Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Alles andere ist ein Spiel mit dem Feuer und wird auf dem Rücken der Menschen ausgetragen, deren Arbeitsplätze gefährdet sind.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus den genannten Gründen appelliere ich an Sie, die Umsetzung des Konjunkturpaketes II konstruktiv zu begleiten und dabei den Verwaltungen des Landes und der Kommunen die nötige Zeit zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu geben.

Das wichtigste Ziel ist ein rascher Abfluss der Mittel, um diese zielgerichtet in nachhaltige Projekte zu investieren, damit die Wirtschaft unseres Landes stabilisiert wird. Das wird nicht gelingen, wenn zwischendurch das sorgsam austarierte Gesamtkonzept überarbeitet - das heißt nach den Vorstellungen der LINKEN: radikal geändert - wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Fischer. Möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Hüskens beantworten?

Aber sehr gern.

Bitte, Frau Dr. Hüskens, fragen Sie.

Frau Fischer, Sie haben jetzt sehr emotional dargestellt, welche Gefahren für die Menschen in den Kommunen entstehen, wenn wir das beschließen würden, was die Kollegen von der LINKEN vorgeschlagen haben. Ihnen ist schon bewusst, dass wir einen jährlichen Haushalt haben und dass wir in jedem Jahr neu entscheiden und dass die Kommunen sehr gut damit leben, dass wir trotz des Doppelhaushaltes immer jährlich sagen, welche Prioritäten wir in den Bereichen setzen?

Mir ist bisher noch nicht aufgefallen, dass bei einem jährlichen Haushalt in den Kommunen irgendwelche Unsicherheiten entstehen oder dass wir damit das Wohl der Menschen gefährden.

Es ist eigentlich nichts anderes gefordert worden, als dass in der ganz normalen Haushaltsaufstellung 2010/ 2011 geprüft wird, ob die Prioritätensetzung, die Sie jetzt in diesem Schweinsgalopp vorgenommen haben, die richtige ist oder ob man nachsteuern muss. Sehen Sie wirklich ernsthaft diese Gefahren? Oder ist das, was Sie jetzt dargestellt haben, nicht doch ein bisschen pathetisch?

Meine liebe Frau Dr. Hüskens, erstens war es kein Schweinsgalopp. Wir haben alle mit dafür gesorgt, dass die Mittel, die vom Bund gekommen sind, schnell umgesetzt werden können, weil die Zeit drängt.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD)

Das ist etwas anderes. Ein Schweinsgalopp, wie Sie ihn hier nennen, ist etwas anderes als eine zügige Abarbeitung oder Umsetzung oder Vorstellung eines Plans zum Konjunkturpaket. Das sind zwei verschiedene Dinge.

Dieses Konjunkturpaket gilt für zwei Jahre. Das ist etwas völlig anderes als die Haushaltaufstellung, die im Prinzip jährlich auch in den kommunalen Haushalten wirkt. Das ist hier schon etwas anderes. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Fischer. - Nun erteile ich Ihnen, wenn Sie möchten, noch einmal das Wort, Frau Dr. Klein.

Herr Vorsitzender! Ich muss eigentlich nur eine Korrektur vornehmen. So einfach ist es eben nicht, Frau Fischer. Das Konjunkturprogramm gilt nicht nur für zwei Jahre, sondern die Abrechnung zieht sich bis zum Jahr 2012 hin. Wir werden es im Hauhaltsplan sowohl für das Jahr 2010 als auch für das Jahr 2011 veranschlagt finden. Nur darum geht es.

Insofern ist das nichts anderes. Es wird dann in den normalen Haushalt eingestellt, so wie wir es jetzt im Nachtragshaushalt bei Kapitel 13 30 finden. Dort wird sich das auch wiederfinden. Deswegen ist es richtig, schon frühzeitig zu schauen, wo umgesteuert werden muss und wo nicht und wo die bestimmten Dinge in den einzelnen Titel verankert werden können. Das war unser Anliegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Damit ist die Debatte beendet. Zur Abstimmung steht nun der Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 5/1937. Wer stimmt diesem zu? - Die Antragsteller und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt 11 ist abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1934

Ich bitte Frau von Angern von der Fraktion DIE LINKE, den Antrag einzubringen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das Thema Kinder- und Jugendschutz beschäftigt uns in diesem Hause nicht zum ersten Mal und, so denke ich, sicherlich auch nicht zum letzten Mal.

Infolge des Jahresberichts 2006 des Landesrechnungshofes, in dem unter anderem die Aktenführung in Jugendämtern sehr kritisch geprüft wurde, und im Rahmen der Behandlung des ersten Kinderschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt diskutierten wir im Plenum und in den Ausschüssen auch immer wieder über die Situation der Jugendämter der Landkreise und der kreisfreien Städte.

Nun liegt nach dem Bericht des Landesrechnungshofes ein zweiter Bericht vor, der ein Schlaglicht auf die Lage vor Ort wirft. Dieser Bericht mit Stand vom 1. Januar 2009 ist vom Landesjugendamt erstellt worden und trägt den schönen Titel „Fortschreibung der Bestandsfeststellung durch den überörtlichen Träger im Rahmen des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes zur Vermeidung von Gefährdungen für Kinder und Jugendliche im Land Sachsen-Anhalt“. Dieser Bericht hat meine Fraktion zur Einbringung des vorliegenden Antrags veranlasst.

Zunächst stelle ich die Frage: Worüber reden wir überhaupt, wenn wir von erzieherischem Kinder- und Jugendschutz sprechen? - Der gesetzliche Hintergrund ist in § 14 SGB VIII geregelt. Grob umrissen haben die Maßnahmen und Angebote des erzieherischen Jugendschutzes den Auftrag, Kinder und Jugendliche stark zu machen und ihnen Kompetenzen zu vermitteln, um sich selbst vor gefährdenden Einflüssen zu schützen. Diesem Auftrag an die Kinder- und Jugendhilfe kommt im Gegensatz zum gesetzlichen Jugendschutz also eine emanzipatorische und damit in erster Linie präventive Funktion zu.

Der erzieherische Kinder- und Jugendschutz bezieht neben den Kindern und Jugendlichen auch die Eltern ein. Das ist eine sehr wichtige Komponente in der Kinder- und Jugendhilfe und wird zuweilen leider von den Akteuren vergessen oder verdrängt. Das hat schwerwiegende Folgen für die Kinder oder die Familie in Gänze.

Die Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes sind aufgrund des eben beschriebenen Auftrages entsprechend vielfältig. Vom Training des Umgangs mit Konfliktsituationen über medienpädagogische Angebote, Informationen über Gefährdungspotenziale von Drogen bis hin zu Seminaren zur „Kostenfalle Handy“ ist die Palette, wie Sie sehen, breit aufgestellt.

Die öffentlichen Träger der Jugendhilfe erfüllen die Aufgaben des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes gemäß der bundesgesetzlichen Regelung als Pflichtaufgaben im jeweils eigenen Wirkungskreis.

Wichtig ist mir, an dieser Stelle auf den Unterschied zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII hinzuweisen, der hauptsächlich, aber eben nicht ausschließlich Gegenstand des ersten Kinderschutzgesetzes gewesen ist. Dieser Schutzauftrag setzt gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen voraus und kann dann bis hin zur Inobhutnahme durch das Jugendamt führen. Im Gegensatz dazu ist § 14 eine Vorschrift mit Angebotscharakter und eben ausdrücklich keine Regelung mit Interventionscharakter.

Nichtsdestotrotz ist und bleibt der Schutz von Kindern und Jugendlichen eine ganzheitliche Aufgabe, die beides benötigt: freiwillig in Anspruch zu nehmende Angebote der Bildung, Aufklärung und Erziehung und im schlimmsten Fall die konkrete staatliche Intervention. Beide Instrumente ergänzen einander und müssen aufeinander abgestimmt sein. Genau darin liegt auch der Beweggrund für unseren heutigen Antrag.

Das erste Kinderschutzgesetz, das Sie vorlegten, sollte die staatliche Gemeinschaft verpflichten, nicht nur im Sinne des § 8a SGB VIII tätig zu werden, sondern darüber hinaus Risiken für das gesunde Aufwachsen von Kindern rechtzeitig entgegenzutreten. Ziel des Gesetzes war unter anderem die konsequente Sicherstellung der erforderlichen Hilfen durch eine Vernetzung der Jugendhilfe mit anderen dem Kinderschutz und der Familienhilfe dienenden Einrichtungen und Behörden.

Geplant war schließlich, dass der örtliche Träger der Jugendhilfe für die Initiative zur und für die Steuerung und Koordinierung der Errichtung lokaler Netzwerke für den Kinder- und Jugendschutz verantwortlich gemacht wird. Genau dies haben wir auch immer als positiv hervorgehoben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme jetzt auf die Bestandsfeststellung des Landesjugendamtes zurück. Unabhängig davon, dass die Kommunen über diese Angelegenheit im eigenen Wirkungskreis entscheiden, stellen wir uns doch einmal die Frage, wer in den Jugendämtern die von mir eben beschriebenen lokalen Netzwerke initiieren, steuern und koordinieren könnte. Wird es die Leiterin oder der Leiter des Jugendamtes sein, wird es ein Streetworker des ASD oder ein Sachbearbeiter aus dem Bereich wirtschaftliche Jugendhilfe machen? - Ich denke, diese Möglichkeit besteht wohl kaum.

Geradezu prädestiniert für diese Aufgabe wären aus meiner Sicht aber die Fachkräfte für Kinder- und Jugendschutz der Jugendämter; denn sie leisten schon jetzt unter anderem eine vielfältige Vernetzungsarbeit. Doch schauen wir in die Jugendämter hinein. Ihre Situation sieht nicht besonders rosig aus.

Die Bestandsfeststellung des Landesjugendamtes stellt unter anderem fest,

dass im Jahr 2000 landesweit noch elf Vollzeitstellen für Jugendschutz existierten, im Jahr 2008 von den Jugendämtern dagegen nur noch fünf volle Stellen bei nunmehr größeren Landkreisen vorgehalten wurden,

dass von einer Vollzeitkraft im Bereich Jugendschutz im Durchschnitt ca. 40 000 und im Einzelfall sogar mehr als 80 000 Kinder und Jugendliche betreut werden müssen,

dass die Kontrolltätigkeiten im erzieherischen Kinder- und Jugendschutz weiter zurückgegangen sind,

dass sich das Verhältnis zwischen inhaltlicher Arbeit und Verwaltungsarbeit der Jugendschutzkräfte seit der Kreisgebietsreform in Richtung Verwaltungstätigkeiten verschoben hat,

dass nach wie vor nur wenige regelmäßige Veranstaltungen angeboten werden und so die Nachhaltigkeit gefährdet ist,

dass die Anzahl der Einzelveranstaltungen rückläufig ist und

dass der Anteil an Frühprävention gerade im Vorschulalter weiter gesunken ist.

Das Landesjugendamt selbst stellt abschließend fest, dass sich insgesamt die Bedingungen für den Jugendschutz verschlechtert hätten und insbesondere aufgrund der Stellenreduzierung im Zuge der Kreisgebietsreform eine kontinuierliche und vorausschauende Arbeit im Kinder- und Jugendschutz auf längere Sicht nicht mehr gewährleistet sei.

Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Aussagen in der Bestandsfeststellung zumindest Anlass zur Sorge sein sollten, und ich hoffe, dass die Fachpolitikerinnen der Fraktionen diese vom Landesjugendamt vorgetragene Meinung teilen.

Nun zu unserem Antrag. Im Grunde ist die Botschaft recht simpel. Meiner Fraktion ist es wichtig, bevor vom Landtag Gesetze verabschiedet werden, die Situation der Verantwortlichen vor Ort, die letztlich die Regelungen umsetzen müssen, zu kennen und zu berücksichtigen. Die Anhörungen und Diskussionen über das erste Kinderschutzgesetz haben bereits einige Probleme in den Jugendämtern zutage treten lassen. Ich denke, dass wir diese dringend ernst nehmen müssen.

Unser Antrag stellt keinen weiteren Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar. Ganz im Gegenteil, meine Fraktion möchte die Landkreise nicht mit den Folgen der Kreisgebietsreform allein lassen, sondern gemeinsam mit ihnen Lösungen für die Probleme in den Jugendämtern suchen.

Erlauben Sie mir einen kleinen Rückblick. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an eine zugegebenermaßen nicht ganz von Populismus freie Diskussion im Finanzausschuss. Wir stimmten mehrheitlich dem Kampfhundegesetz zu, mit dem ein finanzieller Zuschuss für die Kommunen in Höhe von 100 000 € einherging.