Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Umsetzung des Landesradverkehrsplans und des Aktionsplans „Pro Rad“

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/1535

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Doege. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sicherung der Mobilität ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Erschwingliche Mobilität muss, gemessen an den Grundbedürfnissen der Daseinsvorsorge, in allen Lebenslagen ausreichend gewährleistet sein. Ob auf dem Weg zur Arbeit, im Rahmen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder zum Zwecke der Erholung in Natur und Landschaft - der Erfolg von Mobilitätspolitik misst sich letztlich daran, dass alle gesellschaftliche Gruppen in allen Lebenslagen ausreichend versorgt sind.

Dies ist Voraussetzung dafür, dass alle Menschen die Chancen und Leistungen unserer Gesellschaft wahrnehmen können. Es ist letztlich eine Frage der Zugangsgerechtigkeit zu diesen Leistungen.

Die die Regierung tragenden Fraktionen der CDU und der SPD haben sich bereits in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass ein die Ressorts übergreifender Landesradverkehrsplan erstellt werden soll. Darüber hinaus sollen Städte und Gemeinden bei der Entwicklung ihrer kommunalen Radverkehrskonzepte unterstützt werden.

Meine Damen und Herren! Die derzeit stetig steigenden Preise für Rohstoffe und Energieträger, aber auch das gewachsene Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein zwingen letztlich dazu, in der Mobilitätspolitik umzusteuern. Mobilität muss für alle Menschen kostengünstiger, stadtverträglicher, umweltfreundlicher und sicherer werden.

Eine Schlüsselstelle kommt dabei ohne Zweifel dem Ausbau der Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern zu. Es muss gelingen, den Radverkehr stärker zu etablieren. Radfahren hat eine Menge Vorteile. Gemeinsam mit dem Fußverkehr ist es die gesundheitsförderlichste, kostengünstigste, aber auch umwelt- und klimaverträglichste Variante der Mobilität, zumindest im Bereich der Kurzstrecke.

Sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung haben die Zeichen der Zeit erkannt. Seit 2002 gibt es einen nationalen Radverkehrsplan, in dem die Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Deutschland gebündelt werden. Wenn Sie sich über den aktuellen Stand der Maßnahmen informieren wollen, kann ich Ihnen die Internetseite „www.nationaler-radverkehrsplan.de“ empfehlen.

Auch auf der Landesebene hat sich in den letzten Jahren eine Menge bewegt. Im Rahmen des Aktionsplans „Pro Rad“ hat das Land Sachsen-Anhalt am 18. Dezember 2006 mit einer Auftaktveranstaltung den Prozess zur Aufstellung eines Landesradverkehrsplanes begonnen.

Ich möchte die Inhalte dieses Aktionsplanes „Pro Rad“ nur kurz anreißen, da ich davon ausgehe, dass Minister Herr Dr. Daehre dazu noch ausführliche Erläuterungen geben wird. Auch hierzu besteht die Möglichkeit, sich im Internet unter „www.radverkehrsplan-sachsen-anhalt.de“ über den aktuellen Stand zu informieren.

Der Aktionsplan „Pro Rad“ beinhaltet ein Elf-Punkte-Programm. Ich möchte nur einige Schwerpunkte kurz anreißen. Das ist etwa die Öffentlichkeitsoffensive, die Kinder, Jugendliche, aber auch ältere Menschen aufruft, mobil und gesund auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Des Weiteren gibt es Informationsveranstaltungen zum Beschilderungskonzept für überregionale Radwege sowie den Start einer Internetplattform - ich nannte diese bereits -, wo Sie die Dinge nachlesen können, um nur einige Dinge zu nennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Schwerpunkte des Aktionsplans „Pro Rad“ verdeutlichen, dass es sich hierbei um eine ernsthafte Bemühung handelt, dem Radverkehr zu einem deutlich höheren Stellenwert in der Gesellschaft zu verhelfen. Das ist auch der Grund, warum wir uns auf diesen Antrag verständigt haben. Uns geht es darum, das Thema Mobilität mit dem Fahrrad stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen und die entsprechenden gesellschaft

lichen Gruppen und Institutionen stärker für dieses Thema zu sensibilisieren.

Wenn wir uns vor Augen halten, dass mehr als ein Viertel aller Autofahrten bereits nach weniger als 3 km endet, können wir erkennen, welches Potenzial hier besteht und welches Potenzial in den nächsten Jahren noch erschlossen werden kann. Es ist zweifellos eine Illusion zu glauben, dass es uns gelingen wird, alle Autofahrten durch den Rad- oder Fußverkehr abzulösen.

Allerdings ist es durchaus ein realistisches Ziel, den Nachbarländern nachzueifern. Während in Deutschland ca. 12 % des Personenverkehrs mit dem Rad abgewickelt wird, sind es in unserem Nachbarland Holland 27 %. Das heißt, eine Verdopplung des Radverkehrs in Deutschland wäre ein durchaus realistisches Ziel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wichtiger Aspekt ist auch die kommunale Ebene. Der Radverkehr liegt, abgesehen von den Fernverbindungen, den Radwegen R 1 und R 2, die unser Land tangieren, in der Zuständigkeit der kommunalen Ebene. Wir müssen hierbei insbesondere auf die Kommunen zugehen und sie in ihren Bemühungen um den Ausbau der Radverkehrs entsprechend unterstützen.

Ich glaube, es wäre sinnvoll, wenn wir uns im Fachausschuss über die aktuellen und die künftigen Aktivitäten informieren lassen. Wir gehen auch davon aus, dass der Haushaltsgesetzgeber Landtag dieses Anliegen positiv begleiten wird. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke für die Einbringung, Herr Doege. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Dr. Daehre. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, das erste Mal - jedenfalls solange ich zurückdenken kann -, dass sich der Landtag mit dem Thema Fahrradfahren, Radwegeplan etc. beschäftigt. Wir haben sicherlich schon über den einen oder anderen Verkehrsträger in irgendeiner Form diskutiert. Ich betrachte diesen Beitrag ein wenig als Einstieg in den nächsten Tagesordnungspunkt, der dann sicherlich in andere Dimensionen geht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Herr Bischoff, SPD: Nicht schlecht!)

Deshalb sage ich: Wir sind mit dem Radel da.

Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar, dass wir diese gesellschaftliche Diskussion über das Fahrradfahren mit all den Fassetten auf den Weg bringen. Wie Herr Doege zum Ausdruck gebracht hat, haben wir uns im Koalitionsvertrag in die Hand versprochen, einen Radwegeplan des Landes Sachsen-Anhalt aufzustellen - aus mehreren Gründen.

Ich will nicht auf den gesundheitlichen Aspekt hinweisen - das ist das eine -, man kann auch auf den sportlichen Aspekt, den Freizeit- und den Tourismusaspekt hinweisen. Das alles sind Punkte, die man sicherlich mit auf den Weg bringen kann und auch auf den Weg bringen

sollte. Deshalb zeigt sich hierbei, dass es tatsächlich ein ressortübergreifendes Projekt ist.

Das beginnt beim Innenminister, der mit seinen vielen Aktionen, wie zum Beispiel in diesem Jahr mit dem Preisausschreiben, wiederum dazu beiträgt, dass wir die Sicherheit auf den Straßen erhöhen. Dazu gehört auch das Radfahren. Dabei denke ich auch an die Sozialministerin, die mit ihren Aktionen startet, oder die Landwirtschaftsministerin im Bereich des ländlichen Wegebaus, aber auch der Tourismusminister und viele andere mehr. Ich hoffe, dass sehr wenige Dinge in Bezug auf straßenverkehrswidriges Verhalten bei Kollegin Kolb landen.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Manchem muss man mal Licht ans Fahrrad machen! - Herr Bischoff, SPD: Fahren ohne Licht!)

- Richtig. Dem einen oder anderen müsste man schon Licht ans Fahrrad machen. Da haben Sie Recht, Herr Czeke, das ist wohl wahr.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Meine Damen und Herren! Ich komme zurück zum Thema. Es ist wichtig, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Deshalb haben wir es heute getan. Wir brauchen diesen Radwegeplan für Sachsen-Anhalt aus sehr praktischen Gründen.

Da kommen zum Beispiel ein Bürgermeister oder ein Landrat oder Abgeordnete, die sagen, dass sie einen Radweg von A nach B haben möchten. Es wird gesagt, dass dort unheimlich viele Personen mit dem Fahrrad fahren könnten. Das ist vielleicht alles richtig. Also bauen wir diesen Radweg von A nach B, aber es fehlt das Stück von B nach C, während bereits von D nach E gebaut worden ist, da jemand der Meinung war, dass eben dieser Radweg wichtiger ist. Deshalb müssen wir das konzeptionell auf den Weg bringen.

Das heißt aber auch, meine Damen und Herren, wenn wir diesen Landesradverkehrsplan haben, wird er nicht bei jedem Freude auslösen; denn er wird nach Priorität gestaffelt abzuarbeiten sein.

Wir haben das Ziel, uns zunächst einmal die überregional bedeutsamen Radverkehrswege vorzunehmen. Der Elbe-Radwanderweg ist eine Erfolgsgeschichte von Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Er begeistert die Leute, egal woher sie kommen. Das ist eine ganz tolle Sache. Ähnliches gilt für den SaaleRadwanderweg. Nun könnte ich überall Radwanderwege aufzählen. Das ist schon eine fantastische Sache. Auch diese müssen wir ausbauen, bevor wir als Letztes Radwege zwischen A und B ausbauen, auf denen auch mal der eine oder andere fährt.

Wir erleben da teilweise tolle Geschichten. Es kamen zwei Bürgermeister zu mir und sagten, dass sie einen neuen Radweg wollen. Ich habe gesagt, dass dort zu wenige Personen mit dem Rad fahren. Sie haben das bestritten. Daraufhin haben wir gesagt, gut, dann führen wir mal eine Zählung durch. Diese Zählung hat ergeben, dass an dem betreffenden Tag zwei Radfahrer auf diesem Weg gefahren sind. Darauf sagten die Bürgermeister: Sie hätten uns doch sagen müssen, dass Sie an dem Tag zählen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das sind nette Geschichten, die am Rande passieren. Ich will damit nur sagen, dass wir den Auftrag haben, auch straßenbegleitende Radwege zu bauen. An den Bundesstraßen und an den Landesstraßen ist das Radfahren sicherlich eine gefährliche Sache.

Aber: Ein Radweg nimmt bei den Planungen genau dieselbe Zeit in Anspruch wie eine Landes- oder eine Kreisstraße. Sie müssen im Prinzip den Grund und Boden erwerben. Wenn ein Bauer oder irgendein Eigentümer sagt, er stellt ihn nicht zur Verfügung, müssen Sie in ein Planfeststellungsverfahren eintreten, sodass es manchmal tatsächlich drei, vier Jahre dauert, bis ein Radweg fertig ist. Dann gibt es aber plötzlich die Schule nicht mehr, die als Begründung für den Bau dieses Radweges herangezogen worden ist, die die Schüler mit dem Fahrrad erreichen wollten.

Es ist also ein unheimlich komplexes Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Darum ist es auch so, dass wir dieses Elf-Punkte-Programm, über das ich auch im Ausschuss gern zu diskutieren bereit bin, durchgehen.

Wir werden den zeitlichen Ablauf wie folgt gestalten: Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten Anhörungen durchführen, nachdem im Dezember der Radverkehrsplan vom Kabinett verabschiedet worden sein wird. Wir werden dann den Landtag informieren. Wir werden in den Ausschüssen, denke ich, intensiv darüber sprechen. Aber: Am Ende kommen wir wieder dahin - deshalb bin ich Ihnen dankbar, dass Sie das gesagt haben -, dass wir natürlich auch Radwege mit Euros bezahlen müssen.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Das ist die Bitte an das Hohe Haus. Im Moment muss ich mit den aus meiner Sicht schon geringen Mitteln für den Straßenbau auch die Radwege finanzieren. Das Konzept ist das eine, das stellen wir auf. Als Zweites müssen wir uns dann über die Finanzierung unterhalten. Ich sage Ihnen: Es ist ähnlich wie mit den Brücken. Das ist im Detail alles richtig und auch wichtig, am Ende müssen wir uns aber darüber unterhalten, dass es etwas kostet. Wir werden das Schritt für Schritt abarbeiten.

Ansonsten empfehle ich die Lektüre der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage von Dr. Püchel, der sich diesem Thema gestellt hat. Ich denke, auch das ist nicht verkehrt. Wir werden das mit auf den Weg bringen.

Vorletzte Anmerkung, meine Damen und Herren, die zeigt, wie kritisch solche Diskussionen manchmal sein können: Die Stadt Dessau-Roßlau ist, was den Radverkehr angeht, vorbildlich. Sie sehen in Dessau unheimlich viele Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. Alles positiv. Jetzt kommen aber die Dessauer Verkehrsbetriebe und sagen: Herr Minister, wir haben Defizite. Es fahren zu viele Dessauer mit dem Fahrrad und nicht mit der Straßenbahn.

Dann haben Sie ein Problem. Wenn Sie alle auffordern, mit dem Fahrrad zu fahren - Dessau ist in dieser Hinsicht wirklich vorbildlich; ich sage einmal: allein die Stadt Dessau -, dann fahren die eben mit dem Rad und die leeren Straßenbahnen fahren nebenher. Die Stadt Dessau hat den Straßenbahnverkehr deswegen teilweise schon ausgedünnt, weil er sich nicht mehr lohnt.

Es ist nicht so einfach, wie es sich manchmal darstellt. Deshalb: Je komplizierter es wird, desto mehr brauchen

wir den Landtag. Ich bin sehr froh darüber. Ich denke, dass sich in den Haushaltsberatungen alle Fraktionen daran erinnern und zum Ausdruck bringen werden: Wir brauchen auch Radwege in Sachsen-Anhalt.