Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

(Herr Stahlknecht, CDU: Das ist der Running Gag!)

- Herr Kollege Stahlknecht, wenn Sie in der Vorlesung Staatsrecht aufgepasst hätten,

(Oh! bei der CDU und bei der SPD)

dann wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass es durchaus möglich ist, sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag ein Gesetzgebungsverfahren zu beginnen. Also ist es natürlich auch logisch, dass eine Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf einbringt, was aber nicht ausschließt, dass auch der Bundesrat auf die Initiative eines oder mehrerer Länder hin ein Gesetzgebungsverfahren anstößt.

Dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, - das ist das Schöne am Föderalismus - ist man als Land ja nicht allein, sondern man hat noch 15 andere Länder. Dann macht es natürlich auch Sinn, wenn man so ein Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat nicht allein anstößt, sondern das mit mehreren zusammen macht. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es eben kein neues Thema, aber es ist ein wichtiges Thema.

(Beifall bei der FDP)

Es ist ein rechtspolitisch wichtiges Thema, weil es darum geht, wie wir mit dem Bereich der Zeugnisverweigerungsrechte umgehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele werden beim Stichwort Telekommunikationsüberwachungsgesetz nur an die Vorratsdatenspeicherung gedacht haben - das vielleicht auch zu Recht. Wir halten diese Regelung für verfassungswidrig und das Bundesverfassungsgericht prüft diese Regelung in der Hauptsache.

Das Gesetz, das im Bundestag und im Bundesrat, Herr Kollege Stahlknecht, verabschiedet wurde,

(Herr Stahlknecht, CDU: Weiß ich: 2005!)

hat aber auch noch einen anderen Bereich geändert, nämlich die Strafprozessordnung in § 160a. Darum geht es. Der § 160a StPO hat Berufsgeheimnisträger in solche erster Klasse und solche zweiter Klasse unterteilt. Wir sagen, diese Unterteilung ist nicht sachgerecht. Sie ist nicht sachgerecht; denn wir glauben, dass für alle Berufsgeheimnisträger ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot für alle Ermittlungsmaßnahmen gelten muss.

(Zustimmung bei der FDP und bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt die Berufsgeheimnisträger in Absatz 1, für die eben ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot gilt. Das sind Abgeordnete, das sind Geistliche und das sind Strafverteidiger. Dann gibt es den Absatz 2. Danach sind Berufsgeheimnisträger Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, aber auch die Vertreter der Presse. Dabei handelt es sich nun um ein relatives Erhebungs- und Verwertungsverbot, bei

dem noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Ermittlungsbehörden durchzuführen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum unterscheidet der Gesetzgeber zwischen dem Strafverteidiger und dem Rechtsanwalt? Herr Kollege Stahlknecht, wie soll es denn für einen Mandanten erkennbar sein, ob er sich nun mit einem Strafverteidiger oder mit einem Rechtsanwalt unterhält? - Bereits bei Beginn seines Gesprächs, um Rechtsrat zu erhalten, muss es für ihn erkennbar sein; denn wenn er sich mit einem Strafverteidiger unterhalten würde, dann wäre all das, was er sagen würde, von jeglichen Ermittlungsmaßnahmen abgeschnitten. Wenn er sich aber nur mit einem Rechtsanwalt unterhält, dann obliegt es den Ermittlungsbehörden, noch einmal zu prüfen, ob es nicht verhältnismäßig sein könnte, dort doch Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das ist doch lebens- fremd! Wenn zu Ihnen ein Mörder kommt, dann will der nicht über Ehescheidung reden! - Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

- Sehr geehrte Kollegen, ich glaube, darüber können Sie sich noch in der Debatte unterhalten. Es steht mir nicht zu, die Einschätzung des Kollegen Wolpert zu treffen, weil ich nicht in der Anwaltspraxis tätig bin.

Nach dem, Herr Kollege Stahlknecht, was ich von außen betrachte, ist es tatsächlich so, dass nicht jedes Gespräch mit einem Mandanten oder mit einem - ich will es genauer formulieren - Rechtsuchenden auch zu einem Mandat führt. Aber auch die Rechtsuche, die nicht in einem Mandat endet, muss in dem Vertrauensverhältnis zu dem Berufsgeheimnisträger Rechtsanwalt geschützt sein. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist diese Unterscheidung sachlich nicht geboten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleiches gilt im Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Wer bei den Ermittlungsbehörden will denn eine Abwägung darüber treffen, ob die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen dort verhältnismäßig ist? Ist die Patientin, die zum Frauenarzt geht, vielleicht geschützt, aber der Patient, der nur zu seinem Hausarzt geht, ist nicht geschützt? - Wir bringen doch Patienten wie Ärzte in die Bredouille, weil wir nicht klar sagen können, dass das, was ich als Patient mit meinem Arzt bespreche, nur mich und den Arzt etwas angeht und niemand anderen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Das ist etwas, das wirklich an die Grundfesten der Strafprozessordnung geht, nämlich dass wir uns nicht mehr darauf verlassen können, dass Zeugnisverweigerungsrechte tatsächlich auch Zeugnisverweigerungsrechte sind und dass die Informationen, die ich einem Berufsgeheimnisträger im Vertrauen übermittele, auch tatsächlich geschützte Daten sind.

Meine sehr geehrten Damen! Ich werde Ihnen als dritten Punkt auch sagen: Das gilt für uns Liberale auch für den Bereich der Vertreter der Presse.

Die Pressefreiheit fußt darauf, dass der Journalist mit seiner Quelle, seinem Informanten, sprechen darf und dass das, was er erfährt, von staatlichen Ermittlungsbehörden auch nicht durch die Hintertür ausgeforscht werden kann.

Wer die „Cicero“-Entscheidung gelesen hat, der muss feststellen: Der Staat hat so etwas nicht zu machen, er muss diesen Schutz auch anerkennen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN)

Das gehört für uns Liberale elementar zu einem demokratischen Rechtsstaat dazu: die Unabhängigkeit der Presse, aber auch der Schutz der Pressefreiheit. Und dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will gar nicht auf die vielen Unterschiede zwischen Strafverteidigern und Rechtsanwälten eingehen. Es gibt sehr viele interessante Anmerkungen des Deutschen Anwaltvereins dazu, aber auch der Jungen Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein, die mit der Auslegung Probleme haben und die Frage aufwerfen: Ist jemand, der Fachanwalt für Strafrecht ist, der Strafverteidiger, den sich das Gesetz vor Augen führt, oder ist es nur derjenige, der das Mandat angenommen hat, sich also schon in die Funktion des Strafverteidigers begibt, oder ist es vielleicht jemand, der soundso viele Fälle hat?

Was ist mit denjenigen, die bisher im Wesentlichen im Zivilrecht tätig waren, aber diesen bestimmten Fall übernehmen wollen? Sind diese per se ausgeschlossen?

Das Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem Anwalt ist das, was geschützt werden muss. Dabei ist es mir persönlich und den Liberalen egal, was der Anwalt in anderen Fällen macht und wo er sein Tätigkeitsfeld hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einen Punkt im Besonderen hinweisen. Wenn wir in der Strafprozessordnung weiterhin diese Teilung in zwei Klassen zulassen - nicht beim Zeugnisverweigerungsrecht; denn dort gibt es nur das einheitliche Zeugnisverweigerungsrecht, aber bei der Strafprozessordnung, bei den Ermittlungen wird unterteilt in zwei Klassen - und sie weiter bestehen lassen, wächst aus meiner Sicht die Gefahr, dass das Zeugnisverweigerungsrecht im § 53 ausgehöhlt wird.

Ich glaube, das will auch der Bundesgesetzgeber nicht haben. Vielleicht täusche ich mich aber auch. Ich würde mir wünschen, dass wir ein klares Bekenntnis dazu abliefern, dass diese Berufsgeheimnisträger nach wie vor ein Zeugnisverweigerungsrecht haben.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das haben sie auch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zurückkommen auf den Einwurf, den Kollege Stahlknecht zu Beginn gemacht hat. Ich habe versucht, es zu erläutern. Ja, dieser Antrag ist nahezu inhaltsgleich, die Begründung ist etwas ergänzt worden. Er ist im Deutschen Bundestag bereits vorgestellt, aber noch nicht im Plenum debattiert worden. Das wird in einer der nächsten Sitzungen geschehen.

Wir rechnen damit, dass der Rechtsausschuss des Bundestages dazu umfangreich Stellung nehmen wird. Ich habe auch gehört, dass es in den Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der SPD durchaus Kollegen gibt, die dem offen gegenüberstehen, dass eine Einteilung der Berufsgeheimnisträger in zwei Klassen nicht sinnvoll ist. Man kann dieses Gesetz korrigieren, man sollte es aus unserer Sicht korrigieren. Wir hoffen, dass wir auf die

sem Weg über den Deutschen Bundestag weiterkommen.

Die andere Möglichkeit ist, über den Bundesrat eine Initiative einzubringen. Das ist der Ansatzpunkt der FDPLandtagsfraktion mit dem Antrag. Wir würden den Landtag bitten, diesen Antrag zu unterstützen, um eine solche Bundesratsinitiative aus Sachsen-Anhalt anzuschieben, um eine Änderung des § 160a zu forcieren. Die Kolleginnen und Kollegen der CDU- und der SPD-Fraktion in Schleswig-Holstein - diese sind gezwungenermaßen zusammengepfercht - haben es - -

(Zuruf von der SPD)

- Wenn man das Protokoll liest, kann man den Eindruck gewinnen, dass sie eigentlich für den Antrag der FDP sind. Dort steht: Beifall bei der CDU, Beifall bei der SPD, Beifall bei den Grünen - gut, die gehören dazu - und des Südschleswigschen Wählerverbandes.

(Zurufe von der CDU)

Im Ergebnis sagen dann aber die Koalitionäre: Nein, nein, das fassen wir mal nicht an. Zumindest von Schleswig-Holstein soll eine solche Bundesratsinitiative nicht ausgehen. Die Argumente, dass wir das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, zwischen Mandant und Rechtsanwalt sowie zwischen Informant und Journalist herstellen müssen, werden unterstützt, aber den Schritt will niemand tun.

Vielleicht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU und der SPD, haben wir in Sachsen-Anhalt eine bessere Chance. Gegebenenfalls könnten wir diesen Antrag auch zur weiteren Beratung an den Ausschuss überweisen. Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie wir wirksam den Schutz der Berufsgeheimnisträger - denn für diese ist es auch nicht einfach, mit ihrem Gegenüber umzugehen - verbessern können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kosmehl, danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht die Ministerin der Justiz Frau Professor Dr. Kolb. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kosmehl, ich möchte mich zunächst für die Vorlesung zum Staatsrecht bedanken. Aber auch Sie wissen, manchmal sieht die Praxis ein wenig anders aus. Man braucht nicht nur gute Ideen und gute Vorschläge, sondern man braucht auch die notwendigen Mehrheiten.

Sie sagten, der Bundestag habe darüber noch nicht debattiert. Wir haben aber zumindest im Bundesrat über die Fragen im Zusammenhang mit der TKÜ-Novelle debattiert und dort haben die Vorschläge der FDP leider nicht die notwendige Mehrheit bekommen. Insofern bleibt die FDP noch den Beweis schuldig, wie es dem kleinen Land Sachsen-Anhalt angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat gelingen soll, die Mehrheit zu erreichen.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP - Frau Dr. Hüs- kens, FDP: Unterstützen Sie uns!)

Machen wir einmal weiter mit der Vorlesung zum Staatsrecht. Herr Kosmehl, Sie haben uns nur eine Seite ge

nannt. Sie haben von dem Schutzbedürfnis von Mandanten und Patienten gesprochen, Sie haben aber nicht gesagt, worum es eigentlich geht.

(Herr Stahlknecht, CDU: So ist es!)

Es geht hierbei um Strafverfahren. Das Erste, was man im Staatsrecht lernt, wenn man sich mit den Grundsätzen des Grundgesetzes auseinandersetzt, ist, dass das Grundgesetz nicht schrankenlos gilt, sondern auch Schranken hat, und dass man sich deshalb mit einer Abwägung der unterschiedlichen Interessen auseinandersetzen muss. Genau das hat die Bundesregierung mit dem Änderungsgesetz getan; das hat zum geltenden § 160a StPO geführt.