Die gegenwärtige Politik der Kosten- und damit auch Belastungsbetrachtung führt volkswirtschaftlich in eine Sackgasse. Es ist das Phänomen staatlichen Handelns zu erkennen, dass Geld für den Neu- und Ausbau von Verkehrswegen keine Rolle spielt. Sie erkennen dies aktuell bei der Lösung des Problems der Kostenexplosion bei der Nordverlängerung der Bundesautobahn A 14, bei dem volkswirtschaftlich nicht fundiert belegten Neubau des Saaleseitenkanals oder dem erst jüngst geforderten EIbeausbau.
Gleichzeitig sind alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung nicht in der Lage, ihrer Straßenbaulast entsprechend die Infrastruktur in ihrer Zuständigkeit instand zu setzen oder instand zu halten. Kommunen klagen über fehlendes Geld für die Instandsetzung der Gemeinde- und Kreisstraßen, das Land unisono für die Instandsetzung der Landesstraßen und der Bund tönt gleichlautend mit Blick auf die Bundesfernstraßen.
Meine Damen und Herren! Neue Wege in der Verkehrspolitik müssen den Menschen in den Fokus jeglichen Handelns stellen. Verkehrspolitik darf nicht dem Geschwindigkeitsrausch erliegen; vielmehr muss das Ziel
der Sicherung angemessener und sozialverträglicher Mobilität der ankommende Mensch sein. Ankommen geht vor Geschwindigkeit.
Alle Akteure im System, vorrangig die Politik, müssen sich, auch gegen individuelle Partikularinteressen, schnellstens dazu bekennen, welcher Straßen-, Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr in der Gesellschaft erwünscht ist und welchen sich die Gesellschaft leisten will. Mit einem „Weiter so wie bisher“ werden neue Wege, meine Damen und Herren, nicht beschritten. Letztlich kommt es darauf an, Verkehr zu vermeiden, um die Mobilität aller zu gewährleisten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Dann rufe ich den Beitrag der SPD auf. Der Abgeordnete Herr Doege hat das Wort. Bitte schön, Herr Doege.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Neue Wege in der Verkehrspolitik“ lautet die Überschrift der heutigen Regierungserklärung. In der Vergangenheit haben bereits zahlreiche Minister die Möglichkeit genutzt, vor dem Parlament mehr oder minder spannende Regierungserklärungen abzugeben. Die meisten Regierungserklärungen beschäftigten sich mit den politischen, aber auch den fachlichen Schwerpunkten der jeweiligen Ressorts sowie mit der Bilanz des Regierungshandelns. So haben wir die von Minister Daehre für heute anberaumte Regierungserklärung auch verstanden.
Die Erwartungshaltung in der SPD war durchaus auf eine Bestandsaufnahme der Regierungsarbeit der regierenden Koalition gerichtet. Ich glaube, mit Fug und Recht sagen zu können, dass sowohl die CDU als auch die SPD auf das Erreichte im Bereich Landesentwicklung und Verkehr stolz sein können.
Als in Vorbereitung der heutigen Landtagssitzung das Thema bekannt wurde, hat uns das dann doch ein wenig überrascht. Wir wissen, dass Herr Minister Daehre immer für eine Überraschung gut ist, haben uns allerdings gefragt, was ein Jahr vor Ablauf der Wahlperiode tatsächlich noch an neuen Wegen in der Verkehrspolitik aufgezeigt werden kann.
Der Minister wies darauf hin, dass gestern eine interessante Veranstaltung in Halle durchgeführt worden ist, in deren Rahmen das Testfeld Verkehr und Navigation in Kooperation mit der HAVAG und der Otto-von-GuerickeUniversität sowie weiteren Partnern aus der Wissenschaft in Betrieb genommenen wurde. Am 10. März 2010 wird in Magdeburg ein Galileo-Testfeld Sachsen-Anhalt in Betrieb genommen.
Das in der Regierungserklärung angesprochene Thema Verkehrstelematik ist letztlich auch nicht neu. Das haben wir gestern von Herrn Professor Dr. Beyer von der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation erfahren dürfen.
Wer sich mit dem Thema intensiver beschäftigt, der kann auch anhand der einschlägigen Debatten, die Ende der 90er-Jahre dazu im Bundestag geführt worden sind, feststellen, dass an diesem Thema schon seit vielen Jahren gearbeitet wird.
Mit dem gestrigen Tag haben wir nunmehr ein Testfeld in Betrieb genommen und sind auf diesem Weg sicherlich auch eines der führenden Bundesländer in Deutschland.
Anfang dieses Jahres - der Minister wies bereits darauf hin - hat die EU-Kommission mit zwei deutschen Firmen einen Rahmenvertrag über die Lieferung von 32 Satelliten für das Galileo-System abgeschlossen. Damit ist nun endgültig klar, dass Galileo kommt. Galileo ist wichtig; denn es sichert die Unabhängigkeit Europas von dem amerikanischen GPS-System und wird letztlich auch, was die Qualität und Verlässlichkeit anbelangt, um einige Quantensprünge besser sein.
Es liegt nunmehr an den Unternehmen in Sachsen-Anhalt, diese Potenziale, die Galileo in den kommenden Jahren bieten wird, zu nutzen. Langfristig wird es darum gehen - ähnlich wie wir es heute beim Handy feststellen können -, auf dieser Plattform Galileo entsprechende Applikationen zu entwickeln, die dazu führen, dass auch eine Vielzahl neuer und zukunftssicherer Arbeitsplätze entstehen kann.
Zu diesem von mir gerade skizzierten Spannungsfeld verstehe ich die heutige Regierungserklärung. Es wäre vielleicht besser gewesen, dieses zwar recht spannende, fachlich aber auch sehr schwierige Thema im Rahmen eines Landtagsantrages im Fachausschuss zu behandeln. Es wurde ein anderer Weg gewählt.
Trotzdem - darin kann ich, glaube ich, den Ausführungen des Ministers zustimmen - wird uns dieses Thema in den nächsten Jahren alle beschäftigen, also auch alle Mitglieder des Landtages, aber nicht nur die Mitglieder der Landtages, sondern auch alle Bürger; denn die Dinge, die sich aus Galileo ergeben, die Möglichkeiten werden in den kommenden Jahren sicherlich Einzug in viele Bereiche des täglichen Lebens finden.
Zum Thema der Regierungserklärung möchte ich meine Ausführungen in zwei Teile aufsplitten. Zum einen möchte ich noch einmal kurz auf die Dinge eingehen, die vom Minister hier dargestellt worden sind. Der Minister hat ausführlich dargestellt, welche Varianten und Möglichkeiten bereits jetzt im Land Sachsen-Anhalt gemeinsam von Wissenschaft und Industrie angegangen werden. Die Telematiksysteme, die uns zukünftig zur Verfügung stehen werden, wenn Galileo als System in Betriebe geht, werden letztlich dazu führen, dass sich insbesondere die Anforderungen von Kunden, aber auch von Bürgern, was die Punkte Datenservice, Sicherheit, Qualität und Effizienz der Transportketten anbelangt, erhöhen.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Einsatzgebieten, die man sich zunächst einmal unter dem Thema Satellitennavigation und Verkehrstelematik nicht so vorstellen kann. Das betrifft beispielsweise die Rettungsdiens
Herr Minister Daehre wies in seiner Regierungserklärung darauf hin, dass die Mobilität ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft sei. Letztlich ist es auch die Aufgabe dieses Hohen Hauses, dafür zu sorgen, dass die Bürger in allen Teilen unseres Landes am Ende über leistungsfähige Mobilitätssysteme an die Zentren angebunden sind und alle Bürger unseres Landes damit ihren Mobilitätsbedürfnissen nachgehen können.
Der übergreifenden Vernetzung kommt ohne Zweifel eine Schlüsselfunktion zu. Es geht letztlich darum, das begonnene Engagement des Landes bei Forschung und Entwicklung zu verstetigen. Es wird auch die Aufgabe des kommenden Landtages sein, hierfür die notwendigen finanziellen Voraussetzungen langfristig sicherzustellen.
Denn dieses Projekt ist keine Eintagsfliege, sondern wird uns ganz sicher auch in den nächsten Jahren beschäftigen.
Der Minister hat in seiner Regierungserklärung auch angedeutet, dass er sich vorstellen könnte, einen Stiftungslehrstuhl oder eine Honorarprofessur auf dem Gebiet der Verkehrstelematik einzurichten. Es wäre natürlich interessant, wenn wir uns im Fachausschuss darüber austauschen könnten, welche konkreten Vorstellungen es zu diesem Thema gibt.
Die Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV wird in Zukunft auch unter Berücksichtung der demografischen Entwicklung noch viel mehr an Bedeutung gewinnen. Auch hierzu kann sicherlich die moderne Verkehrstelematik einen wichtigen Beitrag leisten.
Ein weiterer Punkt ist zweifellos das Baustelleninformationssystem. Wir alle haben sicherlich schon Situationen erlebt, in denen wir in Staus hineingefahren sind, die man mit einer modernen Technik hätte umfahren können. Hierzu gibt es ja erste Ansätze mit dem TMC-System. Allerdings bestehen dabei - das ist gestern in der Veranstaltung dargestellt worden - noch diverse Probleme, die insbesondere die Wissenschaft lösen muss. So dürfen diese Systeme nicht dazu führen, dass alle Verkehrsteilnehmer die gleiche Umleitung wählen; denn dann ist im Grunde das nächste Chaos vorprogrammiert.
Weiterhin kann das moderne Mobilitätsmanagement dazu führen, dass ein effizienter Beitrag zur Einhaltung der Klimaschutzziele und zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte geleistet wird. Sie wissen, dass zahlreiche Städte in unserem Land doch erhebliche Probleme mit der Einhaltung des Grenzwertes in puncto Feinstaub haben. Auch hierzu kann zweifellos die neue Technik einen Beitrag leisten.
Nicht nur die Verkehrstelematik ist wichtig für eine moderne Verkehrspolitik, sondern auch solche Themen wie die Elektromobilität. Das ist ein Feld, das es in Zukunft verstärkt anzugehen gilt. Auch hierbei besteht die Möglichkeit - wenn sich Firmen und Universitäten aus Sachsen-Anhalt hierfür einbringen -, dass ein Mehrwert für das Land geschaffen wird.
Der Einsatz von elektrischen Nutzfahrzeugen, der Aufbau einer Forschungs- und Fertigungseinrichtung für Fraktionsspeicher, die Netzeinbindung von erneuerbaren
Die Verkehrstelematik ist das eine. Es gibt aber auch, wie ich gerade erwähnt habe, andere Wege in der Verkehrspolitik. Hierfür haben wir natürlich erhebliche Potenziale, auch mit unseren Forschungseinrichtungen, die wir mit einbringen können.
Im zweiten Teil meiner Ausführungen lassen Sie mich noch kurz auf drei Kernpunkte eingehen. Der eine ist das Thema der Gewährleistung der Mobilität im Rahmen der Daseinsvorsorge. Die anderen sind die Energieeffizienz der Mobilität in der Logistik und das Thema Verkehrssicherheit.
Eine moderne Verkehrspolitik muss den Bedürfnissen aller Bevölkerungsgruppen, insbesondere natürlich der jüngeren Menschen, die noch nicht in der Lage sind, ein eigenes Fahrzeug zu führen, gerecht werden. Aber auch Behinderten, Kindern und Einkommensschwachen muss sie eine angemessene Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten. Der demografische Wandel und insbesondere das Älterwerden in unserer Gesellschaft führen also zu großen Herausforderungen.
In diesem Sinne ist eine nachhaltige Verkehrspolitik ohne Barrierefreiheit nicht denkbar. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren im Hinblick auf die Barrierefreiheit viel erreicht. Allerdings ist auch hierbei noch eine Menge zu tun, was die Modernisierung von Bahnsteigen, aber auch die Erneuerung des Fahrzeugbestandes anbelangt.
Die Aufrechterhaltung des ÖPNV im ländlichen Raum ist eine der wichtigsten Aufgaben, der wir uns in den kommenden Jahren stellen müssen.
Der Ausbildungsverkehr ist das unverzichtbare Rückgrat, um den ÖPNV im ländlichen Raum überhaupt aufrechterhalten zu können. Wir alle wissen, dass im Hinblick auf die Schülerzahlen, die in den nächsten Jahren weiterhin sinken werden, das System ÖPNV vor weitere Herausforderungen gestellt wird. Auch hierbei sind wir als Landtag gefordert, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das System ÖPNV auch für die Verkehrsunternehmen in den nächsten Jahren noch finanziert werden kann.
Hervorheben möchte ich an dieser Stelle, dass mit der Novelle des Schulgesetzes im vergangenen Jahr eine Entlastung der Schuljahrgänge 11 und 12 erfolgte. Damit konnte sichergestellt werden, dass kein Jugendlicher aufgrund mangelnder Mobilität auf die Erlangung der Hochschulreife verzichten muss.
Das ist ein Anliegen, das uns in der SPD-Fraktion wichtig war, aber auch in der Koalition ein wichtiges Thema war, denn letztlich ist es eine Investition in Bildung und damit auch eine Investition in die Zukunft.
Meine Damen und Herren! Ein ganz wesentlicher Aspekt der Verkehrspolitik im Bereich der Daseinsvorsorge ist die Finanzierung des ÖPNV - ich sagte es bereits - und des SPNV.
Wir müssen uns auf der Bundesebene gemeinsam dafür einsetzen, dass die Regionalisierungsmittel als finanzielle Mittel zur Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge auch zukünftig gesichert werden. Wenn die Bestrebun
gen, die es in verschiedenen Bundesländern gibt, insbesondere in den bevölkerungsreichsten, NRW und Bayern, in die Realität umgesetzt würden, dann würde das zu erheblichen finanziellen Einbußen für SachsenAnhalt und für alle neuen Bundesländer führen. Dann würde der SPNV in unserem Land wahrscheinlich vor dem Aus stehen - das muss man, glaube ich, so deutlich sagen.
Selbstverständlich ist auch die Erhaltung der Infrastruktur eine Kernaufgabe moderner Verkehrspolitik. Insbesondere die Auswirkungen dieses Winters zeigen uns, wie wichtig es ist, unser Straßennetz auch zukünftig zu unterhalten.