Protokoll der Sitzung vom 19.06.2009

b) Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/2021

Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/2045

Meine Damen und Herren! Beide Gesetzentwürfe werden von der Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt Frau Wernicke eingebracht. Frau Wernicke, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung umweltrechtlicher Rechtsvorschriften zur Beschlussfassung zugeleitet.

Der Gesetzentwurf bündelt verschiedene gesetzgeberische Vorhaben aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt. Er dient unter anderem der landesrechtlichen Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien sowie des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005.

Gegenstand des Gesetzentwurfs sind Änderungen folgender Landesgesetze: das Bodenschutz-Ausführungsgesetz, das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, das Wassergesetz, das Ausführungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz, das Waldgesetz und das Naturschutzgesetz. Die Verordnung über abweichende Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Wasserrechts soll ebenfalls angepasst werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So weit relativ kurz zu dem ersten Gesetzentwurf. Ich will hier nicht ins Detail gehen, weil es ein Sammelsurium der verschiedensten Einzelgesetze ist. Ich denke schon, dass wir in den Ausschüssen genügend Gelegenheit haben werden, darüber zu diskutieren.

Des Weiteren hat die Landesregierung Ihnen kurzfristig den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wassergesetzes zur Beschlussfassung zugeleitet. Hierauf möchte ich doch etwas ausführlicher eingehen.

Mit der Novellierung des Wassergesetzes im Jahr 2005 wurden die rechtlichen Grundlagen zur Anwendung eines differenzierten Flächenmaßstabs bei der Finanzierung der Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung geschaffen. Hauptanliegen dieser Regelung war es, die finanziellen Lasten für die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung verursachergerecht zuzuordnen. Nach geltendem Recht wäre die Regelung ab dem Jahr 2010 verbindlich anzuwenden. Wir halten sie jedoch so nicht für umsetzbar und haben - wenn ich das so sagen kann - die Reißleine gezogen.

Nun mag man sagen - ich werde das in der anschließenden Debatte sicherlich auch hören -: zu spät. Oder: Das haben wir schon immer gewusst. Aber erst das Ergebnis eines umfangreichen Pilotprojektes in Testregionen, welches seit dem Jahr 2007 vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt in intensiver Zusammenarbeit mit dem Ministerium des Innern durchgeführt wurde, hat uns erkennen lassen, dass dieses Vorhaben so nicht umsetzbar ist.

An diesem Pilotprojekt waren beteiligt die Unterhaltungsverbände und Kommunen des jeweiligen Gebietes, der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft und das Landesamt für Vermessung und Geoinformation als Facheinrichtungen des Landes. Der Städte- und Gemeindebund und der Wasserverbandstag waren als Spitzenverbände von Beginn an eng eingebunden.

Vertreter meines Hauses haben sowohl im Ausschuss für Umwelt als auch im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten regelmäßig über den Stand der Vorbereitungen zur Einführung des neuen Verfahrens berichtet, aber auch die Parlamentarier über die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus den Pilotprojekten unterrichtet. In diesen Pilotverfahren ging es hauptsächlich darum, eine technisch effiziente Bereitstellung und Verwertung von flurstücksbezogenen Daten im automatisierten Datenlauf - unter Ausschluss von Fehlerquellen - vorzubereiten.

Im Ergebnis des sehr umfangreichen abschließenden Pilotprojektes im Landkreis Harz mit 15 Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften und drei Unterhaltungsverbänden hat sich gezeigt, dass die Fehlerquoten im Datenbestand und im automatisierten Datenlauf höher liegen, als sie für rechtssichere Bescheide mit einem sachgerechten Verwaltungsaufwand glattzuziehen wären. Bei

einem Gesamtbestand von über 230 000 Flurstücken im Pilotprojekt Harz musste festgestellt werden, dass sich vorhandene Fehlerquellen in der Summe zu einer Fehlerquote hochschaukeln können, die einen Einsatz des Verfahrens in der Praxis ab dem Jahr 2010 nicht zulässt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich Carl Friedrich von Weizsäcker einmal bemühen, der gesagt hat: Die Entdeckung, dass es so einfach nicht ist, wie man gedacht hat, ist als Gewinn anzusehen.

So sehe ich das hier auch; es geht eben nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber wenn ich den zweiten Teil des Zitats, also das Gewinnen von Erkenntnissen, mit beleuchten darf: Dieses Pilotverfahren hat aber auch weitere durchaus nützliche Erkenntnisse gebracht, die über diese technischen Zusammenhänge hinausgehen.

Es hat sich gezeigt, dass die bisherige Regelung der Mitgliedschaft in den Unterhaltungsverbänden, die seit der Einführung des Vorschaltgesetzes zum Landeswassergesetz für die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung im Land Sachsen-Anhalt gilt, deutliche Fehlerrisiken beinhaltet. Bisher sind die Gemeinden für alle grundsteuerpflichtigen Flächen als Mitglieder erfasst, während die Eigentümer der so genannten grundsteuerfreien Flächen als Einzelmitglieder des Verbandes heranzuziehen sind. Die Vielfältigkeit von Tatbeständen, die zur Grundsteuerbefreiung führen, führt dazu, dass Eigentümer dieser grundsteuerbefreiten Flächen unvollständig oder auch falsch erfasst werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Ergebnis steht fest, dass die im Gesetz verankerten Bestimmungen zur Mitgliedschaft in den Unterhaltungsverbänden und zum Beitragssystem dringend einer Neuregelung bedürfen. „Dringend“ heißt in diesem Fall: rechtzeitig vor Beginn des Jahres 2010.

Die von den Regierungsfraktionen des Landtages erbetenen Alternativprüfungen führten letztlich zu dem Ihnen vorliegenden Vorschlag für eine Gesetzesänderung. Wir orientieren uns mit diesem Vorschlag grundsätzlich weiterhin an den bisherigen Kernzielen: Die Verursacherbezogenheit bleibt bestehen, die Rechtssicherheit ist dringend notwendig und das Verfahren soll kostensparend sein.

Insoweit werden vorgeschlagen: Erstens die Beschränkung der Mitgliedschaft in den Unterhaltungsverbänden auf die Gemeinden, das heißt die Abkehr vom Grundsteuerbezug, zweitens die Anwendung des einfachen Flächenmaßstabes und die obligatorische Erhebung von Erschwernisbeiträgen für die Verdichtung von Flächen, drittens der Ausgleich von Mehrkosten bei verursacherbezogener Erschwernis und viertens soll es auf der gemeindlichen Ebene möglich sein, die Refinanzierung einschließlich der Erschwernisbeiträge wahlweise über die Umlage der Unterhaltungsbeiträge oder die Finanzierung der Unterhaltungslasten aus allgemeinen Deckungsmitteln sicherzustellen.

Dieser Entwurf ist mehrfach mit dem Ministerium des Innern, dem Wasserverbandstag und dem Städte- und Gemeindebund erörtert worden. Wir haben darüber hinaus aber auch sehr intensiv mit dem Waldbesitzerverband diskutiert. Angesichts der Eilbedürftigkeit wurden 38 Verbände, Vereinigungen und Organisationen zur Stellungnahme aufgefordert.

Geäußert haben sich 18 Einrichtungen, sieben davon gaben ihre Zustimmung zu dem Entwurf und damit zur Abkehr von der derzeit im Wassergesetz fixierten Regelung. Zwei Einrichtungen teilten mit, dass sie keine Stellungnahme abgeben.

Neun Verbände und Organisationen haben Anregungen und Hinweise gegeben, insbesondere der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt, der Wasserverbandstag, der Naturschutzbund, der Waldbesitzerverband Sachsen-Anhalt. Aber auch der Landesbauernverband und der Landvolkverband haben Anregungen gegeben, die sich schwerpunktmäßig auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten insgesamt beziehen, auf den einwohnerbezogenen Erschwernisbeitrag und die Mehrkostenregelung, auf die Mitgliedschaft ausschließlich der Gemeinden sowie auf die Berufenenregelung.

Eine Änderung des Gesetzentwurfes war aus meiner Sicht im Ergebnis der Anhörung nicht erforderlich, da grundsätzlich weitgehend Zustimmung besteht und nach Prüfung der Hinweise ein solches Erfordernis nicht begründbar ist.

Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt in angemessener Weise das Verursacherprinzip durch die obligatorische Erhebung der Erschwernis über den Einwohneranteil und die obligatorische Erhebung der Mehrkosten direkt vom Verursacher. Er enthält Regelungen, die ein kosteneffizientes und rechtssicheres Handeln ermöglichen.

Auch das Konnexitätsprinzip - das war den Parlamentariern wichtig - bleibt gewahrt. Nach Artikel 87 der Landesverfassung besagt das Konnexitätsprinzip, dass bei der Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen die Deckung der Kosten zu regeln ist. Dieser Maßgabe wurde in vollem Umfang entsprochen. Die Beiträge können, wie bisher auch möglich, vollständig auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden.

Die Gemeinden, die sich bei dieser neuen Gesetzesregelung zur Abwälzung entschließen - was einige bisher nicht getan haben -, können ihre Einnahmensituation dadurch wesentlich verbessern. Der Ersatz von Mehrkosten ist vor der Ermittlung des gemeindlichen Verbandsbeitrages - er wäre also nicht umzulegen - auszugliedern und ist bei den Verursachern geltend zu machen. Das wiederum wird zu einer Reduzierung des Verbandsbeitrages führen. Zudem verringert sich für die Gemeinden der Verwaltungsaufwand durch den Wegfall der Differenzierung zwischen den grundsteuerbefreiten und den grundsteuerpflichtigen Flächen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben erkennen können, dass dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Ich bitte Sie, beide Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren zügig zu behandeln und zu begleiten. Für Diskussionen und konkrete Fragen ist sicherlich in den Ausschüssen ausreichend Zeit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Einbringung beider Gesetzentwürfe. - Wir kommen zu den Debattenbeiträgen. Als erstem Debattenredner erteile ich für die FDPFraktion Herrn Kley das Wort. Je Fraktion sind zehn Minuten Redezeit vereinbart worden.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein wenig bedauerlich, dass die Frau Ministerin über das erste Gesetz aus diesem Doppelpack, über dessen Kombination im Ältestenrat ich mich noch immer ein wenig wundere - -

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Aber wahrscheinlich ist dort gesagt worden, Umwelt ist Umwelt, und lasst uns mal nicht so tief hineinsteigen.

Auf jeden Fall bedauere ich, dass die Frau Ministerin in der ersten Runde zu kurz auf die Inhalte der Gesetze eingegangen ist. Wir müssen feststellen, dass eine ganze Reihe dieser Regelungen von der Europäischen Union schon vor längerer Zeit eingeführt worden ist und die Umsetzung in Landesrecht bereits in den Jahren 2004 und 2005 angestanden hätte. Dadurch ist im Hinblick auf die Wirkung dieses Rechts nichts passiert.

In Sachsen-Anhalt wird beispielsweise die strategische Umweltprüfung schon seit Längerem angewandt, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fragen lauteten immer: Wie gliedert sie sich in das Landesrecht ein? Wie soll sie im Einzelnen umgesetzt werden? Wie kann sich das Gesamtpaket entsprechend ausprägen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind sehr wichtige Punkte; denn wir sind dabei, Infrastrukturvorhaben in einem größeren Maßstab umzusetzen. Diese müssen dann auch rechtssicher sein. Deswegen ist es wichtig, dass das Ministerium zukünftig darauf achtet, dass derartige Rechtsakte der Europäischen Union frühzeitig Eingang in die Gesetzgebung finden, um Sicherheit zu geben und um Investitionen in diesem Land auch ordnungsgemäß durchführen zu können und um ein klares Signal nach außen zu setzen, dass Sachsen-Anhalt ein Land ist, das Investitionen mit Rechtssicherheit anzieht.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden mit Sicherheit im Ausschuss noch das eine oder andere zu diesem Thema diskutieren können und dann hier vielleicht versuchen, eine vernünftige Rechtssystematik nach außen hin zu vertreten.

Ich möchte in der Kürze der Zeit noch auf einen Punkt eingehen, nämlich auf die Änderung des Naturschutzgesetzes. Diese beinhaltet einen interessanten neuen Punkt, der die Kostenerstattung bei Schäden durch Großraubtiere vorsieht. Die Definition ist sicherlich auf Mitteleuropa bezogen; denn andere Länder haben andere Größenverhältnisse, aber bei uns gelten der Luchs und der Wolf schon als Großraubtiere.

Wir, die FDP, werden im Ausschuss noch einmal die Diskussion führen, ob nicht auch Schäden durch den Biber einer Erstattung bedürfen; denn wir haben es mit dem einzigen Tier der Roten Liste zu tun, das seine Umwelt nachhaltig verändert, und immer wieder - gerade bei den Wasserverbänden, zu denen wir später noch kommen - die Diskussion geführt wird, wer eigentlich für die Schäden aufkommt. Das kann nicht der Grundstückseigentümer sein. Es muss dafür eine Landesregelung geben, die unterstützend tätig wird.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Teil - die Änderung des Wassergesetzes -: eine schier un

endliche Geschichte. Gern hätte der Kollege Hauser das Wort ergriffen, der bereits vor fünf Jahren vor den Schwierigkeiten bei der Umsetzung warnte. Aber die Landesbehörden waren zum damaligen Zeitpunkt der Meinung: Nein, kein Problem. Die Daten sind vorhanden. Es ist alles möglich. Mehrfache Kritik und mehrere Anhörungen wurden mit dem klaren Hinweis ignoriert, es wäre Schwarzseherei, man könne nur nicht vernünftig damit umgehen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Jetzt endlich - jetzt endlich! - hat man erkannt, dass diese Regelungen vor Ort aufgrund der schlechten Datenlage nicht umsetzbar sind oder - meine sehr geehrten Damen und Herren, damit kommen wir zu einem ganz gefährlichen Punkt - offenkundig durch die Sabotage des Gesetzes auf der Ebene der Kommunen und der Behörden nicht umgesetzt werden sollten. Wenn wir zulassen, dass zukünftig derartige Vorhaben der Behörden von Erfolg gekrönt sind, dann haben wir als Landesgesetzgeber einfach Schwierigkeiten, anderen Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, dass sie die Gesetze einzuhalten haben. An dieser Stelle muss die Landesverwaltung als Vorbild vorangehen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Das ist jetzt nicht mehr zu verhindern. Ich glaube aber, dass es dringend geboten ist, dass die Kommunalaufsicht noch einmal tätig wird und kontrolliert, welche Möglichkeiten vorhanden sind, um die nachgeordneten Behörden oder auch die Kommunen dazu zu bringen, zumindest ernsthaft zu versuchen, das Gesetz umzusetzen. Diese Ernsthaftigkeit haben wir an keiner Stelle feststellen können.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dasselbe ergibt sich im Hinblick auf die Behauptung im neuen Gesetz, dass mit diesem Gesetz wieder Rechtssicherheit eingeführt werden würde. Wer die Protokolle über die öffentlichen Anhörungen liest, der stellt fest, dass viele Bescheide aufgrund von Einigungen oder Vereinbarungen erteilt worden sind. Wenn es Probleme gab, dann wurden die Bescheide einfach weggeworfen.

So kann man nicht mit Rechtsgütern umgehen. Die Bürger und die Eigentümer haben ein Recht darauf, dass alle einbezogen werden und dass die Bescheide zukünftig ordnungsgemäß ergehen.