen bekommen als heute. Das kommt dann nicht nur diesen Kindern, sondern auch der Gesellschaft zugute,

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

und das System bringt weniger Verlierer hervor.

(Zustimmung bei der SPD)

Dass die Umsetzung dieser Beschlüsse von der Schaffung der entsprechenden personellen und sächlichen Rahmenbedingungen abhängt, ist doch jedem von uns klar. Doch wir gehen davon aus, dass eine Umstrukturierung des Systems nicht zwingend mit starker Kostenerhöhung verbunden sein muss, wenn man die Ressourcen anders verteilt. Trotzdem ist das ein bildungspolitischer Schwerpunkt, der auf jeden Fall bei der mittelfristigen Finanzplanung zu beachten ist. Also, meine Damen und Herren, wir stehen zu dieser Empfehlung des Konvents.

Dies gilt auch für die Wiedereinführung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung und Betreuung für alle Kinder in den Kindertagesstätten. Dabei - das bitte ich zu beachten - hat sich der Konvent nicht darauf festgelegt, was unter Ganztagsbetreuung zu verstehen ist.

(Lachen bei der FDP - Frau Dr. Hüskens, FDP: Wahrscheinlich fünf Stunden!)

- Zuhören, Frau Hüskens! - Das gültige Kinderförderungsgesetz definiert für Kinder berufstätiger Eltern einen Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung von zehn Stunden, für Kinder nicht berufstätiger Eltern gilt ein Anspruch auf eine Betreuung von fünf Stunden.

Wir sollten uns im Parlament darauf verständigen, den Rechtsanspruch für die Betreuung von Kindern nicht berufstätiger Eltern wieder auszuweiten, um auch ihnen wieder stärkeren Zugang zu den Bildungsangeboten zu ermöglichen. Wir sind überzeugt, dass dies für die Kinder wichtig ist; denn wir sprechen nicht umsonst von der Bedeutung der frühkindlichen Bildung.

Bei der Umsetzung des Vorhabens kann man sich sicherlich auch über Schrittfolgen verständigen. All dies hat entscheidenden Einfluss auf die dafür benötigten Haushaltsmittel. Schauen Sie bitte in die mittelfristige

Finanzplanung, dort gibt es verschiedene Modellrechnungen.

So gilt auch hierfür: Wir stellen den Inhalt der Empfehlung nicht infrage. Es ist unsere Aufgabe, uns darüber zu verständigen, wie wir den Ganztagsbetreuungsanspruch für Kinder nicht berufstätiger Eltern definieren, und uns über die Schrittfolge einig zu werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf einen weiteren wichtigen Aspekt aufmerksam machen: Zentrale Beschlüsse, zum Beispiel zur Schulstruktur, stehen noch aus. Erst wenn klar ist, welche Struktur ein möglicherweise anderes Bildungssystem in unserem Land haben sollte, lassen sich auch finanzpolitische Auswirkungen beschreiben. So kann es zum Beispiel durch die Zusammenführung verschiedener Schulformen zu einer Schule, in der länger gemeinsam gelernt wird, auch Kosteneinsparungen geben, und das auf mehreren Ebenen.

Nach dem Vorliegen der Gesamtempfehlungen - ich betone: Gesamtempfehlungen - spätestens im Sommer 2010 ist es unsere Aufgabe, sich im Parlament zum Umgang damit zu verständigen und darüber, wie wir die Umsetzung, wenn wir das denn wollen, organisieren. Dazu gehört selbstverständlich die Erarbeitung eines realistischen Zeitplanes und natürlich auch die finanzielle Untersetzung. Auch das ist eine Aufgabe in der mittelfristigen Finanzplanung.

Das schließt jedoch nicht aus, meine Damen und Herren, dass mit der Umsetzung einzelner Empfehlungen, wie zum Beispiel zur integrativen Beschulung von Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf, zu berufsbildenden Schulen, und mit der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Betreuung für Kinder nicht berufstätiger Eltern schon eher begonnen wird. Das ist real umsetzbar und keine Wahlkampfmunition, Herr Kley. Ich betone: Es geht darum, wie wir beginnen, die Empfehlungen umzusetzen.

Die Arbeit - lassen Sie mich das zum Abschluss sagen, meine Damen und Herren -, ist eingebettet - das hat sich so entwickelt - in eine bundespolitische Debatte zur Verbesserung der Bildungschancen und zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland.

Der Konzeptentwurf der Kultusminister für den Bildungsgipfel in diesem Monat sieht auch einen Ausbau für Bildungsinvestitionen vor. Dazu zählen umfangreiche Maßnahmen, angefangen von der Bildung von Anfang an über eine verbesserte Ausbildung von Erziehern, über die Halbierung der Quote der Schulabgänger ohne Abschluss und dergleichen mehr. Ich will das nicht weiter aufzählen. Daneben haben sich die Koalitionspartner in der Bundesregierung auch auf eine Starthilfe für Schulanfänger aus sozial schwachen Familien verständigt.

Bund und Länder, meine Damen und Herren, haben erkannt, dass der Bildungsgrad unserer Bevölkerung nicht nur über ein selbstbestimmtes Leben des Einzelnen entscheidet, sondern auch über die Entwicklung unserer gesamten Gesellschaft, über ihre Leistungsfähigkeit und über die soziale Gerechtigkeit. Darüber müssen wir reden. Dabei spielt eine Verbesserung der Bildungschancen eine übergeordnete Rolle. Weder in Deutschland noch in Sachsen-Anhalt können wir es uns leisten, Ressourcen in diesem Bereich zu vergeben.

Frau Mittendorf, kommen Sie langsam zum Ende.

Zwei Sätze. - Es ist eine einmalige Chance für uns, eine gesellschaftliche Meinungsbildung als Impuls für die Debatte im Land zu haben. Das müssen wir aufgreifen und dürfen es nicht zerreden. Wir müssen versuchen, mit Kompromissfähigkeit und Willen an dieser Stelle Verbesserungen zu erreichen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Für Mittendorf. Es gab eine Nachfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens. Sie hatten schon angedeutet, dass Sie die Frage beantworten wollen.

Bevor ich Frau Dr. Hüskens das Wort gebe, möchte ich Damen und Herren der Bildungsgesellschaft Magdeburg auf der Südtribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Dr. Hüskens, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Mittendorf, Sie haben vorhin betont, dass man natürlich definieren kann, was ein Ganztagsanspruch ist. Wir haben ihn - das haben Sie richtig dargestellt - auf zehn Stunden für Kinder, bei denen beide Elternteile erwerbstätig sind, festgelegt, und auf fünf Stunden bei Kindern, bei denen nicht beide Elternteile erwerbstätig sind. Da Sie dies so betont haben, möchte ich fragen: Wenn Sie vorhaben, den Rechtsanspruch für Kinder, deren Eltern nicht beide erwerbstätig sind, auszuweiten, habe ich dann davon auszugehen, dass Sie im Gegenzug vorhaben, den Rechtsanspruch für Eltern, die beide erwerbstätig sind, zu reduzieren?

Das Letztere sicher nicht; denn wir wollen sicherstellen, dass alle Kinder unabhängig davon, ob ihre Eltern erwerbstätig sind oder nicht, Chancen haben, in einer Kindertagesstätte nicht nur betreut zu werden, sondern vor allen Dingen auch Bildungsangebote wahrzunehmen, und das über einen Zeitraum, über den man sich hier unterschiedlich verständigen kann.

Frau Dr. Hüskens hat eine Nachfrage.

Nur damit es eindeutig ist: Es bleibt bei zehn Stunden für Kinder, deren Eltern beide erwerbstätig sind?

Frau Dr. Hüskens, erst einmal ist dies eine Entscheidung, die wir getroffen haben. Wenn Sie die Empfehlung ernst nehmen, dann werden Sie das sicher weiterhin unterstützen und die Debatte darüber führen, wie man das für die anderen macht.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank für Ihren Beitrag und die Beantwortung der Fragen. Weitere Fragen gibt es nicht. - Dann rufe ich

den nächsten Debattenredner von der Partei DIE LINKE auf. Frau Bull, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Sehr verehrte Damen und Herren! Der Landtag ist aufgerufen, darüber zu debattieren, welche Relevanz die von ihm selbst beschlossene Strategie hat. Es ist auf den ersten Blick ein Stück weit gewöhnungsbedürftig. Das gebe ich gern zu. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es geschieht deshalb, weil die einen befürchten, dass nicht das herauskommt, was sie sich politisch vorstellen, und weil die anderen befürchten, dass herauskommt, was sie sich politisch vorstellen. Ich will auch gern zugeben, dass der Sand im Koalitionsgetriebe natürlich für eine Oppositionspolitikerin einen gewissen Reiz ausübt. Gleichwohl denke ich, dass sich bei genauerem Hinsehen doch eine ganze Reihe - mindestens zwei - sehr tiefe rationale Kerne dahinter verbergen. Deswegen will ich dem zunächst widerstehen.

(Herr Tullner, CDU: Oh!)