Protokoll der Sitzung vom 20.02.2009

erhaftigkeit, Nachhaltigkeit und nicht zuletzt auch in Richtung Veränderungen bei den Anreizsystemen und den Vergütungsstrukturen gesteuert wird. Schließlich fördern auch die konjunkturellen Maßnahmen der Bundesregierung die wirtschaftliche Revitalisierung über das Jahr 2009 hinaus.

Allein, die Finanz- und Wirtschaftskrise ist nicht das einzige Problem der heutigen Zeit, denn auch die europäischen Werte wie Freiheit, Frieden, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit müssen mehr denn je gegen Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Fundamentalismus verteidigt werden, meine Damen und Herren.

Der internationale Terrorismus, die organisierte Kriminalität, ethnische Konflikte, der Zerfall von Staaten, illegale Einwanderung und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen werden zu einer ernstzunehmenden Bedrohung, der wir uns alle stellen müssen. Nicht zuletzt zeigt das aktuelle Beispiel der Sicherheit der Energieversorgung angesichts des noch anhaltenden Winters auf, dass eine nach innen und außen starke Europäische Union dringender denn je benötigt wird.

Meine sehr verehrten Kollegen! Die letzte Regierungserklärung unseres Europaministers vom 7. Mai 2004 ging darauf ein. Damals haben wir uns - das war vor ca. fünf Jahren - noch darüber verständigen müssen, welche Möglichkeiten sich für unser Land in einem vereinten Europa ergeben.

So ist genau diese politische Erfolgsgeschichte unseres Kontinents nach der Auffassung der CDU-Fraktion die beste Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung und auf die aktuellen Turbulenzen auf den Weltmärkten.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Kein einziger Mitgliedstaat kann die Herausforderungen allein meistern. Nur wenn wir unsere Stärken bündeln, haben wir eine Chance. Mit ihrer Erweiterung wurde die Europäische Union politisch und wirtschaftlich endgültig zu einem Global Player. Der europäische Binnenmarkt mit einem freien Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr sowie die Idee einer politischen Union waren dabei stets die treibenden Kräfte für die europäische Integration.

Damit die Europäische Union international weiterhin wettbewerbsfähig bleibt und Deutschland von einem starken europäischen Wirtschaftraum profitieren kann, müssen die Wachstumskräfte der EU gestärkt werden. Dies gelingt nur, wenn die soziale Marktwirtschaft das Leitprinzip europäischer Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ist. Die soziale Marktwirtschaft ist die effektivste und gerechteste Wirtschaftsform.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

- Herr Dr. Thiel, das ist zumindest unsere Überzeugung.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Fangen Sie einmal an, das umzusetzen!)

- Ich glaube, wir sind dabei auf einem guten Weg

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Na ja!)

Sie schafft Wachstum und Arbeitsplätze und sorgt für einen sozialen Ausgleich. Kreativität, Innovation und unternehmerischer Gründergeist entstehen nur in einem Klima der verantwortlichen Freiheit, welche Eigeninitiative, Leistungswillen und nachhaltiges soziales Engagement belohnt.

Deshalb setzt sich die CDU-Fraktion dafür ein, dass europäische Regeln unsere Wirtschaft strukturell stärken, uns vor unverantwortlichen Spekulationen schützen und für eine nachhaltige Belebung der Konjunktur und für einen Abbau der Arbeitslosigkeit sorgen, meine Damen und Herren.

Die am 16. Juli 1992 vom Landtag beschlossene Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt beschreibt das Land in Artikel 1 als „Teil der europäischen Völkergemeinschaft“ und bezeichnet es als Ziel aller staatlichen Tätigkeit, „das Land Sachsen-Anhalt zu einem lebendigen Glied... der Gemeinschaft aller Völker zu gestalten“. Die aktive Teilnahme des Landes am europäischen Integrationsprozess resultiert somit unmittelbar aus unserer Landesverfassung. Sie ist Auftrag und Aufgabe zugleich.

Den Müttern und Väter unserer Landesverfassung sei Dank für diese weise Vorausschau; denn Sachsen-Anhalt ist heute von vielen Entscheidungen der Europäischen Union - meine Vorredner gingen bereits detailliert darauf ein - direkt oder indirekt stark betroffen. Das gilt nicht nur für die Erweiterung der Europäischen Union, sondern auch für die Reform einzelner Politikbereiche. Beispielhaft hierfür nenne ich die integrierte Energie- und Klimaschutzpolitik sowie die europäische Außenpolitik.

Für unser Land ist es daher von geradezu überlebenswichtiger Bedeutung, seine Interessen wirksam gegenüber der Europäischen Union zu vertreten, aktiv Einfluss auf Entscheidungsprozesse zu nehmen und gemeinsam mit anderen Regierungen die Kräfte zu bündeln, um sich Gehör zu verschaffen.

In diesem Kontext möchte ich die europäischen Ziele und Interessen Sachsen-Anhalts in drei Kategorien unterteilen:

Das sind erstens die künftige Ausgestaltung der europäischen Strukturpolitik und die Nutzung der europäischen Förderprogramme zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft sowie die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Zweitens geht es um den Auf- und Ausbau von internationalen Kontakten und Partnerschaften unseres Landes mit Staaten und Regionen innerhalb und außerhalb Europas.

Das ist drittens die Stärkung des Europabewusstseins unserer Bevölkerung durch eine umfassende Informationspolitik.

Diesbezüglich ist es richtig - gestatten Sie mir diesen Schwenk zu dem, was der Kollege Czeke angesprochen hat; in der gestrigen Vorbesprechung wurde das thematisiert -, bei der guten Praxis zu bleiben - dazu hatten wir uns teilweise schon verständigt -, die Koordinierung gerade in der Europa-Woche nicht einzelnen Abgeordneten zu überlassen.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Vielmehr sollten wir dafür Sorge tragen, dass die Landeszentrale für politische Bildung wieder eine integrierende Funktion übernimmt. Darüber hatten wir uns verständigt. Denn ansonsten kann es tatsächlich zu den Problemen kommen, die Sie, Herr Kollege, beschrieben haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich diese Schwerpunkte, nämlich die der europapolitischen Interessen Sachsen-Anhalts, näher beleuchten. Je größer die Europäische Union wird, desto stärker sind die Strukturen und Entscheidungsmechanismen an die neuen Herausforderungen anzupassen. Niemand, der wirklich ein geeintes Europa will, kann ein Interesse daran haben, dass die Europäische Union lediglich als Freihandelszone besteht, ohne eine echte Gemeinschaft zu sein.

Wir sind daher der festen Überzeugung, dass Europa den Vertrag von Lissabon benötigt, der die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union nach innen und außen stärkt, ihre Vertiefung gewährleistet und die Mitwirkungsrechte der Länder und Regionen auf europäischer Ebene erweitert. Einen bedeutenden Schritt hin zu diesem Ziel hat die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 erbracht. Damals ist es gelungen, einen Teil der Stagnation und Ratlosigkeit in Europa zu überwinden - das ist nicht nur die Einschätzung der CDUFraktion; das kann man auch nachlesen -

(Herr Höhn, DIE LINKE: Wir lesen einmal!)

- Herr Höhn, das ist so - und eine neue Entschlossenheit und Geschlossenheit der Europäischen Union spürbar werden zu lassen.

Wir hoffen insoweit auf einen positiven Ausgang der noch offenen Zustimmungsverfahren einzelner Mitgliedstaaten, insbesondere auf einen positiven Ausgang des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Äußerungen von Herrn Staatsminister Robra zu diesem Thema bestärken uns außerdem in der Annahme, dass der Vertrag von Lissabon in sehr greifbare Nähe rückt.

Die Schwierigkeiten bei der Vollendung des EU-Reformvertrages haben jedoch auch gezeigt, dass die Europäische Union einer Phase der Konsolidierung bedarf, in der die Festigung der Identität der Institutionen der Europäischen Union Vorrang vor weiteren raschen EUBeitritten hat. Die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union kann nicht in jedem Fall die einzige Antwort auf den Wunsch nach einer europäischen Perspektive sein.

(Herr Kosmehl, FDP: Nicht bei allen!)

- Ich komme darauf zu sprechen, Herr Kollege. - Für den Beitritt zur Europäischen Union ist die Erfüllung des Kriteriums der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union ebenso wichtig wie die strikte Erfüllung aller politischen und wirtschaftlichen Kriterien durch die Bewerberländer. Mit der Türkei werden ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen geführt. Wir halten jedoch eine privilegierte Partnerschaft der Türkei mit der Europäischen Union für die richtige Lösung und werden uns künftig weiter hierfür einsetzen.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der europäische Einigungsprozess bedeutet für Sachsen-Anhalt wiederum, alle Aktivitäten zu bündeln, um unser Land als leistungsfähigen Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturstandort in Europa darzustellen. Von besonderer Wichtigkeit ist hierbei die optimale Nutzung der EU-Förderprogramme. Meine Kollegen gingen bereits darauf ein. Hier galt es im Vorfeld für unser Land die Hürde zu nehmen, den Ziel-1-Status nicht aus statistischen Gründen wegen der EU-Osterweiterung zu verlieren.

Gleichzeitig wurde erkannt, dass es sich bei der Programmierung der Strukturfonds für den neuen Förderzeitraum um die Fortsetzung der Zukunftsdebatte in Sachsen-Anhalt auf der Ebene der künftigen Förderpolitik handelt. Es bestand daher die Notwendigkeit, geringer werdende Fördermittel durch einen verbesserten und zielgerichteteren Mitteleinsatz zu kompensieren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen - meine Vorredner gingen darauf ein -: 3,4 Milliarden Eurone.

(Herr Kosmehl, FDP: Euronen! - Heiterkeit bei al- len Fraktionen)

- Entschuldigung, 3,4 Milliarden €. Ich kann mich an die Debatte erinnern, Herr Kollege. Wenn wir darüber abstimmen würden, dann wären Sie zu 100 % für die D-Mark.

(Herr Kosmehl, FDP: Nein! - Minister Herr Dr. Daeh- re: Eine halbe D-Mark!)

- Eine halbe D-Mark, gut, Herr Minister. - Also, 3,4 Milliarden € bzw. - das ist vielleicht etwas leichter zu fassen, obwohl die Zahl auch gigantisch ist - 500 Millionen € pro Förderjahr - das ist eine beachtliche Leistung, die die Landesregierung bei den Verhandlungen erzielen konnte. Die zukünftige Ausgestaltung der Kohäsionspolitik ist jedoch eine zentrale Frage der kommenden Jahre, die von fundamentaler Bedeutung für unser Land ist.

Mit dem vierten Kohäsionsbericht, der diese Debatte angestoßen hat, und mit dem Grünbuch zur territorialen Kohäsion - meine Kollegen zitierten es ebenfalls - sind erste Indikatoren festgelegt worden. Die Europäische Union wird hierbei vordringlich die Frage zu klären haben, ob mit der zukünftigen Kohäsionspolitik die eigenen Entwicklungsstrategien der der Regionen gefördert oder die Kohäsionspolitik wieder auf die ursprünglichen Ziele ausgerichtet werden soll.

Das ist eine schwierige Aufgabe, deren Lösung nicht dazu führen darf, erzielte Erfolge zu vernichten. Unsere Landesregierung ist insoweit mehr denn je gefragt, die hierbei bestehenden Risiken für Sachsen-Anhalt und für ganz Ostdeutschland zu minimieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein weiteres wichtiges Element unserer Europapolitik ist die Knüpfung von Kontakten zu anderen Staaten und Regionen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.

Hierbei war und ist es notwendig, den Aufbau strategischer Regionalpartnerschaften zu forcieren, die Kooperationsbeziehungen nach Mittel- und Osteuropa zu systematisieren und zu vertiefen sowie Maßnahmen der internationalen Zusammenarbeit eng mit zentralen wirtschaftlichen Interessen zu verbinden. Das bedeutet, dass unsere Auslandsaktivitäten mit der internationalen Profilierung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Sachsen-Anhalt einhergehen müssen. Nur so ist es möglich, ein klares Profil Sachsen-Anhalts im Ausland zu entwickeln.

Die Schwerpunkte der europäischen Aktivitäten der Landesregierung für das Jahr 2009, die uns seit kurzem vorliegen, zeigen auf, dass sich unser Land auf einem guten und richtigen Weg befindet. Die Außenwirtschaftsbilanz unseres Landes untermauert, wie wichtig der europäische Binnenmarkt für unsere Unternehmen ist.

Trotzdem hat jede Medaille, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, zwei Seiten. Neben den wirtschaftlichen Chancen gibt es Risiken, die auch zu betrachten

sind. Die Hauptsorge der Unternehmen dürfte nach wie vor die verschärfte Konkurrenzsituation angesichts des noch bestehenden deutlichen Unterschiedes bei den Lohn- und Lohnnebenkosten sein.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Den Mindestlohn er- reichen!)

- In der Tat kann man sich lang und breit darüber unterhalten, ob das sinnvoll ist, Herr Dr. Thiel.

Tatsache ist aber: Im Jahr 2000 lagen die durchschnittlichen Arbeitskosten bei Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in den Beitrittsländern mit 3,47 € pro Stunde bei nur ca. 15,6 % des Durchschnitts der damals 15 EU-Staaten von 22,19 € pro Stunde. Bringen Sie das einmal - - Ich will das gar nicht weiter diskutieren. Das zeigt aber auch deutlich, wie breit die Schere ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dieser Sorge kann man nur entgegentreten, wenn es gelingt, in einem Binnenmarkt mit offenen Grenzen klare und wirksame Regeln, wie es beim Umwelt- und Verbraucherschutz geschehen ist, zu installieren. Ein fairer Wettbewerb kann eben nur dann stattfinden, wenn nicht derjenige gewinnt, der den Umwelt- und Verbraucherschutz am wenigsten beachtet.