Wir merken jetzt, dass dieser abstrakte Satz mehr und mehr ausgefüllt wird, weil die Aufgaben, die wir zu erledigen haben, in immer engerer Verzahnung und Kopplung mit Europa stehen. Und weil die Welt derart komplex und vielgestaltig ist, können wir auch wirklich nicht erwarten, dass wir wieder in eine Situation kommen, in der wir in der Lage wären, viele Bereiche ohne die Europäische Union zu ordnen.
Freilich ist es richtig, dass die Frage der Kompetenzverteilung eine hochpolitische Aufgabe ist und immer wieder austariert werden muss. Es hat nicht umsonst so viele Jahre gedauert, bis wir immerhin einen Vertrag bekommen haben - wenn auch keine europäische Verfassung. Ich glaube, es wird nicht die letzte Frage sein, bei der um die Gestaltungskompetenz, um die Verantwortung der Ebenen gerungen wird.
In einem möchte ich Herrn Gallert jedoch ganz klar widersprechen: Die Auffassung, dass die Welt mit dem Rückholen einer größeren staatlichen Gestaltungskompetenz automatisch besser wäre, ist blauäugig, meine Damen und Herren. Ich möchte an so manche Entscheidung auch in diesem Parlament erinnern, von der ich sagen kann: So ganz klar und so ganz rational war das alles nicht. Wir entscheiden also nicht automatisch besser.
Es ist wichtig, staatliches Handeln und privates Handeln immer wieder vernünftig auszutarieren; und das wird die eigentliche Kunst sein, die uns in den nächsten Jahren begleiten wird. Aber Staat ist nicht automatisch besser als Privat - und umgekehrt ist der Satz ebenfalls falsch, meine Damen und Herren. Es kommt auf die richtige Mischung an.
Wir haben in dem Bereich der Innenpolitik in den letzten Jahren ein gefestigtes Gemeinwesen erreicht. Wir haben Kreisgebietsreformen und Gemeindereformen hinter uns und wir werden morgen ein wichtiges Gesetz beschließen. Ich hoffe, dass wir dann langsam in ein funktionierendes Verwaltungshandeln hineinkommen, das nicht in jeder Legislaturperiode eine neue Reform notwendig macht. Denn wir müssen nun den staatlichen Ebenen auch erst einmal gestatten, sich zu konsolidieren, sich zu festigen, damit man in diesen Ebenen wirklich effektiv und optimal arbeiten kann.
Der Bereich Recht und Verfassung ist unverzichtbar. Auf dem Gebiet eines untergegangenen Landes, in dem weite Bereiche zwar rechtlich geordnet, nicht aber demokratisch geordnet waren, ist es schon eine wichtige Erfahrung für die Menschen und auch für die handelnden Wirtschaftssubjekte, dass man sich auf den Rechtsstaat verlassen kann. Deshalb sind Rechtsstaatlichkeit und Judikatur mit einer verlässlichen Gewaltenteilung sehr, sehr wichtig.
Es war auch folgerichtig, dass die DDR im Jahr 1952 nicht nur die Länder abgeschafft hat, sondern auch die „bürgerliche“ Verwaltungsgerichtstätigkeit. Denn man kann einen demokratischen Zentralismus nur umsetzen, wenn man sich nicht von Gerichten hineinfunken lässt.
Es ist für uns zwar manchmal mühsam und ärgerlich, aber es ist gut, dass wir auch unser eigenes Verhalten immer wieder gerichtlich überprüfen lassen müssen. Deshalb ist eine wirklich gefestigte Demokratie, die auch etwas kostet - das macht uns im Haushalt leider immer wieder viel Mühe -, unverzichtbarer Bestandteil eines modernen demokratischen Staatswesens.
Zur Bildung. Nach den Reden, die heute gehalten worden sind, vermute ich, dass wir uns auch zukünftig über Bildungsfragen streitig unterhalten werden. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass der erste Ministerpräsident Dr. Gies schon am 2. November 1990 in einer Rede eindeutig Position zugunsten des gegliederten Schulwesens mit den zwei markanten Säulen Sekundarschule und Gymnasium bezog, das sich mit wenigen Veränderungen bis heute durchgesetzt hat. Wir als CDU haben - meine Damen und Herren, das möchte ich deutlich sagen - nicht die Absicht, diese Strukturen grundlegend zu verändern.
Wir werden diese Strukturen aufrechterhalten. Wir fühlen uns darin durch die Pisa- und durch die Iglu-Studien bestätigt. Zur Not muss man die SPD auch einmal vor eigenen Fehlern bewahren.
Wenn das auch in Zukunft unsere Aufgabe sein sollte, dann werden wir uns dieser Aufgabe gern widmen.
Zur Hochschullandschaft. Die Hochschullandschaft wurde umfangreich umgestaltet und die neue Kultusministerin Frau Professor Wolff hat jetzt die nicht einfache Aufgabe, die Zielvereinbarungen für die nächste Zeit auszuhandeln. Wir gehen davon aus, dass wir dann eine effektive und auch bezahlbare Hochschullandschaft für die nächsten Jahre haben, die uns auch in Zukunft lieb und teuer sein wird und die effektiv ist. Die beeindruckende Steigerung der Zahl der Studenten ist von meinen Vorrednern schon angeführt worden.
Man darf in einer solchen Rede die Sozialpolitik nicht vergessen; denn die Sozialpolitik gehört zu den eindringlichsten Beispielen für die positive Entwicklung unseres Bundeslandes. Ich habe vorhin schon kurz die medizinische Versorgung erwähnt. Wenn man sich die Krankenhauslandschaft anschaut, sieht man: Das, was in den letzten Jahren auf diesem Gebiet errichtet werden konnte, ist doch wirklich fast ein Wunder. Das, was heute an Standards im Krankenhauswesen selbstverständlich ist, ist doch wirklich ein Wunder.
Es sind mithilfe des Bundes und der anderen Länder große Investitionen in die Krankenhäuser geflossen. Wir merken aber auch, dass aufgrund des demografischen Wandels, den wir in dem Ausmaß nicht erwartet haben, leider der eine oder der andere Standort jetzt zu Recht ins Gerede kommt. Die Bevölkerungsentwicklung hat sich doch etwas anders vollzogen als erwartet. Aber das ist eben Politik. Insbesondere solche Entwicklungen sind nicht bis zum Schluss planbar.
Ich möchte auch unser Kinderförderungsgesetz erwähnen. Der erste CDU-Minister Werner Schreiber hat an diesem Gesetz wesentlich mitgearbeitet. Wir haben diese Strukturen bis heute im Wesentlichen bewahrt und haben eines der modernsten Kinderbetreuungsrechte in Deutschland. Das sollten wir uns bitte von niemandem ausreden lassen. Aber es hat auch niemand in diesem Saal ein ernsthaftes Interesse daran, hier etwas zu ver
ändern. Ich denke, das Kinderförderungsgesetz gehört zu den positiven Alleinstellungsmerkmalen des Landes Sachsen-Anhalt.
Kommen wir zu dem großen Bereich der Landesentwicklung, des Verkehrs und des Wohnungswesens. Die Ergebnisse kann jedermann an den vielen Straßen, die gebaut worden sind, ablesen. Wir haben allein in die Bundesfernstraßen in Sachsen-Anhalt mehr als 6 Milliarden € gesteckt. Wir haben mehr als 100 km Bundesstraßen neu gebaut. Wir haben 193 km Radwege und 249 km Brücken gebaut. Jeder, auch der, der nicht sehr aufmerksam durch unsere Landschaft geht, sieht, dass hier riesige Investitionen zum Wohle der Menschen getätigt worden sind.
Zu den modernen Verkehrswegen gehören auch die Autobahnen - deshalb die Verlängerung der A 14 nach Norden. Dazu gehören aber auch - ich möchte jetzt nicht alle aufzählen - die modernen Wasserstraßen. Wir werden uns morgen wahrscheinlich noch einmal über den Bau des Saale-Seitenkanals unterhalten, der, wie ich denke, dazugehört.
Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt einige Fraktionen einfach daran gemahnen: Wenn wir keine modernen Verkehrswege vorhalten, wenn wir gegen Kohle wettern, wenn wir gegen Aufschlüsse anderer Art in Sachsen-Anhalt wettern, dann laufen wir Gefahr, einer Deindustriealisierungspolitik in diesem Land das Wort zu reden, was auf Dauer unseren materiellen Wohlstand mit Sicherheit nicht retten kann, meine Damen und Herren.
Ich bitte Sie, sich wirklich daran zu erinnern: So wichtig es ist, eine Kulturlandschaft - darauf komme ich nachher noch - zu erhalten und zu entwickeln, so wichtig ist es auch, die notwendigen Freiräume für die Industrie in diesem Land bereitzustellen. Sonst ist unser Wohlstand perdu, meine Damen und Herren.
Die Finanzmärkte sind ebenfalls schon erwähnt worden. In den Finanzmärkten werden nach meiner Auffassung keine materiellen Werte erzeugt, dort werden Werte bewertet. Manch einer hat den verhängnisvollen Fehler gemacht, diese Bewertungen schon für bares Geld zu nehmen, und ist dann hart auf den Boden der Realität zurückgeholt worden. Aber wenn wir zulassen, dass sich die Finanzmärkte zu sehr von den Märkten der materiellen Werte entfernen, dann laufen wir in die Irre.
Das heißt für uns aber auch: Wir müssen Sachsen-Anhalt auch in Zukunft zu einer starken industriellen Basis verhelfen, sonst werden wir seinen Wohlstand auf Dauer mit Sicherheit nicht retten können, meine Damen und Herren.
Es gehört eine moderne Land- und Forstwirtschaft dazu. Mehr als 5 000 Betriebe mit mehr als 30 000 Menschen arbeiten in Sachsen-Anhalt auf diesem Gebiet. Wenn man auch die Zulieferindustrie hinzuzählt, dann gehört selbstverständlich die gesamte Nahrungsmittelverarbeitung in Sachsen-Anhalt zu den modernsten und stabilsten Industriezweigen, die wir vorhalten. Deshalb werden wir auch in Zukunft unser Augenmerk darauf richten.
Wir als CDU gehen weiterhin von der These aus, dass eine moderne Land- und Forstwirtschaft und die ökologi
sche Bewahrung unserer Umwelt nicht in einem Widerspruch stehen müssen. Wenn wir es klug anstellen, bekommen wir eine halbwegs optimale Kombination beider Bereiche hin.
Es gibt so manche Kulturlandschaft, die versteppen würde oder die sich ganz anders entwickeln würde, wenn sie nicht ständig bewirtschaftet würde. Wir dürfen diesbezüglich keine falschen Gegensätze aufstellen. Wir haben die Aufgabe, dieses Spannungsfeld produktiv aufzuarbeiten. Wir als CDU wollen das auch in Zukunft tun.
Ich erinnere an die großen EU-Förderprogramme. Allein in den Jahren 2007 bis 2013 gehen über den ELER Mittel aus EU-Förderprogrammen in Höhe von insgesamt 1,16 Milliarden € in die ländliche Entwicklung ein. Man stelle sich einmal vor, wir hätten diese EU-Mittel nicht - wir wären gar nicht in der Lage, unsere landwirtschaftliche Entwicklung in dem Maße voranzubringen.
Deshalb werden wir auch in Zukunft unser Hauptaugenmerk darauf richten. Die Betrachtungen reichen bis hin zu der so genannten Breitbandentwicklung, die uns im Land Sachsen-Anhalt schon mehrmals beschäftigt hat.
Der riesige Bereich Umwelt beginnt mit der Frage einer effektiven Wasserversorgung und -entsorgung. In Sachsen-Anhalt gibt es mehr als 300 neu gebaute bzw. sanierte Kläranlagen. Das Abwasser von mehr als 86 % der Bevölkerung wird mindestens einer biologischen Behandlung unterzogen. Die jetzt vorhandenen Anschlusswerte waren zum Ende der DDR überhaupt nicht vorstellbar. Das sind Angelegenheiten, die sich in SachsenAnhalt sehr zum Positiven entwickelt haben.
Ich denke an die Altlastensanierung, ohne die wir viele Industriestandorte überhaupt nicht entwickeln könnten. Wir werden über unseren Altlastenfonds auch auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren noch viel zu tun haben.
Ich schlage den Bogen zurück zur Ökologie und sage: Die Biodiversitätsstrategie gehört zu unseren Entwicklungszielen, wenn wir eine Industrieentwicklung in Sachsen-Anhalt und eine lebenswerte Umwelt vernünftig miteinander verbinden wollen. Es gibt die berühmte Frage: Was ist ein Rotkehlchen wert? Wenn es die Rotkehlchen einmal nicht mehr geben sollte, dann werden wir wissen, was Biodiversität tatsächlich bedeutet. Solange wir diese Biodiversität im Land Sachsen-Anhalt haben, müssen wir alles tun, um diesbezüglich unsere Aufgaben zu erfüllen.
Ich denke an den Hochwasserschutz und an das, was auf diesem Gebiet seit 1990 und insbesondere nach dem Elbehochwasser im Jahr 2002 in Sachsen-Anhalt getan worden ist. Überall sieht man, dass die Deiche saniert worden sind. Ich hoffe nicht, dass wir in nächster Zeit derart geprüft werden wie die Menschen an der Oder.
Aber die Oderdeiche sind nach dem Oderhochwasser saniert worden und sie haben, zumindest auf dieser Seite, alle gehalten. Ich gehe einmal davon aus, dass wir mit unseren Deichen - zumindest dort, wo wir schon in der Lage gewesen sind, die Reparaturen und die Sanie
Nun bekomme ich langsam die Kurve zu dem Thema, das alles zusammenschließen muss; das sind die Finanzen. Denn bei den Finanzen kommt letztlich alles zusammen. Deshalb ist die Haushaltskonsolidierung die Schlüsselaufgabe für die nächste Zeit.
Wir konnten die Nettoneuverschuldung in den Jahren 2007 bis 2009 auf null reduzieren. Dies war auch für künftige Haushalte vorgesehen. Allerdings hat uns die Finanzmarktkrise einen Strich durch die Rechnung gemacht und wir werden dieses Ziel nach hinten verschieben müssen. Aber wir werden versuchen, bei uns selbst mit der Einführung der so genannten Schuldenbremse Korsettstangen einzuziehen, die uns zukünftig an eine stärkere Haushaltsdisziplin gemahnen und uns dorthin führen.
Ich möchte an dieser Stelle aber eines noch einmal ganz deutlich sagen: Die Verankerung in der Landeshaushaltsordnung kann und darf nur der erste Schritt sein. Die richtig harte Bandage - das wissen Sie auch, Herr Bullerjahn - kommt erst, wenn wir dies gemeinsam mit der SPD in die Verfassung schreiben. Bis dahin haben Sie noch einiges mit Ihren Freunden zu besprechen. Mit der CDU wird das einfacher zu beraten sein. Aber Sie können sich in dieser Frage auf die CDU verlassen.
Die engen Spielräume, die wir haben, werden dadurch entschieden, ob es uns gelingt, ein nachhaltiges Personalentwicklungskonzept aufzustellen. Das berühmte PEK ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen in der entsprechenden Kommission, in den Ausschüssen und auch im Landtag. Mir macht es ein bisschen Sorge, dass immer mal wieder eine andere Variante des PEK ans Tageslicht kommt.