„Die Bundesländer, die ihr System durch die zusätzliche Einführung der Gesamtschule weiter differenziert und damit faktisch die soziale Ungleichheit erhöht haben, stehen unter besonderem Zugzwang. Das sind die Stadtstaaten, NordrheinWestfalen und Hessen. Ihr vier- oder fünfgliedriges Schulsystem“
„ist extrem teuer, aus demografischen Gründen kaum durchhaltbar und durch die Konzentration von Risikoschülern in einer Schulform schwer zu rechtfertigen. Dagegen präsentieren Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen das erfolgreiche und sehr flexible Vorbild der Zweigliedrigkeit. Hier gibt es praktisch keine Schulen, die ein Risiko darstellen.“
Meine Damen und Herren! Der Bildungskonvent wurde beauftragt, für das Parlament Empfehlungen zu erarbeiten, wie gute Schule funktioniert. Dass dies nicht ganz konfliktfrei möglich sein wird, war sicherlich einigen, ich glaube sogar: fast allen hier im Hause bewusst.
Nun können sich die einzelnen im Parlament vertretenen Parteien natürlich zu eigen machen, dass diese Empfehlungen sehr ernst genommen werden. Sie können sogar den Willen haben, diese Empfehlungen im Verhältnis 1 : 1 umzusetzen. Das ist auch legitim. Aber es muss auch jedem bewusst sein, dass diese Empfehlungen nicht automatisch Gesetzeskraft bekommen. Das wurde in der Debatte schon mehrfach betont. Der Konvent wurde nicht eingerichtet, um für das Parlament Beschlussvorlagen auszuarbeiten. Es ist trügerisch, wenn man versucht, dies der Öffentlichkeit so zu vermitteln.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals an die Glaubwürdigkeit der Parlamentarier allgemein erinnern. Wenn man diese missbraucht, darf man sich nicht wundern, wenn Bürger nicht mehr zur Wahl gehen. Und wenn man davon spricht, Frau Mittendorf, dass ein Bildungskonvent der Politikverdrossenheit vorbeugen könne, muss ich sagen, dass ich nicht weiß, was wir als Parlamentarier tun. Sind wir alle hier im Hause unfähig? - Ich bezeichne zumindest unsere Fraktion nicht als unfähig.
Frau Budde, wenn die SPD davon ausgehen könnte, dass sie aus der nächsten Wahl so hervorgeht, dass sie allein regieren könnte, dann wäre Ihre Aussage vielleicht sogar glaubhaft. Dass dies geschieht, ist doch eher unwahrscheinlich.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Herr Miesterfeldt, SPD: Na, wenn Sie so weiterreden, bestimmt!)
Hinzu kommt, dass Sie sich nicht einmal in Ihrer eigenen Partei darüber einig sind, ob die bisher gefassten Beschlüsse überhaupt umsetzbar sind. Ich kann Ihnen nur raten, sich erst einmal in den eigenen Reihen zu verständigen, bevor Sie in der Öffentlichkeit vollmundige Erklärungen abgeben.
Es kann doch durchaus sein, Frau Budde, dass auch in der SPD nicht immer jeder Recht hat. Das haben Sie in Ihrer Pressekonferenz ausdrücklich betont. Diese Aussage birgt auch einen sehr hohen Anspruch in sich. Wenn Sie den Äußerungen bzw. Feststellungen unseres Finanzministers nicht mehr trauen, dann müssten Sie eigentlich handeln.
Mit dem Rechthaben haben Sie wirklich ein Problem, auch in Ihren Behauptungen gegenüber der CDU. Ich habe leider die „Volksstimme“ heute noch nicht gelesen, aber wenn Sie schon vollmundig erklären, dass wir das längere gemeinsame Lernen nicht mittragen - gut, dann gehen Sie davon aus, welche Konzepte wir haben und welche Sie haben, aber dieser Prozess hat im Konvent bisher noch nicht stattgefunden.
Sie erklären auch stets und ständig, dass wir die Empfehlungen des Konvents nicht umsetzen wollten oder
nicht ernst nehmen würden. - Ich sage noch einmal ausdrücklich: Wir nehmen die Empfehlungen des Konvents sehr ernst, auch wenn Sie das immer wieder in der Öffentlichkeit anders darstellen möchten.
Nur, auf der anderen Seite kann man doch als verantwortlicher Politiker nicht im Konvent sitzen und sagen, mich geht es nichts an, ob das finanzierbar ist oder nicht. Bei den Praxisvertretern und bei den Verbänden ist das etwas anderes. Das stimmt: Es war nicht der Auftrag des Konvents, auch über die Finanzierbarkeit zu sprechen. Aber als verantwortlicher Politiker sitze ich doch da nicht ganz frei, ohne jegliche Verantwortung, wenn man das hier noch glaubwürdig rüberbringen will. Dann muss ich Ihnen sagen, welche Rolle spielen Sie denn hier überhaupt?
Die CDU steht - das sage ich noch einmal ausdrücklich - für eine realistische und auch verantwortbare Bildungspolitik. Wir wissen noch nicht, wie sich die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren, ja nicht einmal in den nächsten Monaten entwickeln werden. Wir wissen, wir haben nachher noch eine Aktuelle Debatte über die derzeitige Finanzkrise.
Natürlich haben auch wir an der einen oder anderen Stelle Begehrlichkeiten, an der wir gern mehr Geld in der Bildung einsetzen möchten, um bestimmte Bedingungen in den Schulen zu verbessern. Das war aufgrund der derzeitigen Haushaltslage bisher aber nur in sehr begrenztem Maße möglich. Deshalb bitten wir an dieser Stelle um Besonnenheit, wie es der Finanzminister auch zu Recht tut.
Ich sehe mit großem Interesse den ersten Anträgen zur Umsetzung der Empfehlungen des Bildungskonvents entgegen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob diese Anträge im Landtag mehrheitsfähig und auch finanzierbar sind. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Feußner. - Bevor ich dem Herrn Minister das Wort erteile, hat die Fraktionsvorsitzende Frau Budde um das Wort gebeten. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte es befürchtet, aber ich habe echt darauf gehofft, dass es eine inhaltliche Debatte geben wird, auch wenn der Antrag auf die Aktuelle Debatte von der FDP-Fraktion ziemlich durchsichtig war und unter das Stichwort fällt: Nichts Neues von der FDP.
Ich hätte mich gefreut, wenn Sie als FDP die Antwort darauf gegeben hätten, wie Sie es mit dem Bildungskonvent halten. Das ist völlig offen geblieben.
Sie haben kein Wort dazu gesagt, ob es für Sie ernsthaft darum geht, sich mit diesen Empfehlungen auseinanderzusetzen, egal ob sie dem eigenen parteipolitischen Profil entsprechen oder nicht entsprechen, wie Sie mög
Das Einzige, was sich für mich bei Ihnen mal wieder bestätigt hat, ist, dass man auch als gelernter DDRBürger ohne 13 Jahre Abitur schauspielerische Fähigkeiten haben kann, die qualitativ echt hoch sind.
(Zustimmung von Frau Dr. Klein, DIE LINKE - Frau Weiß, CDU: Sie nehmen doch sonst nicht alles so ernst!)
- Das Problem ist, dass es ernst ist, Frau Weiß. Wenn es witzig gewesen wäre, wäre es kein Problem gewesen.
Sie wissen ganz genau, dass es keinen Landtagsbeschluss und auch keinen Koalitionsbeschluss gibt - der Landtag kann das eh nicht beschließen; eine Koalition könnte es -, dass im Bildungskonvent die regierungstragenden Fraktionen oder auch die Minister, die unterschiedlichen Parteien angehören, gemeinsam abstimmen sollen. Im Gegenteil: Sie wissen aus der ersten Debatte über die Einsetzung des Konvents genau, dass es gewollt ist, ohne Koalitionsdisziplin die einzelnen bildungspolitischen Inhalte zu diskutieren. Insofern ist das im Grunde völlig überflüssig gewesen, was Sie hier als Störfeuer einzuwerfen versucht haben.
Die Koalitionsverhaltlungen werden im Jahr 2011 geführt; denn die große Koalition wird hier bis zum Jahr 2011 regieren. Ich meine, Sie haben ja noch zweieinhalb Jahre Zeit, sich zu qualifizieren oder zu bilden und darüber nachzudenken, ob Sie an diesen Koalitionsverhandlungen teilnehmen wollen.
Die „Volksstimme“ hat heute im Übrigen völlig korrekt zitiert. In diesem Zusammenhang berufe ich mich auf alte Pressemitteilungen von Ihnen, Frau Feußner - die ich nicht verstanden habe; aber jeder hat hier das Recht der freien Meinungsäußerung -, dass Sie nicht bereit seien, die Empfehlungen des Bildungskonvents so umzusetzen.
Das würde dann in diesem Fall natürlich auch auf einen möglichen Beschluss zu längerem gemeinsamen Lernen zutreffen. Wir wissen beide, dass wir in den Parteien sehr unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema haben. Wir werden das inhaltlich diskutieren können.
Wir wollen nicht, dass der Bildungskonvent gleich am Anfang über dieses Thema von uns sozusagen als Block mit unserem Modell der AOS konfrontiert wird. Wir werden dies aber selbstverständlich im Rahmen der Gespräche und der Sitzungen des Bildungskonvents mit einbringen. Darum sitzen wir dort. Ich glaube, das haben Sie auch nicht anders erwartet. Man muss das aber nicht am Anfang gleich als Block setzen, sondern man sollte es dann, wenn es passt, in das Verfahren einbringen - genauso wie Sie vermutlich für ein weiterhin stark gegliedertes Schulsystem werben werden. Auch das ist alles nichts Neues. Das könnte aber mit ein wenig mehr Rationalität untereinander durchaus auch besprochen werden.
Wir jedenfalls sind der Auffassung - das möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen -, dass der Bildungskonvent ein sehr ernsthaftes Gremium ist, das sehr ernsthaft arbeitet. Ob sich diese Empfehlungen immer mit den jetzigen Vorstellungen der Sozialdemokratie decken, ist völlig offen.
Die Zweidrittelmehrheit ist ein sehr hoher Anspruch, den sich der Konvent gesetzt hat, um Beschlüsse zu fassen. Er repräsentiert ein breites gesellschaftliches Spektrum. Wir wissen es nicht, wie das dort gesehen wird, aber für mich hat das Ganze einen ganz besonderen Wert, nämlich den Wert, dass außerhalb der festgefahrenen politischen Debatte über Schule, Inhalte und Schulstrukturen hoffentlich eine Empfehlung abgegeben wird, die auf breite Akzeptanz stößt bei den Trägern von Schule, bei den Akteuren in der Schule, die Schule gestalten, und auch bei denen, die im Bildungssystem selbst lernen oder Eltern sind und damit manchmal auch lernen, immer wieder neu mit den Kindern mit lernen, so wie ich zum Beispiel, wenn die Schulform gewechselt wird, oder eben damit umgehen müssen, wie Kinder in diesem System Chancen haben oder eben auch nicht haben.
Deswegen will ich Frau Bull auch ausdrücklich für den absolut inhaltlichen und fast emotionslosen Beitrag danken.
Mir geht das auch so. Mir fällt es sehr schwer, die Emotionen herauszulassen, aber ich glaube, dass das einfach einmal angesagt ist, bei diesem Thema.
Was das Thema Finanzen angeht: Natürlich muss das Thema Finanzen nach Abschluss des Konvents gestaltet werden. Dann muss überlegt werden, wie hoch die Kosten wären, wenn man eine solche Empfehlung im Verhältnis 1 : 1 umsetzte, und man muss auch die volkswirtschaftlichen Renditen einbeziehen, die ein möglicherweise verändertes System bringen würde.
Ich will sie noch einmal nennen, damit sie hier auch noch einmal gesagt werden: Für mich gibt es volkswirtschaftliche und damit auch finanzielle Renditen, wenn wir weniger Übergänge in die Förderschulen haben. Für mich gibt es diese Renditen, wenn wir noch weniger Schulabbrecher haben. Für mich gibt es diese Renditen, wenn wir eine höhere Berufswahlsicherheit haben. Für mich gibt es diese Renditen auch, wenn wir Schülerinnen und Schüler nach der 10. Klasse mit einem höheren Leistungsdurchschnitt haben, die dann einfacher in eine Facharbeiterausbildung eintreten können und damit auch den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt stärken.
Selbstverständlich hat der Landtag das letzte Wort. Genauso wie Parlamentarierinnen und Parlamentarier sich irren können, können sie auch partiell fähig und unfähig sein. Wir bilden einen Querschnitt der Bevölkerung ab. Insofern würde ich es überhaupt nicht ausschließen, dass wir im Landtag einmal nicht Recht haben.