Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Warum allerdings der Ministerpräsident von sich aus keine Regierungserklärung abgibt, ist noch immer nicht klar. Nun könnte es auch in die folgende Richtung gehen. Ich kann mich an eine Diskussion zu einem Parkhaus erinnern; darin sollten sowohl Abgeordnete als auch Angestellte der Verwaltung Parkplätze erhalten. Dazu war aus der Staatskanzlei die Bemerkung zu hören: die Kameraden dort drüben. Das war nicht gerade sehr respektvoll.

Bei dem Thema Nichtraucherschutzgesetz - dies war ein Thema im Zusammenhang mit dem so genannten heißen Stuhl; das ist noch gar nicht lange her - hat der Ministerpräsident gesagt: Wir haben ein gutes Gesetz gemacht; und dann kam der Landtag, hat noch etwas dazugebastelt, und dann ist es uns vom Verfassungsgericht um die Ohren geschlagen worden. Nach dem Motto: Ich mache es schon richtig, aber die dort drüben...

Herr Ministerpräsident, Sie sind Mitglied dieses Landtages. Ich habe nicht gesehen, dass Sie gegen dieses Gesetz gestimmt haben. Ich habe auch nicht erlebt, dass Sie versucht haben, die Koalitionsfraktionen umzustimmen. Sie haben dieses Gesetz mit beschlossen. Sie sind ein Teil dieses Hauses. Ich gehe davon aus, dass ich mich irre, wenn ich annehme, dass der Umstand, dass Sie keine Regierungserklärung abgegeben haben, auf mangelnden Respekt zurückzuführen ist.

Aber pfiffig, wie wir sind, kam natürlich auch eine andere Möglichkeit infrage. Sie, Herr Ministerpräsident, haben Ihre letzte Regierungserklärung am 11. Oktober 2007 abgegeben. Das Thema war: „Sachsen-Anhalt auf dem Weg in eine offene Gesellschaft“. Nun meinten einige Mitglieder unserer Fraktion: Vielleicht haben wir es nicht gemerkt und dies war die Halbzeitregierungserklärung. Das würde allerdings heißen, dass Ihre Amtszeit ein bisschen früher endet. Das - so haben wir erfahren - hat Ihnen die SPD-Fraktion allerdings verboten. Das dürfen Sie gar nicht.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt zur Bilanz selbst. Es gibt eine schöne Broschüre aus dem Jahr 2006, in der alle Minister vorgestellt worden sind. Der Ministerpräsident hat darin kundgetan: Sachsen-Anhalt ist auf einem guten Weg und es bleibt noch viel zu tun. - Dem haben wir alle zugestimmt. Das war auch richtig; denn den Weg hatten wir gemeinsam eingeschlagen. Im Jahr 2006 hatten Sie sich einen anderen Partner geholt. Gleichwohl führte der Weg in die richtige Richtung.

Interessant ist das, was Frau Kuppe gesagt hat. Frau Kuppe hat gesagt, es sei ihr wichtigstes Anliegen, dass wir Politik zum Hierbleiben und zum Herkommen machen.

In der Bilanz der PDS habe ich jetzt gelesen, dass wir die rote Laterne in Bezug auf den Bevölkerungszuwachs haben. Das heißt, bei uns sind die meisten Menschen aus dem Land verschwunden. Den Anspruch, den Frau Kuppe gestellt hat, mit einer Politik zum Hierbleiben und zum Herkommen, hat die Regierung dann wohl nicht erfüllt.

(Herr Gürth, CDU: Das konnte Conny Pieper auch nicht verhindern!)

- Ich habe das ja nicht gesagt; sie selbst hat das gesagt.

Kommen wir zu den Kernthemen, mit denen Sie angetreten sind; nämlich Arbeit und Bildung. Schauen Sie sich das Thema Bildung an: Auf der einen Seite haben wir einen Konvent, der ohne gewollte Ergebnisse arbeitet, aber inzwischen eine Dauerfehde zwischen CDU und SPD manifestiert und pflegt. Man kann sagen: Frau Mittendorf gegen Frau Feußner, Herr Olbertz gegen Frau Kuppe und Herr Bullerjahn gegen Frau Budde - ach nein, das ist ja dieselbe Partei. Aber so ähnlich ist es.

Auf der anderen Seite muss man - sieht man sich die Regierungsarbeit an - sagen: Die Erlasswut im Ministerium für Bildung hat nicht nachgelassen; die funktioniert noch. Aber die Freiheit von Forschung und Lehre existiert nur auf dem Papier. Die Inhalte in der Schulpolitik bleiben offen. Diesbezüglich bleibt noch ein weites Feld und in der Halbzeitbilanz ist noch nichts Großes vorzuweisen.

(Beifall bei der FDP)

Das andere Thema ist: Arbeit. Ja, wir haben tatsächlich weniger Arbeitslose als Mecklenburg-Vorpommern, zumindest im September, und beim Abbau der Quote kommt man hier ein wenig schneller voran als im ostdeutschen Durchschnitt.

Aber zu den Fakten gehört auch, dass wir - das ist erfreulich - einen Beschäftigungszuwachs haben. Wir haben 100 000 Menschen mehr in Beschäftigung als zu Beginn der Legislaturperiode. Ich freue mich hierüber für den Wirtschaftsminister; ich freue mich für jeden Einzelnen, den das betrifft. Aber: Das entspricht einer Zuwachsrate von 0,9 % und das ist die geringste Zuwachsrate aller neuen Bundesländer.

Und auch das Wirtschaftswachstum liegt mit 2,1 % unter dem Durchschnitt aller neuen Bundesländer. - So rosig ist das also doch nicht.

Jetzt kommen wir zu der Frage: Sachsen-Anhalt kommt voran - aber wie? Ich will Ihnen erklären, was wir uns diesbezüglich vorgestellt haben: Stellen Sie sich einen Fluss vor, auf dem ein Boot treibt. Dieses Boot kommt voran, aber dieses Boot kommt aufgrund des natürlichen

Gefälles voran und nicht aufgrund seines eigenen Antriebs. Das ist vergleichbar mit diesen Themen. Es ist eben nicht so, dass Sachsen-Anhalt wirklich aus eigener Kraft besser vorangekommen ist. Das haben andere besser gemacht.

Stattdessen haben wir einen Aktionismus auf Nebenkriegsschauplätzen, der reine Symbolpolitik bedeutet und der handwerklich schlecht ist.

(Herr Gürth, CDU: Stimmt doch gar nicht! Unsinn!)

- Nein, Herr Gürth. Überlegen Sie einmal, selbst in Ihren eigenen Reihen wird darüber diskutiert, dass das Nichtraucherschutzgesetz Unsinn ist. Sie trauen sich natürlich nicht, das nach außen zu bringen.

(Herr Gürth, CDU: Die Welt hängt nicht an einem Gesetz!)

Es ist in Teilen auch verfassungswidrig. Diesbezüglich stimmt auch die Diagnose des Ministerpräsidenten nicht, dass es nur in gewissen Teilen verfassungswidrig sei, nämlich in den Teilen, die der Landtag gemacht hat. Es ist richtig, dass lediglich dieser Teil angegriffen wurde. Wenn demnächst ein Heimbewohner ein Gericht anruft, weil er nicht mehr rauchen darf, dann wird Ihnen auch dieser Teil um die Ohren geschlagen werden.

Sie bearbeiten ein Kinderschutzgesetz, welches keinen effektiven Schutz bringen wird und eher kontraproduktiv wirken kann, welches aber gleichzeitig die Wirkung hat, dass Eltern unter Generalverdacht gestellt werden und eine Stigmatisierung stattfindet. Dagegen gibt es - wiederum ein Gesetz aus dem Hause Kuppe - erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben eine Finanzamtsstruktur geschaffen, deren wesentliche Effekte nicht zu erkennen sind. Wahrscheinlich sind die Dinge am Ende teurer als vorher. Eine Verbesserung ist zumindest nicht erkennbar.

Sie basteln seit zweieinhalb Jahren an einem Gesetz gegen gefährliche Hunde.

(Frau Budde, SPD: Mit der FDP hat es das nicht gegeben!)

- Mit der FDP hat es das nicht gegeben, das ist richtig. - Wenn ein solches notwendig wäre, hätte es schon längst eine Einigung gegeben; aber der Druck ist nicht so groß. Sie haben ja noch nicht einmal eine Beißstatistik, um nachweisen zu können, dass der Bedarf für ein solches Gesetz vorhanden ist.

(Frau Budde, SPD: Dann hätten Sie doch in der letzten Legislaturperiode ein Gesetz vorlegen können!)

- Wir haben aus eben diesem Grund kein Gesetz gemacht; denn auch damals war schon kein Bedarf vorhanden. Sie folgen dem Druck der Straße und machen Populismus, mehr aber auch nicht.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben eine Justizstrukturreform durchgeführt, deren Ersparnis theoretisch bei 17 Millionen € in zehn Jahren liegt. Das ist im Vergleich zu den Steuerausfällen, die prognostiziert werden, ein völliger Witz. Aber Sie haben eines erreicht: Die Bürgernähe ist geringer geworden und die Effektivitätsgewinne wurden nicht nachgewiesen.

Sie machen eine Gebietsreform, deren ökonomische Effekte schon durch das von Ihnen selbst in Auftrag gegebene Gutachten in Zweifel gezogen werden.

(Herr Gürth, CDU: Aber, Herr Kollege Wolpert, dann müssen wir über die Kreisgebietsreform, die wir auf Druck der FDP gemacht haben, genauso sprechen!)

- Bei der Kreisgebietsreform haben Sie eine andere Grundlage. Und außerdem sind Sie gerade dabei zu versuchen, diese zu rechtfertigen durch eine Funktionalreform, was auch ein Trauerspiel ist.

(Herr Gürth, CDU: Man kann nicht mit zweierlei Maß messen!)

- Nein, nein, das ist nicht so. Das ist mit Sicherheit nicht so.

(Frau Budde, SPD: Als hätte die FDP alles bes- ser gemacht!)

Aber bei der Gemeindegebietsreform erzielen Sie einen wesentlich schlimmeren Effekt: Sie dezimieren drastisch die demokratische Teilhabe.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Politik der Landesregierung Effekte vortäuscht, aber letztlich nur Aktionismus ohne Wirkung betreibt. Die langwierigen Findungsprozesse innerhalb der Koalition

(Frau Budde, SPD: Sind demokratisch! Ich kann den Satz zu Ende führen!)

sind ein Trauerspiel. Was Sie hier veranstalten - -

Sie sagen, dass Sie eine solche Debatte im Landtag gar nicht brauchten. Sie antichambrieren jahrelang in Hinterzimmern und verkaufen dann die Ergebnisse, die Sie herausbringen, auch noch als große Erfolge, obwohl Sie keine Effekte nachweisen können. Das ist doch kein Erfolg Ihrer Politik. Das, was Sie da machen, ist doch lächerlich.

(Beifall bei der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich insoweit zum Schluss kommen. Sie haben in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode großes Glück gehabt: Der Fluss ist relativ schnell geströmt; Sie haben Steuereinnahmen gehabt, die Sie nicht selbst generieren mussten, die Ihnen vielmehr beschert wurden. Aber Sie haben Stromschnellen vor sich. Die Finanzkrise ist der Ausblick. Sie sehen die Wirtschaftskrise, die kommen wird, Sie sehen die Steuerausfälle, die jetzt schon prognostiziert werden. Es wird nicht mehr einfach sein. Ihr Antichambrieren wird nicht mehr ausreichen.

(Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

- Herr Miesterfeldt, das Problem ist doch, dass Sie damit umgehen müssen; Sie sind doch an der Regierung. Und Sie sind eine Mannschaft, die damit nicht umgehen kann, wenn es schwierig wird. Das ist doch zu sehen.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD - Un- ruhe)

Und, Herr Ministerpräsident, wenn Sie ein Boot steuern wollen, muss dieses schneller sein als die Strömung. Da Sie nun keinen Motor mehr haben, müssen Sie der Mannschaft das Rudern beibringen. Dabei hilft es Ihnen nicht, wenn Ihr Erster Offizier begeistert meldet, das Boot hätte kein Leck. Sie haben keinen Motor - das ist das Problem Ihrer Politik.

Herr Ministerpräsident, zum Abschluss möchte ich natürlich den Stolz und die Freude der FDP darüber zum Ausdruck bringen, dass wir Ihnen die Gelegenheit gegeben haben, all die Irrtümer, die ich gerade vorgetragen habe, auszuräumen und uns darüber aufzuklären, wie Ihre Politik wirklich gewesen ist. - Danke schön für die Aufmerksamkeit.