Protokoll der Sitzung vom 23.01.2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen die 27. Sitzungsperiode fort. Ich eröffne die 52. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt. Ich begrüße alle Anwesenden auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich möchte daran erinnern, dass sich Staatsminister Herr Robra für den heutigen Tag entschuldigt hat. Ich will Ihnen das nur der guten Ordnung halber noch einmal mitteilen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Aktuelle Debatte

Zukunft der Sportförderung in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/1721

Die Fraktionen und die Landesregierung erhalten jeweils eine Redezeit von zehn Minuten. Darauf hatten wir uns verständigt. Zunächst erteile ich der Antragstellerin, der FDP-Fraktion das Wort. Frau Dr. Hüskens, bitte schön, Sie haben das Wort zur Einführung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, Sie werden genau wie ich zum Jahreswechsel neben hoffentlich freundlichen und zahlreichen Weihnachtsgrüßen auch einiges an Post aus Ihren Sportvereinen und aus den Kreissportbünden bekommen haben. Diese Post war weniger erfreulich.

(Unruhe)

Die Kreissportbünde haben Ihnen vorgetragen, dass sie nun doch mit der Kofinanzierung der entsprechenden institutionellen Förderung Probleme haben, anders als das vorher angesagt worden war. Sie haben Ihnen geschrieben, dass sie ein Defizit in Höhe von 20 000 bis 30 000 € haben. Bei allem Verständnis für einen Eigenanteil bei institutioneller Förderung haben sie Ihnen auch geschrieben, dass sie nach wie vor nicht wissen, welche Grundparameter sie für die Vertragsgestaltung heranzuziehen haben.

Das heißt - das ist zumindest mir so geschrieben worden -, dass die Präsidenten der Kreissportbünde und auch der Landesfachverbände nicht einmal wissen, welche Wertigkeit die Stellen im Laufe des Jahres erhalten werden, die sie ihren Mitarbeitern anbieten sollen. Das bedeutet, dass in den Verträgen eine Klausel enthalten ist, dass die Mitarbeiter, wenn es im Laufe des Jahres zu einer Überprüfung käme und die Wertigkeit abgesenkt würde, entsprechende Gelder zurückzuzahlen hätten. Wenn das so wäre, muss ich offen gestehen, wäre das sittenwidrig. Ich hoffe, Frau Kuppe, dass Sie das heute hier aufklären können.

(Zustimmung bei der FDP)

Das Thema, das uns zu der heutigen Aktuellen Debatte bewegt hat, sind allerdings nicht die Kreissportbünde und die Landesfachverbände. Diese werden hier im

Land von einer Reihe namhafter Persönlichkeiten vertreten, und ich bin mir ganz sicher, dass diese durchaus zu einem auskömmlichen Kompromiss mit dem Ministerium kommen werden.

Was mir Sorgen macht, ist die pauschale Vereinsförderung. Diese lag im letzten Jahr bei 1,5 Millionen €

(Herr Bischoff, SPD: Im Ausschuss!)

und ist - das klingt zunächst einmal positiv - für das Jahr 2009 auf 2 Millionen € erhöht worden, und man hat die Parameter verändert. Ich hatte bei der Verabschiedung eigentlich erwartet, dass die meisten Vereine eher mehr Geld kriegen würden.

(Frau Fischer, SPD: Wie soll das denn gehen?)

- Eine halbe Million Euro, Frau Fischer, müsste sich im Land eigentlich bemerkbar machen.

(Zuruf von Frau Fischer, SPD)

Frau Fischer, nach der Richtlinie ist der Fördergegenstand, die Tätigkeit der aktiven Übungsleiter, den Trainings- und Wettkampfbetrieb, Sportveranstaltungen und den Erwerb von Sportgeräten bis zu einem Betrag von weniger als 5 000 € zu fördern. Überraschenderweise haben sich in den Briefen zum Jahreswechsel aber ausgerechnet die Vereine gemeldet, die einen intensiven Wettkampfsport betreiben und die viele Übungsleiter für ihre Mitglieder haben. Das ist ein Widerspruch, den ich mir zunächst gar nicht habe erklären können.

Ich bin einmal losgezogen - ich denke, Frau Kuppe, Sie werden das auch getan haben - und habe versucht, aus den Kreissportbünden und aus den Vereinen Zahlen zu bekommen. Haushälter haben ja immer eine Tendenz dazu.

Leider hat sich dieser erste Eindruck bestätigt: Mit einer Förderrichtlinie, deren Ziel es ist, den Wettkampfsport, Sportveranstaltungen und den Erwerb von Sportgeräten zu fördern, fördern wir ausgerechnet Vereine, die dies nicht tun, und benachteiligen wir die Vereine, die bisher im Bereich des Jugend- und Leistungssports aktiv waren.

(Beifall bei der FDP)

Ich will Ihnen einfach ein paar Zahlen nennen, und zwar quer durch das Land: Lokomotive Aschersleben - der Verein hat etwa 1 000 Mitglieder und 90 Übungsleiter - verliert jetzt etwa 5 000 €. Der Haldenslebener Sportclub verliert etwa 8 000 €. Der Genthiner Straßenradsportverein verliert die Hälfte seiner Förderung und im JudoClub Genthin sind es 70 %.

Die Kreissportbünde haben darüber hinaus mitgeteilt, dass ausgerechnet die Vereine, die einen Schwerpunkt auf betreuungsintensiven Individualsportarten hätten, diejenigen seien, die jetzt Geld verlören. Ich nenne einmal Boxen, Schwimmen, Kanu, Rudern, Leichtathletik und Turnen. Die Damen und Herren, die sich ein bisschen mehr mit Sport beschäftigen, wissen, dass das genau die Schwerpunktsportarten in Sachsen-Anhalt sind.

Diese Logik kann ich nicht nachvollziehen; denn das heißt, wir benachteiligen die Sportvereine, die die Basis für unseren Leistungssport bilden. Wenn der Leistungssport aber funktioniert, dann kenne ich den einen oder anderen Politiker hier im Saal, der besonders gerne mit den erfolgreichen Leistungssportlern auf einem Bild sein

möchte. Dafür müssen wir in den Vereinen aber natürlich irgendwann die Grundlage legen und das machen wir im Augenblick nicht.

(Zustimmung bei der FDP)

Offensichtlich hat sich die Umstellung von 120 € pro Übungsleiter auf jetzt 60 € doch deutlich stärker ausgewirkt, als dies erwartet worden ist. Dem einen oder anderen von Ihnen mögen vielleicht die Summen, die ich genannt habe, nicht wahnsinnig hoch vorkommen und der eine oder andere sagt vielleicht: Mein Gott, 60 € pro Übungsleiter sind doch nicht die Welt und 5 000 € für einen Verein mit 1 000 Mitgliedern sind doch auch nicht die Welt. Für die Vereine wird es aber schwieriger, ihre Übungsleiter zu bezahlen, und - das finde ich noch viel wichtiger - draußen kommt an, dass wir die ehrenamtliche Tätigkeit gerade im Kinder- und Jugendsport nicht mehr so ernst nehmen.

(Zustimmung bei der FDP und von Herrn Mewes, DIE LINKE)

Wir setzen, ob gewollt oder nicht gewollt - Frau Kuppe, dazu müssen Sie einfach einmal etwas sagen -, die ökonomischen Anreize anders als bisher und auch gegenteilig zu dem, was wir uns zum Ziel der Förderung gesetzt haben.

Nun gibt es natürlich dort, wo Vereine Geld verlieren, auch Vereine, die mehr Geld bekommen. Ich habe mir das auch einmal angesehen. Die Vereine schreiben natürlich nicht; das ist völlig klar und nachvollziehbar. Das sind tatsächlich die Vereine, die wenig Wettkampfsport betreiben und viel Freizeitsportler haben. Das heißt eigentlich, es sind Vereine, die den Fördergegenstand nur zu einem geringen Maße erfüllen.

Am Anfang der Legislaturperiode haben wir hier über die Sportstättenverordnung des Landes diskutiert. Eigentlich haben wir mindestens zwei Jahre lang darüber geredet. Für die Förderung dieser Vereine sind entsprechend dieser Verordnung die Kommunen und nicht das Land zuständig. Demzufolge gehen wir jetzt in einen Bereich hinein, für den das Land nicht zuständig ist. Wenn wir es mit der Subsidiarität ernst nehmen, dann dürfen wir uns in diesen Bereich eigentlich nicht einmischen.

Mir erscheint das, wie es sich in der Praxis auswirkt, völlig unlogisch zu sein - ich hoffe, dass ich damit richtig liege - und das bringt mich zu dem Schluss, dass die Verschiebung vom Nachwuchsleistungssport zum Freizeitsport hoffentlich eher ein Versehen als ein Vorsatz ist.

(Beifall bei der FDP)

Wenn dem nicht so wäre, dann würde das bedeuten, dass wir uns in Sachsen-Anhalt von systematischer Leistungssportförderung verabschieden oder diese in deutlich kleinerem Umfang als bisher betreiben. Wenn Sie das wollen, Frau Kuppe, dann sollten Sie darüber mit uns zumindest offen diskutieren und das nicht durch die kalte Küche einführen, dass Sie dem Leistungssport die Basis entziehen.

Als Haushälter habe ich mir natürlich einmal angesehen, was die Vereine im Jahr an Geld erhalten, die jetzt neu Geld bekommen. Das ist ganz interessant. Die meisten Vereine bekommen jetzt 100 € oder 200 €. Die geringste Fördersumme, die ich gefunden habe, hatte einen Umfang von 20 € für einen Verein mit zehn Mitgliedern ohne Übungsleiter. Ich bin doch einmal sehr gespannt, welche

Verwendungsnachweise die vorlegen, wofür sie die Mittel ausgegeben haben; denn die Verwendungsnachweisprüfung kommt natürlich immer. Mir macht es Sorge, dass der Aufwand für die Gewährung der Zuwendung und die Verwendungsnachweisprüfung deutlich höher sein wird als die 20 €, die der Verein bekommt.

(Frau Fischer, SPD: Das war vorher nie so!)

Wir werden dies natürlich genau wissen, da die Investitionsbank die Arbeit übernehmen und uns sicherlich eine sehr schöne Rechnung darüber erstellen wird.

(Frau Fischer, SPD: Das kostet bis dahin schon Geld!)

Es macht mir auch Sorgen, wenn ich zum Beispiel aus den Anglervereinen höre, dass sie jetzt überlegten, ob sie mit den Geldern, die sie nun bekämen, Fische kaufen sollten. Ich hatte vorhin vorgelesen, dass die Mittel nach der Richtlinie für die Bezahlung von Trainings- und Übungsleitern, von Wettkampf- und Sportveranstaltungen sowie von Sportgeräten mit einem Wert von weniger als 5 000 € gedacht sind.

Ich habe inzwischen gelernt - man kümmert sich dann um derartige Themen -, dass Angler ganz selten Sportveranstaltungen haben, eigentlich keinen Trainingsbetrieb kennen wie in anderen Sportarten und auch keine Wettkämpfe machen. Ich muss ganz offen gestehen, Frau Kuppe, ich tue mich ein bisschen schwer, Fische als Sportgeräte zu definieren.

(Beifall bei der FDP)

Wenn das so ist, dass Fische keine Sportgeräte sind, dann bedeutet das, dass wir denen jetzt in einer pauschalierten Zuwendung Geld geben, zum Teil 2 000 € oder 3 000 €, und am Jahresende wahrscheinlich die Investitionsbank kommen und sagen wird: Das ist eine Fehlverwendung der Mittel. Zahlt die Gelder zurück. - Ich glaube, dann verliert die Verwaltung den letzten Respekt und die letzte Glaubwürdigkeit bei den Sportvereinen. Die ist im Augenblick ohnehin schon auf dem Rückzug.

(Beifall bei der FDP)

Um das einmal zusammenzufassen: Obwohl wir mit der Richtlinie eigentlich Nachwuchsleistungssport und Jugendsport fördern wollen und obwohl in den Schreiben, die Frau Dienel nun auch massenhaft ins Land geschickt hat, immer wieder betont wird, wir wollen das Ehrenamt fördern, machen wir in der Praxis genau das Gegenteil. Es gewinnen die Vereine, in denen viele Freizeitsportler sind, denen wir uns anschließen würden; denn ich glaube nicht, dass aus irgendeinem von uns noch einmal ein hoffnungsvoller Nachwuchsleistungssportler wird. Die Zeiten sind bei uns allen vorbei.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Na, na!)

Die Vereine hätten Vorteile davon, weil sie dafür Geld bekämen. Die meisten von uns würden auch nicht mehr so viele Übungsleiterstunden in Anspruch nehmen müssen. Wenn das so ist, dann - das muss ich ganz offen gestehen, Frau Kuppe - müssen Sie mir den höheren Sinn erklären, der darin liegt.