Wie wird durch eine zusätzliche Gesundheitsprämie mehr Nachhaltigkeit erzielt, wenn ein Großteil der Bevölkerung diese Prämie gar nicht bezahlen kann oder künftig, wenn die Prämien steigen, nicht mehr zahlen kann und deshalb einen Anspruch auf den sozialen Ausgleich hat? Worin liegt die Förderung des Wettbewerbs und wessen Wettbewerb soll überhaupt gefördert werden? Denn der Wettbewerb der Kassen untereinander wird durch eine feste Gesundheitsprämie jedenfalls nicht verändert. Allerdings haben die Kassen dann künftig doch mehr Interesse an Versicherten, die ein ordentliches Einkommen haben oder die gesund sind.
Die Vorstellungen über eine Gesundheitsprämie oder - mit anderen Worten - Kopfpauschale sind nicht wirklich neu. Vielleicht gehen Sie nachher darauf ein. Neu ist allerdings, dass jetzt hierfür mit dem Argument geworben wird, nur ein steuerfinanzierter Sozialausgleich könne zu einer tatsächlich sozial gerechten Finanzierung führen. Das ist jedenfalls die Begründung dafür.
Dieses Argument kann niemand von uns, zumindest in der SPD, nachvollziehen. Für mich bzw. für uns ist es nicht sozial gerecht, wenn Gutverdienende künftig weniger Beitrag zahlen sollen, während Geringverdienende und viele Rentnerinnen und Rentner sowie vielleicht auch Familien höhere Aufwendungen für ihre Krankenversicherung haben werden. Auch der steuerfinanzierte
- Das ist doch klar. Wenn jemand abhängig wird und eine steuerfinanzierte Zusatzleistung bekommen muss, steckt er zunächst einmal in einer Schublade und gehört zu denjenigen, die darauf angewiesen sind.
- Aber für denjenigen, der es in Anspruch nehmen muss - - Darauf komme ich noch zu sprechen, ob das gerechter wäre.
Angesichts der Haushaltslage auch der Länder ist es aber doch naiv anzunehmen, Herr Wolpert, dass zusätzliche Finanzmittel in einem derartigen Umfang einfach beschafft werden können. Bisher gibt es überhaupt keinen Vorschlag, der aufzeigt, wie das gehen soll.
Das ginge jedenfalls nicht ohne massive Steuererhöhungen oder massive Kürzungen anderer Sozialleistungen.
Letztlich stellt sich doch die Frage, warum ein grundsätzlich funktionierendes System durch ein anderes System ausgetauscht werden soll, das für Millionen Menschen nachteilig ist und für wenige Vorteile bringt. Warum?
Es verursacht einen großen bürokratischen Aufwand, auszurechnen und festzustellen, wer zu den Bedürftigen gehört, die einen Zuschuss aus Steuermitteln bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das mit dem, was die FDP will, nämlich weniger Bürokratie, einhergehen kann.
Bei der letzten großen Gesundheitsreform sind Fragen der Finanzierungsgrundlagen offen geblieben und bewusst auf die nächste Legislaturperiode verschoben worden, weil klar war - das wird von Ihnen gleich erwähnt werden -, dass in der großen Koalition darüber keine Einigkeit erzielt werden konnte.
Gleich wird mit Sicherheit der Vorwurf kommen: Ihr Sozis habt damals in der großen Koalition eine kleine Kopfpauschale eingeführt. Damals hieß das noch Merkel-Prämie. Ihr habt sozusagen den Anfang gemacht. In der letzten Bundestagsdebatte hat uns die CSU, die sonst unsere Verbündete in dieser Frage ist, vorgeworfen, wir hätten damals den Einstieg gemacht.
Daran wird deutlich, dass es bei dieser Frage keine Einigung gab. Diese Frage ist verschoben worden, weil für uns Sozialdemokraten immer klar war, dass wir die Bürgerversicherung wollen, weil diese gerechter ist als alle anderen Strukturen.
Das GKV-System hat sich in den vergangenen Jahren doch trotz aller Probleme behauptet. Es steht auch nicht hinter den privaten Krankenkassen als vermeintlichem
Zukunftsmodell zurück. Sie kennen doch alle die Ergebnisse der aktuellen Studie des Bundeswirtschaftsministeriums, die nicht so schnell herausgerückt worden sind. Diese Studie hat ergeben, dass die private Krankenversicherung eigentlich gar kein Geschäftsmodell ist, das Ältere und Kranke effizient absichert, sondern bei überdurchschnittlichen Beitragssteigerungen hauptsächlich einen Wettbewerb um junge und gesunde Mitglieder organisiert.
Den weiteren Diskussionen sehen wir gelassen entgegen. Wir stellen Widerstände sowohl in der CDU als auch in der CSU fest. Diese werden auch bei Ihnen kommen. Das Modell wird mit Sicherheit nicht so aussehen, wie es am Anfang gedacht worden ist.
Dass es ein schwieriges System ist, ist klar. Den Weg hin zur Kopfpauschale halten wir jedoch für den falschen Weg. Im gesetzlichen Krankenversicherungssystem, wie wir es jetzt haben, sehen wir genügend Potenzial, das weiter entwickelt werden kann. Insoweit werden wir die bevorstehenden gesetzgeberischen Aktivitäten der Bundesregierung kritisch, aber konstruktiv begleiten. Die Bürgerversicherung bleibt als Ziel der SPD erhalten. Dafür werden wir auch kämpfen.
Vielen Dank, Herr Minister Bischoff. - Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Für die CDU-Fraktion gebe ich Herrn Brumme das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die bisherige Debatte war schon sehr lebendig. Vielleicht kann ich noch eins draufsetzen.
Wir empfehlen, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen. Frau Penndorf hat den Antrag bereits in einer Ausführlichkeit erläutert, die vielleicht gar nicht notwendig war. Lassen Sie uns deshalb noch einmal ausführlich im Ausschuss darüber diskutieren. Wir möchten gern, dass dieser Antrag in den Ausschuss überwiesen wird. Wir sollten, auch wenn dies die ureigenste Aufgabe des Bundesgesetzgebers ist, noch einmal über das Für und Wider debattieren, soweit es unser Land betrifft.
Meine Damen und Herren! Die gesundheitspolitischen Sprecher der CDU-Fraktionen aus Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen befassen sich seit über einem halben Jahr mit diesem Thema. Nach einer Folgenabschätzung und Folgenanalyse sind wir mit einem eindeutigen Votum zu einer ganz klaren Position gekommen. Wir sind für die Beibehaltung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und somit eindeutig gegen die Gesundheitsprämie.
Außerdem haben wir uns ganz klar für die Beibehaltung des mit dem Gesundheitsfonds eingeführten morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs und gegen eine möglich Regionalisierung der GKV-Finanzierung - und das ist das Entscheidende - ausgesprochen. Letzteres wäre für uns Länder ein Problem, das wir nicht mehr schultern könnten.
Seit Oktober 2009, also unmittelbar nach Bekanntwerden des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und FDP befassten sich die genannten Fachpolitiker der drei mit
teldeutschen Länder mit den Auswirkungen einer möglichen Regionalisierung der GKV-Finanzierung auf unsere Bundesländer. Wir versuchten auch herauszufinden, wie die so genannte einkommensunabhängige Gesundheitsprämie funktionieren kann oder soll. Der Minister hat bereits viele Fragen aufgeworfen, die in diesem Zusammenhang stehen, die noch zu klären sind und auf die man noch genaue Antworten bekommen sollte.
Kommt die Regionalisierung, stehen wir in Sachsen-Anhalt vor sehr großen Problemen und kommen in arge Bedrängnis hinsichtlich der Finanzierung unserer Gesundheitskosten. Die Handhabung der Gesundheitsprämie, wie sie derzeit diskutiert wird, muss als ein wahres Supermonster bezeichnet werden.
(Heiterkeit - Herr Gallert, DIE LINKE: Ihre Leute hät- ten ja mal mitmachen können! - Weitere Zurufe)
- Ja doch! - Sie bringt die große Gefahr für uns mit sich, dass die GKV-Finanzierung mit wenigen Federstrichen regionalisiert werden kann. Ganz frei von Fragen sind all die Überlegungen, die auf bundespolitischer Ebene jetzt angedacht sind, also nicht. Herr Minister Bischoff hat bereits auf verschiedene Aspekte hingewiesen.
Meine Damen und Herren! Es wird immer wie eine Monstranz vor sich hergetragen, dass die Arbeitgeberbeträge eingefroren werden und die Arbeitnehmer die zukünftigen Steigerungen der GKV-Finanzierung allein tragen müssen, um die Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Wer sich auf diesen Weg führen lässt, ist meines Erachtens blauäugig bzw. ziemlich unbedarft.
Es stellt sich unweigerlich die Frage, woher der Arbeitnehmer seinen Anteil nimmt. Dieser muss doch auch erarbeitet werden. Also handelt es sich letztlich doch um Lohnkosten. Machen wir uns doch nichts vor, seien wir doch realistisch: Spätestens bei der nächsten Tarifrunde werden die Gewerkschaften fordern, diese zusätzlichen Belastungen auszugleichen. Vor dem Hintergrund des Aspekts, dass qualifizierte Arbeitnehmer rar werden, werden diese die Marktmacht haben, dies letztlich durchzusetzen.
Zu einem Problem wird dies allerdings für die Beschäftigten im Dienstleistungsbereich. Hier wird diese Steigerung voll durchschlagen, weil diese sich nicht gegen die Erhöhung bzw. gegen die zusätzlichen Kosten wehren können. Deshalb sehen wir das Problem, dass der soziale Frieden nachhaltig infrage gestellt werden könnte.
Eine seit etwa 130 Jahre erfolgreich gelebte Kultur der paritätischen Finanzierung der GKV soll verlassen werden, um die uns die ganze Welt beneidet hat. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass dieses Modell zu Bismarcks Zeiten in Sachsen-Anhalt erfunden worden ist. Was Bismarck zusammengeführt hat, soll der Mensch nicht trennen.
Auch Ludwig Erhard hat dies als ein zentrales Element der von ihm definierten sozialen Marktwirtschaft angesehen.
Die beiden genannten Herren waren bekanntlich konservative Staatsmänner und auch sehr kluge Staatsmänner, wie bescheinigt wird.
Meine Damen und Herren! Wir müssen eine intelligentere Lösung als das Loslösen des Arbeitnehmeranteils vom Arbeitgeberanteil finden.
Die demografische Entwicklung zwingt uns, die immer größer werdende Lücke zwischen den sozialversicherungspflichtig und den nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu schließen. Dies kann vornehmlich über eine Steuersäule geschehen. Somit würden alle Einkommensarten an der GKV-Finanzierung beteiligt, also auch die starken Schultern, wie immer gefordert wird.
Wir wissen, dass derzeit schon 15 Milliarden € für die Finanzierung der GKV in den Bundeshaushalt eingestellt werden, um die Beitragssätze nicht noch weiter erhöhen zu müssen. Wir sind uns darüber einig: Die Lohnnebenkosten dürfen nicht weiter steigen.