Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung

Bundesratsinitiative zur wirtschaftlichen Entlastung und nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1932

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/1959

Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/1964

Ich bitte Herrn Krause von der einbringenden Fraktion DIE LINKE, das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Kein Tag verging in den letzten Wochen und Monaten, an dem wir nicht durch die Medien neue Hiobsbotschaften im Zusammenhang mit der Finanzkrise erfuhren. Die Politik nimmt und nahm sich in die Pflicht, darauf zu reagieren. Dem Konjunkturpaket I folgte das Konjunkturpaket II. Für die Verschrottungsprämie gab es Nachschlag. Der Staat, oder besser gesagt: die Politik versuchte zu retten, was zu retten ist.

Das, was wir heute in vielen Banken und Konzernen vorfinden, ist hausgemacht. Das ist das Ergebnis einer Politik, die Globalisierung mit grenzenloser Marktliberalisierung gleichsetzte, einer Politik, die den international agierenden Finanz- und Kapitalmärkten hinterherlief und dabei die notwendige Stärkung regionaler Märkte und der Binnennachfrage immer mehr aus den Augen verlor.

(Herr Franke, FDP: Das ist Quatsch, Herr Krau- se!)

Jetzt werden mit gigantischen Mitteln gigantische Löcher gestopft. Immer mehr Stimmen meinen, dass die Politik konzeptionslos und wenig nachhaltig ist. Mittelstand, Handwerk und Gewerbe beklagen mit Recht, dass ihre Unternehmen, in denen die meisten Arbeitsplätze beheimatet sind, bei der Politik kaum Berücksichtigung finden.

Wenn ich von Mittelstand, Handwerk und Gewerbe spreche, dann ordne ich hierunter auch irgendwie die Landwirtschaft ein. Die Beschäftigung und Selbstbeschäftigung der Politik und der Medien mit den globalen Folgen der Finanzkrise hat letztlich eine ernsthafte Hinwendung zu den Problemen, mit denen sich die Landwirte herumschlagen, nicht zugelassen.

Die Kostenentwicklung in der Landwirtschaft im Allgemeinen und die Probleme der Milchbauern im Besonderen schreien geradezu nach einer Lösung.

Vor zwölf Monaten erhielten die Milchbauern noch 28 Cent für den Liter Milch, heute sind es nur noch 20 bis 22 Cent. In der Zwischenzeit wissen wir, glaube ich, alle, dass ein Milchpreis in Höhe von 35 bis 40 Cent pro Liter notwendig ist, um auskömmlich und nachhaltig wirtschaften zu können.

Wenn die Frau Ministerin auf der Verbandstagung des Landesbauernverbandes davon sprach, dass der Milchsektor angesichts des rapiden Preisverfalls bei Milchprodukten unter einem enormen wirtschaftlichen Druck stehe, dann ist dies, gelinde gesagt, noch geschmeichelt. Allein durch den Einsatz der von Ihnen, Frau Ministerin Wernicke, angekündigten zusätzlichen Fördermittel zur Entwicklung einer naturnahen extensiven Grünlandbewirtschaftung ist eine notwendige Stabilisierung des Milchsektors nicht möglich.

Die 700 Milchproduktionsbetriebe erwarten von der Politik Antworten, um heute und in Zukunft sicher Milch produzieren zu können. Ein erster Schritt war und ist die Ankündigung, dass die Milchgespräche wieder aufgenommen werden, um gemeinsam, Ministerium, Verbände und Molkereien, über die Probleme zu sprechen und Lösungen zu suchen, um den enormen wirtschaftlichen Druck in der Milchwirtschaft abzufedern.

Meine Damen und Herren! Allein im Amtsbereich Altmark haben nun schon mehr als 20 Betriebe dem Preis

verfall nicht mehr standhalten können. Sie mussten die Milchproduktion aufgeben oder stehen kurz davor, weil sie die fehlenden Einnahmen im Betrieb nicht mehr über andere Bereiche kompensieren konnten bzw. können. Einige haben ihren Betrieb ganz aufgeben müssen.

Die Milchbauern sprechen davon, dass sie seit Wochen je nach Größe des Betriebes zwischen 10 000 und 45 000 € pro Monat regelrecht in den Kuhstall karren. Die Motivation der überwiegenden Zahl der Milchbauern ist in einem noch nie dagewesenen Tief. Erst kürzlich haben wir uns als Fraktion bei einem Besuch von landwirtschaftlichen Unternehmen im Altmarkkreis davon überzeugen können.

Es sollte uns mehr als zum Nachdenken bewegen, wenn der Geschäftsführer einer Agrargenossenschaft feststellt, dass er in den zurückliegenden 29 Jahren seiner Tätigkeit von der LPG bis heute so etwas noch nicht erlebt habe und dass heute die Schiete - er hat es anders formuliert - aus dem Stall mehr wert sei als die gemolkene Milch. - Ich war noch moderat mit dem Ausdruck.

Die Ursache für den rapiden Preisverfall sei, so überall zu hören, wieder einmal die angespannte Marktlage. Es werde zu viel Milch produziert. Was soll aber dann die Erhöhung der Milchquote EU-weit? - Selbst Ministerin Aigner spricht von Marktbereinigung. Dieser und ähnlicher Argumente bedienen sich Politik und Milchwirtschaft Jahr für Jahr, um sinkende Milchpreise zu rechtfertigen.

Allein ein Blick in den Landwirtschaftsbericht der Landesregierung zeigt aber, dass die Milchquote im Land in den letzten Jahren nicht überzogen wurde. Periodische Überlieferungen werden im Jahresdurchschnitt durch Untererfüllung ausgeglichen. Marktwirtschaftlich gesehen müssten eigentlich Phasen sinkender Milchpreise durch wiederkehrende steigende Preise ausgeglichen werden.

Wer hier noch von Marktwirtschaft und Wettbewerb spricht, der nimmt nicht wahr oder will nicht wahrnehmen, was hierbei wirklich abläuft. Die zurückliegenden Monate und Jahre haben zu deutlich gezeigt, dass jede weltwirtschaftliche Nervosität genutzt wird, um Preissenkungen zu rechtfertigen.

Meine Damen und Herren! Wer sich ein klein wenig in der Milchviehhaltung auskennt, der wird mir zustimmen, dass solche Schwankungen im Milchaufkommen, wie sie uns der Handel weismachen will und wie sie uns die international agierenden Handelsketten weismachen wollen, nicht nachvollzogen werden können. Darum auch unsere Forderung nach einer Milchpreisbörse, um die Milchpreisgestaltung nachvollziehbar, öffentlich und durchschaubar zu gestalten. Diese Forderung wurde übrigens auch in einem Verbandsgespräch vor wenigen Tagen - auch im Beisein der agrarpolitischen Sprecher, muss ich sagen - formuliert.

Während Anfang des Jahres 2008 der leicht steigende Milchpreis mit der überraschend wachsenden Nachfrage in Asien, insbesondere in China begründet wurde, wurde einen Monat später von einer Überproduktion gesprochen, um die erneut sinkenden Preise zu rechtfertigen. Diese Widersprüchlichkeit und auch die Tatsache, dass einige süddeutsche Länder stärker dazu beigetragen haben, dass die Milch saisonal überliefert wird und sie dennoch bis zu 6 Cent höhere Milchpreise erzielen, wirft einfach Fragen auf.

Mit dem jetzigen Preisrutsch sind wir auf einem historischen Tief seit den 40er- und 50er-Jahren angekommen. Mit einem Butterpreis in Höhe von 59 Cent haben wir den niedrigsten Preis seit der Währungsreform im Jahr 1948 erreicht.

An dieser Stelle wäre auch auf die jüngsten Eskapaden von Aldi, Norma & Co. einzugehen, bei denen ein Handelskonzern nach dem anderen die Preissenkungswelle nachvollzieht. Was die Norma-Sprecherin als „Einkaufsvorteile“ bezeichnet, ist eine himmelschreiende Missachtung der Leistung der Landwirte und des Wertes von Lebensmitteln.

Den Preis für Vollmilch von heute auf morgen von 55 Cent auf 48 Cent herunterzusetzen, kann nur Empörung und wütende Kritik hervorrufen. Ich sage: Es werden so genannte Einkaufsvorteile aufgrund einer Monopolstellung schlichtweg erpresst. Handelsketten und führende Konzerne der Milchindustrie machen gemeinsame Sache und degradieren die Bauern zu Restgeldempfängern. Das ist aus unserer Sicht sittenwidrig.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Hier ist die Politik gefragt und der Mut, neue Wege zu gehen. Bei den Banken geht und ging es den Regierenden um Enteignung und staatliche Beteiligung, und das kostet den Steuerzahler Milliarden. Warum immer erst aktiv werden, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist? Wollen wir sehenden Auges zulassen, wie die heimische Landwirtschaft, der ländliche Raum und unsere Kulturlandschaft ruiniert werden?

Es könnte auch noch schlimmer kommen. Wenn erst die Ernährungswirtschaft durch grenzenlose Liberalisierung oder, wie Frau Aigner sagt, Marktbereinigung in eine solche Krise gerät, wie wir sie heute in anderen Bereichen erleben, und dann die Ernährungssicherheit nicht mehr gegeben ist, dann werden mit Sicherheit nicht nur die Bauern auf die Straße gehen.

Meine Damen und Herren! So weit wollen wir es nicht kommen lassen. Das setzt aber voraus, dass wir für die Landwirtschaft solche nachhaltigen Bedingungen schaffen, unter denen nicht nur die heutige Generation von Landwirten, sondern auch noch deren Enkel bereit sind, sich auf den Traktor und unter die Kuh zu setzen.

Eine Agrarpolitik, die mit ständigen Halbzeitbewertungen und Gesundheitschecks in laufende Planungszeiträume eingreift sowie Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Unternehmensbilanzen auf den Kopf stellt und von daher nicht berechenbar ist, ist einem solchen Ziel wenig dienlich. Was die Landwirtschaft braucht, sind neben einer leistungsgerechten Preissituation Rahmenbedingungen, die frei von Wettbewerbsverzerrungen sind.

Es kann zum Beispiel nicht hingenommen werden, dass in Deutschland die begünstigte Agrardieselbesteuerung aufgehoben wurde, während der Agrardiesel in den europäischen Nachbarländern mit deutlich weniger als 10 Cent pro Liter besteuert wird. Die Möglichkeit, einen Verbrauch von bis zu 10 000 l zu einem Steuersatz von 29 Cent pro Liter abrechnen zu können, stellt einfach nur Peanuts dar.

Damit hat Deutschland mit mehr als 40 Cent pro Liter im Schnitt nach wie vor den höchsten Steuersatz in Europa, wenn es um Agrardiesel geht. Letztlich ergibt sich daraus ein Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen europäischen Landwirten von 40 bis 50 € pro Hektar. Eine Harmonisierung innerhalb der EU ist längst überfällig.

Was die Dieselbesteuerung insgesamt angeht, muss es auch darum gehen, zu der Regelung von vor vier Jahren zurückzufinden. Für das Aussetzen der Steuererhöhung für Biodiesel und Pflanzenölkraftstoffe sehen wir nicht nur Handlungsbedarf, sondern kurzfristig auch Handlungsmöglichkeiten. Wie Sie sich sicherlich erinnern, war die gesamte Dieselbesteuerung eigentlich das Ergebnis eines Kuhhandels zwischen den ostdeutschen Ministerpräsidenten und dem Bundesfinanzminister. Es wurde uns damals, vor vier Jahren, im Gegenzug eine vermeintlich bessere BVVG-Bodenpolitik in Aussicht gestellt. Was daraus geworden ist, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter kommentieren.

Kurzum, meine Damen und Herren: Ich bitte Sie in der Frage der Agrardieselbesteuerung einfach Verständnis dafür aufzubringen und letztlich zu akzeptieren, dass die Landwirtschaft kein Verkehrs- und Transportunternehmen ist, sofern Sie Ihren Bezugspunkt regional nicht verloren haben.

Auch die Agrarminister haben sich vor sechs Wochen in Magdeburg unter der Leitung von Frau Ministerin Wernicke dahin gehend ausgesprochen. Insofern soll unser Antrag den Meinungsbildungsprozess zur Einbringung einer Bundesratsinitiative durch die beteiligten Länder flankieren und beschleunigen.

Unter diesem Gesichtspunkt noch ein Wort zu dem von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD und von der CDU, kurzfristig eingebrachten Änderungsantrag. Natürlich kennen wir den Standpunkt der Regierung und insbesondere auch den Standpunkt von Ministerin Wernicke zu dieser Problematik. Wir wollen mit unserem Antrag nichts ignorieren und auch nichts in Abrede stellen.

Die Frage ist doch aber: Wollen wir als Plenum dabei stehen bleiben, der Ministerin lediglich Beifall zu klatschen, oder wollen wir als Parlament der Ministerin bzw. der Regierung nicht auch den Rücken stärken, wenn es darum geht, sich gegenüber der Bundesregierung, im Bundesrat und meinetwegen auch gegenüber Brüssel zu behaupten? - Auf der Agrarministerkonferenz in Magdeburg ist ohnehin darüber nachgedacht worden, dies gegebenenfalls zu tun, aber voraussichtlich erst in der nächsten Legislaturperiode. Was bis dahin passiert, werden wir erleben, wenn wir nicht reagieren.

Warum also diese Zurückhaltung? - Mit Ihrem Änderungsantrag nehmen Sie sozusagen das Salz aus der Suppe. Damit will ich nicht sagen, dass es verkehrt ist, sich im Ausschuss informieren zu lassen und sich mit diesem Thema zu befassen.

Gleichwohl sollten wir an dieser Stelle nicht stehen bleiben. So verstehe ich auch die Worte des Präsidenten des Landesbauernverbandes Frank Zedler, der auf der letzten Verbandstagung im Beisein von Frau Ministerin Wernicke und einiger anderer aus diesem Haus die Worte gewählt hat: Jetzt muss gehandelt werden.

Wir sollten handeln und uns nicht nur informieren lassen. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank, Herr Krause. Möchten Sie jetzt eine Frage von Herrn Franke beantworten?

Herr Franke, bitte fragen Sie.

Herr Krause, Sie haben soeben ausführlich eine Zustandsbeschreibung der zugegebenermaßen schwierigen Situation der Milchbauern gegeben. Sie haben auch gefordert, dass sich etwas ändern soll. Aber ich habe in Ihrem Beitrag nicht gehört, was Sie eigentlich fordern bzw. wie sich die Situation ändern kann.

Herr Franke, ich muss fragen, ob Sie den Antrag gelesen haben? Darin sind konkrete Punkte enthalten. Diese stimmen auch mit dem Forderungskatalog der Minister überein; nur die Bundesregierung sieht es anders.

Wir haben gesagt, wenn es so ist, dass einige Punkte von den Agrarministern gegenwärtig unwidersprochen bleiben, dann sollten wir uns als Parlament durchsetzen und das über eine Bundesratsinitiative erneut thematisieren. Der Antrag enthält die konkreten Punkte. Ich habe die Milchpreisbörse genannt. Ich habe die Dieselbesteuerung und einige andere Punkte genannt. Vielleicht haben Sie nicht richtig zugehört.

(Herr Franke, FDP: Ich habe Ihnen zugehört!)

Vielen Dank, Herr Krause. - Bevor wir jetzt die Beiträge der Fraktionen hören, haben wir die Freude, Seniorinnen und Senioren der Volkssolidarität Elbenau auf der Südtribüne begrüßen zu können.