Lassen Sie mich aber bitte noch auf zwei Punkte zu sprechen kommen, die unserer Fraktion in diesem Zusammenhang besonders wichtig sind.
Erstens. Schon bei der Einbringung des Strafvollzugsgesetzes kritisierten wir den Umfang der vorgelegten gesetzlichen Regelungen. Dies möchte ich auch heute tun. Ich weiß, Frau Kolb, Sie werden sagen - das haben Sie auch vorhin in Ihrer Rede schon gesagt -: Wir haben mit anderen Ländern zusammen einen so genannten Mustergesetzentwurf erarbeitet, von dem wir nicht abrücken können.
Doch dieses Argument ist angesichts der Länderzuständigkeit nicht stichhaltig. Entweder zuständig, dann richtig zuständig oder das Ganze hätte gleich beim Bund verbleiben können. Ein bisschen Schwangerschaft gibt es nicht. Wenn wir schon gehalten sind, neue Gesetze zu schaffen, dann bitte in einem züchtigen Kleid und nicht in solch einer Kittelschürze, in der jeder Referent noch seine Gedanken untergebracht hat, über denen er seit Jahren brütet und die er nun endlich unters Volk zu bringen glaubt. Vergessen wir nicht, dass dieses Hohe Haus, aber diese Landesregierung und ihre Vorgängerregierungen immer wieder die Gesetzesentrümpelung als Ziel setzten.
Doch nun zu § 6 dieses Entwurfs. Er betrifft die soziale Betreuung. In Absatz 1 heißt es richtigerweise:
sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Er soll dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.“
So weit in Ordnung und ausreichend. Doch dann folgen weitere Absätze, die überflüssig sind wie ein Kropf und deren Inhalt sich von selbst versteht, etwa wenn formuliert wird, die Anstalt habe mit außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen sowie mit Personen und Vereinen, die soziale Hilfestellung leisten können, eng zusammenzuarbeiten.
Das ist eine Binsenweisheit, die schon zum Allgemeingut einer Anstalt gehört und die an mehreren Stellen schon gesetzlich geregelt wurde. Das gilt auch für die weiteren Absätze der Vorschrift.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die datenschutzrechtlichen Regelungen. Leider ohne Erfolg habe ich das schon einmal bei der Beratung des Strafvollzugsgesetzes getan. Vielleicht können wir jetzt einfach auf diese Regelungen verweisen.
Zweitens. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich den Wunsch der Rechtspolitiker unserer Fraktion äußern, dass wir im Rechtsausschuss über den neuen Vollstreckungsplan zur U-Haft unterrichtet werden, was im Zusammenhang mit der Beratung über diesen Gesetzentwurf erfolgen könnte. Für eine von Ihrem Haus vorgeschlagene Konzentration der U-Haft bei den vier Anstalten am Sitz der Landgerichte mag einiges sprechen, doch es bleibt das große Problem der weiten Anfahrtswege für Polizei- und Vollzugsbeamte. Nicht auszudenken, die Polizeifahrzeuge hätten, wie schon vorgekommen, im Herbst keine Benzinkontingente mehr.
Unsere Fraktion wird dafür Sorge tragen, dass das Gesetz bald verabschiedet wird. Wir bitten Sie, den Entwurf in den zuständigen Rechtsausschuss zu überweisen. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Frau Ministerin! Als Kittelschürze hätte ich den Gesetzentwurf jetzt nicht bezeichnet, aber wir können darüber im Ausschuss für Recht und Verfassung noch trefflich streiten.
Dank der Föderalismuskommission dürfen wir uns heute mit diesem Gesetzentwurf befassen. Ich werde unsere Kritik daran, dass wir als Länder jetzt den Strafvollzug zu regeln haben, nicht noch einmal wiederholen. Es ist auch schon von der FDP angedeutet worden.
Grundsätzlich hat das Bundesverfassungsgericht für die Untersuchungshaft nicht ein Sondergesetz gefordert. Nichtsdestotrotz halte ich aufgrund der Sondersituation, in der sich die U-Häftlinge befinden, ein solches Sonder
Die U-Haft dient vor allem der Sicherung des Strafverfahrens und ist eben keine Strafe. Wir haben es hierbei mit einer ständigen Abwägung zwischen den Grundrechten des Bürgers auf der einen Seite und den Sicherheitsinteressen des Staates auf der anderen Seite zu tun. Die U-Haft ist auf maximal sechs Monate begrenzt.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf muss man sich in Bezug auf den vorliegenden Gesetzentwurf die Frage stellen: Handelt es sich bei den darin enthaltenen Vorgaben um Regelungen, die an der Unschuldsvermutung orientiert sind?
Zunächst möchte ich auf die Begründung zu dem Gesetzentwurf und hier insbesondere auf den darin enthaltenen Abschnitt 3, auf die Kosten eingehen. In diesem Abschnitt heißt es sinngemäß, dass der Ausbau der vollzuglichen Angebote derzeit an finanzielle Grenzen des Landeshaushaltes stößt. Die Dinge, die wir hier schreiben, sind teilweise sehr gut gemeint - das sehe auch ich so; diese Auffassung teile ich -, sie sind aber aufgrund mangelnder Ressourcen zeitweise schwierig umsetzbar.
Das ist ein rein fiskalischer Ansatz, der sich in dem Gesetzentwurf so niederschlägt, dass es sich vor allem um Kannvorschriften gerade im sozialen Bereich handelt. Das heißt, die Möglichkeiten, mit den U-Häftlingen zu erarbeiten, sind in das Ermessen der Anstalten gestellt. Das bedeutet aber auch, dass wir als Gesetzgeber die Verantwortung an die Anstalten abgeben.
Deswegen erlaube ich mir an dieser Stelle auch einmal einen Blick auf die Personalsituation im Strafvollzug zu werfen. Die Enquetekommission hat sich mit diesem Thema bereits im Oktober 2008 befasst. Sie, Frau Ministerin, waren zugegen. Ich möchte Sie an dieser Stelle gern einmal wie folgt zitieren:
„An dieser Stelle ist zu bemerken, dass wir noch nicht in allen Anstalten das gewährleisten können, was verfassungsrechtlich eigentlich vorgeschrieben ist.“
Das Kernproblem, das Sie damals darstellten und das nach wie vor besteht, ist der Altersdurchschnitt der Bediensteten, der bei ca. 45 Jahren, in einigen Einrichtungen bei 49 Jahren liegt. Das bedeutet ganz konkret, dass bis zum Jahr 2020 ca. 40 % der Beschäftigten den aktiven Dienst verlassen werden.
Ich denke, selbst mit dem zu erwartenden Rückgang der Gefangenenzahl reichen die geplanten Neueinstellungen nicht aus. Die Frau Ministerin sprach in der Enquetekommission von einer Personalunterdeckung. Dies wurde von Interessenvertretungen wie dem Richterbund und dem Bund der Strafvollzugsbeamten bestätigt.
Das Justizministerium brachte damals zum Ausdruck, dass Lösungen in Umstrukturierungen und Anstaltsschließungen zu finden sein würden. Darüber müssen wir zu gegebener Zeit im Ausschuss für Recht und Verfassung reden.
Es wurde von Ihnen außerdem der Neubau einer JVA angeregt. Rechtspolitisch kann ich das sicherlich unterstützen, finanzpolitisch ist das natürlich erst einmal ein mittlerer Gau für den Haushalt. Aber, wie gesagt, rechtspolitisch ist das sicherlich sinnvoll. Diese Probleme müs
Es betrifft zum einen die in § 6 geregelte soziale Hilfe. Ich finde es sehr positiv, dass hiernach durch die Anstalten Stellen zur Vermeidung der U-Haft benannt werden sollen. Ich möchte deswegen anregen, zur Anhörung Vertreter der Koordinierungsstelle für die U-Haft-Vermeidung einzuladen.
Ich habe in der letzten Legislaturperiode im Jahr 2006 eine Kleine Anfrage gestellt, in der ich habe wissen wollen, wie viele Jugendliche und Heranwachsende sich in U-Haft-Vermeidungs-Projekten befinden. Die genauen Zahl konnte damals nicht genannt werden. Bundesweite Studien zeigen, dass wir nach wie vor damit zu tun haben, dass diese Möglichkeit nur sehr selten genutzt wird. Ich finde, das ist schade, weil U-Haft durch solche Projekte gänzlich verhindert werden kann und solche informellen Maßnahmen weitaus positivere Wirkungen haben.
Abschließend möchte ich nur noch sagen, dass das in § 33 geregelte Recht auf Besuch und dessen Ausweitung von uns als sehr positiv eingeschätzt wird. Das betrifft insbesondere auch die Tatsache, dass die Zeiten der Besuche von Kindern oder bei Minderjährigen von ihren Eltern nicht angerechnet werden. Das ist sehr positiv. - Sie merken, meine Rede ist weitaus positiver als die von der CDU-Fraktion.
Ich freue mich auf eine anregende Diskussion im Ausschuss für Recht und Verfassung und rege an dieser Stelle noch einmal an, eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchzuführen. Meine Fraktion wird den Gesetzentwurf mit in den Ausschuss für Recht und Verfassung überweisen. - Danke.
Vielen Dank, Frau von Angern. Sie haben auf die Sekunde genau fünf Minuten lang gesprochen. - Zum Schluss der Debatte erteile ich Herrn Dr. Brachmann das Wort, um für die Fraktion der SPD zu sprechen. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sturm, Sie verwundern mich schon manchmal - auch wieder mit Ihrem heutigen Redebeitrag. Also: Ob Kleid oder Kittelschürze - mir ist wichtig, was drin ist.
(Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei allen Fraktio- nen - Frau Bull, DIE LINKE: So ist es! - Zuruf von der LINKEN: Super! - Oh! bei der FDP - Zurufe von Herrn Kosmehl, FDP, und von Herrn Borg- wardt, CDU)
Meine Damen und Herren! Es gehört zu den Grundpfeilern unserer Verfassung und unserer Rechtsordnung, dass Eingriffe in die Grundrechte und in die Freiheitsrechte des Bürgers nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig sind.
Sie werden mir sicherlich darin zustimmen, dass in Haft genommen und seiner Freiheit beraubt zu werden wohl der schwerwiegendste Eingriff in die Grundrechte des Bürgers ist, den man sich vorstellen kann, noch dazu wenn bis dahin noch keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt ist.
Die Anordnung und die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft sind seit Langem in der Strafprozessordnung geregelt, nicht jedoch der Vollzug selbst. Das ist ein verfassungsrechtlich bedenklicher Zustand; das ist hier schon wiederholt gesagt worden.
Es hat bereits mehrere Jahre lang immer wieder rechtspolitische Forderungen gegeben, nun endlich ein Untersuchungshaftgesetz auf den Weg zu bringen. Das findet sich schon in der Koalitionsvereinbarung des Bundes aus dem Jahr 2005, wonach die große Koalition in Berlin ein solches Untersuchungshaftgesetz auf den Weg bringen wollte.
Die Situation hat sich geändert; es ist wiederholt gesagt worden: Wegen der Föderalismusreform haben jetzt die Länder die Zuständigkeit. Es ist müßig - wir haben das auch bei anderen Gelegenheiten immer wieder betont -, sich darüber auseinanderzusetzen, ob das nun ein Glücksfall oder ein Segen ist oder nicht. Die Situation ist so. Wir haben die Zuständigkeit für diesen Bereich und müssen zusehen, dass wir jetzt etwas Vernünftiges daraus machen.
Auch ich gehöre zu denjenigen, die nichts davon halten, dass jedes Land hierbei eigene Wege beschreitet.
Deshalb begrüße ich es, dass sich zwölf Länder zusammengefunden haben und nunmehr ein Musterentwurf vorliegt, der die Grundlage auch für den Regierungsentwurf ist.
Der Landtag hatte sich bereits im Herbst des letzten Jahres mit Eckpunkten für ein Untersuchungshaftgesetz befasst. Das findet in dem jetzigen Entwurf Berücksichtigung. Wo es Nuancen gibt, hat Frau Ministerin dargelegt. Insoweit stimmt meine Fraktion dem Regierungsentwurf grundsätzlich zu.