Protokoll der Sitzung vom 11.12.2009

Ich muss Ihnen ganz offen sagen - jetzt hören Sie mir gut zu; ich habe Ihnen auch zugehört -: Ich war von zwei Dritteln Ihrer Rede beeindruckt; ich war wirklich beeindruckt von der sachlichen Art und Weise, bis Sie dann in

Agitation und Propaganda und in den Klassenkampf verfallen sind.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Sie kriegen von mir jetzt eine klare Ansage. Damit das klar ist: Sie greifen die FDP im Besonderen an.

(Herr Krause, DIE LINKE: Ja!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich möchte Sie bitten, kurz zitieren zu dürfen.

Das dürfen Sie auch ohne meine Zustimmung.

Am Mittwoch war ich in Barby bei einem ehemaligen VEG-Direktor. Der hat mich gefragt: Johann, was treibst du denn die Woche? - Na ja, eine interessante Landtagsdebatte unter anderem über die Bodenreform. - Da kann von der LINKEN nur der Hans-Jörg Krause sprechen.

Dann gibt er mir ein Buch mit dem Titel „30. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik“. Überschrift: Die demokratische Bodenreform - eine revolutionäre Massenaktion. Darunter in heißt es unter anderem:

„Dieser schwer erkämpfte und mit Millionen Menschenleben teuer bezahlte Sieg war auch auf dem Land der Beginn, um die großen Verwüstungen und das geistige Chaos zu beseitigen. Antifaschistische demokratische Kräfte vor allem der KPD trugen die Forderung in die Dörfer: Junkerland in Bauernhand!

Unter Führung der Arbeiterklasse wurden durch die demokratische Bodenreform diese Lösungen verwirklicht. Das war zugleich der erste Höhepunkt des revolutionären Umwälzungsprozesses, mit dem die Machtverhältnisse auf dem Land grundlegend zugunsten der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauern verändert wurden.“

Jetzt kommt es:

„Es wurden 3,3 Millionen ha Land von Großgrundbesitzern, aktiven Nazis“

- wie Sie es auch gesagt haben -

„und Kriegsverbrechern entschädigungslos enteignet.“

Wissen Sie was? - Ich habe die Zeit Gott sei Dank nicht erlebt. Ich habe das Glück gehabt, in der amerikanischen Besatzungszone geboren worden zu sein. Ich habe die Bodenreform, die Kollege Daldrup angesprochen hat, miterlebt, nach der 10 % derjenigen, die mehr als 100 ha Land hatten, Land für diejenigen abgetreten haben, die aus dem Osten gekommen sind, die dafür aber keinen weiteren Ausgleich erhalten haben.

(Herr Daldrup, CDU: Aber rechtsstaatlich!)

- Wie bitte?

(Herr Daldrup, CDU: Aber rechtsstaatlich!)

- Aber rechtsstaatlich!

Nun kommen Sie mit solchen Parolen daher. Wissen Sie was? - Ich sage Ihnen jetzt zwei Dinge zu diesen so ge

nannten Großgrundbesitzern. Einige hatten Pech. Bis Mitte des Jahres 1944 ist das Grundbuch fortgeschrieben worden, bis der letzte Grundbuchschreiberling an die Front musste.

Einige hatten nun das Pech, dass sie eine Erbschaft gemacht haben, die noch in das Grundbuch eingetragen wurde. Die hatten 60 ha Land und haben 41 ha Land geerbt. Das waren die Großgrundbesitzer, die mussten abhauen. Die sind mit den Nazigrößen und mit den Kriegsverbrechern gleichgestellt worden. Über welches Unrecht wollen Sie hier diskutieren?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Dann noch etwas zu der Begründung Ihres Antrags. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den Passus in der Begründung Ihres Antrags, in dem Sie die Brüskierung tausender Empfänger von Bodenreformland anführen, die im Rahmen der Abwicklung der Bodenreform seit dem Jahr 1992 entschädigungslos enteignet worden seien.

(Herr Daldrup, CDU: Haben sie selbst organi- siert!)

Wissen Sie, was ich im Jahr 1990 in der Börde erlebt habe? - Ich kann Ihnen 28 Verkaufsangebote von Empfängern von Bodenreformland, die die Flächen nicht mehr bewirtschaftet haben, mit den Hofstellen in Atzendorf übergeben. Nur damit das klar ist: Die wollten die Sache sofort versilbern.

Noch eines: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Aeikens, für Ihre sachliche, ganz klare und deutliche Darstellung. Dem ist nichts hinzuzufügen. - Wir werden den Antrag der LINKEN ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Übrigens, Herr Kollege Barth, Sie haben genau die Rede von Till Backhaus gehalten, um nur so viel zu sagen.

(Beifall bei der FDP - Herr Barth, SPD: Ich habe es gelesen, Johann!)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Daldrup.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Um es vorneweg zu sagen: Es gibt keine Revision der Bodenreform. Die einzige Revision der Bodenreform, die stattgefunden hat, war Mitte der 50er-Jahre nach der Bodenreform durch die SED, indem sie die Neusiedler und Neubauern in die LPG getrieben hat und letztlich denjenigen, die nicht in der Landwirtschaft tätig waren, den Boden gleich wieder weggenommen hat. Das war die einzige Revision, die es gegeben hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was steht denn eigentlich im Koalitionsvertrag drin? - Ich muss sagen, dass ich den Kollegen Krause nicht richtig verstanden habe. Er hat eigentlich gar nicht zu dem Antrag gesprochen, sondern den Antrag sozusagen nur als Vehikel benutzt, um noch einmal deutlich zu machen, wie toll all das sei, was Sie hier fordern. Aber zum Antrag ist eigentlich gar nicht so viel gesagt worden.

Was steht denn im Koalitionsvertrag? - Darin steht, dass man die berechtigten Ansprüche der Alteigentümer von

einer Arbeitsgruppe gegebenenfalls noch einmal überprüfen lassen will.

Was heißt das? - Das heißt nicht, dass die Ansprüche der Alteigentümer angehoben werden. Das ist aus meiner Sicht vielmehr ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass die Werte, die für die Alteigentümer festgestellt und ihnen beschieden worden sind, heute nur noch halb so viel Wert sind wie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sie bekommen haben. Das ist der große Unterschied zu dem, was Sie vorhin gesagt haben.

An dieser Stelle hat die Verwaltung die Abarbeitung der Entschädigungsansprüche nicht schnell genug geschafft - aus welchen Gründen auch immer. Weil sie dabei die aktuellen Kaufpreise zugrunde legt, sind die Ansprüche, gemessen in Hektar, immer kleiner geworden. Es gibt viele Alteigentümer, die einen Anspruch auf 40 ha oder 50 ha gehabt haben, die heute aber nur noch einen Anspruch auf 20 ha oder 25 ha haben.

Warum soll man das nicht überprüfen? Ich finde das absolut in Ordnung. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn das möglich und die Fläche vorhanden ist. Die wäre im Jahr 2004 auch vorhanden gewesen.

Im Übrigen ist es so, dass wir gar nicht mehr über so große Flächen frei verfügen können, wie Sie hier glauben machen wollen. Der Anteil dessen, was von der BVVG wirklich noch zu veräußern ist, ist relativ klein.

Weil vorhin auch von Herrn Hauser schon zitiert worden ist, will ich das auch gern tun und auf eine Literatur hinweisen, in der Sie auch vorkommen, Herr Krause. Ich habe das Buch vor einigen Jahren einmal gelesen. Es hat den Titel „Jetzt zupacken! Junkerland gehört in Bauernhand! - Eine Abhandlung zur Bodenreform in Sachsen-Anhalt“.

Darin stehen auch ein paar interessante Artikel bzw. Zeitungsausschnitte von Ihnen, die sich jeder einmal zu Gemüte führen könnte. Darin steht eindeutig: Der KPD ging es in den Jahren 1945/1946 um die Veränderung der Gesellschaft. Auch die Bodenreform war Mittel zu diesem Zweck.

Daran wird schon deutlich, dass es hierbei ganz klar um gesellschaftspolitische Ziele ging, ganz klar nicht um Nazi- und Kriegsverbrecher, sondern darum, die Gesellschaft zu verändern und Eigentümer entschädigungslos zu enteignen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist das, was im Koalitionsvertrag steht, ein Akt der Gerechtigkeit. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, noch einmal zu überprüfen, ob man denjenigen, die damals die Betroffenen waren, die Leid erlitten haben und die vertrieben worden sind, tatsächlich Gerechtigkeit zuteil werden ließ im Sinne dessen, was im Jahr 1990 Konsens war. Dann hätte das Gesetz nicht Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, sondern Gesetz über den verbilligten Verkauf an bewirtschaftende Betriebe geheißen. - Nein, es ging um die Alteigentümer. Es ging darum, Gerechtigkeit herzustellen und eine gewisse Entschädigungsleistung zu erbringen. Deswegen ist es richtig, dass wir das überprüfen.

Ich bin nicht weit weg von Jürgen Barth, wenn ich sage, dass ich auch der Auffassung bin, dass dabei nicht so wahnsinnig viel herauskommen wird, weil die Rechtslage heute so gefestigt ist, dass es schwierig sein wird,

Verbesserungen zu erreichen. Aber trotzdem ist es der Mühe wert.

Deswegen ist es ein richtiges Zeichen der neuen Bundesregierung an die Alteigentümer. Sie sind Teil dieser Gesellschaft. Sie sind auch nicht die anderen - wer hat das vorhin gesagt? -, sondern sie gehören zu uns. Sie gehören zur Geschichte dieses Landes und sie haben ein Recht auf Gleichstellung und auf gleiche Ansprüche. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Daldrup. - Herr Krause, möchten Sie noch einmal erwidern?