Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Herr Ministerpräsident, zum Abschluss möchte ich natürlich den Stolz und die Freude der FDP darüber zum Ausdruck bringen, dass wir Ihnen die Gelegenheit gegeben haben, all die Irrtümer, die ich gerade vorgetragen habe, auszuräumen und uns darüber aufzuklären, wie Ihre Politik wirklich gewesen ist. - Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank für die Einbringung. - Jetzt erteile ich der Landesregierung das Wort. Herr Ministerpräsident, bitte schön, Sie können jetzt reden.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Debatte kommt nicht überraschend. Sie ist insofern auch berechtigt, als ich - das will ich gleich zu Beginn zugeben - Anfang September angekündigt habe, ich würde in der Oktobersitzung des Landtages eine solche Regierungserklärung abgeben. Sie, Ihre Fraktion, haben ja auch nachgefragt, wann es denn nun etwas damit wird und ob es denn nun kommt usw. Also ist das alles nichts ganz Neues.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Sie, lieber Herr Wolpert, haben sich jetzt über die Redezeit gequält mit dem mühsamen Suchen von Begründungen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das hätten Sie viel einfacher machen können. Sie hätten doch sagen können: Wir wissen sowieso alles,

(Frau Budde, SPD: Genau!)

und wir wissen, dass das, was ihr gemacht habt, ein Trauerspiel ist, Aktionismus ohne Effekt usw. usf. - das haben wir alle gehört -, aber wir möchten das endlich mal zu Protokoll geben und hier sagen dürfen. - Das haben Sie jetzt gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Frau Bud- de, SPD, lacht)

Aber Sie haben zum Glück - das macht mir die ganze Geschichte leicht - nicht gesagt, dass Ihnen das alles neu gewesen wäre. Denn schon bevor die Halbzeit erreicht war, nämlich Mitte September, haben Sie dies alles in Ihrer lustigen Broschüre beschrieben, die ganze Pannenstatistik aufgeführt. Ich sage es einmal ganz ehrlich: Ich habe das mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen; denn die lockere Art, mit dem Problem umzugehen, ist mir viel lieber, als wenn das jemand ganz verbissen macht.

(Frau Budde, SPD, lacht)

Aber Sie haben noch etwas anderes gemacht. Sie haben nicht nur hineingeschrieben, was wir alles falsch und schlecht und sinnlos gemacht haben, Sie haben auch hineingeschrieben: Die gelben Engel der FDPFraktion werden es richten, wenn sie denn dazu kommen können.

(Zustimmung bei der FDP - Lachen bei der CDU und bei der SPD)

Es stehen auch ein paar interessante Hinweise dazu darin. Es steht nicht nur da, was wir alles falsch gemacht

haben - das sagt die Opposition immer und das wird auch so bleiben -; Sie haben auch dazu geschrieben, wie Sie es besser machen würden. Sie haben gesagt: Wir müssen die Steuern senken. Zwei Seiten weiter schreiben Sie, welches Mehr an staatlichen Maßnahmen gezahlt und gefördert werden muss.

(Frau Budde, SPD: Richtig!)

Als ich das gelesen habe, habe ich endlich verstanden, was mir lange Zeit unklar war: weshalb es für ein Mitglied Ihrer Fraktion nahezu eine persönliche Demütigung ist, zum Finanzminister berufen zu werden - das geht dann nämlich nicht mehr auf. Über diese Probleme muss man dann natürlich auch einmal reden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Hei- terkeit bei der SPD)

Genauso spannend ist es, wenn Sie zum einen von mehr Eigenverantwortung und weniger staatlichem Dirigismus und weniger Regulierungswut schreiben und zum anderen, etwa zwei Seiten später, sagen, was der Staat regeln muss in dem Sinne, wie Sie es gern hätten. Das ist dann eine Problematik, über die man selbstverständlich auch in einem Parlament reden muss; wir haben ja gar nichts dagegen.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Ich habe auch - Herr Gallert spricht erst später - die ganzen 19 Seiten der Fraktion DIE LINKE gelesen über das, was sie an uns auszusetzen hat. Das habe ich mit Respekt gelesen. Es ist nicht so, dass ich Ihrer Meinung wäre, aber ich habe zumindest Respekt davor, wie Sie versucht haben, Halbsätze aus den Medien so zusammenzubasteln, dass aus mir ein Pirouettenkünstler wird. Das ist schon nicht ganz ohne, das muss ich mal sagen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Herr Gallert, DIE LINKE: Das war nicht so schwer, Herr Böhmer!)

Insofern will ich wenigstens die Fleißarbeit loben, mehr nicht, aber die Fleißarbeit schon.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun aber mehr zu den sachlichen Problemen. Ich hatte allen Ernstes nicht vor - da muss ich Sie bitten, mich so zu nehmen, wie ich nun einmal bin -, mich vor Sie hinzustellen und mir in einer Regierungserklärung unentwegt selbst auf die Schulter zu klopfen. Das erwarten Sie bitte nicht von mir.

Aber ich hatte vor und habe noch vor - das werden Sie aushalten müssen -, in der nächsten Zeit eine Regierungserklärung abzugeben zu dem, was wir in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode noch vor uns haben und gemeinsam schultern müssen. Das ist mir wichtig und das wird auch kommen. Dass wir die Termine, die ich eingeplant hatte, nicht halten können, hing mit dem zusammen, was Sie eben „die Strömung im Fluss“ genannt haben. Denn die insgesamt sich ändernden Rahmenbedingungen werden an uns nicht spurlos vorübergehen.

Wir werden uns - dazu hatte ich die Fraktionsvorsitzenden ja auch eingeladen - in einer Woche mit diesem Finanzmarktstabilisierungsgesetz auseinandersetzen müssen. Noch weiß niemand, was das für uns in Deutschland und für uns in Sachsen-Anhalt bedeutet. Aber wir werden es vermutlich im nächsten Vierteljahr mitbekommen und daran müssen auch unsere Prämissen ausgerichtet werden. Das wird anders nicht gehen.

Zurzeit bastelt die Bundesregierung an einem Beschäftigungssicherungsgesetz mit einem Konjunkturprogramm. Ich will das jetzt noch nicht bewerten. Ich will nur eines sagen: Wenn die Bundesregierung sich ein Programm einfallen lässt, das zu 53 % oder zu 57 % - das weiß ich nicht genau; ich zitiere jetzt den Finanzminister von Rheinland-Pfalz -, jedenfalls aber zu mehr als 50 % zulasten der Landeshaushalte und der Gemeindehaushalte geht, dann wird das zu einer kritischen Diskussion führen.

Ich sage jetzt schon, dass wir am 12. Dezember 2008 - an diesem Tag ist hier leider auch eine Landtagssitzung - eine außerordentliche Bundesratssitzung und am 19. Dezember 2008 eine zweite Bundesratssitzung dazu haben werden; denn das alles soll vor Weihnachten noch unter Dach und Fach gebracht werden. Und zurzeit laufen noch erhebliche Diskussionen darüber, wie die Dinge nun endgültig strukturiert werden. Das ist im Bundestag noch nicht klar, im Bundesrat schon gar nicht. Aber all das wird Auswirkungen auf uns in SachsenAnhalt und auf die anderen Bundesländer haben.

Deswegen habe ich mir vorgenommen, erst diese Entscheidungsfindung abzuwarten. Ich gehe davon aus, dass ich, nachdem diese neuen Strukturen geschaffen worden sind, entweder im Januar oder im Februar das Material dazu zusammen haben werde, um mit sachlichem Hintergrund und damit berechtigt vor Sie treten zu können und Ihnen das vorzuschlagen, was aus meiner Sicht und aus der Sicht der Landesregierung in der zweiten Hälfte der laufenden Legislaturperiode noch geschehen muss.

Dass ich dann natürlich auch auf die erste Hälfte dieser Legislaturperiode, auf das, was wir darin gemacht haben, zu sprechen komme, ist selbstverständlich. Dass unsere Einschätzungen dazu unabhängig davon, ob wir zu dieser oder zu jener Partei gehören, aber abhängig davon, ob wir Koalitionspartner oder Opposition sind, auseinander gehen, war schon immer so und wird immer so bleiben. Ich weiß heute schon, was Sie sagen werden.

Insofern ist es nicht so, dass tatsächlich etwas Substanzielles verpasst worden ist. Mich hier hinzustellen und öffentlich, sagen wir einmal, ein bisschen Parlamentsklamauk zu machen, damit Sie hier all das sagen können, was Sie schon aufgeschrieben haben, war mir im Grunde genommen zu wenig. Deswegen möchte ich den Termin dann festlegen und vom Parlament, von Ihnen, erbitten, wenn die Rahmenbedingungen, über die wir zurzeit sprechen, einigermaßen erkennbar sein werden.

Ich kann das erst heute Abend in einem anderem Zusammenhang sagen, aber hier zumindest schon erwähnen: Zurzeit laufen bundesweit ganz schwierige Diskussionen über die Neustrukturierung der Banken in Deutschland.

Ich habe heute früh einen Brief der Sparkassenvorstände bekommen, dem zu entnehmen ist, dass sie die gesamte Struktur der Landesbanken umstellen möchten. Wir werden uns am Montag zusammenfinden und mit den anderen Ministerpräsidenten darüber nachdenken, welcher Regulierungsbedarf hierbei besteht.

Einige Länder, zum Beispiel Bayern, sind froh, dass der Bund ihnen mit einer Bürgschaft die Anteile an der Landesbank abgenommen hat. Der bayerische Ministerpräsident hat schon mitgeteilt, dass er nicht die Absicht hat, sie vom Bund zurückzukaufen.

Also: Da ist zurzeit so viel strukturelle Bewegung, die auch an uns nicht spurlos vorbeigehen wird, dass ich mich hier nicht hinstellen und nur die Probleme aufzeigen möchte. Vielmehr möchte ich, soweit es erkennbar sein wird, andeuten, in welche Richtung die Entwicklung weitergehen wird.

Dass wir im letzten halben Jahr nicht etwa nichts zu bieten gehabt hätten und dass die Zahlen, die wir vorgelegt haben, nicht von uns erfunden sind, wissen Sie längst. Sie alle bekommen von den statistischen Landesämtern regelmäßig die Statistiken in Ihre Postfächer gelegt. Insofern ist Ihnen das gesamte Material bekannt. Die Statistiken, die wir veröffentlicht haben, enthalten Daten des Statistischen Landesamtes, also nicht irgendwie zurechtgepfriemelte Zahlen, sondern es ist Material, das Sie kennen.

All das, was Sie über den Arbeitsmarkt gesagt haben, was Sie zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes vorgebracht haben, was Sie bezüglich des Wachstums der Wirtschaft im Bereich des produzierenden Gewerbes geäußert haben, ist ja richtig.

Es ist auch richtig, dass es einen Wirtschaftsraum Sachsen-Anhalt allein und abgeschottet nicht gibt und auch nie gegeben hat, sondern dass wir ein Teil des Wirtschaftsraumes Deutschland, besser gesagt: Teil des Wirtschaftsraums der Europäischen Union sind. Dort ist zurzeit viel Gestaltungsaktivität zu konstatieren.

Wir haben gestern in der Ministerpräsidentenrunde die Bundeskanzlerin gebeten, in Brüssel bei der Vorbereitung der nächsten EU-Förderperiode ab 2013 dafür zu werben, dass die EU nicht, wie sie es eigentlich vorhat, ihre Förderstrukturen ändert.

Seit in der EU 27 Länder sind, gibt es eine Mehrheit dafür, nicht mehr die Wirtschaftsregionen, sondern die Länder zu fördern. Dann wäre es uninteressant, wie die Wirtschaftskraft Sachsen-Anhalts ist. Wir wären dann für die EU keine abgeschlossene Region mehr. Vielmehr wäre Deutschland insgesamt mit seiner Wirtschaftskraft dann ein Teil der Europäischen Union.

Dann müsste entschieden werden: Estland, Lettland, Portugal oder Deutschland - wer bekommt Fördermittel? Dann würde die EU sagen: Wir wollen die internen Probleme nicht mehr in Brüssel diskutiert haben, das macht ihr gefälligst bei euch zu Hause. Das wäre für die neuen deutschen Bundesländer eine Erschwerung ihrer Position. Deswegen geben wir uns Mühe, darauf hinzuwirken, dass die derzeitige Entscheidungsfindung nicht gegen uns läuft.

Das alles sind Probleme, die gegenwärtig im Fluss sind und bezüglich deren ich, bevor ich vor Sie trete und eine Regierungserklärung abgebe, wenigstens wissen möchte, in welche Richtung die Entwicklung weitergeht, damit wir uns dann gemeinsam in diesem Haus darüber austauschen können, wie wir die Politik in Sachsen-Anhalt weiter an die Veränderung der Rahmenbedingungen anpassen werden.

Dies alles sage ich Ihnen zu, Herr Wolpert, bitte aber um Verständnis für Folgendes: Ich möchte nicht mit Absichtserklärungen ohne gesicherten Hintergrund vor das Parlament treten. Deswegen bitte ich um noch ein wenig Geduld. - Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Wir kommen dann zu den Debattenbeiträgen. Als erster Rednerin erteile ich für die Fraktion der SPD Frau Budde das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß ja nicht, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie es Ihnen ging, aber ich habe mich doch ein wenig gewundert, als die FDP diese Aktuelle Debatte beantragt hat.

Es gab ja im Sommer eine breite mediale Berichterstattung über die Halbzeitbilanz dieser Regierung. Damals ist die Regierung zu Wort gekommen und es sind auch die Fraktionen zu Wort gekommen. Das Einzige, das die FDP dazu beizutragen hatte, war jedoch ein dünnes Comic-Heft,

(Zurufe von der FDP - Herr Wolpert, FDP, lacht)