Mit der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für die Hotellerie hat die schwarz-gelbe Bundesregierung nur das in Ordnung gebracht, was die so genannte und inzwischen zu Recht abgewählte große Koalition respektive die SPD der deutschen Tourismuswirtschaft eingebrockt hat.
Der damalige Bundeskanzler Schröder hat mit dem damaligen französischen Präsidenten Jaques Chirac dafür gesorgt, dass diese Ermäßigungen auf EU-Ebene möglich werden. In der Folge hat eine Vielzahl von EULändern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Noch besser kam es, als SPD-Bundesfinanzminister Steinbrück im März 2009 in Brüssel einer Absenkung des Mehrwertsteuersatzes in der EU für weitere arbeitsintensive Dienstleistungen ausdrücklich zugestimmt hat. Dazu hat die Gastronomie gehört. Die EU-Staaten haben nicht lange gezögert und neben dem reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie auch den Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie reduziert.
Im März 2009 beschäftigte sich der Bundestag auf Antrag der FDP-Fraktion mit der Einführung des reduzier
ten Mehrwertsteuersatzes. Die Bundesregierung und der Bundesrat haben sich dagegen ausgesprochen. Während also nahezu alle Staaten der EU, insbesondere die Nachbarstaaten Deutschlands, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Hotellerie anwenden, hielt die große Koalition in Berlin am bisherigen Satz von 19 % fest - wahrlich eine grobe Wettbewerbsverzerrung zulasten der deutschen Tourismuswirtschaft und das Gegenteil einer vernünftigen Mittelstandsförderung.
(Herr Scharf, CDU: Das muss man wirklich ein- mal sagen! Wenn wir den ganzen Katalog berei- nigt hätten, dann hätten wir mehr gekonnt!)
(Herr Gallert, DIE LINKE: Deswegen war die CDU ja auch dafür! - Herr Scharf, CDU: Ich bin nicht für alles verantwortlich! - Herr Kley, FDP: Herr Scharf, Sie sitzen auf der falschen Seite! - Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)
Man sollte auch nicht vergessen - Herr Scharf hat es gerade angesprochen -, für Hundefutter und Bergbahnfahrten zahlen Sie auch nur den reduzierten Mehrwertsteuersatz.
In solchen Situationen, wie sie in Europa aufgetreten sind, muss man sich aber entscheiden: Nimmt man massive Wettbewerbsnachteile für den deutschen Tourismus in Kauf oder sorgt man für Wettbewerbsgerechtigkeit gegenüber den Wettbewerbern aus den EU-Ländern?
Man muss sich entscheiden. Man kann unterschiedlicher Meinung sein. Das gestehe ich Ihnen zu. Die SPD hat sich auf die Wettbewerbsnachteile für den Tourismus festgelegt. So ist das festzustellen.
Eigenartig mutet es jedoch an, dass die SPD in ihren tourismuspolitischen Leitlinien im Jahr 1998, also vor zehn Jahren - wir schauen ein bisschen zurück; man muss ja immer gucken, was die Parteien einmal gesagt haben -, den halbierten Mehrwertsteuersatz für Hotellerie und Gastronomie gefordert hat.
Da wir gerade dabei sind - das wird die LINKE aber selbst noch bringen -: Die LINKE fordert es sogar in ihrem Bundestagswahlprogramm 2009. Das ist auf Seite 30 nachzulesen.
Für die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Berlin hat die Wettbewerbsgerechtigkeit, die Chancengerechtigkeit in einem gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum die entscheidende, die oberste Priorität. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes nicht nur sinnvoll, sondern ordnungspolitisch geboten.
Meine Damen und Herren! Es ist natürlich auch eine Frage, welchen Stellenwert man dem Tourismus beimisst. Wie sieht es in Europa aus? - Von 27 EU-Ländern haben 22 einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für die
Bis auf Dänemark haben alle deutschen Nachbarstaaten den reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie, aber auch Urlaubsländer wie Italien, Spanien oder Griechenland. In diesen Ländern - das muss man deutlich sagen - hat die Tourismuswirtschaft durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz deutlich bessere Bedingungen. Sie kann bessere Leistungen, besseren Service und bessere Infrastruktur bieten und hat auch günstigere Preise mit der Folge, dass der Urlaub für Urlauber dort attraktiver ist. Das ist doch selbstverständlich, eine ganz klare Angelegenheit.
Die Tourismuswirtschaft in Sachsen-Anhalt leistet einen Anteil am BIP von nahezu 6 %, Tendenz steigend. Große Entwicklungspotenziale bieten - das wissen Sie alle - die kulturgeschichtlichen Schätze wie Straße der Romanik, Gartenträume, Himmelswege sowie die landschaftlichen Attraktionen - ich beginne jetzt mit der Altmark und nicht mit dem Harz, meinem Kollegen Lutz Franke zuliebe -, Flusstäler, Elbe, Saale, Unstrut - alles tolle Sachen. Nun kommt das 500-jährige Jubiläum der Reformation hinzu - damit wollen wir insbesondere ausländische Touristen ansprechen - und eine Vielzahl vorbereitender Veranstaltungen.
Diese Entwicklungspotenziale kann man aber nur entsprechend mobilisieren, wenn unsere Tourismuswirtschaft ähnliche oder gleiche Chancen wie die europäischer Nachbarländer hat. Wir Liberale stehen für einen fairen Wettbewerb. Deswegen darf es keine Benachteiligung gegenüber ausländischen Konkurrenten geben; denn das ist nicht nur ungerecht, es ist auch gefährlich für kleine und mittlere Betriebe, und zwar nicht nur in Grenzregionen.
In Baden-Württemberg, im Saarland, in Nordrhein-Westfalen oder Bayern kann man sagen: Klar, da ist die Grenznähe gegeben. Das ist aber auch bei uns als Kulturreiseland Sachsen-Anhalt ein wesentlicher Faktor; denn Preise und Preisvergleiche sind in der Tourismuswirtschaft das A und O. Glaubt jemand, dass sich diese unterschiedlichen Steuersätze, die direkte Auswirkungen auf Service und Leistungen haben, nicht herumsprechen? Auch die Tourismus- und Werbeagenturen werden offensiv damit werben. Die Touristen aus dem Ausland interessiert sehr, welche Preise und Steuersätze in den jeweiligen Ländern gelten, in die sie fahren wollen. Sie werden auch von den Konkurrenten darauf hingewiesen.
Das Tourismusgeschäft bricht ein. Die Ausfälle werden deutlich höher sein als die theoretisch errechneten Ausfälle durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz - theoretisch deshalb, weil insbesondere SPD und LINKE immer noch glauben, dass hohe Steuern auch hohe Staatseinnahmen bedeuten. Das Gegenteil ist der Fall: Hohe Steuern würgen die Konjunktur ab, Betriebe machen dicht. Aber nur wer arbeitet, kann auch Steuern zahlen.
Es gibt in Deutschland nur noch 25 Millionen Steuerzahler, Tendenz abnehmend. Das mag man sich einmal vorstellen. Je weniger Erwerbstätige da sind - -
- Ja, weil wir wollen, dass wir wieder mehr Steuerzahler bekommen. - Gerade in der Krise brauchen wir ein faires
Steuersystem und Entlastungen. Reduzierte Steuersätze bringen im Endeffekt höhere Steuereinnahmen, weil viel mehr Menschen die Leistungen nutzen und Produkte kaufen, wenn sie günstiger sind bzw. dort günstiger zu haben sind.
Mit einer Absenkung des Mehrwertsteuersatzes hat die neue Bundesregierung den Hotelleriebetrieben die Möglichkeit eröffnet, überfällige Investitionen, angemessene Lohnerhöhungen und - dort, wo es möglich und nötig ist - niedrigere Preise zu realisieren.
Wir sind überzeugt davon, dass der reduzierte Mehrwertsteuersatz zur Stärkung der in Sachsen-Anhalt immer mehr an Bedeutung gewinnenden Tourismusbranche beitragen wird. Deshalb haben wir unseren Antrag eingebracht. Wir möchten, dass regelmäßig die Effekte dieser Mehrwertsteuersenkung ermittelt werden und dass darüber auch entsprechend berichtet und diskutiert wird. Dass sich die Koalitionsfraktionen diesem Anliegen nicht verschließen können und dies auch nicht wollen, zeigt der Änderungsantrag.
Die Absenkung des Steuersatzes war überfällig. Unverständlich ist uns allerdings, warum die Landesregierung, insbesondere der Ministerpräsident und die Minister für Wirtschaft und für Finanzen, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz weiterhin kritisieren; denn die CDU hatte sowohl im Wahlkampf als auch mit dem Berliner Koalitionsvertrag Steuersenkungen zugesagt.
Vielleicht sollte sich die CDU einmal in Richtung Kanzlerin orientieren und besser auf sie hören. Frau Merkel hat vor wenigen Tagen wieder klipp und klar erklärt, dass die versprochenen und von der Koalition beschlossenen Steuersenkungen kommen werden.
Zum Schluss noch zwei Sätze zum Thema „Steuergeschenke“. Wenn man im Zusammenhang mit Steuern schon das Wort „Geschenke“ verwenden möchte, dann sollte man von den Geschenken der Steuerzahler an den Staat und nicht umgekehrt von Steuergeschenken des Staates an die Bürger sprechen.
Wer von Geschenken des Staates spricht, zeigt damit ein sehr problematisches Staatsverständnis. Die Bürger sind nicht für den Staat da, sondern der Staat ist für die Bürger da. Wenn fast zwei Drittel des von den Bürgern erwirtschafteten Geldes durch Steuern und Abgaben direkt und indirekt abkassiert werden, stellt dies eine weitreichende Entmündigung der Bürger dar. Für uns Liberale ist dies inakzeptabel.
Deshalb plädieren wir für eine Entlastung unserer Bürger und werden diese in Berlin, weil wir jetzt in der Regierungsmehrheit sind, auch durchsetzen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr für die Einbringung, Herr Dr. Schrader. - Für die Landesregierung spricht Minister Dr. Haseloff.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich versuche, nur einige wenige kurze Bemerkungen zu diesem Antrag zu machen.
Erstens. Eine Vorbemerkung: Bei der Bewertung sollte man zunächst eine politische Einordnung vornehmen. Wir haben eine gültige Rechtslage. Das Gesetz ist verabschiedet. Es ist rechtskräftig und wurde auch im Bundesrat angenommen. Damit ist das Thema zumindest für die jetzt laufende Phase durch.
Zweitens. Es gibt eine ordnungspolitische Bewertung von Steuerthemen dieser oder anderer Art; diese kann man dem Grunde nach wie folgt zusammenzufassen: Eine generelle Steuerreform ist erforderlich; das wissen wir seit vielen Jahren.