Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Tull- ner, CDU)

Vielen Dank für die Beantwortung. Jetzt gibt es noch eine Frage von Herrn Kosmehl. - Bitte schön, Herr Kosmehl.

Herr Minister, ohne dass ich jetzt eine Garantie dafür übernehmen will, dass ich jede Seite Ihres Nachtragshaushaltes gelesen habe,

Das ist aber schade, Herr Kosmehl.

zumal wir eine neue Drucksache bekommen haben und jetzt auf der Suche sind, wo die Veränderungen auf den einzelnen Seiten zu finden sind, habe ich - soweit ich die entsprechenden Kapitel durchgesehen habe - nirgendwo den Hinweis gefunden, dass Sie Mittel für die Sanierung oder die Modernisierung der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben eingestellt haben. Nirgendwo taucht diese Baumaßnahme auf, weder als kleine Baumaßnahme noch als Hochbaumaßnahme. Es ist in dieser Vorlage nirgendwo zu finden.

Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie ein klares Bekenntnis zu der Baumaßnahme abgeben würden und uns sagen könnten, wo wir sie finden, oder ob wir sie im Rahmen der Beratungen über den Nachtragshaushalt einstellen müssten.

Die Baumaßnahme werden Sie in Aschersleben finden.

(Heiterkeit - Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Zweitens bin ich noch nicht verrückt genug, den Haushalt auswendig zu kennen. Wenn ich so weit bin, dass ich die Seiten vor Augen habe, dann höre ich wirklich auf. Denn dann ist es nicht mehr weit bis zum Verrücktwerden.

Ich sage Ihnen ganz klar: Erstens ist es ein Beschluss innerhalb der Landesregierung. Zweitens haben wir es, weil noch einige Dinge offen sind, so geklärt, dass im Einzelplan 13 in einem Kapitel pro Ministerium Titelgruppen vorhanden sind, die wir noch unterfüttern werden, übrigens auch auf Ihren Wunsch hin.

Es gab Signale aus dem parlamentarischen Raum, bitte nicht fertige Listen 1 : 1 vorzulegen, ohne vorher mit dem Parlament zu reden. Das sei wohl nicht statthaft, denn der Gesetzgeber - das weiß ich aus 20-jähriger Arbeit - sitzt dort auf der Seite.

Deswegen werden wir diese Vorschläge vorlegen und am Ende des Weges, also spätestens am 8. April 2009, mit der Beschlussfassung auch fertige Listen haben. Minister Olbertz hat eine zu den Schulen vorgelegt. Dann wird dieses Thema des Maßnahmenpaketes der Schulen einschließlich der Grundschulen mit den Kreisen besprochen worden sein.

Frau Dr. Kuppe wird eine Liste für die zusätzlichen Maßnahmen bei der Kinderbetreuung vorlegen. Es gibt Maßnahmen beim Innenminister, was die Fahrzeuge beim Brandschutz und beim Katastrophenschutz betrifft.

Bei der Fachhochschule können Sie davon ausgehen - das Finanzministerium ist sehr vorsichtig gewesen; ich

habe es gerade erwähnt, dass wir selbst am Dienstag noch im Bereich des Kultusministers einige Diskussionen gehabt haben -, dass wir mit der Beschlussfassung die Dinge nachreichen werden, die dann zu 100 % umgesetzt werden. Das Bekenntnis - ich habe das vorhin extra gesagt, weil ich dachte, es reicht - zu der Fachhochschule will ich ausdrücklich abgeben.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Kurze, CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Wir kommen nun zu den Beiträgen der Fraktionen. Zuerst erteile ich der LINKEN das Wort. Herr Gallert, bitte schön.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste unserer Landtagssitzung! Die Situation, um die es hier eigentlich geht, nämlich die Rezession in der Bundesrepublik Deutschland und in allen Wirtschaftsräumen der Welt, ist im Wesentlichen bereits im Januar und Februar thematisiert worden.

Was unterscheidet die heutige Debatte von den vorhergehenden? - Sie unterscheidet sich dadurch, dass wir bestimmte Konturen etwas genauer sehen. Und sie unterscheidet sich dadurch, dass wir jetzt die politische Antwort der Landesregierung auf diese Rezession vor uns haben.

Am Anfang aber vielleicht noch das eine oder andere Wort zu der aktuellen Rezession, zu der Situation, in der wir uns befinden. Wir haben inzwischen eine Prognose der Bundesregierung; sie ist bereits zitiert worden. Sie geht davon aus, dass wir im Jahr 2009 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,25 % zu rechnen haben.

Wir haben aber seit vorgestern, glaube ich, daneben eine Prognose des beim letzten Mal noch sehr gelobten IWH, das inzwischen davon ausgeht, dass wir mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um mehr als 4 %

(Frau Budde, SPD: 4,8 %!)

- 4 %; 4,8 % setzt dann noch einen drauf - zu rechnen haben.

Dies ist ohne Zweifel - darüber sind sich wirklich alle einig - die größte Rezession der Weltwirtschaft seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Das ist der markanteste Rückgang von Wirtschaftsleistung weltweit, der sich bei uns in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Art und Weise niederschlagen wird.

Gerade deswegen, glauben wir, ist es wichtig, in einer solchen Krise a) Handlungsfähigkeit und b) Handlungskompetenz der Politik zu beweisen, an den Tag zu legen. Das ist deshalb wichtig, weil eine solche Krise auch - nicht primär, aber eben auch - ihre psychologische Seite hat. Diese wird sich genau in dem Augenblick verstärken, in dem die Menschen den Eindruck haben, dass die Politik nicht in der Lage ist, angemessen auf diese größte Herausforderung seit vielen, vielen Jahrzehnten überhaupt zu reagieren.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser Maßstab, den wir an diesen Nachtragshaushalt anlegen. Denn der ist die politische Antwort der Landesregierung auf diese Situation. Das ist unser Maßstab.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Jetzt will ich etwas zu diesem Maßstab und zu dieser Bewertung sagen. Der Nachtragshaushalt atmet mit aller Deutlichkeit eine Position, eine Haltung dieser Landesregierung. In ihn wurde nämlich im Grunde genommen fast ausschließlich das aufgenommen, was diese Landesregierung ohnehin zu tun gezwungen ist, weil sie Beschlüsse der Bundesregierung bzw. von Bundesinstitutionen umsetzt.

Das ist eindeutig eine Absage daran, in dieser Situation mit einer eigenen Handlungskompetenz eigene Spielräume zu erwirtschaften bzw. eigene Signale zu setzen. Das ist ganz deutlich die Aussage dieses Nachtragshaushalts.

Das ist das Erste. Unsere ganz substanzielle Kritik: Sie haben die Chance verpasst, den Menschen Handlungskompetenz und Handlungsfähigkeit in dieser Krise zu signalisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist übrigens nicht nur unsere Einschätzung. Das ist eigentlich die Einschätzung des Ministerpräsidenten dieses Landes selbst. Er hat der „Leipziger Volkszeitung“ im Februar 2009 ein sehr aufschlussreiches Interview gegeben. Daraus will ich nur zwei Sätze zitieren; dann wissen wir im Grunde genommen, was wir hier vor uns liegen haben. Herr Böhmer antwortet auf die Frage, was er denn von diesem Konjunkturprogramm halte:

„Da wäre ich geiziger gewesen; ich wäre nicht so in die Vollen gegangen.“

Und weiter:

„Im Moment sehe ich die Krise noch nicht als so dramatisch an, dass es gleich prophylaktisch die volle Dosis sein muss.“

Das ist die Einschätzung unserer Landesregierung.

(Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Im Grunde genommen haben wir eine Situation, die wir mehr oder weniger tagtäglich in der einen oder anderen Form kennen: Es ist mitnichten irgendein Ereignis, auf das man ernsthaft reagieren sollte; da uns aber andere dazu zwingen, müssen wir doch ein bisschen tun, aber darüber hinaus tun wir nichts.

Dazu sage ich: Das ist eine substanzielle politische Fehleinschätzung, Herr Böhmer. Und darin unterscheiden wir uns ganz deutlich.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Tullner, CDU: Na, Gott sei Dank!)

Um politisch im Bild zu bleiben: Sie, Herr Böhmer, versuchen, eine Lungenentzündung mit Nasentropfen zu heilen. Da werden wir nicht mitmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Von Medizin verstehen Sie noch weniger als von Wirtschaftspolitik!)

- Davon verstehe ich aber zumindest ausreichend.

Was haben wir in Sachsen-Anhalt zu erwarten? - Nach den bisherigen Prognosen haben wir im Jahr 2009 einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes - ja nachdem, was zutreffen wird - um 1,2 bis 2 Milliarden € zu erwarten. Das ist das, was nach den derzeitigen Prognosen allein in Sachsen-Anhalt an Wirtschaftsleistung im Jahr 2009 weniger zu verzeichnen sein wird als im Jahr 2008.

Nun gibt es innerhalb der keynesianischen Theorie eine ganz einfache Rechnung dazu, wie man gegensteuert. Im Grunde besagt diese Rechnung, dass man nur dann erfolgreich gegensteuern kann, wenn man das, was nach den Erwartungen an Wirtschaftsleistung wegbricht, dadurch auffängt, dass man die öffentliche Nachfrage steigert. Das ist im Grunde im Wesentlichen die Theorie, die dahinter steckt und der sich zu unserer großen Überraschung selbst ihre erklärten Gegner, zumindest was die Zielstellung von Konjunkturprogrammen anbelangt, angeschlossen haben.

Wir müssen das einmal gegenüberstellen: Wir haben einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 1,2 bis 2 Milliarden € zu erwarten. Was finden wir zur Stimulierung der öffentlichen Nachfrage in diesem Nachtragshaushalt vor? - Je nach Berechnung etwa eine Summe von 250 Millionen € oder 280 Millionen €. Wir gehen mit diesem Nachtragshaushalt also in etwa ein Fünftel bis ein Achtel dessen an, was wir an Verlust an Wirtschaftsleistung zu erwarten haben.

Wir sagen dazu ganz deutlich: Das ist ganz definitiv strukturell zu wenig. Das ist nichts, womit man in dieser Situation wirklich gegensteuern kann. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Wirkung deshalb verpuffen.

Ich habe bei dieser Rechnung ausdrücklich eines nicht mit einbezogen. Das will an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Ich habe nicht die Dinge einbezogen, die auf der Steuersenkungsseite als Nachfragestimulierung aufgebaut werden. Dafür habe ich ausdrücklich einen Grund. Diejenigen, die Steuersenkungen in dieser Krise als probate Lösung zur Stimulierung von Nachfrage propagieren, vergessen eines, nämlich dass jeder Euro, der bei den Privaten mehr bleibt, sofort in den öffentlichen Kassen fehlt. Das, was ein Privater aufgrund von Steuersenkungen behält, gibt er vielleicht konsumwirksam in dieser Phase der Rezession aus. Wir wissen aber nicht, ob er das tut.

Aber eines wissen wir 100-prozentig: Das Geld, das nicht in die öffentlichen Kassen kommt, kann von vornherein nicht für die öffentliche Nachfragestimulation ausgegeben werden. Wir wissen: Es kann von der öffentlichen Hand nicht wirksam ausgegeben werden, und wir wissen nicht, ob der Private dieses Geld ausgeben wird.

Deshalb sage ich ausdrücklich: Steuersenkungen sind kein probates Mittel. Ihre Wirkung ist im besten Fall null, nämlich dann, wenn die Leute das Geld, das sie an Steuern sparen, sofort ausgeben. Mit höherer Wahrscheinlichkeit ist die Wirkung aber negativ, weil vor allem diejenigen, die im Bereich der Einkommensteuer etwas sparen, dieses Geld mitnichten sofort zu 100 % ausgeben werden, sondern sich damit Spielräume verschaffen werden, um Rücklagen zu bilden.

Deshalb sage ich ausdrücklich: Nur das, was an öffentlicher Nachfrage stimuliert wird, schlägt hier wirklich zu Buche. Ich will diesen Zusammenhang anhand der kommunalen Finanzsituation für Sachsen-Anhalt und für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt darstellen.