Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

tiert. Auch dort sollen Bibliotheksgesetze angeschoben werden. Der Bibliotheksverband in Sachsen-Anhalt ist mit seiner Forderung demzufolge nicht allein.

Der Bibliotheksverband hat einen Musterentwurf für ein Bibliotheksgesetz vorgelegt, der - das müssen wir nicht verheimlichen - Grundlage auch für unseren Gesetzentwurf war. Dennoch: Wenn man beide Gesetzentwürfe miteinander vergleicht, wird man schnell feststellen, dass unser Gesetzentwurf in ganz wesentlichen Punkten von dem Musterentwurf des Bibliotheksverbandes abweicht.

Was wollen wir, die Linksfraktion, mit einem solchen Bibliotheksgesetz erreichen? - Wir wollen, dass die Bibliotheken in unserem Land als eine Bildungseinrichtung und als ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kulturlandschaft definiert und somit in der Gesellschaft gestärkt werden.

Die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE, die wir in diesem Jahr hier diskutiert haben, verdeutlicht die Entwicklung der Bibliothekslandschaft in den letzten Jahren. Danach sind seit 2002 ca. 100 Bibliotheken im Land geschlossen worden. Es gab größere Einbrüche bei der Zahl der Nutzer. Übrigens: Die größten Einbrüche gab es ab dem Zeitpunkt, zu dem man angefangen hat, Gebühren zu erheben. Das ist in der Statistik sehr gut nachvollziehbar. Auch die Erneuerungsquote beim Bestand ist mit 5,7 % relativ niedrig.

Es gibt aber auch positive Fakten in unserem Land, die ich nicht verschweigen will. Grundsätzlich gibt es in Sachsen-Anhalt ein gut genutztes Bibliotheksnetz. Es gibt in Sachsen-Anhalt wissenschaftliche Bibliotheken, Spezialbibliotheken und über 200 Schulbibliotheken. Die Zahl der Kinder bis zwölf Jahre, die Bibliotheken regelmäßig nutzen, ist ebenfalls gestiegen. Auch die Anzahl der Ausleihen pro Nutzer ist gestiegen.

Das alles sind positive Aspekte, die uns auch dazu bewogen haben, einen solchen Gesetzentwurf einzubringen. Es geht uns nicht darum, dass jährlich Tausende neue Bibliotheken entstehen, sondern darum, dass der Status quo des Bibliotheksnetzes in unserem Land gesichert wird.

Unser Gesetzentwurf versucht Antworten auf die Entwicklungen zu geben und - das sagte ich bereits - den Status der Bibliotheken in der Gesellschaft zu stärken; denn Bibliotheken leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bildung und zur Förderung der Lesekompetenz. Sie sind für unsere Kulturlandschaft unersetzlich und leisten auch einen enormen wissenschaftlichen Beitrag. Des Weiteren sind Bibliotheken Orte der Begegnung und der Kommunikation. So haben wir es auch in unserem Entwurf formuliert.

Nun zu den Regelungen im Einzelnen. Wir versuchen mit unserem Gesetzentwurf, eine Definition der Bibliotheken unter bestimmten Kriterien vorzunehmen; denn in Bezug auf Bibliotheken haben wir bisher einen absolut rechtsfreien Raum. Es gibt keine gesetzliche Definition von Bibliotheken. Letztlich ist es so, dass sich jeder ein Bücherregal in die Ecke stellen und sagen kann: Ich habe hiermit meine Bibliothek. Das wäre rein theoretisch möglich, ist aber mit Sicherheit nicht im Sinne der Erfinder.

Wir sprechen deshalb in unserem Gesetzentwurf von verschiedenen Attributen und bestimmten Kriterien wie „leistungsstark“, „barrierefrei“, „den Informationsbedürf

nissen verpflichtet“ und machen konkrete Aussagen zur Bestandserneuerung.

Ich möchte auf die zwei im Gesetzentwurf enthaltenen Knackpunkte zu sprechen kommen.

(Zuruf von der CDU: § 8!)

Zum einen geht es um § 3 - Öffentliche Bibliotheken. Dort heißt es in Absatz 1 Satz 2:

„Die einzelnen Landkreise und die zu ihrem Kreisgebiet gehörenden Einheits- und Verbandsgemeinden haben die gemeinsame Aufgabe, in Zusammenarbeit miteinander und in Abstimmung untereinander das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf gut erreichbare öffentliche Bibliotheken zu sichern.“

Diese Formulierung ist von uns ganz bewusst gewählt worden, weil sie die Sicht der Nutzerinnen und Nutzer und nicht die der Kommune einnimmt. Wir machen uns die Sichtweise der Nutzerinnen und Nutzer zu eigen und sprechen von einem Recht, das sie haben, ein Recht auf ein gut erreichbares, gesichertes Bibliotheksnetz.

Und - das will ich gar nicht verheimlichen - natürlich ist mit dieser Formulierung vorgegeben, dass Bibliotheken dann - nicht für jede einzelne Kommune, aber in ihrer Gesamtheit - eine Pflichtaufgabe darstellen. Wir haben von einer konkreten Aufgabe für die einzelnen Landkreise und die zu ihrem Kreisgebiet gehörenden Einheits- und Verbandsgemeinden gesprochen.

Meine Damen und Herren! Das ist von uns auch so beabsichtigt. Wir wollen, dass es in einem Landkreis einen Dialog mit den dazugehörigen Kommunen gibt und dass sie sich gemeinsam zu der Frage verständigen: Wie können wir gemeinsam, auch gemeinsam finanzierend, ein gut erreichbares Bibliotheksnetz für unsere Bürgerinnen und Bürger im Landkreis aufrechterhalten? Wie können wir es ab sofort gemeinsam schultern?

Wir wollen diesen Dialog zwischen den Kommunen ganz bewusst. Wir wollen, dass sie sich verpflichtet fühlen, ihren Bürgerinnen und Bürgern ein solches Angebot zu unterbreiten.

Nun kann schnell der Vorwurf erhoben werden, dass dies ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung sei. Schauen wir uns einmal an, wie die kommunale Selbstverwaltung - nicht auf dem Papier, sondern in der Praxis - funktioniert. Ich selbst bin Kreistagsabgeordneter und auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind kommunalpolitisch aktiv.

Sie wissen genau, wie es sich verhält, wenn ein Kreistag oder ein Stadtrat völlig selbstbestimmt einen Haushaltsplan verabschiedet und darin festlegt: Wir wollen dieses oder jenes für unsere Bürgerinnen und Bürger - meinetwegen auch diese oder jene Bibliothek - aufrechterhalten. Dann wird der Haushalt ganz souverän von frei gewählten Abgeordneten oder frei gewählten Kreistagsmitgliedern beschlossen. Und dann kommt die Kommunalaufsicht und sagt: Das dürft ihr nicht, dies dürft ihr nicht und jenes dürft ihr nicht.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, kommunale Selbstverwaltung sieht etwas anders aus - jedenfalls nicht so, dass im Endeffekt ein Amt darüber entscheidet, ob eine Bibliothek bleiben darf oder nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Dieser Passus wäre, wenn er denn Gesetz wäre, keine Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung, sondern unter dem Strich sogar eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, weil sich die Kommunen auf ein Gesetz berufen und sagen könnten: Wir haben gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern die Pflicht, ein Bibliotheksnetz vorzuhalten.

§ 8 ist der zweite Punkt, den ich hervorheben möchte. Darin geht es um die Finanzierung von Bibliotheken. Absatz 1 ist mit Sicherheit unstrittig: Die Träger der Bibliotheken sind auch für die Finanzierung zuständig. Ich glaube, dass sich das Land auch punktuell an einem leistungsstarken Bibliothekssystem in unserem Land beteiligt, dürfte unstrittig sein.

Wir haben in § 8 Abs. 2 festgeschrieben, dass für Kinder und Jugendliche die Nutzung von Bibliotheken unentgeltlich sein soll. Meine Damen und Herren! Wenn wir uns darin einig sind, dass Bibliotheken der Leseförderung dienen sollen, wenn wir uns darin einig sind, dass sie ein unverzichtbarer Bestandteil der Kulturlandschaft und eine Bildungseinrichtung sind, dann ist es aus unserer Sicht nur logisch, dass wir insbesondere für Kinder und Jugendliche, eine Personengruppe, die kein eigenes Einkommen hat, sondern von ihren Eltern abhängig ist, die Barriere für den Bibliotheksbesuch so niedrig wie möglich gestalten bzw. einen uneingeschränkten Zugang zu Bibliotheken ermöglichen. Deshalb sollten aus unserer Sicht Kinder und Jugendliche von der Nutzungsgebühr befreit sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist eine logische Konsequenz, wenn wir Bibliotheken als Bildungseinrichtung planen. Wir können natürlich die in der Pisa-Studie deutlich gewordene mangelhafte Lesekompetenz beklagen, wir können aber auch handeln. Das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf tun.

Auf die anderen Paragrafen will ich nicht näher eingehen. Ich hoffe, dass der Entwurf in den Ausschuss überwiesen wird, dass wir eine Anhörung dazu durchführen und eine intensive Debatte im federführenden Ausschuss führen werden.

Wir haben im Gesetzentwurf Regelungen zur Landesfachstelle getroffen und sie als Landeseinrichtung definiert. Wir machen Aussagen zu wissenschaftlichen Bibliotheken, Schulbibliotheken, gehen auf die Barrierefreiheit ein, die wir für das Bibliothekswesen einfordern. Wir gehen auf Interkulturalität als Beitrag zur Integration ein und wollen natürlich auch die Zusammenarbeit mit anderen kulturellen und Bildungseinrichtungen im Land befördern.

Meine Damen und Herren! Derzeit führt die Fraktion DIE LINKE eine intensive Diskussion mit dem Bibliotheksverband in Sachsen-Anhalt und mehreren Bibliotheken im Land, die wir besuchen. Bei den Bibliotheken, die wir bisher besucht und mit denen wir uns zu dem Gesetzentwurf verständigt haben, konnten wir breite Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf erfahren.

Ich erwarte von Ihnen jetzt keine breite Zustimmung, aber doch die Bereitschaft zur Diskussion und zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit diesem Thema. Ich bitte Sie um eine Überweisung an den entsprechenden Ausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung, Herr Gebhardt. - Für die Landesregierung spricht Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz.

Zuvor können wir Seniorinnen und Senioren der Volkssolidarität Förderstedt bei uns begrüßen. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Über die Bedeutung von Büchern und anderen vorrangig der Information dienenden Medien dürfte in diesem Hause ebenso Einigkeit bestehen wie über die Notwendigkeit der allgemeinen Zugänglichkeit derselben. Das zeigt sich auch daran, dass mehrere Fraktionen derzeit intensiv darüber diskutieren, ob und wie man die Empfehlungen aus dem Abschlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2007 umsetzen könnte.

Die Frage lautet also, ob man mit einem Gesetz die Aufgaben der Bibliotheken konkret definieren, deren Finanzierung regeln und den Unterhalt öffentlicher Bibliotheken auch als kommunale Pflichtaufgabe festschreiben kann. Schon in der Koalitionsvereinbarung vom April 2006 haben die Fraktionen der CDU und der SPD geschrieben - ich zitiere wörtlich -:

„Die öffentlichen Bibliotheken im Land SachsenAnhalt sollen eine verlässliche Basis zur Planung und Umsetzung ihrer Aufgaben erhalten. Hierzu sollen Chancen und Möglichkeiten eines Bibliotheksgesetzes bzw. von Bibliotheksverträgen geprüft werden.“

Als erstes Bundesland hat übrigens Thüringen seit Juli 2008 ein Bibliotheksgesetz, das sich aber einer ziemlich starken Kritik ausgesetzt sah, weil es die Förderung von Bibliotheken gerade nicht als Pflichtaufgabe vorgesehen hat.

Diese Kritik am Gesetzgeber mutet für mich allerdings ein bisschen wohlfeil an, und zwar nicht nur deshalb, weil der Gesetzgeber selbst zugleich für den Landeshaushalt verantwortlich ist. Vor allem ergibt sich daraus die kulturpolitisch brisante Frage, ob man die Definition von kulturellen Pflichtaufgaben für die Kommunen auf bestimmte Kulturbereiche beschränken und damit bei der Förderwürdigkeit zum Beispiel zwischen Museen, Theatern und eben Bibliotheken differenzieren kann. Dafür brauchte man Kriterien, die nur schwer zu formulieren wären.

Ich will damit keineswegs sagen, dass man dergleichen überhaupt nicht tun sollte oder dürfte. Aber man muss schon gute Argumente haben, um Bibliotheken verpflichtend zu fördern und zum Beispiel Museen nicht.

Und natürlich - das wissen Sie mindestens genauso gut wie ich - müssten wir uns darüber im Klaren sein, dass wir andere in dem Maße, in dem wir sie zu bestimmten Aufgaben verpflichten, auch finanziell in die Lage versetzen müssten, diese Aufgaben zu verwirklichen, sie also entsprechend ausstatten müssten.

In § 8 des Gesetzentwurfes wird festgeschrieben, dass die jeweiligen Träger der Bibliotheken auch für deren Finanzierung zuständig sind - Sie haben das zitiert, Herr Gebhardt - und dass das Land zugleich den Auf- und Ausbau leistungsfähiger Bibliotheken und deren Vernetzung fördert und im Übrigen die Aktualisierung des Bestandes der öffentlichen Bibliotheken und das Angebot an Dienstleistungen unterstützt.

In der Begründung ist dann aber - ich zitiere - „mit Blick auf die komplizierte Haushaltslage vieler Landkreise und Kommunen“ die Rede davon, dass

„Fördermittel des Landes darüber hinaus für den Auf- und Ausbau leistungsfähiger Bibliotheken und deren Vernetzung für das Angebot innovativer Dienstleistungen sowie zur Aktualisierung des Bestandes eingesetzt werden.“

So weit die Begründung. - Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Möglichkeit nicht erst neu eingeführt werden müsste; denn sie besteht bereits. Zutreffend ist der Hinweis, dass schon heute Mittel zur Abgeltung etwa urheberrechtlicher Ansprüche im Haushalt des Kultusministeriums veranschlagt sind.

Meine Damen und Herren! Das Land steht und stand zu seiner Verantwortung für die Förderung öffentlicher Bibliotheken. Darüber hinaus fördert es den Ausbau von tragfähigen Strukturen und Vernetzungen. Es fördert Projekte, die der inhaltlichen Weiterentwicklung des Bibliothekswesens und der Verbesserung der Zusammenarbeit von Bibliotheken mit Kindergärten und anderen Bildungseinrichtungen dienen. Und es fördert den Kauf von Medieneinheiten zur Erfüllung des gehobenen Bedarfs durch Bibliotheken der Oberzentren bzw. zur Erfüllung des erweiterten Grundbedarfs durch Bibliotheken mit überörtlicher Funktion.

Dass das Land das übrigens ziemlich erfolgreich macht, kann man auch an den Zahlen ablesen, die Sie selbst zitiert haben. Ungeachtet der demografischen Krise ist nämlich gerade bei den jüngeren Jahrgängen ein stetiger Aufwuchs bei den Nutzern und bei den Ausleihvorgängen in unseren Bibliotheken zu verzeichnen - und das bei einer Halbierung der Zahl der Einwohner in dieser Altersgruppe im Zuge der demografischen Entwicklung.

Das spricht nicht direkt dafür, dass es einen linearen Zusammenhang gibt zwischen dem Gebührenproblem und der Ausleihfrequenz; das zeigt, so glaube ich, eher, dass sich die jungen Leute vor allem mit qualitativ hochwertigen und attraktiven Angeboten locken lassen und natürlich durch entsprechend anregende Potenziale von ihren Eltern und den Schulen bzw. den Lehrern.

Wenn wir an dieser Stelle fortfahren mit unseren Möglichkeiten und Projekten der Modernisierung des Bibliothekswesens, dann können wir, so glaube ich, diesen Erfolg auch konsolidieren. Denn erstaunlich ist das schon, wenn man sich demografische Daten daneben legt.