Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 69. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt. Ich begrüße Sie alle recht herzlich.
Ich hoffe, Sie haben eine schöne Weihnachtsfeier gehabt. Ich sehe, Sie sind alle gut drauf und fit. Ich habe mir erlaubt, Ihnen einen kleinen Weihnachtsgruß zu übermitteln. Ich hoffe, Sie haben daran ein wenig Freude.
Es liegen zwei Beratungsgegenstände vor, ein Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 5/2326 zum Thema „Die Gefährdung der journalistischen Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die ‚Causa Brender’“ und ein Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 5/2327 zum Thema „Internationale Klimaschutzanstrengungen intensiver unterstützen“. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.
Die Gefährdung der journalistischen Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die „Causa Brender“
Ich erteile zunächst Frau Budde von der antragstellenden Fraktion der SPD das Wort. Danach folgen die Redebeiträge der Fraktionen der FDP, der CDU und der LINKEN. Bitte schön, Frau Budde.
Meine Damen und Herren! Spannender als hier wird das Thema heute mit Sicherheit im ZDF-Fernsehrat diskutiert werden. Aber vielleicht bewirkt ja die Neuausrichtung des ZDF-Staatsvertrages, dass in dem Rat zukünftig auch Menschen sind, die nicht an Landtagssitzungen gebunden sind, sodass dann auch Staatsminister in einer solchen Beratung anwesend sein können, obwohl es Doppelfunktionen gibt.
Was wir in der „Causa Brender“ in den letzten Wochen und Monaten geboten bekommen haben, das war für mich schon ein Lehrstück aus der Rubrik „ignorieren und
aussitzen“. Man kann sich natürlich stur stellen und auf die Verfahren in den Gremien verweisen. Das werden sicherlich auch einige tun,
im ZDF, im Fernsehrat und auch im Verwaltungsrat, der die Personalentscheidungen trifft. Diese Gremien sind, wie sie sind. Es ist natürlich legal, was die Herren Müller, Koch und Co. veranstaltet haben. Aber aus meiner Sicht war es eines nicht: legitim. Das ist ein großer Unterschied.
Es wäre aus meiner Sicht schon angezeigt gewesen, die Kritik, die zum einen von dem Sender kam, die es zum anderen aber auch in der breiten Öffentlichkeit gab, ernst zu nehmen und vor allen Dingen anzunehmen und über die Diskussion einmal nachzudenken.
Es gab da einen offenen Brief von Zuschauern, einen offenen Appell ranghoher ZDF-Journalisten, es gab einen offenen Brief von 35 führenden Staats- und Verfassungsrechtlern, es gab unzählige Leitartikel, Kommentare und Berichte. Die hatten in der überwiegenden Mehrheit einen Tenor: Brender muss bleiben.
Das Wichtigste, das wir nicht vergessen dürfen, ist: Der Intendant des ZDF, Herr Schächter, hatte Herrn Brender zur Vertragsverlängerung vorgeschlagen. Das heißt, er hatte ihm sein uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen. Das hat aber alles nichts geholfen. Stattdessen haben - das ist nun so öffentlich diskutiert worden, dass man das auch hier sagen kann - Vertreter der CDU, allen voran Herr Koch, aus meiner Sicht eine vorgefasste Entscheidung durchexerziert.
Herr Koch hatte ja bereits im Februar 2009 in einem Interview in der „FAZ“ keinen Zweifel daran gelassen, dass Herr Nikolaus Brender als Chefredakteur „abgesägt“ gehört. Das Ergebnis kennen Sie. Der Vertrag von Herrn Brender ist nicht verlängert worden. Ich bedauere dies sehr.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erfüllen mit ihrem Sendeauftrag auch eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Und politisches Handeln muss sich daran ausrichten, diesen Auftrag vorbehaltlos zu unterstützen.
Aus meiner Sicht müssen gerade in einem so sensiblen Bereich wie einem Kontrollorgan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Entscheidungen dieser Tragweite über jeden Zweifel erhaben sein; und das waren sie nicht.
Eines hat mir bisher niemand plausibel erklären können: Welche fachlichen Gründe sprechen gegen die Weiterbeschäftigung von Herrn Brender? - Aus meiner Sicht gibt es keine. Angeblich soll die schlechte Arbeit des Chefredakteurs damit begründet werden, dass die Nachrichtensendung „heute“ in dem Zeitraum seit 2002 bis heute ca. ein Viertel ihrer Zuschauer verloren hat und nun nur noch auf Platz 3 liegt.
Das ist eine Negativentwicklung, richtig, wobei es in den letzten Wochen einen anderen Trend gibt, auch aufgrund der Neugestaltung der Sendung „heute“. Natürlich gibt es Anlass zur Sorge, wenn nicht mehr so viele Men
schen öffentlich-rechtliche Nachrichtensendungen schauen. Aber als Grund für die Nichtwahl des Chefredakteurs kann sie nicht herhalten.
Wir haben für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer den Grundsatz gehabt - und so soll es auch bleiben -: Qualität kommt vor Quote. Das ist auch der Hauptgrund für die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Wir wollen Qualitätsjournalismus. Wir wollen eine unabhängige Berichterstattung, die auf Boulevard verzichten kann, weil sie unabhängig von Quote und unabhängig von Werbung ist.
Wenn man die Nachrichten im ZDF und bei RTL miteinander vergleicht, dann stellt man fest, dass die Anteile der einzelnen Themen an den Nachrichtensendungen schon sehr unterschiedlich sind. Das spricht eine deutliche Sprache. Politik nimmt beim ZDF 65,6 % der Sendung ein, bei RTL 38,3 %, also ungefähr die Hälfte. Dafür gibt es dort wesentlich mehr Sport, nämlich 16,0 %, beim ZDF sind es 7,9 %. Bei RTL gibt es auch wesentlich mehr Boulevard, nämlich 14 %, beim ZDF sind es 5,7 %. Das mag Quote bringen, hat aber nicht immer etwas mit Qualität zu tun.
Auch wenn es RTL damit auf Platz 2 geschafft hat, ist das kein Grund für die Entlassung des Chefredakteurs Brender. Nachrichten sind aus meiner Sicht Information und kein Entertainment.
Es gab dazu in diesem Jahr auch schon eine offene Debatte im ZDF-Fernsehrat, als die ersten Artikel erschienen waren, in denen es hieß, man wolle den Vertrag von Herrn Brender nicht verlängern; es gebe keine Mehrheit im Verwaltungsrat.
Der ZDF-Fernsehrat ist für das Programm zuständig. Da die Kritik an Herrn Brender über das Programm und den Inhalt aufgemacht worden ist, ist die Situation auch im ZDF-Fernsehrat diskutiert worden. Dort gab es von keiner der Gruppen mehr die Kritik am Programm. Es gab Hinweise, was man verbessern könne. Aber dass das Programm für eine Nichtverlängerung des Vertrages herhalten könne, ist dort ausgeschlossen worden, und zwar einstimmig. Deshalb wundert es mich schon, dass dieses Argument immer wieder in die Debatte geworfen wird. Für mich ist das wirklich ein Scheinargument.
Was insgesamt daraus entstanden ist, ist aus meiner Sicht wirklich ein Flurschaden sondergleichen, und zwar nicht nur für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern vor allen Dingen für die Akzeptanz des Politikbetriebes an sich; denn der Politikbetrieb hat dafür gesorgt, dass es keinen Chefredakteur Brender mehr gibt.
Nach Artikel 5 des Grundgesetzes sind die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film zu gewährleisten; eine Zensur findet nicht statt. Ich sage an dieser Stelle: auch nicht mittelbar. Aber dieses „mittelbar“ - genau diesen Eindruck hat Letzteres, nämlich quasi die Abwahl, bei mir hervorgeru
Wir haben Mechanismen zur Kontrolle des ZDF. Die Gremien des Verwaltungsrats und des Fernsehrats beim ZDF sind für die Kontrolle des Senders da. Aber wo Kontrolle in Zensur umschlägt, da stimmen die Mechanismen nicht. Für mich hat es ziemlich viel damit zu tun, dass diese Mechanismen nicht mehr stimmen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Mechanismen zu verändern. Entweder verändern wir den ZDF-Staatsvertrag oder wir strengen eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht an.
- Also wissen Sie, ich bin in der Pressekonferenz schon gefragt worden, ob ich die Auffassung teile, dass das hier alles nur Medienklamauk sei; das hätte einer der Kollegen gesagt. Klamauk machen Sie hier manchmal, Herr Kosmehl.