Viele notwendige strukturelle Anpassungen haben wir auch in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchgeführt. Dazu gehörten mehrere Verwaltungsstrukturreformen, zwei Kreis- und eine Gemeindegebietsreform und weitere Infrastrukturanpassungen in den verschiedensten Bereichen. Für jede einzelne Reform musste auch in der Öffentlichkeit um Verständnis geworben werden. Wir haben unser Land, soweit uns dies möglich war, auf die erkennbaren Forderungen der Zukunft vorbereitet.
Unser zweites großes Problem ist das Defizit an Geld, das heißt an eigenen Steuereinnahmen. Da dies so ist, will ich noch einmal darauf hinweisen, dass das auch mit der demografischen Entwicklung zusammenhängt und damit, dass sich der horizontale Finanzausgleich innerhalb Deutschlands an der Einwohnerzahl orientiert.
Mit jedem Einwohner verlieren wir jährlich ca. 2 500 €. Das sind jährlich etwa 65 bis 70 Millionen €, die uns durch die sinkende Einwohnerzahl verloren gehen. Um die Dimension deutlich zu machen ein Beispiel: Wenn wir zum Stichtag 30. Juni 2007 noch die gleiche Einwohnerzahl gehabt hätten wie im Jahr 1991, dann hätten wir im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs Mehreinnahmen in Höhe von etwa 800 Millionen € gehabt. Diese Entwicklung kumuliert mit den sinkenden Solidarpaktmitteln und setzt sich fort.
Über die globale Finanzpolitik und die Haushaltslage im Euroraum, in der Bundesrepublik oder bei uns in Sachsen-Anhalt war in der letzten Zeit viel die Rede. Mit den unterschiedlichen Strategien und mit der Konkurrenz zwischen den einzelnen Währungsräumen müssen wir uns hier in Sachsen-Anhalt nicht befassen.
Wir haben erlebt und gelernt, dass Staaten oder Regionen mit eigenem Haushalt umso gefährdeter sind, je mehr sie verschuldet und auf Kredite angewiesen sind. Jede notwendige Umschuldung wird zum Risiko, wenn
Wir haben im Haushaltsplan - Sie wissen das und haben es mit beschlossen - Ausgaben in Höhe von 798 Millionen € für das Jahr 2010 und in Höhe von 834 Millionen € für das Jahr 2011 nur für Zinsen eingeplant. Sollte der Zinssatz - und sei es als Folge einer verbesserten wirtschaftlichen Dynamik, was wir alle erhoffen - um etwa zwei Prozentpunkte steigen, dann würde das für uns im Jahr 2011 Mehrausgaben nur für Zinsen in Höhe von ca. 120 Millionen € bedeuten. Die Mehrausgaben würden sich in den Folgejahren sogar erhöhen, da im Jahr 2011 nur ein Teil der Verbindlichkeiten umgeschuldet werden muss. Hätten wir demgegenüber nur einen Schuldenstand wie das Nachbarland Sachsen, stünden uns bereits in diesem Jahr reine Landesmittel in Höhe von mehr als 600 Millionen € zusätzlich zur Verfügung.
Wir sollten uns dies nicht gegenseitig vorwerfen; denn an der Kreditaufnahme waren wir alle in den letzten 20 Jahren beteiligt. Deswegen ist es besser, in der gegenwärtigen Situation gemeinsam nach Wegen zu suchen, um so schnell wie möglich wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen.
In den vergangenen 20 Jahren hat die jeweilige Opposition - das waren gelegentlich auch wir - von der amtierenden Regierung eine solide Haushaltspolitik gefordert und bei Einsparplänen die drohende Katastrophe ausgerufen. Auch bei unterschiedlicher parteipolitischer Prioritätensetzung sollten wir die grundsätzliche Tatsache respektieren, dass wir unser Land nur durch Haushaltskonsolidierung zukunftsfähig machen können.
Einen dritten Solidarpakt wird es nicht geben, und wie der innerdeutsche horizontale Finanzausgleich aussehen wird, der nach dem Jahr 2019 neu zu strukturieren sein wird, weiß heute noch niemand. Wenn ich die Zeichen richtig deute, dann werden die drei Länder, die heute noch richtige Geberländer in Deutschland sind, das nicht auf Dauer bleiben wollen.
Als eines der Länder, die einen im Grundgesetz fixierten Anspruch auf eine zeitlich befristete Konsolidierungshilfe haben, werden wir künftig unter besonderer Beobachtung des Stabilitätsrats und der anderen Länder stehen. Um unsere eigene Haushaltshoheit nicht zu verspielen, sollten wir uns darauf vorbereiten und eigene Konsolidierungswege entwickeln. Der Finanzminister wird Ihnen dazu Vorschläge vorlegen.
Dabei kann es auch, aber eben nicht nur um die Kürzung von Ausgaben gehen, sondern um strukturelle Änderungen zur Effizienzverbesserung der eingesetzten Mittel. Wir werden den Landeshaushalt in absehbarer Zeit nicht auf die Doppik umstellen können.
Die durch die Doppik erhoffte Transparenz lässt sich zumindest teilweise auch anders erreichen. Denkbar
sind die unternehmerische Ausrichtung und Bilanzierung nicht nur von Landesbetrieben, sondern auch von abgrenzbaren Bereichen der Landesverwaltung, die zunehmende Budgetierung mit Kosten- und Leistungsrechnung und Zielvereinbarungen über Leistungsaufträge auch für Einzelbereiche der Verwaltung oder/und die Entwicklung eines Ressourcenverbrauchskonzepts für langlebige Investitionen zusammen mit der Bauverwaltung.
Mit einer auf diese Weise erweiterten Kameralistik müsste es möglich sein, dass gegenwärtige strukturelle Defizit um jährlich etwa 10 % zu reduzieren. Unsere Ausgabenansätze für das Jahr 2009 lagen - das wissen wir jetzt durch Haushaltsvergleiche - durchschnittlich knapp ein Viertel über dem Durchschnitt aller Länder in Deutschland und etwa ein Drittel über dem Niveau der finanzschwachen Flächenländer im Westen. Jeder sechste Euro aus den eigenen Steuereinnahmen floss in die Zahlung von Zinsen.
Es dürfte unstrittig sein, dass dieser Entwicklung künftig noch mehr als bisher entgegengesteuert werden muss. Dabei halte ich es für notwendig und machbar, dass jeder abgrenzbare Bereich, der mit weniger Mitteln auskommen muss, unter Nutzung der Möglichkeiten unserer Landeshaushaltsordnung eine größere eigene Entscheidungsbefugnis über die innere Verwendung der Finanzmittel bekommt.
An der internationalen Diskussion über die besten Wege aus der Krise müssen wir uns hier nicht beteiligen. Ich nehme mit Verwunderung zur Kenntnis, dass die Amerikaner behaupten, dass sie aus ihrer hohen Verschuldung nur mit noch höheren Schulden zur Ankurbelung der Binnennachfrage herauskommen könnten. Den Beweis dafür haben sie noch niemals erbracht. Bestenfalls haben sie ihre Wirtschaft - das ist nachweisbar - durch die gezielte Absenkung der von ihnen gesteuerten Leitwährung über den Export begünstigt.
Wenn die amerikanische Behauptung zutreffen würde, dann müssten wir in Deutschland das Land mit der erfolgreichsten Wirtschaft sein. In Wirklichkeit aber geht es denen besser, die sich nicht so hoch verschuldet haben wie wir. Damit bleibt uns nur übrig, die eigene Zinslast zu senken und damit zu beginnen, bevor die Reduzierung der Finanzhilfen beginnt.
Wenn dann vom Sparen die Rede ist, erklären wir uns gegenseitig, wie wichtig die Bildung für die Zukunftsgestaltung sei. Auch das wissen wir schon lange und wir haben uns in Sachsen-Anhalt auch daran gehalten.
Nach dem vom Finanzminister in Auftrag gegebenen finanzstatistischen Report mit Ländervergleich wissen wir, dass wir unter allen Flächenländern in Deutschland die höchsten Ausgaben für Bildung je Einwohner unterhalb des 30. Lebensjahres vorweisen können. Nach der zentralen Datenstelle der Länder haben wir bereits im Jahr 2005 6,21 % unseres Bruttoinlandsprodukts für Bildung ausgegeben. Damit lagen wir damals schon über dem Durchschnitt der Länder, der bei 4,28 % lag.
Bei den Ausgaben für die Hochschulen liegen wir etwa im Durchschnitt der anderen Länder. Bei den privaten Forschungsausgaben liegen wir allerdings ganz hinten. Ich sage sehr deutlich, dass es nicht möglich sein wird, dieses Defizit in der regionalen Wirtschaft mit öffentlichen Mitteln zu kompensieren. Es muss ein wichtiger Akzent der künftigen Wirtschaftsförderung sein, das Defizit auszugleichen und an die Durchschnittswerte der
westlichen Flächenländer heranzukommen, aber das wird eben nicht allein mit öffentlichen Mitteln zu machen sein. Das war der Knackpunkt, an dem auch die Diskussionen über den so genannten Bildungsgipfel lange Zeit hängengeblieben sind.
Wir können unserer noch viel zu kleinteiligen Wirtschaft aber zugute halten, dass wir ohne größere Einbrüche durch die letzte Wirtschaftskrise gekommen sind. Die angemeldete Kurzarbeit wurde nur zu einem geringen Teil in Anspruch genommen. Die Arbeitslosenquote hat sich nur im Umfang saisonaler Schwankungen bewegt und ist insgesamt gesunken. Für Liquiditätsprobleme haben wir eine Bürgschaft in Höhe von 40 Millionen € zur Verfügung gestellt. Sie wurde zwar größtenteils gebunden, aber bisher ist noch kein Bürgschaftsfall eingetreten.
Beim Vergleich mit anderen Bundesländern gibt es noch eine ganze Reihe von statistischen Daten, bei denen wir einen der hinteren Plätze einnehmen. Kürzlich wurde zum Beispiel bekannt, dass wir bezogen auf 100 000 Einwohner die höchste Zahl an Todesfällen infolge eines Herzinfarkts aufweisen.
Das ist insofern nicht überraschend, als wir statistisch in unserem Land mit die höchste Quote an übergewichtigen Frauen und Männern haben. Dies bedingt nicht wenige Folgeerkrankungen, die dann natürlich unsere regionalen Gesundheitskassen überproportional belasten. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung entstehen wegen der Folgen von Übergewichtigkeit und wegen der Begleiterkrankungen bundesweit Behandlungskosten in Höhe von mehr als 13 Milliarden € pro Jahr.
Aus den demografischen Prognosen wissen wir, dass in den nächsten 20 Jahren der Anteil der Erwerbspersonen an der Gesamteinwohnerzahl deutlich zurückgehen und der Seniorenanteil überproportional steigen wird. Die Finanzprobleme in diesem Bereich werden unabwendbar schwieriger werden und dürfen deshalb keinesfalls regionalisiert werden.
Dieses und einige andere Probleme lassen sich nur durch eine Motivierung zu größerer Eigenverantwortung lösen. Das ist für alle neuen Bundesländer ein sehr grundsätzliches Problem. Die gewollte Freiheit in einer offenen Gesellschaft verlangt von jedem Einzelnen ein größeres Engagement für Eigenverantwortung und für gesellschaftliche Mitverantwortung. Da wir die Fürsorge eines vormundschaftlichen Versorgungsstaats nicht mehr wollten, müssen wir uns dieser Situation selbst stellen und dafür werben.
Ich habe sehr wohl Verständnis dafür, dass langzeitarbeitslose Mitbürger eine solche Aussage als Zumutung empfinden. Wenn wir ihnen ihr Selbstwertgefühl und die Bereitschaft zur Eigenverantwortung wiedergeben wollen, schulden wir ihnen nicht nur finanzielle Hilfe, sondern ebenso auch Chancen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Zusammenleben.
Deshalb werden wir die dafür geeigneten Angebote der Arbeitsverwaltung unterstützen und auch künftig weiter ausbauen.
Meine Damen und Herren! 20 Jahre nach der Wiedergründung unseres Landes bleibt noch viel zu tun. Unsere gemeinsame Aufbauarbeit ist noch nicht abgeschlos
sen. Es ist - ich durfte darauf hinweisen - genau auf den Tag 57 Jahre her, dass die Bevölkerung in diesem Teil Deutschlands gegen fürsorgliche Bevormundung aufbegehrte und versuchte, sich gegen den Staat zu wehren, der sich mit dem Versprechen auf eine künftig bessere und gerechtere Welt legitimierte.
Schon damals wurden mehr demokratische Mitspracherechte und mehr Freiheit für die Gestaltung des eigenen Lebens gefordert. Beides haben wir nun seit 20 Jahren, und jeder kann sich selbst fragen, was wir daraus gemacht haben.
Die Antworten sind vorhersehbar und werden in den einzelnen politischen Parteien sehr unterschiedlich ausfallen. Aber alle Parteien versprechen heute, um mehr Wohlstand für alle bemüht zu sein, um einen Buchtitel von Ludwig Erhard aus dem Jahr 1957 zu zitieren.
Über den besten Weg zum Erreichen dieses Ziels streiten wir uns; das ist unser gutes demokratisches Recht. Den Weg zur Finanzierung unserer Wünsche, uns noch mehr Geld von den Banken zu leihen und unsere Kinder und Enkelkinder dann dafür arbeiten und Steuern zahlen zu lassen, haben wir, denke ich, schon überstrapaziert. Selbst wenn wir den eigenen Gürtel enger schnallen müssen und Leistungen des Landes kürzen müssten, sollten wir diesen Weg aus Gründen der Zukunftsgestaltung nicht weitergehen.
Ein anderer Vorschlag, der auch diskutiert werden muss, besteht darin zu sehen, wo noch etwas zu holen wäre, was dann mit gesetzlichem Zwang einzutreiben sein könnte. Eigentlich leben wir schon davon und wir werden auch noch längere Zeit Nehmerland im innerdeutschen Finanzausgleich bleiben müssen.
Niemand wird die eigenen Wünsche finanzieren können mit Geld, das einzutreiben er keine Gesetzgebungskompetenz und keine parlamentarische Mehrheit hat. Wer es trotzdem verspricht, muss erklären, wie er dies dann mit demokratischen Mitteln erreichen will.
Von Heilsversprechungen, wie schön diese Welt sein könnte, wenn man sie sich erst untertan gemacht hat, hatten die Menschen schon vor 57 Jahren genug. Am Ende bleibt nur der Weg, mit mehr Selbstvertrauen auf die eigene Leistungskraft zu vertrauen und diese weiter zu stärken.
Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in den jeweiligen Preisen ist bei uns von 1991 bis 2007 um 194 % gestiegen. Im Durchschnitt der neuen Länder waren es 131 %. Die Bruttolöhne und -gehälter sind bei uns von 1991 bis 2007, wie schon erwähnt, um 97 % gestiegen. Im Durchschnitt der neuen Länder waren es 80 %. Wir müssen diesen Weg konsequent weitergehen.
Auch im schwierigen Wirtschaftsjahr 2009 wurden in unserem Land Investitionen in einem Umfang von etwa 1,2 Milliarden € realisiert. Die Sozialleistungsquote in Sachsen-Anhalt ist von 53,9 % im Jahr 2000 auf 42,4 % im Jahr 2008 gesunken und nähert sich langsam der bundesweiten Sozialleistungsquote von gegenwärtig 28,8 %.
Wenn wir nicht das eigene Wohlbefinden zur obersten Entscheidungsmaxime erheben, sondern den weiteren Ausbau der Wirtschaft und damit der Steuerkraft unseres Landes, dann hat Sachsen-Anhalt alle Chancen, ein gleichwertiger Partner in der Gemeinschaft der deutschen Länder zu werden. Es liegt also an uns, wie und wofür wir unsere Chancen nutzen.
Bei der Begründung zur Wiedereinführung der Länder in der Volkskammer der DDR zitierte der damalige Berichterstatter des Volkskammerausschusses mit Blick auf die ökonomischen Hoffnungen einzelner Regionen aus einem kleinen, sicherlich unbekannten Freiheitsbüchlein des Dichters Johann Paul Richter, der sich selbst Jean Paul nannte. Darin ist nachzulesen - ich zitiere -:
„Kein Land wird reich und mächtig, vielmehr das Gegenteil, durch das, was es von außen hereinbekommt, sondern nur durch das alles, was es aus sich selbst heraus entwickelt und emportreibt.“
Das sind auch die Chancen, die wir haben. Ich denke, dieser Satz gilt auch heute noch und für die Zukunft. - Vielen Dank.