Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Deshalb sage ich ausdrücklich: Nur das, was an öffentlicher Nachfrage stimuliert wird, schlägt hier wirklich zu Buche. Ich will diesen Zusammenhang anhand der kommunalen Finanzsituation für Sachsen-Anhalt und für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt darstellen.

(Zuruf von der SPD: Sprechen Sie sich damit für eine Korrektur der Entscheidung zur Pendlerpau- schale aus?)

- Die Pendlerpauschale war verfassungswidrig. Bei der Ausreichung der Pendlerpauschale können wir am ehesten noch mit einem Null-Effekt rechnen. Wir können nämlich davon ausgehen, dass derjenige, der gezwun

gen ist, täglich zig Kilometer zu fahren, im Normalfall nicht große Rücklagen bilden kann. Er wird das Geld, das er durch die Pendlerpauschale erhält, vielleicht sofort ausgeben.

Aber die Pendlerpauschale ist im Kontext mit dem Konjunkturprogramm nicht zwingend mit einem positiven Effekt verbunden, weil natürlich auf der anderen Seite in entsprechendem Maße die öffentliche Nachfrage reduziert wird. Das Urteil zur Pendlerpauschale ist im Übrigen nicht aus diesem Grunde gefällt worden, sondern die Pendlerpauschale ist reaktiviert worden, weil das Gesetz verfassungswidrig war. Das ist zwar eine andere Argumentation, aber eine sehr logische.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will nun noch einmal auf die Frage: Steuersenkungen auf der einen Seite und Nachfrage bzw. Investitionen auf der anderen Seite, also Stimulation eingehen. Das Böckler-Institut hat herausgefunden, dass selbst dann, wenn das gesamte kommunale Investitionsprogramm, also die gesamten 475 Millionen € durch das Land an die Kommunen durchgereicht würden, diese auf der anderen Seite durch die entsprechenden Steuersenkungen 53 % dessen verlieren würden, was sie im Rahmen dieses Programms erhielten. Die Kommunen würden also 475 Millionen € erhalten, mehr als die Hälfte davon hätten sie aber direkt an Steuerverlusten zu erleiden. Darin ist das FAG, das im nächsten Jahr für die Kommunen bei uns in Sachsen-Anhalt mit 80 Millionen € negativ zu Buche schlagen wird, noch nicht enthalten.

Für die Kommunen stellt sich die Situation also so dar: Nur 76 % des Pakets - es scheint sogar noch weniger geworden zu sein - werden an die Kommunen heruntergehen. Wenn wir einmal die gesamten negativen Kosten zusammenrechnen, wird das für die Kommunen maximal plus/minus null ausgehen.

Die Kommunen haben zudem noch mit einer anderen Situation zu tun. Bei den Steuereinnahmen handelt es sich um pauschale Mittel, die die Kommunen ausgeben können. Bei dem Geld, das sie vom Land erhalten, handelt es sich im übergroßen Maße um Fördermittel. Auf der einen Seite wird den Kommunen Handlungsfreiheit geraubt, indem die Einnahmen, die sie selbständig verwalten können, heruntergehen. Auf der anderen Seite wird als Kompensation Geld zur Verfügung gestellt, das die Kommunen über Förderanträge erhalten oder eben auch nicht erhalten.

Dazu sage ich in aller Deutlichkeit: Das ist das allerschlechteste Signal, das wir gegenüber den Kommunen im Jahr der Kommunalwahl aussenden können. Ich möchte nicht, dass wir uns nachher wieder hinstellen und sagen: Die Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene war absolut miserabel. - Wenn wir den Leuten ein solches Signal geben nach dem Motto: „Wir entscheiden ohnehin, was für euch gut und richtig ist; eure kommunalen Vertreter sind dazu nicht in der Lage“, dann dürfen wir uns nicht wundern.

Unser zweiter zentraler Kritikpunkt ist: zu wenige pauschale Mittel und zu viel Projektförderung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ist denn die Landesregierung wirklich in der Lage, die Mittel über Projektförderung deutlich besser, deutlich konstruktiver auszugeben als die Kommunen? - Dazu sage ich ausdrücklich: Nein!

Ich nehme einmal folgendes Beispiel. Dabei geht es nicht um das K II, sondern um die EFRE-Mittel für die Schulbauförderung. Zum Beispiel in der Stadt Magdeburg gibt es erhebliche Erregung, was sich das Kultusministerium bei der Bewilligung bzw. Nichtbewilligung gedacht hat. Ich will einmal einen kurzen Ausschnitt aus einem Leserbrief vorlesen, der gestern in der „Volksstimme“ erschienen ist, in dem dies bewertet wird:

„Ohne zu wissen, nach welchen Kriterien das Land die inhaltliche Schwerpunktsetzung vorgenommen hat, sehen wir es mit Sorge, dass sich das Land über unsere kommunale Prioritätenentscheidung hinwegsetzt. Die Erarbeitung einer Prioritätenliste im Ausschuss, die zeitintensiven Überlegungen und politischen Diskussionen hätten wir uns damit sparen können.“

Das ist die Sicht eines kommunalen Vertreters auf die Entscheidungen des Kultusministeriums im Zusammenhang mit dem EFRE-Schulbauprogramm in der Stadt Magdeburg. - Diese Sicht ist richtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie ist sozusagen Ausdruck der Demotivation bezüglich kommunalen Engagements. Das gilt auch mit Blick auf die Vorbereitung auf den 7. Juni.

Interessant ist übrigens, von wem diese Einschätzung stammt. Sie stammt nämlich von einem Mitglied der Landesregierung, und zwar von Herrn Lischka, Staatssekretär im Justizministerium, der nebenbei allerdings auch noch Stadtrat und Kandidat zur Bundestagswahl ist.

Sie haben in der Frage der Projektfinanzierung noch nicht einmal die Angehörigen der eigenen Landesregierung überzeugen können und versuchen dies den Kommunen klar zu machen. Bei uns gelingt Ihnen das ganz bestimmt nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweiter Fall, in dem wir eine ähnliche Situation haben. Hierbei geht es um die Breitbandstrategie und den Breitbandgipfel. Interessant im Zusammenhang mit dem Breitbandgipfel war, dass er deutlich gemacht hat, dass es keine Breitbandstrategie des Landes gibt.

Es gibt einen Fragebogen an die Kommunen: Wie sieht es bei euch aus? - Schauen wir einmal. Ihr habt dort ein Problem. Kümmert euch bitte darum. Wir haben zwar Geld, aber wir haben kein Konzept. Stellt einmal Anträge. Nach welchen Kriterien sie bewilligt werden sollen, wissen wir nicht.

Wir sagen dazu ausdrücklich: Geben Sie das Geld lieber den Landkreisen, die in dem jeweiligen Kontext Konzepte entwickeln müssen, damit nicht teuere Insellösungen realisiert werden. - Aber das ist nicht gewollt! Die Landesregierung will das Geld für sich behalten. Sie will die Fördermittel ausgeben. Aber sie hat kein Konzept.

Dazu sage ich als substanzielle Kritik: Dieses vormundschaftliche Verhältnis des Landes zu den eigenen Kommunen ist inhaltlich überhaupt nicht untersetzt. Sie können nicht beweisen, dass Sie es besser machen. Also geben Sie das Geld pauschal an die Kommunen weiter!

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP)

Ich komme zur Kofinanzierung. Es stimmt: 12,5 % für kommunale Projekte sind nicht viel. Aber wenn wir es

nur mit 12,5 % kofinanzieren lassen, müssen wir uns auch eine andere Überlegung gefallen lassen. Wenn wir wissen, dass zum Beispiel bei den Schulträgern die Masse derjenigen, die eine Schule in eigener Zuständigkeit haben, ohnehin in Konsolidierungsprogrammen steckt, dann stellt sich die Frage, ob wir noch langwierig mit den Leuten prüfen sollen, welche Kommune sich nur in einer vergleichsweise durchschnittlichen Haushaltsnotlage oder in einer ganz besonderen Haushaltsnotlage befindet, ob wir sie für die Zinsverbilligung der Kredite vorsehen können oder ob sie selber sehen sollen, wie sie klarkommen.

Interessant ist, dass die Erwartungshaltung der Landesregierung so ist, dass die Masse der Kommunen das ohnehin nicht tragen kann. Die Landesregierung selbst hat einen Titel von sage und schreibe 3,5 Millionen € an Zinshilfen für die Eigenanteile, die ohnehin nur 22 Millionen € ausmachen sollen, eingestellt.

Ich frage mich, an welchen Zinssatz Sie dabei gedacht haben, Herr Finanzminister. Zinshilfen in Höhe von 3,5 Millionen € für einen Kredit in Höhe von 22 Millionen € - ich weiß nicht. Offensichtlich gehen Sie selbst davon aus, dass es sich die Kommunen ohnehin kaum leisten können. Dann machen Sie es doch für alle Kommunen so, dass Sie sie in dieses Programm aufnehmen. Damit werden wir eine relativ schnelle Entscheidung herbeiführen und keine Diskussionen unter den Kommunen darüber haben, wer ungerechtfertigterweise eine Unterstützung bekommt und wer nicht.

Also, lassen Sie das mit der Eigenbeteilung von 12,5 % sein; denn das verhindert nur eine schnelle Umsetzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe bis jetzt kritisiert, was die Landesregierung falsch gemacht hat. Ich sage aber auch Folgendes: Das zentrale Kritikthema für uns ist das, was sie nicht gemacht hat. Wir haben bereits einen Elf-Punkte-Plan vorgelegt, der die wesentlichen Elemente beinhaltet, die wir für Sachsen-Anhalt in dieser Krise für angemessen halten. Wir haben heute einen Änderungsantrag vorgelegt, der einige Dinge aufzeigt. Dazu möchte ich noch einige Dinge sagen.

Ja, wir fordern 700 anstatt 300 Neueinstellungen im Landesdienst, und zwar nicht, weil wir zum Beispiel glauben, dass wir in den Schulen derzeit zu wenig Lehrer haben. Wir wissen, dass das nicht stimmt. Aber wir wissen inzwischen wie alle, vor allem die Mitglieder der Enquetekommission, dass wir ab den Jahren 2012, 2013 und 2014 einen eklatanten Lehrermangel haben werden und dass wir ab dem Jahr 2016 in eine Situation geraten werden, die das System insgesamt bedrohen wird. Das wissen alle, die sich mit dieser gesamten Problematik intensiver beschäftigt haben.

Unsere Antwort darauf ist, die Leute einzustellen, solange sie noch am Markt sind, bevor wir sie in der nächsten Legislaturperiode entweder mit einem Lasso einfangen müssen oder in einer Art und Weise bestechen müssen, damit sie hierher kommen, dass es überhaupt keine finanzpolitische Relevanz der Art und Weise hat, dass wir dadurch jetzt Mehrausgaben tätigen. Vielmehr werden wir die explodierenden Mehrausgaben durch derzeit vorgenommene Neueinstellungen einsparen, die wir ansonsten in fünf Jahren tätigen müssen.

Herr Bullerjahn, ich habe in meiner eigenen Fraktion vor einem Jahr noch den Witz gebracht, dass wir den Leu

ten ein Einfamilienhaus hinstellen müssen, damit sie bei uns Lehrer werden. Inzwischen weiß ich nicht, ob das noch ein Witz ist.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Reicht nicht!)

Ich glaube, bald überrollt uns die Realität. Schauen Sie sich einmal an, was das Land Baden-Württemberg unternimmt, um Lehrer zu bekommen. Diese Frage ist eine finanzpolitische Frage. Was wir jetzt nicht tun, werden wir in fünf Jahren aus dem Landeshaushalt teuer, teuer bezahlen. Deswegen brauchen wir jetzt die Neueinstellungen, damit uns die Leute nicht abhauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, wir haben die Subventionierung der Mittagessenversorgung für die Grundschulen und für die Kindertagesstätten in unserem Antrag enthalten. Ja, wir haben diesen Betrag von 66 Millionen € für das Haushaltsjahr 2010 und den Betrag von 33 Millionen € für das Haushaltsjahr 2009 veranschlagt.

Der Betrag von 10 Millionen € für Lehr- und Lernmittel entspricht einem Anteil von 50 € pro Schüler. Das haben wir ausdrücklich getan. Wir wissen, dies verursacht Mehrkosten in Höhe von 60 Millionen €.

Wir könnten hierfür durchaus Vorschläge zur Gegenfinanzierung vorbringen. Wir sind im Gegensatz zu einigen anderen zum Beispiel überhaupt nicht der Meinung, dass wir in den Nachtragshaushalt zusätzlich einen Betrag von 17 Millionen € für Halle/Leipzig einstellen müssen.

Wir sind noch nicht in der Lage, die Dinge bis zum Ende durchzuskizzieren. Aber ich bitte darum, die folgende Diskussion seriös zu führen: Angesichts der Steuereinnahmeverluste in Höhe 390 Millionen €, wovon ein Anteil von mindestens 250 Millionen € das Ergebnis politischer Entscheidungen ist, und einer Summe X, die wir uns alle nicht vorstellen können und die infolge neoliberaler Finanzmarktpolitik - Stichwort Hypo Real Estate usw. - entstand, ist ein Betrag von 60 Millionen €, den wir an dieser Stelle verlangen, ein Bruchteil dessen, was an finanziellen Auswirkungen auf uns zukommt.

Kommen Sie bitte nicht mit einem solchen Argument, wie es der Ministerpräsident vorgetragen hat, dass wir damit bewusst das System destabilisieren würden. Dieses System bewusst destabilisiert haben diejenigen, die neoliberale Finanzmarktpolitik betrieben haben und die jetzt das Konjunkturpaket II realisiert haben,

(Zurufe von Herrn Tullner, CDU, und von Herrn Kosmehl, FDP)

in dem überhaupt keine Einnahmen aus den Bereichen, die bisher an dieser Finanzmarktkrise gewonnen haben, realisiert worden sind. Das sind die Verhältnisse. Deswegen lassen wir uns das auch nicht einreden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen ausdrücklich: Diese 60 Millionen €, die wir fordern, sind in der Gesamtsumme nicht viel, aber sie senden zwei Signale aus, und zwar zum einen, dass das Land selbst handlungsfähig ist, und zum anderen, dass es ein Stück weit gerechter zugeht. Dafür ist ein Betrag von 60 Millionen € wirklich gut angelegt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte am Ende versöhnlich werden. Es gibt sage und schreibe zwei Elemente in diesem Nachtragshaus